5 Die Sinne des Menschen Klassischerweise unterscheidet man im allgemeinen Sprachgebrauch fünf Sinne: SEHEN, die visuelle Wahrnehmung mit den Augen - HÖREN, die auditive Wahrnehmung mit den Ohren - RIECHEN, die olfaktorische Wahrnehmung mit der Nase - SCHMECKEN, die gustatorische Wahrnehmung mit der Zunge TASTEN, die taktile Wahrnehmung mit der Haut. Nah- und Fernsinne Die Sinneskanäle des Menschen können in Fernsinne (Hörsinn und Sehsinn) und Nahsinne (alle übrigen Sinne) unterschieden werden. Bei einer Schädigung der Fernsinne spricht man von Sinnesbehinderung, da diese Sinne die wichtigsten Informationsüberträger des Menschen sind. Die große Bedeutung der Fernsinne (Hörsinn und Sehsinn) zeigt sich ebenfalls dadurch, dass unser Bewusstsein z. B. nicht „auf den Augen sieht“, sondern dass der Sinneseindruck des Sehens vom Gehirn aus dem Körper heraus projiziert wird, bei den Nahsinnen (alle übrigen Sinne) hingegen wird der Sinneseindruck direkt mit dem Organ verknüpft „man schmeckt auf der Zunge“ oder „riecht in der Nase“. Weitere Sinne Die moderne Physiologie kennt für den Menschen noch vier weitere Sin ne: Temperatursinn, Thermorezep tion - Schmerzempfindung, Nozizep- tion - Vestibulärer Sinn, Gleichge wichtssinn - Körperempfindung (oder Tiefensensibilität), Propriozeption. Darüber hinaus gibt es weitere sensorische Fähigkeiten, die aber nicht bewusst oder direkt wahrnehmbar sind. Beim Menschen etwa die BlutdruckRezeptoren im Bereich der Kehle, mit denen innere Regelkreise für eine hochwertige und gleichmäßige Blutversorgung des Körpers insbesondere des Gehirns sorgen. Bei normalem Befinden ist dieses Signal ständig gut ausgeregelt, gelingt dies jedoch nicht mehr, so treten Störungen des Gesamtzustands ein, etwa eine plötzliche Bewusstlosigkeit. Der 6. Sinn Der Ausdruck „6. Sinn“ wird häufig verwendet, wenn jemand etwas bemerkt, ohne es (bewusst) mit den bekannten fünf Sinnesorganen wahrzunehmen, manchmal im Sinne von „außersinnlicher Wahrnehmung“ (PsiFähigkeiten, Telepathie, Hellsehen, Präkognition). Im allgemeinen Sprachgebrauch ist er jedoch von „außersinnlicher Wahrnehmung“ begrifflich zu trennen, denn beim „6. Sinn“ handelt es sich normalerweise um einen umgangssprachlichen Ausdruck zur Beschreibung einer Alltagssituation. Es soll in der Regel keine bestimmte Aussage dazu getroffen werden, wie die Wahrnehmung funktioniert hat (es kann sich also durchaus um unbewußte Wahrnehmung mit den normalen Sinnen, um bloße zufällige Übereinstimmung, aber auch um ein echte „außersinnliche Wahrnehmung“ im engeren Sinn handeln), sondern lediglich, dass sie in der gegebenen Situation nicht offensichtlich zu erklären war. Biologen benutzen diesen Begriff allerdings zunehmend, um damit elektrische und magnetische Sinne von Tieren zu beschreiben: Zitteraale erkennen im Dunkeln ihre Gegner durch die Wahrnehmung von Änderungen elektrischer Felder, die sie selbst aussenden; Zitterrochen nehmen die Körperelektrizität ihrer Beute wahr; Klapperschlangen haben einen Wärmesinn; Webspinnen erkennen durch einen Schwingungssinn die kleinsten Bewegungen in ihren Netzen; an Rot kehlchen, Tauben und diversen anderen Vögeln wurde ein Magnetsinn experimentell nachgewiesen. Alle diese Sinne, die inzwischen genauer erforscht werden, haben eine Verankerung im Biologischen und sind nichts Übernatürliches. Wissenschaftler von der Washington Universität in St. Louis (USA) konnten mittels