Aufbau einer Ionisationskammer zur Verwendung im F-Praktikum, Schwerpunkt experimenteller Aufbau Bachelorarbeit im Studiengang Bachelor of Science“ ” im Fach Physik an der Fakultät für Physik und Astronomie der Ruhr-Universität Bochum von Christopher Kükenbrink aus Bochum Bochum 2014 Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt sowie Zitate kenntlich gemacht habe. Bochum, den 17.09.2014 Christopher Kükenbrink Christopher Kükenbrink Institut für Experimentalphysik I Universitätsstraße 150 Ruhr-Universität Bochum 44801 Bochum [email protected] Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 2. Theoretische Grundlagen 2.1. Bethe-Bloch-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Teilchenidentifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. mittleres Ionisationspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 4 5 3. Versuchsaufbau 3.1. Ionisationskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Oberflächensperrschichtdetektor . . . . . . . . . . . . 3.3. Vorverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4. Hauptverstärker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5. Single-Channel-Analyzer . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6. Time-Amplitude-Converter . . . . . . . . . . . . . . 3.7. Analog-Digital-Converter und Multichannelanalyzer . . . . . . . 7 8 11 13 15 16 17 18 4. Messergebnisse 4.1. ∆E-Signalhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Driftzeit der Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3. ∆E-E-Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 21 22 24 5. Zusammenfassung 28 A. Anhang A.1. Messwerttabellen . . . . . . . . . . . A.2. Fehlerrechnung . . . . . . . . . . . . A.2.1. Zur Driftzeit der Elektronen . A.2.2. Zur ∆E-E-Messung . . . . . . A.3. Druckregelsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 29 31 31 32 34 1. Einleitung Die vorliegende Bachelorarbeit zum Verhalten einer Ionisationskammer bei verschiedenen Betriebsparametern hat zum primären Ziel, der Fakultät für Physik und Astronomie an der Ruhr-Universität Bochum einen Fortgeschrittenen-Praktikumsversuch im Fachgebiet der Teilchenphysik bereitzustellen, in welchem sich die Praktikanten mit den grundlegenden Prinzipien von Teilchendetektoren vertraut machen können. Da dies in der experimentellen Physik ein sehr grundlegendes Messgerät ist, vor allem in der angewandten Kern- und Teilchenphysik, ist es sinnvoll schon früh in der hochschulischen Ausbildung erste Erfahrungen mit der Funktionsweise, den theoretischen Möglichkeiten und Messverfahren einer Ionisationskammer im Rahmen des Praktikums zu gewinnen. Es werden Messungen bei Variation verschiedener Parameter des künftigen Versuchsaufbaus durchgeführt, um Erfahrungswerte für die optimalen Einstellungen zu gewinnen. Zusammen mit der Bachelorarbeit von Jan Haase Aufbau einer Ionisations” kammer zur Verwendung im F-Praktikum, Schwerpunkt digitale Signalverarbeitung“ soll diese Abhandlung als Teil eines Ganzem betrachtet werden, wobei sie den Schwerpunkt auf den experimentellen Aufbau legt und durchaus als eigenständige Arbeit gesehen werden kann. Sie bilden zusammen die Grundlage, um geeignete Aufgaben für den zukünftigen Praktikumsversuch zu stellen und werden als Referenz zur Durchführung des Experiments benutzt. 1 2. Theoretische Grundlagen 2.1. Bethe-Bloch-Gleichung Schwere geladene Teilchen, die sich durch Materie bewegen, verlieren kinetische Energie durch Stöße mit den Hüllenelektronen der Atome/Moleküle und können diese auf eine höhere Schale heben (Anregung) oder aus dem Atom herausschlagen (Ionisation). Inelastische Stöße mit den Kernen oder Prozesse, bei denen auch neue Teilchen über die starke Wechselwirkung entstehen, verlangen hohe Energien im GeV-Bereich und werden hier nicht besprochen. Der auf den zurückgelegten Weg normierte mittlere Energieverlust - dE dx der Teilchen durch einen Absorber ist dabei, neben der kinetischen Energie E, direkt abhängig von seiner Ladungszahl z. Diese Abhängigkeit wurde von Hans Bethe und Felix Bloch in der nach ihnen benannten Bethe-Bloch-Gleichung beschrieben. In der Literatur findet man viele verschiedene Darstellung dieser Gleichung, je nachdem ob man sie klassisch oder quantenmechanisch herleitet, ob sie für einen großen Massenbereich von Teilchen gelten soll oder ob sie relativistische Korrekturen enthält: dE 1 2me c2 β 2 γ 2 Tmax δ 2 2 2 Zρ 2 − = 4πNA re me c z ln −β − (2.1) dx Aβ 2 2 I(1 − β 2 ) 2 wobei NA die Avogadrozahl (dimensionslos), re und me der klassische Radius und die Masse des Elektrons, c die Lichtgeschwindigkeit, z und β=v/c die Kernladungszahl und Geschwindigkeit (auf c normiert) des passierenden Teilchens, Z/A/I/ρ Kernladungszahl/Massenzahl/mittleres Ionisationspotential/Massendichte des Absorbers und γ der Lorentzfaktor ist. Die oben aufgeführte Bethe-Bloch-Gleichung entspricht der Darstellung in der Arbeit der Forschergruppe um W.-M. Hao für die particle data group (kurz pdg)[1] , sowie der bei Amsler.[2] Die Größe Tmax in Gl.(2.1) steht für den maximalen Energieübertrag eines einfallenden Teilchens an ein Hüllenelektron und lässt sich durch eine Betrachtung der Viererimpulse von Teilchen und Elektron vor und nach einem Stoß bestimmen. Nach Amsler gilt für ein Teilchen mit Masse M und Geschwindigkeit β: Tmax 1 = 2me β 2 c2 γ 2 M 2 M 2 + m2e + 2γM me 1 (2.2) Bei Amsler, S.114, wird der Faktor c2 nicht aufgeführt, da dort in natürlichen Einheiten (c≡1) gerechnet wird. 2 2. Theoretische Grundlagen Abbildung 2.1.: schematischer Verlauf der Bethe-Bloch-Gleichung in relativistischer Form abhängig vom Boost βγ, in beliebigen Einheiten. Ähnlich entnommen aus [2]. Benutzt man, dass bei α-Teilchen M = b mα me ist, folgt Tmax = 2me β 2 c2 γ 2 , (2.3) dE 2me c2 β 2 γ 2 2 2 2 Zρ 2 − = 4πNA re me c z ln − β − δ/2 . dx Aβ 2 I(1 − β 2 ) (2.4) und aus (2.1) wird Da die Ionisationskammer zur Vermessung von α-Teilchen aus radioaktiven Zerfällen (Eα ≈ 5 MeV ⇒ β = 0,052 , γ = 1,001) benutzt wird, können die entsprechenden Korrekturen für unsere Anwendungen vernachlässigt werden: So entspricht in Gl.(2.4) der Term -β 2 in der eckigen Klammer einem relativistischen Spineffekt der Elektronen des Absorbers, und - 2δ einer Dichtekorrektur von Pauli bei sehr hohen Energien oder sehr dichten Absorbern (entsprechend vielen Ionisationen von Hüllenelektronen), die die Polarisation der Absorberteilchen berücksichtigt: dE 2me c2 β 2 γ 2 2 2 2 Zρ − = 4πNA re me c z ln (2.5) dx Aβ 2 I(1 − β 2 ) Abbildung 2.1 zeigt den schematischen Verlauf von Gl.(2.5) bei festen Werten von z, Z/A und I in dem Energiebereich, in dem sie gültig ist (0, 05 < βγ < 500). Für kleine Werte von βγ dominiert der 1/β 2 -Term, sodass langsame Teilchen stärker abgebremst werden als schnelle; für große Werte von βγ steigt - dE dx logarithmisch an. dE Man erkennt, dass ein Minimum von - dx bei βγ ≈ 3 existiert. Teilchen mit dieser Energie werden auch als minimalionisierend bezeichnet (minimum ionizing particles, kurz MIPs)1 . Teilchen mit einer viel niedrigeren Geschwindigkeit lassen sich nicht mehr durch die Bethe-Bloch-Gleichung beschreiben, da ihre Geschwindigkeiten mit denen der gebundenen Elektronen der Atome des Absorbers vergleichbar werden, was im Widerspruch 1 Nach Amsler, S.116-117 3 2. Theoretische Grundlagen zu einer Annahme bei der Herleitung von Gl.