9.7 Seite 1 von 11 Überspannungsschutz für Anlagen und Geräte der Niederspannung 1. Einleitung 2. Entstehung von Überspannungen Wie die Statistiken der Schadensversicherer regelmäßig aufzeigen, machen Blitz- und Überspannungsschäden einen beträchtlichen Anteil des gesamten Schadensaufwandes aus. Nur ein nach DIN EN 62305 errichtetes, vollständiges Blitzschutzsystem, welches auf der Basis einer guten Erdungsanlage aufbaut, und sowohl den Äußeren Blitzschutz, als auch Überspannungsschutzmaßnahmen beinhaltet, ist in der Lage physikalische Schäden an einer baulichen Anlage wirkungsvoll zu verhindern. Der Äußere Blitzschutz kann zwar ein Gebäude vor direkten Blitzeinwirkungen bewahren, aber er kann nicht verhindern, dass das Erdpotential des getroffenen Objektes um einige 100kV angehoben wird. Dies führt zu Isolationsüberschlägen an der Elektroinstallation und den daran angeschlossenen elektrischen und elektronischen Einrichtungen. 2.1 Blitzentladungen (LEMP: Lightning electromagnetic impulse) Eine Ursache für die Entstehung von Überspannungen sind Blitzentladungen. Die dabei in oder an einer baulichen Anlage verursachten Schäden hängen unter anderem von der Lage der Einschlagstelle und der Amplitude des Blitzstroms ab. Nach DIN EN 62305 werden die folgenden Schadensquellen unterschieden: S1: Blitzeinschläge in die bauliche Anlage; S2: Blitzeinschläge neben der baulichen Anlage; S3: Blitzeinschläge in die Versorgungsleitungen, die in die bauliche Anlage eingeführt sind; S4: Blitzeinschläge neben den Versorgungsleitungen, die in die bauliche Anlage eingeführt sind. Umfangreiche statistische Auswertungen haben die folgende Häufigkeitsverteilung von Blitzströmen ergeben: Tabelle 1 Bild 1 Verfasser: Klaus Gottschalk 2.2 Schalthandlungen (SEMP: Switching electromagnetic pulse) Zu den Schalthandlungen zählen das Schalten großer induktiver und kapazitiver Lasten, das Auslösen von Sicherungen, Kurzschlüsse und Unterbrechungen im Stromversorgungsnetz usw.. Sie sind die häufigste Ursache für die Entstehung von Überspannungen. Die Höhe der zu erwartenden Überspannungen hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab, wie etwa dem Netzsystem und der Art der Schalthandlung. Stand 04/2012 9.7 Seite 2 von 11 Überspannungsschutz für Anlagen und Geräte der Niederspannung 2.3 Elektrostatische Entladungen (ESD: Electrostatic discharge) Elektrostatische Entladungen werden anders als bei Blitzentladungen nicht von außen in die bauliche Anlage oder an ein System geführt, sondern dort selbst erzeugt. ESD ist die Entladung einer Potentialdifferenz, die meist durch Reibung, wie etwa beim Laufen über einen Teppichboden, entsteht. Elektrostatische Entladungen sind für Menschen ungefährlich, können aber Schäden an elektronischen Bauteilen herbeiführen. In der Industrie schützt man sensible Komponenten z.B. durch spezielle ESD - Arbeitsplätze oder besondere Bauteilverpackungen. 