Magnetresonanztomographie nachweisen, dass eine bestimmte Hirnregion, der anteriore cinguläre Cortex (ACC), ein Frühwarnsystem darstellt, das bei drohender Gefahr einer Fehlentscheidung aktiv wird. Offensichtlich empfängt diese im Frontallappen liegende Hirnregion Umgebungssignale, die dann unverzüglich auf potentielle Gefahren hin analysiert werden. Sollte eine Situation als „gefährlich“ interpretiert werden, schlägt es sofort Alarm, so dass das Individuum die Möglichkeit hat, eine Änderung seines momentanen Verhaltens einzuleiten. Menschen, die auf diese Weise rechtzeitig einer Gefahrensituation entronnen sind, führen dies dann gerne auf ihren „6. Sinn“ zurück. SEHEN Für den Menschen ist der Sehsinn von sehr großer Bedeutung. Er ist der Leitsinn, der ihm und anderen visuell ausgerichteten Lebewesen eine sichere Orientierung ermöglicht. Der adäquate Reiz für das Sinnesorgan Auge entsteht beim Menschen durch elektromagnetische Strahlung mit einer Wellenlänge zwischen etwa 400 und 760 Nanometer und ist für Tag- und Nachtsehen etwas unterschiedlich. Der anatomische und funktionelle Aufbau des Augapfels stellt sicher, dass die zentrale Eigenschaft des menschli chen Sehsinns, die Sehschärfe, eine entsprechend hohe Qualität erreicht. Sie entsteht in einem etwa 5° großen Bereich unseres insgesamt horizontal rund 170° und vertikal rund 110° umfassenden binokularen Gesichtsfeldes. Bei der Geburt besitzt das Auge noch nicht seine volle Sehfähigkeit. Erst im Laufe der ersten Lebensmonate lernt es, die Dinge im Umfeld zu fixieren und somit für die notwendige Stimulanz zu sorgen, die das visuelle System für eine adäquate Entwicklung der Sehschärfe benötigt. Die Augen weisen im frühkindlichen Stadium in der Regel eine physiologische Weitsichtigkeit von +2,0 bis +3,0 Dioptrien auf. Durch das anatomische Wachstum ändern sich auch die optischen Verhältnisse. Die Weitsichtigkeit reduziert sich bis zum Erwachsenenalter deshalb im Idealfall auf etwa +0,5 Dioptrien. Die Augenfarbe entsteht durch unterschiedliche Pigmentierung der Regenbogenhaut (Iris). Durch Einlagerung des braunfärbenden Melanins in die Iriseigenschicht bildet sich eine charakteristische Augenfarbe, die in Abhängigkeit von der Pigmentmenge über grau, gelb, grün bis braun, bei entsprechend hoher Menge von Melanin sogar bis hin zu schwarz, reicht. Dieses korreliert beim Menschen meist mit der Haut- und Haarfarbe. So besitzen hellhäutige und blonde Menschen eher blaue Augen, während dunkelhäutige mit dunklen Haaren meist eine braune Irisfärbung aufweisen. Etwa 90 Prozent aller Menschen weltweit haben braune Augen, darunter der weitaus überwiegende Teil der Menschen nichteuropäischer Abstammung. Der Rest verteilt sich auf Blau, Grün und Grau. HÖREN Beim Menschen wird das Ohr in drei Bereiche eingeteilt: Das Außenohr umfasst den Ohrknorpel, die Ohrmuschel, das Ohrläppchen und den äußeren Gehörgang oder auch Ohrkanal und die Außenseite des Trommelfells. Die zahlreichen Erhebungen und Vertiefungen der Ohrmuschel bilden jeweils akustische Resonatoren, die jeweils bei Schalleinfall aus einer bestimmten Richtung angeregt werden. Zum Mittelohr gehören das Trommelfell und die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel. Das Runde Fenster verbindet die Paukentreppe des Innenohrs mit dem Mittelohr. Die Eustachische Röhre, auch Ohrtrompete genannt, verbindet Mittelohr und Nasenrachenraum. Im Mittelohr findet eine mechanische