(2.1) steht. In Bereichen sehr großer Geschwindigkeiten sorgen erst die vernachlässigten Korrekturen, und weit außerhalb des Gültigkeitsbereichs der Bethe-Bloch-Gleichung vor allem Bremsstrahlungseffekte für einen rasanten Anstieg des Bremsvermögens. 2.2. Teilchenidentifikation Da Gleichung (2.5) auch für hochrelativistische Teilchen gilt, die im Versuch nicht vorkommen, kann sie noch weiter p vereinfacht werden. Für die im Versuch auftretenden Geschwindigkeiten ist γ = 1/ 1 − (v/c)2 etwa 1 und I(1-β 2 ) etwa I. β 2 c2 = v2 im Logarithmusargument und β 2 im Nenner können klassisch über die Energie durch v2 = 2E/m ausgedrückt werden: dE 4πNA re2 me mα c4 z 2 Zρ 4me = ln Eα − (2.6) dx 2AEα Imα 100 16O 12C -dE/ρ∙dx [MeV∙cm²/mg] 10 6Li 1 α T D 0,1 p 0 1 2 3 4 E [MeV] 5 6 7 8 Abbildung 2.2.: Dichtenormierter Energieverlust pro Wegstrecke in einem Absorber für verschiedene Ionen: Proton, Deuteron, Triton, Helium-4, Lithium-6, Kohlenstoff-12, Sauerstoff-16 (von unten nach oben). Der Vergleich mit gewonnenen Messdaten aus Kollisionsexperimenten mit dieser Grafik kann direkt die Produktteilchen identifizieren. Mithilfe der Gleichung (2.6) lassen sich z.B. Reaktionsprodukte aus Kollisionsexperimenten von schweren Ionen, bei denen eine Vielzahl von neuen Ionen entstehen kann, identifizieren, indem in einer gasgefüllten Ionisationskammer erst ihr spezifischer Energieverlust pro Weg (meist auf ρ genormt, s.u.) und nach einer gewissen Flugstrecke die Restenergie ERest in einem Halbleiterdetektor gemessen werden. Wird 4 2. Theoretische Grundlagen -dE/ρdx gegen E bei bekannten Werten von Z, A und I aufgetragen, ergibt dies für die Teilchensorten charakteristische Kurven, die sich untereinander in ihrer Lage im Diagramm wegen den verschiedenen Massen-Ladungs-Verhältnissen unterscheiden (Abb. 2.2). Tatsächlich werden genau so die α-Teilchen in dem künftigen Praktikumsversuch, der aus dieser Arbeit folgt, identifiziert“. ” Es gibt jedoch den Nachteil, dass Antiteilchen, wie z.B. das µ+ , durch diese Methode nicht von ihren Partnern (µ− ) aufgrund des Faktors z2 > 0 unterschieden werden können. Dazu müsste z.B. in einem angelegten Magnetfeld die Richtung der Lorentzkraft, die auf diese Teilchen wirkt, gemessen werden. 2.3. mittleres Ionisationspotential Abbildung 2.3.: mittleres Ionisationspotential für chemische Elemente, dividiert durch Z. Einzelne Messpunkte sind mit Fehlerbalken eingezeichnet, die Stellen von 5 Edelgasen sind besonders gekennzeichnet. Die Kurve, die die Messpunkte verbindet, interpoliert. Entnommen aus [2], S.116. Die Größe I in den Gl. (2.1) bis (2.6), die für das mittlere Ionisationspotential der Teilchen des Absorbers steht, ist eine der wichtigsten Größen der Bethe-Bloch-Gleichung und keineswegs trivial zu bestimmen. Günstigerweise geht I logarithmisch in die BetheBloch-Gleichung ein, sodass ein falscher Wert keinen großen Fehler produziert. Theoretisch ist I für alle Stoffe berechenbar, jedoch ist der Aufwand jenseits von einfachen Atomen zu groß. Außer der offensichtlichen Abhängigkeit von der Anzahl der Proto- 5 2. Theoretische Grundlagen nen Z im Kern ist I noch vom molekularen Zustand abhängig: So ist nach Grupen[3] I = 15 eV für atomaren, 19,2 eV für molekularen und 21,8 eV für flüssigen Wasserstoff. In der Literatur findet man daher viele verschiedene Versuche, I in eine empirische Abhängigkeit von Z zu bringen, unterstützt durch Messungen an möglichst vielen Elementen des Periodensystems. In Abbildung 2.3 ist so eine Messung grafisch dargestellt. Man erkennt, dass I/Z für Elemente mit Z > 16 um etwa 10 eV (gestrichelte Linie) schwankt; für Z < 13 ist I/Z größer, schwankt aber sehr stark von Element zu Element. Grupen gibt dabei als Näherung I = 16 · Z0,9 für alle Elemente außer Wasserstoff. Bei Amsler wird I ∼ 10 · Z eV genähert für Z > 15. Für den im Versuch benutzten Absorber Isobutan (C4 H10 ) sind diese Annahmen keine guten Näherungen mehr. Für solche gängigen Absorbermaterialien werden Tabellen mit Messwerten angelegt, bei denen I am Ionisationsminimum von Gleichung 2.5 bestimmt wird. Bei Blum/Rolandi[4] findet sich so eine Tabelle. Der dort aufgelistete Wert I = 48,3 eV für Isobutan wird in der vorliegenden Arbeit verwendet. Abbildung 2.4.: Eigenschaften gängiger Absorbergase, insbesondere Werte für das mittlere Ionisationspotential. Entnommen aus [4]. 6 3. Versuchsaufbau Abbildung 3.1.: Blockschaltbild der zwei verschiedenen Aufbauten, die im Versuch verwendet wurden. Oben: Allgemeine Schaltung zur Messung der Energien der Teilchen und zur Verifizierung der Bethe-Bloch-Gleichung. Unten: Schaltung speziell zur Messung der Elektronendriftzeiten in der Kammer. Ähnlich entnommen aus [5]. 7 3. Versuchsaufbau 3.1. Ionisationskammer Damit Teilchen über die Bethe-Bloch-Gleichung (2.6) identifiziert werden können, werden die beiden Messgrößen E und ∆E benötigt, wenn die restlichen Größen bekannt sind. Um diese Werte zu erhalten werden zwei gängige Detektoren benutzt: eine Ionisationskammer und ein Oberflächensperrschichtdetektor. Eine Ionisationskammer ist prinzipiell ein gasgefüllter Kondensator und eine der flexibelsten Detektorenarten. Je nach Bauart, Art des Füllgases oder der an den Elektroden angelegten Spannungen und dem daraus resultierenden elektrischen Feld zwischen ihnen, ist sie für α-, β- oder γ-Strahlung, für Ionenstrahlung und selbst für freie Neutronen empfindlich. In der medizinischen Physik wird eine solche Kammer oft zur Überwachung der Strahlungsdosis verwendet, indem der mittlere Strom in der Kammer, der durch die Vielzahl an Ionisationen entsteht, kontrolliert wird. Strahlung, die in die Kammer eintritt, ionisiert entlang ihrer Flugstrecke Gasmoleküle, wobei die frei werdenden Elektronen und Ionen durch das anliegende elektrische Feld zu den jeweils entgegen geladenen Elektroden wandern. Je nach Stärke des anliegenden Feldes unterscheidet man die Betriebsart der Kammer, da bei großen Abbildung 3.2.: Zahl der gemessenen Ladungsträger in einer Ionisationskammer in Abhängigkeit von der angelegten Spannung an den Elektroden für verschiedene Teilchenarten. I) Rekombinationsbereich, II) Ionisationskammerbereich, III) Proportionalitätsbereich, IV) beschränkte Proportionalität, V) Geiger-Bereich, VI) Entladungsbereich. Entnommen aus [6]. 