Leseprobe - VH

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Überspannungsschutz und EMV für Datenleitungen
Aufgabe 1:
Ordnen Sie der Büro-Netzwerkanlage, die im 1. OG
der Firma Wilhelms (Bild 20b,→ S. 20) installiert werden soll, die richtige Umgebungsklasse zu.
Was aber in den meisten Fällen vergessen wird: Die Stromversorgung eines Digitalrechners soll in Elektronikräumen
genauso gut funktionieren wie bei Einsätzen in Indus­
trieanlagen, in denen eine Netzwechselspannung zu finden ist, die von Überspannungen in hohem Maße „verschmutzt” sein dürfte.
3.
­Überspannungen auf Leitungen
Unter leitungsgebundener Ausbreitung versteht man die
Fortpflanzung von Störungen allein über Leitungen oder
leitfähiges Material. Das wohl bekannteste Beispiel hierfür
ist ein Blitzeinschlag in eine Freileitung mit nachfolgender
Überspannung in den angeschlossenen Niederspannungsversorgungsnetzen. Die Störquelle muss aber nicht immer
so energiereich wie ein Blitz sein. Viel verheerender sind
Dauerstörer, die vom Versorgungsnetz gespeist werden
und ihrerseits den ordnungsgemäßen Betrieb von anderen Verbrauchern (z. B. Geräte der Unterhaltungselektronik, Automatisierungsanlagen) unmöglich machen.
Es ist davon auszugehen, dass jedes Gerät, das an einem
Stromversorgungsnetz angeschlossen ist, Störungen produziert und in irgendeiner Form dieses Netz beeinflusst.
Für den Praktiker sind die Kenntnis der beschriebenen leitungsgebundenen Störausbreitung und der Einkopplung
von Störungen in Leitungen aller Art von großer Bedeutung. Diesen ungewollt entstehenden Spannungen soll
unsere Aufmerksamkeit gelten, da sie im Zusammenspiel
von Geräten und Anlagen innerhalb einer Installation
technisch die größten Schwierigkeiten verursachen können.
Querspannungen
Beim Schalten von induktiven Lasten mit mechanischen
Schaltern werden immer Überspannungen entstehen.
Erkennbar ist diese Tatsache daran, dass sich ein Kontakt­
funken im Moment des Schaltens bildet, der zum Abbrand
der Kontakte führt. Der kurzzeitig auftretende Licht­bogen
ist das äußere Merkmal für ein Anliegen von hoher Spannung an den Kontakten. Im Zusammenwirken mit der
Zuleitungsinduktivität der Versorgungsleitung treten im
Moment des Schaltens hohe Spannungen aber nicht nur
am eigentlichen Schalter, sondern auch in der gesamten
Verteilung des Versorgungsnetzes durch die Selbstinduktionsspannung auf.
Noch größere Überspannungen treten auf, wenn der Ver­
braucher einen Isolationsschaden hat und dadurch ein
Außenleiter mit Erde verbunden wird. Normalerweise löst
bei einem solchen Fall eine Sicherung aus und trennt das
fehlerhafte Gerät vom Netz. Bis zu diesem Zeitpunkt ist
der Strom in der induktiven Zuleitung aber schon auf sehr
hohe Werte angestiegen. Der dabei auftretende Kurzschlussstrom ist in einer normalen Gebäudeinstallation
mit Stromstärken von über 1 000 A gemessen worden. Das
wird nach dem Abschalten der Leitung für alle anderen
Verbraucher durch Selbstinduktion der Leitungsindukti­
vität eine Überspannung erzeugen. Dieser Fall tritt allerdings selten im Vergleich zu normalen Schaltvor­gängen
auf.
In beiden Fällen können die dabei auftretenden Spannungen ohne Schutzmaßnahmen einige kV erreichen und
sind somit gefährlich für alle angeschlossenen Verbraucher. Eine große Rolle spielt dabei die Länge der Versorgungsleitung bis zur Gebäudeinstallation. Sie bestimmt
die Größe der Zuleitungsinduktivität und damit auch die
der durch Selbstinduktion entstehenden Überspannung,
sei sie durch einen normalen Schaltvorgang oder durch
Auslösen einer Sicherung verursacht. Das Bild 4 zeigt beispielhaft die Entstehung einer solchen Querspannung in
der Netzzuleitung.