3. Einkopplung von Überspannungen 3.1 EMV Beeinflussungsmodell Bild 2 zeigt das EMV Beeinflussungsmodell. Das Modell beinhaltet eine Störquelle als Erzeuger einer Störung und eine Störsenke, die durch die Störung beeinträchtigt werden kann. Störquelle und Störsenke sind über einen physikalischen Mechanismus verbunden, der als Kopplung oder Kopplungsmechanismus bezeichnet wird. Als Störquelle wirken z.B. Blitzentladungen oder Schalthandlungen. Störsenke sind die elektrischen und elektronischen Einrichtungen einer baulichen Anlage. Bild 2 3.2 Galvanische Kopplung Die galvanische Kopplung erfolgt über eine gemeinsame Impedanz. Bei einem Direkteinschlag in die Blitzschutzanlage eines Gebäudes verursacht der Blitzstrom am Stoßerdungswiderstand eine Potentialanhebung. Über den Potentialausgleich wird dadurch eine Überspannung in alle angeschlossenen Leitungen eingekoppelt. Verfasser: Klaus Gottschalk 3.3 Induktive Kopplung Bei der induktiven Kopplung wird, nach dem Transformatorprinzip, Energie durch ein gemeinsames Magnetfeld übertragen. Die induktive Kopplung wirkt sich meist deutlich stärker als die kapazitive Kopplung aus. Vermeidung: Schleifenfläche verringern, z.B. durch optimierte Verlegung Schirmungsmaßnahmen (Schirm beidseitig geerdet) 3.4 Kapazitive Kopplung Die Kapazitive Kopplung erfolgt durch das elektrische Feld. Sie wirkt zwischen voneinander isolierten Leitern, die sich auf unterschiedlichem Potential befinden. Vermeidung: Schirmungsmaßnahmen 4. Unterscheidung von transienten und temporären Überspannungen 4.1 Transiente Überspannungen Transiente Überspannungen, zu denen auch Blitz- und Schaltüberspannungen zählen, sind kurzzeitige Überspannungen von nur einigen Millisekunden Dauer oder weniger. Überspannungsschutzgeräte sind dazu bestimmt, transiente Überspannungen zu begrenzen. 4.2 Temporäre Überspannungen Temporäre oder auch zeitweilige Überspannungen entstehen aufgrund von Netzfehlern, wie z. B. Neutralleiterunterbrechnungen (siehe 4.3) und treten für die Dauer von einigen Zehntel Sekunden bis zu einigen Sekunden auf. 4.3 Neutralleiterunterbrechung Eine Ursache für Spannungserhöhungen können Neutralleiterunterbrechungen sein. Im Drehstromnetz liegt an jedem Strang die gleiche Spannung. Eine ungleichmäßige Belastung durch die Verbraucher wird über den im Neutralleiter fließenden Strom ausgeglichen. Kommt es aber zu einer Unterbrechung des Neutralleiters bilden die Verbraucher einen unbestimmten Ersatzsternpunkt und die Spannung an den angeschlossenen Geräten kann deutlich über der Gerätenennspannung liegen. Durch die überhöhte Spannung Stand 04/2012 9.7 Seite 3 von 11 Überspannungsschutz für Anlagen und Geräte der Niederspannung können angeschlossene Geräte beschädigt werden, auch wenn die Neutralleiterunterbrechung nur wenige Sekunden andauert. Installierte Überspannungsableiter können nicht vor Spannungserhöhungen schützen, die durch Neutralleiterunterbrechungen entstehen. Bild 6 5. Potentialausgleich 5.1 Vollständiger Potentialausgleich Um sich effektiv gegen die Auswirkungen von Überspannungen schützen zu können, gibt es die Möglichkeit des vollständigen Potentialausgleichs oder der vollständigen Isolierung einer Anlage oder eines Systems. Die vollständige Isolierung lässt sich in der Praxis allerdings, außer bei z. B. kleinen akkubetriebenen Geräten, kaum durchführen. Für einen vollständigen Potentialausgleich müssen alle elektrisch leitfähigen Teile in den Potentialausgleich einbezogen werden. 