8 3. Versuchsaufbau Energien der freien Elektronen und Ionen weitere Elektronen aus den Gasmolekülen herausgeschlagen werden können (Sekundärionisation): Bei sehr geringen Feldstärken in der Kammer ist die Zahl der tatsächlich gesammelten Ladungsträger n, die als Strompuls registriert werden, kleiner als die Zahl der ursprünglich durch Ionisation (ohne Sekundärionisation) freigewordenen Ladungsträger n0 (Bereich I). Die Energien der Elektronen und Ionen ist so gering, dass diese teilweise rekombinieren. Im Bereich II gilt etwa n = n0 , d.h. die Zahl der Rekombinationen geht praktisch auf 0 zurück. Diese Konfiguration wird häufig in Ionisationskammern benutzt, um direkt die deponierte Energie im Gas zu messen. Bei größeren, aber nicht zu großen Feldstärken in den Bereichen III und IV ist die Zahl der gesammelten Ladungsträger noch proportional (bzw. beschränkt proportional) zu n0 ; es kommt vermehrt zu Sekundärionisationen des Absorbers. Detektoren, die in diesem Bereich betrieben werden, werden auch als Proportionalitätskammern bezeichnet. Ist der Proportionalitätsfaktor bekannt, kann so immer noch direkt die deponierte Energie gemessen werden. Im Versuch wird die Kammer in diesem Bereich betrieben. Große Feldstärken in der Kammer bewirken, dass einzelne freie Elektronen genügen, um ganze Elektronenlawinen zu erzeugen. Die Zahl der Gesamtionisationen wird prak- Abbildung 3.3.: Links: Schematische Funktionsweise einer Ionisationskammer (Ähnlich entnommen aus [7]). Rechts: Der Strompuls, den die geladenen Teilchen an den Elektroden bewirken, aufgetragen gegen die Zeit, lässt sich an einem zusätzlichen Arbeitswiderstand als Spannungspuls messen. Entnommen aus [8]. 9 3. Versuchsaufbau tisch unabhängig von n0 (Bereich V). Geiger-Müller-Zählrohre werden in diesem Bereich betrieben. Die Totzeit des Zählrohres, in der es nicht sensitiv auf Strahlung ist, wird immer größer und kann die Aktivität mancher radioaktiver Stoffe übersteigen. Zur Messung der deponierten Energie ist die Kammer nicht mehr geeignet. Wird die angelegte Spannung schließlich zu groß, bricht sie in der Kammer durch und das Gas entläd sich dauerhaft (Bereich VI). Einfallende Teilchen werden überhaupt nicht mehr registriert. Da die ionisierende Strahlung praktisch immer eine sehr hohe Geschwindigkeit besitzt, kann davon ausgegangen werden, dass die Ionisationen zeitgleich stattfinden. Deshalb wird im Stromkreis durch die beweglichen Elektronen ein kurzer, hoher; durch die trägen Ionen ein langer, flacher Strompuls registriert (Abbildung 3.3 rechts). Durch die unterschiedlichen Driftzeiten der Teilchen sind die entstehenden Strompulse im Schaltkreis zeitversetzt. Theoretisch ist der Zeitunterschied dieser Pulse, sofern sie der jeweiligen Art des geladenen Teilchens zugeordnet werden können, abhängig vom Ionisationsort in der Kammer (und wäre mit entsprechenden Aufbauten geeignet, eine ortsauflösende Ionisationskammer zu betreiben). Selbst die Form und Höhe der Pulse ist direkt ortsabhängig. Dies wird in der verwendeten Ionisationskammer durch ein sogenanntes Frisch-Gitter neutralisiert. Abbildung 3.4.: Einbau des Frischgitters in die Ionisationskammer. Entnommen aus [5]. An dieses Gitter, das sich möglichst weit außerhalb des Ionisationsbereichs befinden sollte, wird eine Spannung angelegt, sodass es die Anode elektrisch abschirmt und die Anode die enstandenen Elektronen erst sieht“, wenn diese das Gitter passiert ” haben. Da der Abstand Gitter-Anode konstant ist, ist der Puls nicht mehr ionisationsortabhängig. Das Potential des Gitters darf nicht zu klein gewählt werden, damit auch tatsächlich eine Abschirmung stattfindet. Es darf aber auch nicht zu groß sein, da das elektrische Feld in der Kammer sonst sehr ungleichmäßig wird und die Driftzeiten steigen. Den optimalen Bereich für das Potential des Gitters im Verhältnis zu dem der Anode zu finden ist eine Aufgabe, die in dieser Arbeit durchgeführt wird. 10 3. Versuchsaufbau 3.2. Oberflächensperrschichtdetektor Um die restliche Energie der α-Teilchen nach dem Durchgang durch die Ionisationskammer zu messen, wird an das Ende der Kammer ein Halbleiterdetektor, speziell ein Oberflächensperrschichtdetektor (OFSD), angebracht. Er besteht aus einer Siliziumscheibe, die an der Seite, an der im Versuch die α-Teilchen eintreten, etwas oxidiert ist. Abbildung 3.5.: Diamantstruktur bei Festkörpern. Entnommen aus [9]. Das Prinzip zur Messung der Energie, das dem OFSD zugrunde liegt, ist dem der Ionisationskammer sehr ähnlich. Tritt ein Teilchen in den Halbleiter ein, erzeugt es durch Stöße Elektron-Loch-Paare, indem es Elektronen vom Valenzband ins Leitungsband hebt (siehe unten). Durch ein elektrisches Feld werden diese räumlich getrennt und fließen über einen Arbeitswiderstand ab. Wird das Teilchen im Halbleiter gestoppt, deponiert es seine gesamte kinetische Energie dort. Es wird ein Spannungspuls gemessen, der proportional zur Anzahl der freigewordenen Elektronen und damit zur kinetischen Energie des Teilchen ist. Silizium ist ein halbleitendes Element der 4. Hauptgruppe, welches in Diamantstruktur vorliegt. In dieser Struktur (Abb. 3.5) hat jedes Siliziumatom vier Nachbarn (Atome in den Randflächen grenzen jeweils an zwei weitere Atome in den Nachbarzellen), sodass alle vier Elektronen der äußeren Schale (Valenzelektronen) Verbindungen mit ihren Nachbarn eingehen. Im Energiebändermodell bedeutet das, dass alle Elektronen bei T = 0K alle Zustände bis zu einem höchsten Band (Valenzband) besetzen. Entsprechend würde der Halbleiter bei sehr tiefen Temperaturen isolierend wirken. Durch gezieltes Verschmutzen“ des Siliziums mit Fremdatomen der fünften Haupt” gruppe (n-Dotierung) entstehen Stellen, an denen ein Valenzelektron nicht für eine Bindung gebraucht wird. Dieses Elektron kann daher sehr leicht ins niedrigste nichtbesetzte Band (Leitungsband) gehoben werden. Es wird sich eine geringe mittlere Konzentration an Ladungsträgern im Leitungsband in diesem Bereich ausbilden. Auf der anderen Seite der Siliziumscheibe wird durch das Oxidieren der Oberfläche eine Schicht Siliziumoxid erzeugt. SiO2 ist ein sog. p-Halbleiter mit einem Überschuss an positiv geladenen“ Löchern durch fehlende Bindungselektronen. Durch die räumli” che Nähe der beiden Schichten Si und SiO2 können die überschüssigen Elektronen des 11 3. Versuchsaufbau n-Bereichs in den p-Bereich diffundieren. Die Grenzschicht wird p-n-Übergang genannt. Es bildet sich eine Raumladungszone aus, da im Si positiv geladene Atomrümpfe überbleiben, während im SiO2 ein Überschuss an Elektronen überbleibt. Das elektrische Feld der Raumladungszone wirkt der Elektronendiffusion vom Si zum SiO2 entgegen, bis es zum Gleichgewichtsfall kommt. Nach außen hin bleibt der Halbleiter elektrisch neutral1 . In dieser Raumladungszone existieren keine thermischen Elektronen mehr im Leitungsband, welche den zu messenden Strompuls verfälschen. Die Dicke d dieser Schicht kann aus der Schottky-Näherung bestimmt werden2 : s 2r (U0 + U ) d= (3.1) eNd Hier ist r die relative Permitivität von Silizium, e die Elementarladung, Nd die Konzentration an Donatorelektronen (Elektronen des n-Leiters), U0 die Kontaktspannung nach Schottky und U die am Übergang angelegte äußere Spannung. Mit dieser kann die Dicke der Sperrschicht von außen gesteuert werden; somit lässt sich der Halbleiterdetektor an die zu messende Teilchenart anpassen, da verschiedene Teilchen verschiedene mittlere Reichweiten haben. Dies ist unbedingt wichtig, denn die Menge an frei werdenden Ladungsträgern im Silizium ist nur dann direkt proportional zur Energie des Teilchens, wenn es in der Sperrschicht gestoppt wird. Ein günstiger Nebeneffekt ist, dass das auftretende elektrische Feld die frei werdenden Elektronen von den Ionen trennt, damit sie über einen Arbeitswiderstand abfließen und als Spannungspuls gemessen werden können. Abbildung 3.6.: Schema eines p-n-Übergangs, Lage des Fermi-Niveaus (EF ) bei einzelnen (a) und zusammengeführten (b) p- und n-Leitern. EC : Leitungsband, EV : Valenzband. Ähnlich entnommen aus [10]. 