Deshalb muss zum Erkennen solcher Störmöglichkeiten
erst einmal geklärt werden, wie eine Störgröße überhaupt als Spannung oder Strom in eine Leitung kommt
und welche Arten von eingekoppelten Spannungen es
gibt. Zwei Arten von Überspannungen können in Leitungen auftreten:
–– Ü
­ berspannungen zwischen den einzelnen Adern einer
Leitung, die Querspannungen
–– Ü
­ berspannungen zwischen den Einzeladern einer Leitung und dem Erdpotenzial, die Längsspannungen
Beide Arten von Überspannungen können den Betrieb
von elektrischen Geräten oder Anlagen stören.
Elektro03_31.indb 6
Bild 4: Beispiel für die Entstehung von Überspannung
12.08.2014 10:30:19
Überspannungsschutz und EMV für Datenleitungen
Aufgabe 2:
a) Zeichnen Sie mit einem roten Stift in Bild 4,→ S. 6
an die richtige Stelle einen L­ eitungsschutzschalter
(Si­cherung) ein. Tragen Sie die Stromwege für den
normalen Betrieb der Last ebenfalls mit einem
roten Stift ein.
b) Wohin fließt nach Öffnen des Kontaktes (Normal­
betrieb) der Strom der Zuleitungsinduktivi­
tät?
Warum entsteht eine Überspannung?
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nen Verbrauchern ausgestrahlt (Motoren sind starke
„Sender“). Jedes magnetische Wechselfeld wird in L­ eitern
Spannungen induzieren, deren Höhe im ­Wesentlichen von
der Stärke und von der durchdrungenen Fläche des Wechselfeldes abhängt.
IB
U
Bild 5: Prinzip der Einkopplung
c) Zeichnen Sie einen Körperschluss in Bild 4,→ S. 6
ein, kennzeichnen Sie den Weg dieses Stromes
mit einem roten Stift.
d)Nach Körperschluss im Verbraucher wird der
Leitungsschutz ansprechen. Ist der Strom in der
Zuleitungsinduktivität größer oder kleiner als
im Teil b) dieser Aufgabe? Ist die entstehende
Überspannung größer oder kleiner als im Teil b)?
Begründen Sie Ihre Lösung.
In diesem Beispiel werden von außen Spannungen
„hinein“-induziert, und zwar in alle Leiter. Die beiden
wichtigsten Induktionsspannungen sind
–– d
­ ie Induktionsspannung zwischen den Versorgungsleitungen bei z. B. PoE-Leitungen (PoE = Power over Ethernet, Stromversorgung über Netzwerkleitung) und
–– d
­ ie Induktionsspannung zwischen den Digital-Signal­
leitungen.
er erste Fall sei hier genauer erklärt, die Ursachen für die
D
Störungen sind direkt auf den zweiten Fall übertragbar.
Durch die schon erwähnte Einkopplung von Störungen in
die Datenleitung wird das angeschlossene Gerät nicht nur
mit der Signalspannung von 5 V versorgt, sondern auch
mit einer – überlagerten – (Stör-)Wechselspannung. Dies
kann zu Fehlfunktionen oder sogar zur Zerstörung des
Gebers führen.
Die in der Netzwerktechnik verwendeten Signalspannungen liegen meistens im Bereich von 5 V bis 48 V. Alle über
den jeweiligen Nennwert hinausgehenden Spannungswerte sind Überspannungen, die den Betrieb ­beeinflussen
können. Die eingekoppelte Störspannung braucht also
nicht sonderlich hoch zu sein, um eine Betriebsstörung
zu verursachen. Ein Überspannungsschutz muss hier sehr
hochwertig sein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang ein
anderer Weg der Einkopplung: die Induktionsspannung
durch magnetische Wechselfelder. Gezeigt wird dieses
Prinzip in Bild 5.
Ein elektrisches Datennetzwerk liefert Signalspannungen
in der Größenordnung 5 V. Ein magnetisches Wechselfeld
durchsetzt die vier Leiter, die in Netzwerkkabeln benutzt
werden. Innerhalb von Gebäudeinstallationen wird dieses
Wechselfeld von Netzleitungen oder daran angeschlosse­
Elektro03_31.indb 7
Bild 6: Einkopplung von Querspannungen durch magnetische
Wechselfelder
12.08.2014 10:30:20
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Überspannungsschutz und EMV für Datenleitungen
Die eingekoppelte Störspannung braucht noch nicht einmal besonders groß zu sein, um eine Störung zu verursachen. Bei einer eingekoppelten Induktionsspannung von
nur 7 V (Wechselspannung) ergeben sich schon massive
Probleme in der Datenübertragung.
auch das Potenzial der Versorgungsspannung des Gebers
angehoben. Der Geber (Gebäude A) „sieht” jetzt eine
Ver­­­­sorgungsspannung, deren Potenzial zu seiner ­eigenen
Erdverbindung plötzlich um einige 100 kV angehoben
ist.