5.2 Potentialausgleich für aktive Leiter / Wirkungsweise von SPDs Da ein direkter Anschluss der aktiven Leiter der energie- und informationstechnischen Kabel an den Potentialausgleich nicht möglich ist, werden sie durch Überspannungsableiter indirekt eingebunden. Überspannungsableiter haben unter normalen Bedingungen keinen großen Einfluss auf die angeschlossenen Anlagen und Systeme, aber für den Moment des Auftretens transienter Überspannungen verkleinert sich ihre Impedanz deutlich. Dadurch werden alle am Schutzgerät angeschlossenen Leiter auf annähernd gleiches Potential gebracht, die Überspannungen werden wirksam begrenzt und Stoßströme abgeleitet. Nach dem Ableitvorgang geht das Schutzgerät wieder in seinen normalen Betriebszustand über. 6. Blitzschutzzonen-Konzept nach DIN EN 62305-4 Als Basis für die Planung von Überspannungsschutzmaßnahmen in einer baulichen Anlage wird das Blitzschutzzonen-Konzept nach DIN EN 62305-4 herangezogen. Die bauliche Anlage wird in unterschiedliche Blitzschutzzonen (LPZ) eingeteilt. Das sind Zonen, in denen der Bedrohungspegel durch die elektromagnetischen Auswirkungen des Blitzstroms und die Störfestigkeit der Systeme innerhalb dieser Zone aufeinander abgestimmt sind. Hinsichtlich der Störfestigkeit der Systeme muss die DIN EN 60664-1; VDE 0110-1 (Isolationskoordination für elektrische Betriebsmittel in Niederspannungsanlagen) beachtet werden. Abhängig von der Art der Blitzbedrohung definiert die DIN EN 62305-4 folgende Blitzschutzzonen (LPZ): Äußere Zonen LPZ 0: Zone, die durch das ungedämpfte elektromagnetische Feld des Blitzes gefährdet ist, und in der die inneren Systeme dem vollen oder anteiligen Blitzstrom ausgesetzt sein können. LPZ 0 wird unterteilt in: LPZ 0A: Zone, die durch direkte Blitzeinschläge und das volle elektromagnetische Feld des Blitzes gefährdet ist. Die inneren Systeme können dem vollen Blitzstrom ausgesetzt sein; LPZ 0B: Zone, die gegen direkte Blitzeinschläge geschützt, aber durch das volle elektromagnetische Feld des Blitzes gefährdet ist. Die inneren Systeme können anteiligen Blitzströmen ausgesetzt sein. Innere Zonen (Geschützt gegen direkte Blitzeinschläge) LPZ 1: Zone, in der Stoßströme durch Stromaufteilung und durch SPDs an den Zonengrenzen begrenzt werden. Das elektromagnetische Feld des Blitzes kann durch räumliche Schirmung gedämpft sein. LPZ 2 ...n: Zone, in der Stoßströme durch Stromaufteilung und durch zusätzliche SPDs an den Zonengrenzen weiter begrenzt werden können. Das elektromagnetische Feld des Blitzes kann durch zusätzliche räumliche Schirmung weiter gedämpft sein. DIN EN 62305-4 Wie man erkennen kann, unterschieden sich die aufeinander folgenden Zonen wesentlich im Bedrohungspegel. Verfasser: Klaus Gottschalk Stand 04/2012 9.7 9.7 Seite Seite 44von von11 11 Überspannungsschutz Überspannungsschutz Anlagenund undGeräte Geräte der fürfür Anlagen der Niederspannung Niederspannung © Vervielfältigung und Veröffentlichung nur mit Genehmigung vom An allen Zonengrenzen werden ÜberspannungsAn allen Zonengrenzen werden Überspannungsschutzgeräte für die energieund informationstechschutzgeräte für die energieund informationstechninischen Kabel installiert. Die Auswahl der Ableischen Kabel installiert. Die Auswahl derBlitzschutzAbleitertypen tertypen, unter Berücksichtigung des unter Berücksichtigung zonen-Konzeptes, zeigtdes dieBlitzschutzzonen-KonzepTabelle 2. tes zeigt die Tabelle 2. 