1 2 siehe [10], S.80 siehe [5], S.19 12 3. Versuchsaufbau Bei dem im Versuch eingesetzten OFSD ist auf der Silizium-Seite ein Kontakt aus Aluminium, auf der Siliziumoxid-Seite ein Kontakt aus Gold aufgedampft, über welche das äußere Feld angelegt wird. Die Goldschicht hat außerdem die Aufgabe, die weitere Oxidation des Siliziums zu verhindern. Es darf jedoch nur eine sehr dünne Schicht sein, um den Energieverlust möglichst gering zu halten. Das Auflösungsvermögen der Ionisationskammer und des Halbleiterdetektors wird im wesentlichen durch die Energie beschränkt, die benötigt wird, um ein ElektronIon-Paar bzw. Elektron-Loch-Paar zu erzeugen. Bei der Ionisationskammer ist das das mittlere Ionisationspotential I des Gases in der Größenordnung von mehreren zehn eV (siehe Abschnitt 2.3); beim OFSD wird die Energie genannt und ist um etwa einen Faktor 10 geringer bei Halbleitern (Silizium bei Raumtemperatur: = 3,62 eV, siehe [11]). Das bedeutet, dass bei gleichem Energieverlust der eintretenden Teilchen in einem Halbleiterdetektor ca. 10 mal so viele Ladungsträger wie in einer Ionisationskammer frei werden; entsprechend besser ist die Auflösung eines OFSD. Andererseits sind die Vorteile einer Ionisationskammer ihr relativ einfacher Aufbau und ihre Empfindlichkeit auf verschiedene Strahlungsarten. 3.3. Vorverstärker Die Signale von Halbleiterdetektoren bzw. Ionisationskammern bei einfallender Teilchenstrahlung entsprechen nur wenigen tausend bis zehntausend Ladungsträgern pro Puls und somit extrem kleinen Strömen, die zudem nur etwa 10−9 bis 10−5 Sekunden, je nach Größe und Art des Detektors, andauern. Für Energiespektroskopie, bei der die Ladungsmenge der Detektoren proportional zur Energie der Teilchen ist, eignen sich sog. ladungsempfindliche Vorverstärker hervorragend zur rauscharmen Abbildung 3.7.: Schematischer Aufbau eines ladungsempfindlichen Vorverstärkers (Ortec, Modell 970d). Die einzelnen Ladungsträger eines Pulses ( Input from Detector“) werden ” durch den Rückkopplungskondensator Cf integriert. Das Ausgangssignal hat eine steile Anstiegsflanke und fällt flach ab. Entnommen aus [11]. 13 3. Versuchsaufbau Verstärkung der kleinen Signale. Im Versuch werden zwei baugleiche Modelle der Firma Ortec, Modellbezeichnung 970d“ benutzt. ” Die von den Detektoren kommenden Ladungsträger induzieren über einen ACCoupling-Kondensator (zur Glättung von Wechselstromanteilen) eine Spannung an einem Rückkopplungskondensator (Feedback Capacitor in Abb. 3.7). Dieser nimmt eine Integration der Ladungen vor. Dadurch wird die Sammelzeit der Ladungsträger, die je nach Detektor bis hin zu einigen µs dauern kann, egalisiert. Am Ausgang des Vorverstärkers liegt ein positiver (durch den invertierenden Operationsverstärker), kurzer Spannungspuls mit Höhe V0 an. Dieser Puls hat eine steil ansteigende Flanke und fällt exponentiell ab. Für große Werte von A gilt für die Pulshöhe V0 und die Relaxationszeit der fallenden Flanke τ f im Idealfall V0 = QD Cf τf = Rf Cf , (3.2) wobei QD die Ladungsmenge des Detektors, Cf die Kapazität des Rückkopplungskondensators und Rf der Rückkopplungswiderstand ist. Man sieht in (3.2), dass das Ausgangssignal des Vorverstärkers weiterhin proportional zur Ladungsmenge QD und somit zur Energie des Teilchens ist. Cf liegt typischerweise in der Größenordnung von wenigen pF, wohingegen Rf möglichst groß gewählt werden sollte, um sein Widerstandsrauschen so klein wie möglich zu halten. Ist der Kehrwert der durchschnittlichen Zahl der Ereignisse in der Kammer pro Zeit 1/fE viel größer als τ f , überlagern sich die vielen Strompulse am Eingang des Vorverstärkers, sodass am Ausgang ein treppenförmiges Signal aus den einzelnen Flanken resultiert (siehe Abbildung 3.8). Um eine Überladung und daraus folgende Unempfindlichkeit des Rückkopplungskondensators auf weitere Ereignisse zu vermeiden, muss dieser regelmäßig entladen werden. Dabei muss die Entladungszeit klein gegenüber der Sammelzeit der Ladungsträger in der Kammer sein. Abbildung 3.8.: Ausgangsspannungen eines ladungsempfindlichen Vorverstärkers: (a) bei geringer Zählrate (1/fE > τ f ). (b) bei hoher Zählrate (1/fE τ f ). Die Elektronen können nicht schnell genug vom Kondensator abfließen und summieren sich auf. Ähnlich entnommen aus [12] 14 3. Versuchsaufbau 3.4. Hauptverstärker Um die vom Vorverstärker kommenden Spannungspulse weiter zu verstärken und im Signal-Rausch-Verhältnis zu verbessern wird ein Hauptverstärker dahintergeschaltet. Benutzt werden die beiden Modelle 2010“ (zur Verstärkung des ERest -Signals) und ” 1412“ (für das ∆E-Signal) des Herstellers Canberra. ” Die verwendeten Hauptverstärker sind durch ihre bis zu 3000-fache Verstärkung sehr flexibel einsetzbar. Sowohl kleinste Signale von Ionisationskammern und Halbleiterdetektoren bis hin zu bereits selbst verstärkten von Photomultipliern können gleichermaßen verarbeitet werden. Um in dem folgenden AD-Wandler und Multichannelanalyzer optimal verarbeitet werden zu können, werden die bis zu wenigen hundert Millivolt starken Spannungssignale des Vorverstärkers auf einen Bereich von 0-10 Volt gestreckt. Außerdem wird durch einen Prozess, der Puls-Shaping genannt wird, der rauschende Untergrund minimiert und die einzelnen Pulse aus der Treppenform gefiltert. Dazu wird das einkommende Signal des Vorverstärkers durch eine Differenzierstufe (Hochpass) zunächst differenziert und in einer folgenden Integrierstufe (Tiefpass) wieder integriert. Dies formt das einkommende Signal in ein fast perfekt gaußförmiges Ausgangssignal um: Abbildung 3.9.: Schaltbild eines sog. Tiefpasses (a) und Hochpasses (b) erster Stufe, realisiert durch einfache Widerstände und Kondensatoren. Hintereinandergeschaltet erzeugen sie aus den treppenförmigen Pulsen des Vorverstärkers gaußförmige einzelne Pulse. Ähnlich entnommen aus [5], Seite 28. Die Spannungen der einzelnen Stufen“ der Pulse des Vorverstärkers können wegen ” der kurzen Abfallzeit im Vergleich zur schnellen Wiederholungsrate als konstant mit Vi (t) = V0,i angenommen werden. Wird das Signal durch den Hochpass geschickt, der es ableitet, entsteht ein Puls mit steilem Anstieg und exponentiellem Abfall, ähnlich der Form der Pulse aus dem Vorverstärker bei kleinen Raten. Der Hochpass verkürzt den Puls. Das differenzierte Signal durchläuft einen Tiefpass, der es integriert. Die Anstiegszeit des Pulses wird dabei vergrößert, der Puls wird gaußförmig. Diese Form der Signale ist z.B. für die späteren Driftzeitanalysen der Elektronen in der Kammer durch SCAs und TACs unabdingbar. 