Selektiver Mutismus

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Selektiver Mutismus
Kinder, die organisch gesund sind – also
sprechen können – dies aber nicht tun oder
nur mit ausgesuchten Menschen, meist aus
der Familie, werden als selektiv mutistisch
bezeichnet.
Die
Weltgesundheitsorganisation
(WHO)
weist eindringlich darauf hin: wenn ein Kind
länger als 4 – 6 Wochen in außerfamiliären,
sozialen Situationen nicht spricht, muß Hilfe
gesucht werden.
Mutismus betrifft in der Mehrzahl Mädchen
(2:1). Betroffene Kinder werden als schüchtern, gehemmt, unsicher, zurückgezogen, zu
ruhig, sozial isoliert, kontaktarm, ängstlich,
manchmal versteckt aggressiv beschrieben.
Die Zäsur kommt meist mit dem Eintritt in
den Kindergarten. Dort fallen sie durch das
Nicht-Sprechen, mangelnden Aufbau von
Sozialkontakten
und
Verweigerung
von
Anforderungen auf.
Zwangsläufig
entstehen
so
soziale
Beeinträchtigungen. Über Jahre bestehend
hinterlassen diese unweigerlich Spuren in der
Persönlichkeit.
Monatelanges,
jahrelanges
konsequentes Schweigen erfordert zudem
eine ungeheure psychische Energie, die auf
Kosten anderer Bereiche, z.B. Lernen, geht.
Sprechen fällt
auch als Mittel zum
Wissenserwerb aus. So kommt es oft, trotz
gutem Potenzial zu intellektuellen Defiziten.
Verstummen
ist
eine
Strategie
Problemlösung - aber keine günstige.
zur
In ganz Deutschland ist auch in fachlichen
Kreisen ein Wissensdefizit festzustellen; so
kommt es häufig zu Beschwichtigungen der
Eltern,
z.B. „Das wächst sich noch aus.
Lassen sie ihr doch Zeit!“. Doch genau
diese haben die Kinder nicht.
Der Leidensdruck hinter einer mutistischen
Störung
wird
oft
verkannt.
Selektiv
mutistische Kinder als nicht therapiebedürftig
anzusehen, heißt, sie mit ihren Problemen
allein zu lassen. Hinter der Verweigerung zu
sprechen, steckt meist Angst. Angst, die das
Kind bindet und keinen freien Willen zuläßt,
(wieder) zu sprechen.
Manchmal wird selektiver Mutismus auch mit
frühkindlichem
Autismus/Asperger-Syndrom
verwechselt.
Mutismus
wird
in
der
internationalen
Klassifizierung als psychisch begründete
psychosoziale Störung (ICD-10, F 94.0)
definiert.
Eine ausschließlich logopädisch/sprachtherapeutische
Behandlung
ist
daher
kontraindiziert;
sie
kann
sogar
symptomverstärkend sein (Prof. R. Castell,
Uni
Erlangen,
Abt.
Kinderund
Jugendlichenpsychiatrie).
Tritt kein eindrücklicher Fortschritt innerhalb
von 6 Monaten nach Therapiebeginn ein,
sollte ein Therapiewechsel stattfinden (Prof.
M. Doepfner, Uni Köln, Psychiater für Kinder
und Jugendliche).
Wenn Kinder schweigen
Jana zeigt seit ihrer Geburt ein ängstliches
Verhalten. Seit zwei Jahren geht sie in den
Kindergarten. Bis heute spricht sie nicht mit
den Erzieherinnen und den anderen Kindern.
Jana steht im Raum meist an einer Wand
und spielt nicht mit. Sie soll nächstes Jahr
eingeschult werden. Trotz normaler Intelligenz
spricht das Fachpersonal von Förderschule.
Im häuslichen Umfeld spricht Jana normal
laut mit den Eltern. Mit dem Opa flüstert
sie inzwischen, mit der Oma hat sie noch
nie gesprochen.
Hannah, 8 Jahre, sprach weder im
Kindergarten noch spricht sie in der
Grundschule. Sie verweigert das Turnen. In
der Klasse ist sie eine Außenseiterin ohne
Freunde. Sie versteckt ihr Gesicht hinter den
langen Haaren und manchmal saugt sie
daran. Wenn sie von der Schule kommt ist
sie aggressiv, laut und redet ohne Unterlaß.
Auffälligkeiten im Verhalten
Beispiele

Spricht nicht in fremder Umgebung
 zeigt oft einen starren, leeren Gesichtsausdruck;
meidet Blickkontakt

wirkt traurig, depressiv, verschlossen

verständigt sich mit starkem mimisch-gestischen
Ausdruck

neigt zu aggressivem / auto-aggressivem
Verhalten, meist innerhalb der Familie

steht wie versteinert im Kindergarten, Schule

nässt und/oder kotet ein; entwickelt Tics/Zwänge
 zeigt ein ungewöhnliches Eß-/Schlafverhalten
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