Impedanzwandlung statt, die eine optimale Übertragung des Signals vom Außenohr zum Innenohr ermöglicht. Das Innenohr liegt in einem kleinen Hohlraumsystem innerhalb des Felsenbeines, eines Teils des Schläfenbeines. In diesem knöchernen Labyrinth befindet sich das membranöse oder häutige Labyrinth, bestehend aus der Gehörschnecke (Cochlea), in der Schall in Nervenimpulse umgesetzt wird, und dem Gleichgewichtsorgan. Das Gehör: Die Wahrnehmung von akustischen Signalen wird wesentlich davon mitbestimmt, wie Schallschwingungen auf ihrem Weg vom Außenohr über das Mittelohr hin zu den Nervenzellen des Innenohrs jeweils umgeformt und verarbeitet werden. Das menschliche Gehör kann akustische Ereignisse nur innerhalb eines bestimmten Frequenz- und Schalldruckpegelbereichs wahrnehmen. RIECHEN Die Nase ist beim Menschen im Gesichtszentrum. Hinter dem Nasenraum liegt der Rachen, der Speise- und Luftweg verbindet. Außen unterscheidet man bei der menschlichen Nase Nasenwurzel, Nasenrücken und Nasenspitze sowie die seitlichen Nasenflügel. Anatomisch gehört die Nase zu den äußeren und oberen Atemwegen. Die Nasenlöcher führen in das Innere der Nase, jeweils zuerst in den Nasenvorhof der von behaarter äußerer Haut ausgekleidet ist, dann in die eigentliche senatmung in körperlicher Ruhe nicht gleichmäßig durch beide Nasenlöcher statt. Diesen Vorgang bezeichnet man als Nasenzyklus. Der Luftstrom durch jeweils eines ist verringert, um eine Regeneration seiner Schleimhaut zu ermöglichen. Nach einer gewissen Zeit wechselt der Hauptstrom zum jeweils anderen Nasenloch, was bei einer gesunden Nase unbemerkt vonstattengeht. Nasenhöhle. Diese ist durch die Nasenscheidewand in zwei getrennte Abteilungen gegliedert und von einer Schleimhaut mit Flimmerepithel ausgekleidet. Linkes und rechtes Cavum nasi sind jeweils durch die knöchern gestützten Nasenmuscheln untergliedert. Zwischen den Nasenmuscheln liegen drei Nasengänge. Beim Menschen besteht eine natürliche Enge des Naseneingangs und wird als „Nasenklappe“ bezeichnet. Die Enge entsteht zwischen dem unteren Rand des Dreieckknorpels und der Nasenscheidewand, äußerlich zu sehen durch eine Einziehung oberhalb der Flügelknorpel, die den äußeren Naseneingang stabilisieren. Eine menschliche Nase ist in Europa bei Frauen im Schnitt 5,1 cm und bei Männern im Schnitt 5,8 cm lang. Durch die Nase wird die Atemluft ein- und ausgeatmet, wobei die kalte Luft erwärmt und angefeuchtet wird. Dabei fangen die Nasenhaare und die Flimmerhärchen Fremdpartikel ab. Dank der Nase kann man auch mit geschlossenem Mund atmen. Dies wird bei der zirkulären Atmung ausgenutzt. Beim Menschen findet die Na- SCHMECKEN Weit gefasst wird unter Geschmack ein komplexer Sinneseindruck bei der Nahrungsaufnahme verstanden, der durch das Zusammenspiel von Geruchssinn und Geschmackssinn sowie Tastsinn, Temperatur- und Schmerzempfinden entsteht. Die in diesem Sinne als „Geschmack“ auf eine Speise bezogenen Empfindungen kommen in vielen Fällen vornehmlich durch Aromen zustande, die vom Geruchssinn wahrgenommen werden, und weniger durch Reize inner- halb der Mundhöhle. Daher führt eine gestörte Geruchswahrnehmung wie bei einem Schnupfen oder ein völliger Verlust des Geruchssinns zu einem deutlich beeinträchtigten Empfinden der geschmeckten Nahrung. Die biologische Bedeutung des Geschmacks liegt an seiner Rolle beim Auffinden von Nahrung und bei der Prüfung zugeführter Nahrungsmittel, bevor