15 3. Versuchsaufbau 3.5. Single-Channel-Analyzer Im zweiten, unteren Versuchsaufbau in Abbildung 3.1, der zur Untersuchung der Driftzeiten der Elektronen in der Kammer eingesetzt wird, kommen zwei weitere elektronische Bauteile vor: Zwei Timing Single Channel Analyzer (TSCA). Bei den verwendeten TSCAs handelt es sich bei beiden um das Modell 420A der Firma Ortec. Abbildung 3.10.: Funktionsweise eines SCA als Einkanaldiskriminator (a) und als Integraldiskriminator (b). Entnommen aus [13]. Ein Single Channel Analyzer (SCA) ist allgemein ein Filter für eingehende Spannungen, der einen digitalen Ausgangspuls mit immer gleicher Höhe ausgibt, wenn der Eingangspuls bestimmte, einstellbare Kriterien erfüllt. Verbreitet sind SCAs mit zwei verschiedenen Betriebsarten: als Integral-Diskriminator oder als Einkanal-Diskriminator. Beim Integral-Diskriminator lässt sich am SCA ein Spannungswert einstellen, der als Schwelle fungiert. Einkommende Spannungspulse werden mit dieser Schwelle verglichen. Überschreitet der Puls die Schwelle, wird am Ausgang ein Puls mit konstanter Höhe erzeugt. Die Dauer des Pulses ist unabhängig davon, wie lang der Eingangspuls Abbildung 3.11.: Timing des Ausgangssignals eines non-timing (a) bzw. timing (b) SCA im Einkanalbetrieb bei zwei verschieden hohen, zeitgleichen Eingangspulsen. (a): Der SCA triggert auf die fallende Flanke des Peaks und gibt den Ausgangspuls zeitlich versetzt aus; time-walk entsteht. (b): Der SCA analysiert den Peak und gibt das Ausgangssignal beim Maximum aus. Die Ausgangssignale werden zeitgleich generiert. Entnommen aus [13]. die Schwelle überschreitet. Beim Einkanal-Diskriminator lässt sich zusätzlich zur ersten, unteren Schwelle eine zweite, obere Schwelle einstellen. In dieser Betriebsart gibt der SCA nur dann eine Spannung aus, wenn der Eingangspuls im Spannungsfenster“ liegt. ” 16 3. Versuchsaufbau Außer in der Betriebsart unterscheiden sich SCAs in der zeitlichen Verzögerung des Ausgangssignals. Bei sogenannten non-timing SCAs wird der Ausgangspuls erst dann generiert, wenn die steigende (beim Integral-Diskriminator) bzw. die fallende Flanke (beim Einkanal-Diskriminator) die (untere) Schwelle erreichen. Dadurch ist die Verzögerung direkt abhängig von der Form und Höhe des Eingangspulses. Bei einer relativ großen Streuung der Form der ∆E-Signale bedeutet dies eine entsprechende Streuung der gemessenen Driftzeiten der Elektronen ( time walk“). Um diese Fehler” quelle zu vermeiden werden daher sogenannte timimg SCAs benutzt. Diese untersuchen meist selbstständig den einkommenden Puls auf sein Maximum ( peak-sensing“, ” siehe Abbildung 3.11) und geben das Ausgangssignal sofort aus, wenn dieser erreicht wurde. Dadurch wird der beschriebene Fehler durch time-walk praktisch ausgeschlossen. 3.6. Time-Amplitude-Converter Ein Time-Amplitude-Converter (kurz TAC) wird im Versuchsteil mit der Elektronendriftzeitmessung hinter die SCAs geschaltet. Benutzt wird das Modell 566 der Firma Ortec. Ein TAC ist in der Lage, eine Zeitspanne zwischen zwei einkommenden Spannungspulsen linear in einen ausgehenden Spannungspuls umzuformen, wobei die Höhe direkt proportional zum Zeitunterschied ist. Er verfügt prinzipiell über zwei Eingänge und einen Ausgang (siehe Abbildung 3.12). Abbildung 3.12.: Schaltskizze eines einfachen TAC. Der erste einkommende Spannungspuls öffnet den Schalter Start“, wodurch sich die Kapazität aufläd. Der zweite Puls öffnet den ” Schalter Stopp“, wodurch die Aufladung unterbrochen wird. Operationsverstärker ” formen das Signal am Ausgang rechteckig. Entnommen aus [14]. Ein erster einkommender Spannungspuls, im Versuch das ERest -Signal der Ionisationskammer, betätigt im TAC einen Startschalter, welcher einen Schaltkreis schließt, in dem eine Kapazität durch eine Konstantstromquelle aufgeladen wird. Ein weite- 17 3. Versuchsaufbau rer einkommender Puls (das ∆-E-Signal) am zweiten Eingang bewirkt das Schließen eines zweiten Schalters (in manchen TACs wird durch den zweiten Puls der erste Schalter wieder geöffnet), der den Stromkreis unterbricht. In der Zeitspanne ∆t zwischen den Pulsen liegt auf dem Kondensator C eine Ladung Q = I·∆t; diese bewirkt eine Spannung U = Q/C = I∆t/C, die durch den konstanten Strom proportional zur Zeitdifferenz der Ereignisse ist. Der große Vorteil ist, dass die Analyse danach, ganz analog zur Energiemessung, mit einem ADC und MCA geschehen kann. Der MCA erstellt sozusagen ein Zeitspektrum“ mit einem scharfen Peak, dessen Maximum der ” Mittelwert der Driftzeit ist. 3.7. Analog-Digital-Converter und Multichannelanalyzer Abbildung 3.13.: schematischer Ablauf der digitalen Rekonstruktion eines analogen, sinusförmigen Eingangssignals in einem ADC. In einer hundertstel Sekunde wird der Spannungswert des Signals 15 mal abgetastet. Am Ausgang des ADCs liegt ein treppenförmiges, digitales Signal an. Entnommen aus [15], Kapitel 4. Die (analogen) Ausgangssignale der Hauptverstärker bzw. des TACs, die weiterhin proportional zur jeweiligen Energie des Teilchens bzw. zur Zeitdifferenz zwischen den Ereignissen sind, werden in einen Analog-Digital-Converter (ADC) geleitet; benutzt wird eine USB-Oszilloskopkarte, Modell 5242A“ der Firma PicoScope. ” 18 3. Versuchsaufbau Diese hat die Aufgabe, den kontinuierlichen Datenstrom in Form von Spannungswerten, den die Ionisationskammer liefert, mit einer endlichen Abtastfrequenz und endlichen möglichen Spannungswerten (Auflösung) zu analysieren (digitalisieren). Die dabei gewonnenen Abtastwerte werden Samples genannt. Die verwendete USBOszilloskopkarte verfügt über zwei Eingänge zur gleichzeitigen Verarbeitung und erzeugt eine Quantisierung Q von 28 bis 216 bits, das bedeutet 28 bis 216 Quantisierungsstufen der maximalen verarbeitbaren Spannungen ±10 Volt. Die maximale Abtastfrequenz fA , die die Karte erreichen kann, liegt im Einkanalbetrieb bei 1 Gigasample/Sekunde1 . Abbildung 3.14.: grafische Oberfläche des mit LabView programmierten MCAs. Die Messspitzen entsprechen vielen Ereignissen bei einer bestimmten Spannung/Energie. Links oben ist ein Oszilloskop zur Überprüfung programmiert. Rot: Messung von ERest . Grün: ∆E-Messung. Entnommen aus [15]. Die nun digitalen, treppenförmigen Signale lassen sich schließlich durch einen Multichannelanalyzer (Vielkanalanalysator, kurz MCA) nach Pulshöhe sortieren. Prinzipiell unterteilt ein MCA einen Spannungsbereich in viele kleine Intervalle (Im Versuch in bis zu 2048 Stück). Ein einkommender Spannungspuls wird in eines dieser Intervalle sortiert und bewirkt, dass dort ein Ereignis verzeichnet wird. Somit lässt sich ein ganzes Energiespektrum aufnehmen und grafisch auswerten. Der benutzte MCA ist 1 siehe [14], Kapitel 4. 19 3. Versuchsaufbau auf einem PC in LabView von J.Haase programmiert worden. Für weiterführende Informationen zur Digitalisierung und Verarbeitung der Messwerte sei hier auf [15] verwiesen. 20 4. Messergebnisse 4.1. ∆E-Signalhöhe Zuerst ist es wichtig, die optimalen Einstellungen für die Anoden- und Gitterspannung der Kammer zu finden, denn diese beeinflussen wesentlich die Stärke und Form des elektrischen Felds in der Kammer und damit den Drift der Elektronen. Die Ergebnisse aus diesem Teil dienen hier für die folgenden Versuche wie für den zukünftigen FPraktikumsversuch als wichtige Grundlage. Eine Möglichkeit, geeignete Spannungswerte zu finden, liegt darin, die Signalhöhe der ∆E-Messung zu optimieren. Dazu wird der erste Aufbau in Abbildung 3.1 benutzt. Es wird der Americium-241-Einlinienstrahler (Eα = 5,486 MeV) eingesetzt und über das Druckregelsystem ein Druck von p = 20,0 mbar in der Kammer eingestellt. Mit Gl.