7.Zuordnung Zuordnungder der Ableitertypen Ableitertypen Um gegen ÜberspannunUm einen einenwirkungsvollen wirkungsvollenSchutz Schutz gegen Überspangen für Anlagen und und Geräte der der Niederspannung nungen für Anlagen Geräte Niederspan- zu erreichen, stehen Schutzgeräte (SPDs) unterschiedlinung zu erreichen, stehen Schutzgeräte untercher Leistungsklassen zur Verfügung. schiedlicher Leistungsklassen zur Verfügung. Ableitertyp Typ 1 Typ 1+2 1 Bezeichnung Blitzstromableiter Kombiableiter 1 Bild 7 Bild 7 Typ J. Pröpster Blitzschutzzone P-BM LPZ 0A – LPZ 1 P-HMS 280 (DP) LPZ 0A – LPZ 2 Typ 2 Überspannungsableiter P-VM(S) LPZ 1 – LPZ 2 Typ 3 Geräteschutz; Feinschutz P-DA LPZ 2 – LPZ 3 Installationsort Hauptverteilung vor oder nach dem Zähler Hauptverteilung nach dem Zähler Unterverteilung oder Hauptverteilung, wenn kein Äußerer Blitzschutz vorhanden ist Möglichst nahe an den zu schützenden Endgeräten Zweck Blitzschutzpotentialausgleich; Ableiten anteiliger Blitzströme Blitzschutzpotentialausgleich; Überspannungsschutz Reduzierung der Überspannungen auf ein ungefährliches Spannungsniveau Überspannungsschutz für Endgeräte; Lokaler Potentialausgleich; Querspannungsschutz Nicht in den Normen verifiziert, aber allgemein im Sprachgebrauch anerkannt. Tabelle 2 Tabelle 2 Wann benötigt man Blitzstromableiter? Bemerkung: Die sogenannten Kombiableiter, haben sich seit Obwohl die Norm E DIN VDE 0675-6 (A1, A2) zurückgezogen ist, sind die in dieser Norm verwendeten Bezeicheinigen Jahren auf dem Markt durchgesetzt, weil Ein blitzstromtragfähiger 1 (B-Ableiter) nungen der Anforderungsklassen für Überspannungsschutzgeräte B (jetzt Typ 1), C Ableiter (jetzt TypTyp 2) und D (jetzt Typ gleichzeitig der Blitzschutzpotentialausgleich und oder Typ 1+2 (B+C-Ableiter) muss immer dann ein3) nach wie vor bei den Installateuren gängig. der Überspannungsschutz komfortabel in einem gesetzt werden, wenn am Einbauort des SchutzgeGerät realisiert werden. rätes anteilige Blitzströme erwartet werden. Damit Diese Überspannungsschutzgeräte, die sogenannten ist 8. Wann Blitzstromableiter? immerbenötigt dann zu man rechnen, wenn bei einem Objekt In diesem Zusammenhang noch auf ein Kombiableiter, haben sich seitmuss einigen Jahren aufindem oder bei einem Gebäude in unmittelbarer Nähe eiFachkreisen häufig kontrovers diskutiertes Thema Markt durchgesetzt, weil gleichzeitig der BlitzschutzEinder blitzstromtragfähiger Ableitererfüllt Typ 1ist: oder Typ 1+2 ne folgenden Bedingungen eingegangen werden, dem so genannten "Technopotentialausgleich und der Überspannungsschutz muss immer dann eingesetzt werden, wenn am Einlogiekonflikt"inbei denGerät Kombiableitern. Es gab seit komfortabel einem realisiert werden. bauort des Schutzgerätes anteilige Blitzströme erwar Äußeres Blitzschutzsystem vorhanden langem Typ 1 Ableiter auf Funkenstreckenbasis tet werden. Damit ist immer dann zu rechnen, wenn Einspeisung über Freileitung und Typ 2Zusammenhang Ableiter auf Varistorbasis. Somit In diesem muss noch auf einstanden in Fach- bei einem Objekt oder bei einem Gebäude in unmittelalso grundsätzlich zwei unterschiedliche, konkurAntenne überder Dach installiert kreisen häufig kontrovers diskutiertes Thema einge- barer Nähe eine folgenden Bedingungen erfüllt ist: rierende Technologien bei der Entwicklung von AndereBlitzschutzsystem geerdete, exponiert gelegene gangen werden, dem so genannten „Technologiekon- • Äußeres vorhanden Typ 1 + 2 Kombiableitern zur Verfügung. Bei den Dachaufbauten vorhanden flikt“ bei den Kombiableitern. Es gab seit langem Typ • Einspeisung über Freileitung Funkenstreckenableitern, die ja von jeher für hohe 1Blitzströme Ableiter aufausgelegt