sie geschluckt und eingenommen werden. Im Zusammenspiel mit anderen Sinnesmodalitäten wird der sinnliche Eindruck des Schmeckens zu einem sensorischen Bild gefasst, mit dem Speisen nun verglichen und gewählt, und so dann gesucht oder gemieden werden können. Bei Menschen zeigen schon Neugeborene Vorlieben für bestimmte Geschmacksqualitäten und präferieren süß und wohlschmeckend, während eine angeborene Aversion gegen Bitteres und Saures festzustellen ist. Die Sensibilität für die Wahrnehmung von Geschmacksreizen ist bei Menschen auch genetisch bedingt und individuell unterschiedlich. Forscher unterscheiden Normal-, Super- und Nicht-Schmecker. Die Fähigkeit der Geschmackswahrnehmung nimmt generell im Alter ab, starke Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigungen können zu einem Verlust des Appetits führen. Von der Geschmacksempfindung zu unterscheiden ist die Bewertung eines Geschmacks, die durch Enkulturation und Sozialisation beeinflusst wird. So wird die angeborene Geschmacksaversion gegen Bitterstoffe in den meisten Kulturen nicht lebenslang absolut beibehalten, wie sich anhand des Konsums von Kaffee oder Bier belegen lässt. Die Bewertung von Geschmack beeinflusst die Entstehung von Präferenzen und Aversionen, wobei individuelle Erfahrungen eine wichtige Rolle spielen. Welcher Geschmack als angenehm empfunden wird, ist bis auf wenige Ausnahmen keine natürliche Eigenschaft der Lebensmittel oder Speisen, sondern eine kulturelle Zuschreibung, an der sich die Esser orientieren und die sie weitgehend übernehmen. Geschmack, Genuss und Küche sind Produkt eines langen Abstimmungsprozesses, bei dem die Küche die Geschmacks- und Genusserwartungen jeweils praktisch umsetzt. TASTEN Der Tastsinn ist einer der Sinne unserer Haut. Spezialisierte Rezeptorzellen reagieren auf kleinste Druckunterschiede, Berührungen und Vibrationen. Andere Sinnesrezeptoren in der Haut reagieren auf Hitze und Kälte oder können Schmerzempfindungen generieren. Am meisten Tastrezeptoren finden sich in den Fingerspitzen und auf den Lippen. Wie funktioniert der Tastsinn? Mit unseren Händen sind wir sogar blind in der Lage, Formen, Gewicht und Texturen von Objekten wahrzunehmen. An dieser Wahrnehmung sind verschiedene Tastrezeptoren beteiligt, welche Informationen über Eigenschaften von Oberflächen liefern. Gewisse Zellen reagieren auf Druck, andere eher auf Vibrationen und wieder andere auf passiv erfol- gende Berührungen. Diese Informationen gelangen ins Gehirn und führen zu einer dreidimensionalen Wahrnehmung des abgetasteten Gegenstandes. Eine hohe Zahl von Tastrezeptoren findet man auch auf der Zunge: Sie vermitteln Informationen über die Konsistenz von Nahrung. Gewisse Tastrezeptoren gewöhnen sich relativ schnell an einen konstanten Reiz und hören auf, Informationen weiterzuleiten. Dieses Phänomen macht es möglich, dass wir unsere Kleider auf der Haut nicht spüren. Tastsinn bei erblindeten Menschen Hirnareale, welche für das Sehen zuständig waren, werden teilweise „umgenutzt“ und für die Verarbeitung von Hör- und Tastsinneseindrücken verwendet. Blinde sind in der Lage, sich anhand der Vibrationen eines Blindenstocks ein Bild über den Untergrund zu machen und die kleinen Unebenheiten der Blindenschrift zu lesen. Mit etwas Übung können sich Blinde anhand eines Modells ein genaues Bild von einem Gebäude machen. Auch sehende Menschen können mit etwas Training ihren Tastsinn verbessern.