(2.6), den entsprechenden Zahlenwerten für die dort gelisteten Größen (dx = 10,9 cm) und der Umformung ρ·R·T (4.1) NA · mIsobutan folgt, dass die α-Teilchen des Americium-241 etwa einen halben MeV Energie in der Kammer verlieren. Bei einer konstant gehaltenen Anodenspannung wird die Gitterspannung variiert. Für jede Konfiguration wird nach einer gewissen Messzeit das Maximum im Energiespektrum des MCA ausgewertet. Ein Maximum des Peaks im Spektrum bei höheren Spannungen bedeutet demnach ein höheres Niveau des ∆E-Signals. Die gemessenen Werte befinden sich in Tabelle A.1 im Anhang. In Abbildung 4.1 sind die Maxima der Spannungen des MCA gegen die eingestellte Gitterspannung bei UAnode = 300V, 200V und 100V aufgetragen. Die Einstellungen der Hauptverstärker sind: p = ρ · RIsobutan · T = ERest : Coarse Gain : 100 F ine Gain : 0, 8 Shaping T ime : 0, 25 µs ∆E : Coarse Gain : 2000 F ine Gain : 1, 3 Dif f erentiate : 1, 5 µs Integrate : 1 µs Es ist erkennbar, dass die Verläufe der Spannungen ähnlich sind. Für sehr kleine Gitterspannungen wird das elektrische Feld in der Kammer zu klein, um die Elektronen 21 4. Messergebnisse gerichtet zu beschleunigen; entsprechend bricht das Feld zusammen wenn die Gitterspannung gleich der Anodenspannung wird. Dazwischen liegt ein Plateau bei UGitter = 16 UAnode bis UGitter = 13 UAnode , unabhängig von der angelegten Anodenspannung. Jedoch ist die maximal erreichte Spannung im MCA bei optimaler Gitterspannung abhängig von der angelegten Anodenspannung. Daher scheint es sinnvoll, in den weiteren Versuchen hier und auch später im Praktikumsversuch eine möglichst große Anoden- und Gitterspannung im Verhältnis UGitter ≈ 41 UAnode zu wählen. 4 UA = 300 V UA = 200 V UA = 100 V Spannungsmaximum / Volt 3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0 0 50 100 150 200 Gitterspannung / Volt 250 300 Abbildung 4.1.: Maximale Spannung im MCA-Spektrum gegen die Gitterspannung UG für drei verschiedene Anodenspannungen UA . 4.2. Driftzeit der Elektronen Die Messung der Driftzeit der Elektronen in der Kammer geschieht mit dem zweiten Aufbau aus Abbildung 3.1. Als Startsignal eignet sich der Impuls von den einkommenden α-Teilchen am OFSD, da deren Geschwindigkeiten so groß sind, dass die Zeitdifferenz zum Ionisationsort vernachlässigt werden kann. Das Stoppsignal erzeugen die gesammelten Elektronen im Kammerschaltkreis. Der Pulser in Abbildung 3.1 wird durch die USB-Oszilloskopkarte realisiert, die zusätzlich über einen Ausgang verfügt. Durch ihn lassen sich dort analoge Spannungspulse anlegen, in diesem Fall Rechteckpulse. Diese werden zur Synchronisation der Signale an den Ausgängen der TSCAs und zur Eichung des MCAs genutzt. Sie werden in den Eingang Test“ der Vorverstärker eingespeist (die Verbindungen zu Detektor und ” Kammer werden getrennt). Nach angemessener Formung der Ausgangssignale an den 22 4. Messergebnisse folgenden Bauteilen lassen sich Start- und Stoppsignal am Oszilloskop beobachten. Werden die delay“-Ausgänge der TSCAs genutzt, kann die Verzögerung der Ausgabe ” der Signale von außen gesteuert werden: Damit lassen sich die Signale mit bekanntem, am Oszilloskop abgelesenem Zeitunterschied in den TAC leiten. Die vom TAC kommenden Signale erzeugen im Spektrum des MCA einen scharfen Peak, dessen Spannungswert (0 - 2 Volt) der bekannten Zeitdifferenz entspricht. Mit zwei Wertepaaren lässt sich der MCA für die Zeitmessung kalibrieren. Nach der Kalibrierung ist es wichtig, dass die Zeitdifferenz der beiden Signale durch die delay-Schrauben an den TSCAs auf 0 gesetzt wird, damit gleichzeitig am Vorverstärker ankommende Signale auch gleich schnell in den verschiedenen Bauteilen verarbeitet werden und keine Verfälschung auftritt. Ist der Aufbau einmal synchronisiert, müssen die eingestellten Werte für Shaping Time, Differentiate, Integrate und der Delay unbedingt beibehalten werden. Die Einstellungen bei dieser Messung sind: Kammerdruck : 20 hP a P eak − to − P eak (P ulser) : 200 mV Of f set (P ulser) : −100 mV Shaping T ime (ERest ) : 0, 25 µs Dif f erentiate (∆E) : 1 µs Integrate (∆E) : 0, 5 µs Für sehr kleine und sehr große Gitterspannungen besitzen die Peaks eine steil ansteigende und flach abfallende Flanke; die Peaks für Gitterspannungen im mittleren Bereich sind dagegen sehr scharf ausgebildet. In Abbildung 4.2 sind die aus den Spannungen der Peakmaxima umgerechneten Driftzeiten gegen die angelegte Gitterspannung UG bei Anodenspannung UA = 300 Volt aufgetragen; die Messwerte befinden sich zusammen mit der Fehlerrechnung in Tabelle A.2 im Anhang. Für die Umrechnung wurden zwei Eichmarken bei 2 bzw. 3 µs gesetzt. Durch sie ergibt sich folgene Eichgrade: µs · U − 0, 24596 µs (4.2) V Die Driftzeiten liegen mit ihren Fehlern in der Größenordnung von etwa 1 µs. Man kann erkennen, dass sie bei kleinen Gitterspannungen groß sind und mit wachsendem UG gegen ein minimales Plateau streben, ehe sie bei sehr großen Gitterspannungen wieder leicht ansteigen. Interessant ist, dass die Driftzeit der Elektronen unter anderem in dem Bereich minimal ist, in dem die ∆E-Pulshöhe für UA = 300 V maximal ist, aber auch bei Spannungen bis zu UG = 250 V, bei denen die Pulshöhe schon erheblich abgefallen ist. Offenbar ist die Pulshöhe und -form nicht stark von der Driftzeit der Elektronen in der Kammer abhängig. In der Literatur findet man Abschätzungen zur Driftgeschwindigkeit von Elektronen in Gasen, z.B. geben Knoll[16] und Lippmann[17] bei den in der Kammer herrschenden Feldstärken eine Driftgeschwindigkeit der Elektronen von v ≈ 104 m/s an. Bei einem t(U ) = λ · U + t0 = 4, 06339 23 4. Messergebnisse 3 Driftzeit / μs 2,5 2 1,5 1 0,5 0 50 100 150 Gitterspannung / V 200 250 300 Abbildung 4.2.: Gemessene Driftzeit der Elektronen in Abhängigkeit von der Gitterspannung UG bei p = 20 hPa und UA = 300 V inklusive vertikaler Fehlerbalken. Abstand vom Ionisationsort zum Frisch-Gitter (da ein Puls induziert wird, sobald die Elektronen dieses erreicht haben) in der Größenordnung von wenigen Zentimetern ergeben sich Driftzeiten im µs-Bereich. 