Ein planmäßiger Betrieb des Netzwerkes ist so nicht möglich, wie die Firmenvergangenheit der Firma Wilhelms es
gezeigt hat. Bei Überschreitung des maximal zulässigen
Spannungsbereiches wird man sogar mit der Zerstörung
der Komponenten rechnen müssen. Die Maßnahmen, die
der Praktiker zur Vermeidung solcher Schwierigkeiten
treffen kann, werden später in Kapitel 4.2 „Leitungsverlegung”, → S. 10 behandelt.
Die Isolationsfestigkeit der Versorgungsleitungen vom
Geber (gegen Gehäuse und damit gegen Erde) liegt aber
nur bei 2 bis 5 kV (Kabelisolation). In einem solchen Fall
kommt es zu Durch- oder Überschlägen, die dann zu
Betriebsausfällen führen. Diese Art der Überspannung
gegen das Erdpotenzial nennen wir Längsspannung; sie
muss beim Überspannungsschutz berücksichtigt werden.
Es sei hier noch erwähnt, dass eine Längsspannung nicht
nur durch einen Blitz hervorgerufen werden kann, sondern durch alle Betriebsstörungen, die Erdpotenzialdifferenzen zwischen Geräten hervorrufen. Blitze sind dabei
allerdings die energiereichsten Störer.
Längsspannungen
Anhand einer durch einen Blitz eingekoppelten Größe
sind Überspannungen zwischen einer Einzelader und dem
Erdpotenzial am einfachsten zu veranschaulichen. Als Beispiel soll die schon erwähnte, zweiadrige Versorgungs­
leitung innerhalb einer Netzwerkleitung dienen, die
unsere Stromversorgung und das Netzwerk-Gerät – z. B.
ein IP-­Geber (Bild 7) – verbindet. In Gebäude A steht die
Strom­ver­sorgung und in Gebäude B befindet sich der versorgte Geber. Die Hauptaufgabe der Stromversorgung ist
es, den Betrieb einer kleineren Rechenanlage in Gebäude
A zu versorgen. Denkbar wäre dieser Fall bei einer Power
over Ethernet-Anbindung (PoE).
Beispiel:
Durch einen Isolationsschaden wird das Erdpotenzial von
Gebäude B angehoben. Ein Außenleiter innerhalb der
Gebäudeinstallation hat Erdschluss. Für die bis zum Auslösen von Schutzschaltern (Sicherungen) vergehende Zeit
wird das Erdpotenzial des Gebäudes B gegenüber dem
des Gebäudes A angehoben und verursacht in dieser Zeit
eine Längsspannung auf allen Verbindungsleitungen
zwischen den betreffenden Gebäuden. Diese Tatsache
hat u. a. dazu geführt, dass die gebäudeübergreifende
Vernetzung nicht drahtgebunden erfolgen soll, sondern
über eine Funkvernetzung oder über eine optische Übertragung.
Aufgabe 3:
Ein Blitz trifft Gebäude B. Welche Geräte sind jetzt
gefährdet, obwohl beide Gebäude mit Blitzschutz
versehen sind?
Bild 7: Kopplung zweier Geräte über zweiadrige Leitungen
Die Verbindungsleitung, die eine Versorgungsspannung
übertragen soll, ist meistens einige Meter lang und somit
den Einflüssen der Umgebung ausgesetzt, genauso die an
sie angeschlossenen Geräte. Eine mögliche Störquelle ist
ein Blitz, der in das Blitzschutzsystem des Gebäudes A einschlägt.
Die Leitung, die von Gebäude A nach B führt, liefert eine
Spannung mit einer bestimmten Potenzialdifferenz gegen
Erde. Das Erdpotenzial des vom Blitz getroffenen Gebäudes wird um einige 100 kV angehoben, das Erdpotenzial
des anderen getroffenen Gebäudes nicht. Dadurch wird
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Der Unterschied zwischen ungewollt eingekoppelten
Längs- und Querspannungen liegt also hauptsächlich in
der auftretenden Größe, die als Überspannung schädlich
wirken kann. Längsspannungen können vergleichsweise
sehr groß werden, ohne Schaden anzurichten, Querspannungen stören schon bei wesentlich kleineren Größen.
Je nachdem, wie die Überspannung in eine Leitung kommt
und um was für eine Leitung es sich handelt, muss man
zwischen den beiden Arten unterscheiden und entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen.
12.08.2014 10:30:20
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