Funkenstreckenbasis und Typ 2 Ableiter • Antenne über Dach installiert waren, wurde der niedrige Anmerkung: auf Varistorbasis. Somit standen also grundsätzlich • Andere geerdete, exponiert gelegene DachaufbauSchutzpegel, der bei den Kombiableitern benötigt Entspricht nach dem zwei unterschiedliche, konkurrierende ten vorhanden, z.B.Blitzschutzzonen-Konzept eine großflächige Photovoltawird, durch eine spezielle AnsteuerungTechnologien erreicht. dem Übergang von LPZ 0A auf LPZ 1 bzw. 2. bei der Entwicklung von Typ 1 + 2 Kombiableitern zur ikanlage Die Varistorableiter, die problemlos einen niedrigen Verfügung. den Funkenstreckenableitern, die ja SchutzpegelBei erzeugen, waren bis vor einigen Jahvon jeher für hohe Blitzströme ausgelegt waren, wur- Bemerkung: ren noch nicht für die energiereichen Blitzimpulse de der niedrige der beiEntwicklung, den KombiableiEntspricht nach dem Blitzschutzzonen-Konzept dem ausgelegt. AberSchutzpegel, durch die rasante die tern benötigt wird, durchdie eine spezielle Übergang von LPZ 0A auf LPZ 1 bzw. 2. auf dem Varistorsektor letzten JahreAnsteuerung vonstatten erreicht. die problemlos einen gegangenDie ist, Varistorableiter, gibt es heute gleichwertige Kombiableiter auf Funkenstrecken und waren Varistorbasis. niedrigen Schutzpegel erzeugen, noch bis vor einigen Jahren nicht für die energiereichen BlitzimpulAnmerkung: se ausgelegt. Aber durch die rasante Entwicklung, die Obwohl der Normenentwurf DINJahre VDE vonstatten 0675-6 (A1, auf dem Varistorsektor die letzten geA2) zurückgezogen ist, sind die in dieser Norm vergangen ist, gibt es heute gleichwertige Kombiableiter wendeten Bezeichnungen der Anforderungsklasauf Funkenstrecken – und Varistorbasis. sen für Überspannungsschutzgeräte B (jetzt Typ 1), C (jetzt Typ 2) und D (jetzt Typ 3) nach wie vor bei den Installateuren gängig. 1 Verfasser: Klaus Gottschalk Verfasser: Klaus Gottschalk Stand 04/09 Stand 04/2012 9.7 Seite 5 von 11 Überspannungsschutz für Anlagen und Geräte der Niederspannung 9. Bauelemente für Überspannungsschutzgeräte 10. Koordination der Schutzgeräte Die für den Einsatz in Überspannungsableitern infrage kommenden Bauelemente müssen über eine sehr schnelle Ansprechzeit und ein hohes Ableitvermögen verfügen, da die Anstiegszeiten von Transienten sehr kurz und die zu erwartenden Stromwerte groß sind. Je nach Anforderung kommen die folgenden Bauelemente, auch in Kombinationen, zum Einsatz: Bei Überspannungsschutzgeräten für die Niederspannung kommen je nach Ableitertyp unterschiedliche Bauelemente zum Einsatz. Wie unter Punkt 9 bereits veranschaulicht, unterscheiden sich die verwendeten Bauelemente deutlich in ihren Eigenschaften. 1. Funkenstrecke • Spannungsschaltendes Bauteil • Ansprechzeit < 100 ns • Sehr große Stoßstrombelastbarkeit • Auftreten von Netzfolgeströmen 2. Varistor (spannungsabhängiger Widerstand) • Spannungsbegrenzendes Bauteil • Ansprechzeit < 25 ns • Große Stoßstrombelastbarkeit (abhängig vom eingesetzten Typ) • Kein Netzfolgestrom • Schutzpegel wird mit zunehmender Nennspannung höher • Für den Einsatz in Überspannungsableitern thermisch überwacht 3. Gasentladungsableiter • Spannungsschaltendes Bauteil • Ansprechzeit < 100 ns • Große Stoßstrombelastbarkeit (abhängig vom eingesetzten Typ) • Auftreten von Netzfolgeströmen 4. Suppressordiode • Spannungsbegrenzendes Bauteil • Ansprechzeit < 1 ns • Enge