4.3. ∆E-E-Messung Zusätzlich zur Bestimmung von Driftzeiten von Elektronen soll die Kombination aus Ionisationskammer und Halbleiterdetektor künftig auch als ∆E-E-Teleskop genutzt werden. Mithilfe der direkten Bestimmung der Verlustenergien ∆E von drei verschiedenen α-Strahlern im MCA lässt sich die Gültigkeit der Bethe-Bloch-Gleichung für α-Teilchen im MeV-Bereich grafisch durch Abbildung 2.2 verifizieren. Es wird der obere Versuchsaufbau in Abbildung 3.1 benutzt und das Mischpräparat (148 Gd, 230 Th, 244 Cm) in die Kammer gesetzt. Die Energien der α-Teilchen sind in Tabelle 4.1 aufgelistet. Durch eine kurze Überprüfung am Oszilloskop ist zu erkennen, dass am Halbleiterdetektor eine Gesamtaktivität von unter 50 s −1 gemessen wird, was entscheidend für die vernünftige Verarbeitung der Signale im Vorverstärker ist. Zur Eichung des MCA wird die Ionisationskammer so weit wie möglich evakuiert. Dabei bleibt ein Gesamtdruck von pmin = 2 mbar in der Kammer übrig (das Differenzdruckmessgerät zeigt 1,5 mbar gegen die Referenz von 0,5 mbar an). Dieser Restdruck bewirkt bereits einen nicht 24 4. Messergebnisse Isotop Eα / MeV 148 Gd 3,180 230 Th 4,684 244 Cm 5,806 Tabelle 4.1.: Zerfallsenergie der drei Isotope im Mischpräparat. vernachlässigbaren Energieverlust der α-Teilchen nach Bethe-Bloch, der berücksichtigt werden muss. Dafür wird Gleichung (2.6) in eine Zahlengleichung für p und Eα umgerechnet und mit der Flugstrecke dx in der Kammer multipliziert (dx = 10,9cm ± 0,1cm): −dE = 3, 194225 · 10−3 · p · dx Eα M eV 2 · ln(11, 353011 ) Eα M eV cm · mbar (4.3) Die drei Strahler erzeugen im Spektrum des MCA (0V - 5V) drei scharfe Peaks zur Eichung. Mit den korrigierten Energien E-dE gemäß (4.3) erhält man: Isotop Eα / MeV dEα / MeV Eα -dEα / MeV UM CA / V 148 Gd 3,180 0,0785 3,1015 1,88461 230 Th 4,684 0,0591 4,6249 2,75966 244 Cm 5,806 0,0502 5,7558 3,41064 Tabelle 4.2.: Korrigierte Energien Eα -dEα und zugehörige Spannungspeaks im MCA bei p = 2 mbar. Das ergibt folgende Eichung des MCA: Eα (U ) = 1, 720682 M eV · U − 0, 063307 M eV V (4.4) Die Verlustenergien der α-Teilchen dEα,i werden über die Energieerhaltung EGes = ERest + dE (4.5) aus den am MCA abgelesenen Restenergien und denen zugeordneten Gesamtenergien berechnet, da eine direkte Messung von dE nur bei einer exakt gleichen Verstärkung möglich wäre. Dies würde bei einer zu großen gemeinsamen Verstärkung die Range des MCA sprengen bzw. bei einer zu kleinen Verstärkung die Auflösung der einzelnen dEPeaks unmöglich machen. Bei p = 20 mbar werden folgende Messwerte aufgenommen: 25 4. Messergebnisse Isotop Eα / MeV UM CA / V ERest / MeV dEα / MeV 148 Gd 3,180 1,4430 2,4196 0,7604 230 Th 4,684 2,4159 4,0938 0,5902 244 Cm 5,806 3,1088 5,2859 0,5201 Tabelle 4.3.: Messwerte für UM CA am geeichten MCA bei p = 20 mbar. Die Werte in den Spalten ERest bzw. dEα berechnen sich aus Gl.(4.4) bzw. Gl.(4.5). Die Werte für dEα lassen sich auf Wegstrecke dx und Absorberdichte ρ normieren, um dE die Wertepaare (Eα |- ρdx ) in Abbildung 2.2 einzuzeichnen. Aus Gl. (4.1) folgt mit p = 20 mbar: ρ = 4, 77023 · 10−2 mg cm3 Mit dx = 10,9 cm folgt: dE - ρdx / M eV cm2 mg dE ∆(- ρdx )/ M eV cm2 mg Isotop Eα / MeV dEα / MeV 148 Gd 3,180 0,7604 1,4624 0,139 230 Th 4,684 0,5902 1,1351 0,105 244 Cm 5,806 0,5201 1,0003 0,090 dE dE Tabelle 4.4.: Werte für den normierten Energieverlust - ρdx und deren Fehlern ∆(- ρdx ). Die zugehörige Fehlerrechnung befindet sich im Anhang. In Abbildung 4.3 sind die drei Wertepaare zusammen mit den Verläufen des Bremsvermögens für verschiedene Teilchensorten eingetragen (siehe auch Abbildung 2.2). Die gemessenen Werte für den dichtenormierten Energieverlust der drei Isotope in der Kammer entsprechen den theoretischen Ergebnissen sehr gut. 26 0,1 1 10 100 0 1 2 3 4 E [MeV] 5 6 7 8 p T D α 6Li 12C 16O 4. Messergebnisse -dE/ρ∙dx [MeV∙cm²/mg] Abbildung 4.3.: Dichtenormierter Energieverlust pro Wegstrecke in einem Absorber für verschiedene Ionen, inklusive Messwerte aus Tabelle 4.4. Sie bestätigen die Gültigkeit der BetheBloch-Gleichung. 27 5. Zusammenfassung Die Ergebnisse aus Kapitel 4, speziell die der ∆E-E-Messung in 4.3, bestätigen die Tauglichkeit des Versuchsaufbaus, die Gültigkeit der Bethe-Bloch-Gleichung im MeV-Bereich für α-Teilchen zu verifizieren. Man erkennt in Abbildung 4.3, dass die gewonnenen Messwerte im Toleranzbereich auf der Kurve des dichtenormierten Bremsvermögens für α-Teilchen liegen. Ebenso sind die Ergebnisse zur optimalen Anoden- und Gitterspannung aus Kapitel 4.1 mit denen der Driftzeiten der Elektronen in der Ionisationskammer in Kapitel 4.2 im Einklang. Auf Grundlage dieser Erfahrungswerte und deren stetige Reproduzierbarkeit lassen sich die Ionisationskammer sowie messelektronische Grundkenntnisse künftig im Rahmen des F-Praktikums kennenlernen. Für künftige Erweiterungen des Versuchsaufbaus hat speziell die Driftzeitmessung viel Potential. Durch genauere Kenntnis des Verlaufs des elektrischen Felds, z.B. durch Vermessung oder durch theoretische Berechnung unter vereinfachten Annahmen, ließen sich bessere theoretische Vorhersagen zur Driftzeit der Elektronen machen. Zudem ließe sich mit dem bestehenden Aufbau für verschiedene Gase der charakteristische Verlauf der Driftgeschwindigkeit von Elektronen (oder auch Ladungsträgern allgemein) in Abhängigkeit des sogenannten reduzierten elektrischen Feldes E/p messen und mit der Literatur vergleichen. Eine solche Erweiterung der von den Praktikanten durchzuführenden Aufgaben sollte immer noch im Rahmen eines FortgeschrittenenPraktikumsversuchs liegen und würde ein weiteres typisches Anwendungsgebiet von Ionisationskammern näher beleuchten. Generell würde die Flexibilität einer Ionisationskammer in der Anwendung unterstrichen. 28 A. Anhang A.1. Messwerttabellen UG / V UM CA / Volt bei UA = 300V UM CA / Volt bei UA = 200V UM CA / Volt bei UA = 100V 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200 230 260 280 300 2,76123 3,1543 3,30078 3,39355 3,4375 3,4876 3,50586 3,50586 3,49342 3,48145 3,48002 3,40576 3,30543 3,22266 3,09082 2,99561 2,8721 2,66113 2,4587 2,22412 1,46973 0,68848 0,271 0,19775 0,19775 3,1543 3,36914 3,39355 3,4814 3,39844 3,396 3,37646 3,1543 2,95898 2,8226 2,6502 2,26074 1,7855 1,5332 1,2212 0,77148 0,5334 0,21043 0,19342 1,85059 2,23623 2,44629 2,40469 2,09473 1,7334 1,20361 0,60059 0,23438 0,18555 Tabelle A.1.: Messwerte der ∆E-Signalhöhe zu Kapitel 4.1. 29 A. Anhang UG / V UM CA / Volt t/µs ∆U / mV ∆t / µs 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200 210 220 230 240 250 260 270 280 290 0,69238 0,48228 0,39453 0,35547 0,33203 0,33203 0,32617 0,31445 0,31641 0,3125 0,30957 0,30664 0,30664 0,29102 0,30371 0,30469 0,32129 0,33301 0,33008 0,32617 0,3321 0,32022 0,31003 0,31922 0,32469 0,31023 0,32031 0,35643 0,40039 2,5674 1,7137 1,3572 1,1985 1,1032 1,1032 1,0794 1,0318 1,0397 1,0238 1,0119 1,0000 1,0000 0,9366 0,9881 0,9921 1,0596 1,1072 1,0953 1,0794 1,1035 1,0552 1,0138 1,0512 1,0734 1,0146 1,0556 1,2024 1,3810 2,9298 2,9298 2,9298 1,9532 1,9532 0,9766 0,9766 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 2,9298 0,09676 0,0897 0,0874 0,0861 0,0856 0,0853 0,0851 0,0857 0,0857 0,0856 0,0856 0,0855 0,0855 0,0852 0,0855 0,0855 0,0858 0,0861 0,0860 0,0859 0,0860 0,0858 0,0856 0,0858 0,0859 0,0856 0,0858 0,0866 0,0876 Tabelle A.2.: Messwerte zur Elektronendriftzeit in der Kammer zu Kapitel 4.2. Die Werte in den Spalten ∆U und ∆t werden im Abschnitt Fehlerrechnung“ des Anhangs erklärt. ” 30 A. Anhang A.2. Fehlerrechnung A.2.1. Zur Driftzeit der Elektronen Bei der Umrechnung der Spannungsmaxima im Spektrum des MCA in Driftzeiten wird Gleichung 4.2 benutzt. Dabei sind die Größen m, U und t0 mit Fehlern behaftet, die in einem Fehler ∆t resultieren. Der Fehler ∆U entspricht der maximalen Ablesegenauigkeit des Peaks im Spektrum. Bei der Eichung sind die zwei Peaks so schmal, dass sie auf einen Kanal (entsprechend 2V −4 V) genau abgelesen werden können. Die eingestellte Zeitdifferenz 2048 = 9,766 · 10 von 2 bzw. 3 µs wird am Oszilloskop überprüft und kann bei kleiner Zeitauflösung auf etwa ∆t = 5 ns genau bestimmt werden. Somit entsprechen die beiden Messpunkte zur Eichung des MCA im t/U-Diagramm mit ihren Fehlerbalken Rechtecken; die Steigungen m der Ausgleichsgeraden können zwischen einer minimalen mmin und einer maximalen Steigung mmax liegen: mmin = t2 − t1 − 2∆t µs = 3, 9911 ; U2 − U1 + 2∆U V mmax = t2 − t1 + 2∆t µs = 4, 13686 U2 − U1 − 2∆U V Damit folgt für ∆m: ∆m = mmax − mmin = 7, 288 · 10−2 µs V Entsprechend lassen sich zwei Grenzen t0,min und t0,max bestimmen: t0,max = t − mmax · U = −0, 206 µs; t0,min = t − mmin · U = −0, 2877 µs Für den Fehler ∆t0 folgt: ∆to = t0,max − t0,min = 0, 0817µs Der Fehler ∆t lässt sich dann mithilfe Gleichung 4.2 und der Gauß’schen Fehlerfortpflanzung bestimmen: s ∂t 2 ∂t 2 ∂t 2 2 ∆t = ∆m2 + ∆U 2 + ∆t0 ∂m ∂U ∂t0 q = U 2 ∆m2 + m2 ∆U 2 + ∆t20 (A.1) Mit (A.1) wurden die Werte in Tabelle A.2, Spalte ∆t“ berechnet. Man beachte, dass ” bei sehr großen und sehr kleinen Gitterspannungen der Peak im MCA-Spektrum sehr breit ist und ∆U entsprechend größer abgeschätzt werden muss. 31 A. Anhang A.2.2. Zur ∆E-E-Messung dE ) in Tabelle 4.4 bzw. die Fehlerbalken in Abbildung 4.3 lassen sich Die Fehler ∆(- ρdx etwas leichter berechnen, indem man eine Funktion S definiert mit S = S(dE, ρ, dx) := dE , ρdx (A.2) analog zur Definition des Bremsvermögens (oder Stopping Power“) in der Literatur1 ” lässt sich hier S als eine Art dichtenormiertes Bremsvermögen“ definieren. Das hat ” den Vorteil, dass der Fehler ∆S elegant mit der Gauß’schen Fehlerfortpflanzung aus den Fehlern der Größen dE, ρ und dx berechnet werden kann: s 2 ∂S + + ∆(dx)2 ∆S = ∂(dx) s 2 2 ∆(dE)2 dE dE 2 + ∆ρ + ∆(dx)2 = ρ2 · dx2 ρ2 · dx ρ · dx2 ∂S ∂(dE) 2 ∆(dE)2 ∂S ∂ρ 2 ∆ρ2 (A.3) Der Fehler ∆(dx) ergibt sich aus der Messungenauigkeit der Strecke vom Strahler zum Detektor; er kann auf ∆(dx) = 5 mm genau gemessen werden. ∆ρ wird mit Gleichung (4.1) bestimmt. Es kann vereinfachend angenommen werden, dass die Fehler der Naturkonstanten dort viel kleiner sind als der vom Druck ∆p, der der Ablesegenauigkeit entspricht und bei etwa 0,1 mbar liegt. Dann gilt für ∆ρ: ∆ρ = ∆p · R·t mg = 2, 3851 · 10−4 NA · mIsobutan cm3 (A.4) ∆(dE) wird ebenfalls über eine Fehlerfortpflanzung nach Gauß berechnet. Dazu wird die Energieerhaltung (4.5) benutzt. Der Fehler der Zerfallsenergie der α-Teilchen ∆EGes ist wieder vernachlässigbar, sodass direkt folgt ∆(dE) = ∆ERest . (A.5) ERest wird, analog zu t in A.2.1, über eine Eichgrade (4.4) aus den Messdaten des MCA gewonnen. Die Fehler der Steigung ∆m und des Achsenabschnitts ∆E0 können mit einem CAS-Programm, z.B. Qti-Plot, direkt berechnet werden, indem die Ablesegenauigkeit der Peaks im MCA ∆U als horizontale Fehlerbalken eingefügt werden. Das Programm gibt ∆m = 1,03821 · 10−3 M eV V und ∆E0 = 2,8621 · 10−3 MeV an. Zusammen mit ∆U = 4,89 · 10−3 V (entspricht einer Ableseungenauigkeit der relativ breiten Peaks von 5 Kanälen) folgt für ∆(dE) aus Gl.(4.4): 1 siehe z.B. Amsler, Seite 115. 32 A. Anhang s ∆(dE) = ∆(ERest ) = = q ∂(ERest ) ∂m 2 ∆m2 + ∂(ERest ) ∂U 2 ∆U 2 U 2 ∆m2 + m2 ∆U 2 + ∆E02 Dies ergibt: Eα / MeV 3,180 4,684 5,806 ∆(dE) / 10−3 MeV 9,01 9,23 9,46 Alles eingesetzt in Gl.(A.3) ergibt für ∆S: 2 ∆S / M eVmgcm 0,139 0,105 0,090 Eα / MeV 3,180 4,684 5,806 33 + ∂(ERest ) ∂(E0 ) 2 ∆E02 A. Anhang A.3. Druckregelsystem Abbildung A.1.: Schematische Zeichnung des Druckregelsystem. Der Versuchsaufbau mit der Ionisationskammer stellt die komplizierte Anforderung, den Druck in der Kammer auf lange Zeit konstant zu halten und von außen kontrollieren zu können. Zudem soll das Gas kontinuierlich durch die Kammer strömen, damit die bei längerem Betrieb entstehenden Crackstoffe aus der Kammer gespült werden. All das wird durch ein elektronisch gesteuertes Druckregelsystem realisiert. Das Gas strömt aus einer Gasflasche durch einen der beiden Einlässe (Ventil 1 oder 2) in das System und über einen Bypass (Ventil 4) oder einer Durchflussregelung (Ventil 3) weiter Richtung Kammer. Zur direkten Belüftung sollte dabei der Bypass, zur feinen elektronischen Druckregelung der Durchflussregler benutzt werden. Über Ventil 7 strömt das Gas letztendlich in die Kammer. Von der anderen Seite saugt die Pumpe über Ventil 11 und entweder über Bypass (Ventil 10) oder über die feinere elektronische Druckregelung (Ventil 9) das Gas aus der Kammer (Ventil 8). Dabei gilt wieder, dass zur groben Evakuierung der Bypass benutzt wird, während er später im Betrieb zugedreht sein sollte. Parallel saugt die Kammer über Ventil 12 einen Behälter leer, dessen Druck als Referenzdruck zu dem in der Kammer über eine Differenzdruckmessung gemessen wird. Der Druck der Kammer wird an der Stelle zwischen Ventil 5 (sollte offen sein) und Ventil 6 (sollte geschlossen sein) gemessen, da er dort dem Druck in der Kammer entspricht. Wird an der elektronischen Druckmessung ein bestimmter gewollter Druck für die Kammer eingestellt, so öffnet diese entsprechend weit Ventil 9 und steuert damit den Druck in der Kammer automatisch. 34 Literaturverzeichnis [1] : W.-M. Yao et al., Journal of Physics G 33, 1 (2006), http://pdg.lbl.gov/2006/reviews/passagerpp.pdf [2] : C.Amsler (2007): Kern- und Teilchenphysik, Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, Zürich und Genf. [3] : C.Grupen (1996): Particle Detectors, Cambridge. [4] : W.Blum, L.Rolandi (1994): Particle Detection with Drift Chambers, Heidelberg. [5] : S.Kubsky (1992): Ein ∆E-E-Teleskop für das Fortgeschrittenen-Praktikum. Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufen I und II, Bochum. [6] : Regenstein, Gebert, Schmidt, Wüsthoff, Guber, Polster (2011): Seminar: Energie aus Kernkraft, Vortrag 2. Universität Potsdam. http://www.quantum.physik.uni-potsdam.de/teaching/ss2011/kt/Vortrag2.pdf [7] : H.Kolanski (2007): Detektoren in der Elementarteilchenphysik, Kapitel 3, Zeuthen. http://www-zeuthen.desy.de/∼kolanosk/det07/skripte/gasdet01.pdf [8] : H.Friedmann (2013): Einführung in die Kernphysik I, Skript Kapitel 4, Universität Wien. http://homepage.univie.at/harry.friedmann/Download/Kernphysik/KP Kap4.pdf [9] : P.Hofmann (2013): Einführung in die Festkörperphysik , Liverpool. [10] : A.von Keudell (2012): Physik IV. Statistik, Festkörperphysik, Kern- und Teilchenphysik, Bochum. [11] : www.ortec-online.com/download/Preamplifier-Introduction.pdf [12] : H.U.Schmidt (1986): Meßelektronik in der Kernphysik, B.G. Teubner, Stuttgart. [13] : www.ortec-online.com/download/SCA-Introduction.pdf [14] : www.ortec-online.com/download/566.pdf 35 Literaturverzeichnis [15] : J.Haase (2014): Aufbau einer Ionisationskammer zur Verwendung im FPraktikum, Schwerpunkt digitale Signalverarbeitung. Bochum. [16] : G.F.Knoll (1979): Radiation Detection and Measurement, John Wiley & Sons, New York. [17] : C.Lippmann (2000): Aufbau und Inbetriebnahme eines Gasqualitätsmonitors für die HADES-Driftkammern, Frankfurt. 36