Spannungsbegrenzung • Geringe Stoßstrombelastbarkeit Sind mehrere unterschiedliche Überspannungsschutzgeräte in einem Strompfad vorhanden, kommt es zu einer gegenseitigen Beeinflussung. Es besteht die Gefahr, dass die leistungsschwächeren Geräte mit der schnelleren Ansprechzeit und dem niedrigeren Schutzpegel überlastet werden, da sie dazu „neigen“ den größeren Strom zu ziehen. Um zu gewährleisten, dass die Stromtragfähigkeit der jeweiligen Geräte nicht überschritten wird, müssen sie aufeinander abgestimmt, also koordiniert werden. Die Grundlage hierfür ist eine entsprechende Leitungslänge zwischen den einzelnen Überspannungsschutzgeräten (Bild 8). Die Leitungslänge ist so gewählt, dass im Falle eines transienten Ereignisses der Stromanstieg auf der Leitung einen Spannungsfall verursacht, der für ein selektives Ansprechen der Geräte sorgt. Bevor ein Ableiter überlastet wird, muss der vorgeschaltete, leistungsstärkere Ableiter ansprechen. Zwischen Typ 1 Blitzstromableitern auf Funkenstreckenbasis mit einem Schutzpegel von < 4 kV und Typ 2Überspannungsableitern auf Varistorbasis mit einem Schutzpegel < 1,5 kV soll eine Leitungslänge von mindestens 10 Metern und zwischen Typ 2 und Typ 3 Ableitern eine Leitungslänge von mindestens 5 Metern eingehalten werden. Die Hersteller der Überspannungsableiter stellen in Ihren Dokumentationen ausreichende Informationen über die Koordination ihrer Geräte zur Verfügung. Bild 8 Verfasser: Klaus Gottschalk Stand 04/2012 9.7 Seite 6 von 11 Überspannungsschutz für Anlagen und Geräte der Niederspannung 11. Einsatz von Überspannungsschutzgeräten in verschiedenen Netzsystemen 11.1 Netzsysteme 11.2 Bedeutung der Abkürzungen Die verschiedenen Netzsysteme unterscheiden sich in der Art der Erdverbindung: 1. Buchstabe: Erdungsverhältnis der Stromquelle T: Direkte Erdung des Sternpunktes Bild 9 Bild 12 I: Isolierung aller aktiven Teile von Erde Bild 13 Bild 10 2. Buchstabe: Beziehung der Körper der elektrischen Anlage zur Erde T: Körper direkt geerdet. Dies ist unabhängig von der bestehenden Erdung eines Punktes der Stromquelle Bild 14 N: Körper direkt mit dem Betriebserder (Trafoerder) verbunden. Bild 15 Bild 11 Im TN-System beschreiben die weiteren Buchstaben das Verhältnis zwischen dem N-Leiter und dem PELeiter. C: N-Leiter und PE-Leiter kombiniert (PEN-Leiter) S: N-Leiter und PE-Leiter separat Verfasser: Klaus Gottschalk Stand 04/2012 9.7 Seite 7 von 11 Überspannungsschutz für Anlagen und Geräte der Niederspannung 11.3 „3+1 Schaltung“ im TT-System Um den nach Norm geforderten Schutz vor indirektem Berühren zu gewährleisten, werden anÜberspannungsschutzgeräte für das TT-System spezielle Anforderungen gestellt. Deshalb fordert die DIN VDE 0100534 die sogenannte „3+1 Schaltung“ für das TT Netz. „4+0“ im TN-System Verursacht der Ableiter einen Kurzschluss, spricht die vorgeschaltete Sicherung an und der Ableiter wird sicher vom Netz getrennt. Bild 16 „4+0“ im TT-System Verursacht ein Ableiter in dieser Schaltungsvariante einen Kurzschluss, besteht die Gefahr, dass aufgrund eines möglichen großen Erdungswiderstandes die vorgeschaltete Sicherung nicht anspricht. Somit wird der Ableiter nicht vom Netz getrennt und es kann zu hohen Berührungsspannungen kommen! Bild 17 „3+1“ im TT-System Durch die „3+1 Schaltung“ im TT-System wird gewährleistet, dass im Fehlerfall ein Kurzschlussstrom zum fließen kommt, bei dem die vorgeschaltete Sicherung auslöst. Bild 18 „3+1 Schaltung“ Die „3+1 Schaltung kann“ auch im TN-System angewendet werden. Aber technische Vorteile, wie z. B. der etwas niedrigere Schutzpegel und die schnellere Ansprechzeit (bei Varistorableitern) sprechen dafür, die Ableiter netzkonform auszuwählen. Die Praxis hat gezeigt, dass beim Aufbau der „3+1-Schaltung“ mit einpoligen Geräten häufig Installationsfehler gemacht werden. Deshalb empfiehlt es sich auf die netzkonformen Geräte der Hersteller zurückzugreifen (siehe Bild 23). Bild 19 Verfasser: Klaus Gottschalk Stand 04/2012 9.7 Seite 8 von 11 Überspannungsschutz für Anlagen und Geräte der Niederspannung 11.4 Überspannungsableiter und RCD (Fehlerstromschutzschalter) Überspannungsschutzgeräte vom Typ 1 und Typ 2 werden aus Sicht der Energieeinspeisung vor den RCD installiert (Bilder 20 bis 23). Zum Einen, um ein Auslösen des Fehlerstromschutzschalters bei Stoßstrombelastung und folglich eine Unerbrechung der Stromversorgung des angeschlossenen Systems zu vermeiden. Zum Anderen, um die RCD vor Beschädigung zu schützen. Wird besonderer Wert auf die Versorgungssicherheit des angeschlossenen Systems gelegt, sollte auf die Stoßstromfestigkeit des installierten RCD geachtet werden. 11.5 Beispiele für den Einsatz von Überspannungsschutzmaßnahmen Beispiele für den Einsatz von verschiedenen Überspannungsschutzgeräten im TN- und TT-Netz zeigen die Bilder 20 bis 23. Bild 20 Bild 21 Verfasser: Klaus Gottschalk Stand 04/2012 9.7 Seite 9 von 11 Überspannungsschutz für Anlagen und Geräte der Niederspannung Bild 22 Bild 23 Verfasser: Klaus Gottschalk Stand 04/2012 9.7 Seite 10 von 11 Überspannungsschutz für Anlagen und Geräte der Niederspannung 12. Vorsicherung 12.1 Maximale Vorsicherung Der Schutz bei Kurzschlüssen in Überspannungsableitern wird durch eine entsprechende Vorsicherung gewährleistet. Die Schutzgerätehersteller weisen zu diesem Zweck Maximalwerte für diese Sicherung aus. Besitzt eine vorgelagerte Sicherung der Gebäudeinstallation (Bild 24 F1) einen Wert kleiner oder gleich dem maximal empfohlenen Wert, ist eine separate Sicherung im Ableiterpfad (Bild 24 F2) nicht notwendig. Andernfalls muss die Sicherung F2 gemäß dem vom Hersteller angegebenen maximalen Sicherungswert und unter Beachtung der Selektivität der Sicherungen untereinander ausgewählt werden. Ein großer Wert für die Ableitervorsicherung ist vorteilhaft, da die Impulsbelastbarkeit der Sicherungen aufgrund ihrer Auslösecharakteristik mit kleiner werdenden Nennwerten abnimmt. Ist eine eigene Sicherung im Ableiterpfad nicht zwingend erforderlich, kann noch abgewogen werden, ob die Versorgungssicherheit des angeschlossenen Systems oder die Aufrechterhaltung des Schutzes bei Überspannung Vorrang hat. Bild 24 12.2 Vorrang der Versorgungssicherheit 12.3 Vorrang der Aufrechterhaltung des Schutzes bei Überspannung Wird der Versorgungssicherheit Vorrang eingeräumt, wird die Sicherung F2 im Ableiterpfad vorgeschaltet. Vorteil: Bildet ein Ableiter im Fehlerfall einen Kurzschluss, trennt ihn die Sicherung F2 vom Netz und die Spannungsversorgung des Systems bleibt erhalten. Nachteile: Bei einem Ansprechen der Sicherung F2 und gleichzeitig intaktem Ableiter, ist das System nicht mehr gegen Überspannungen geschützt. Defekte Ableiter werden, sofern ihre Funktion nicht über einen Fernmeldekontakt überwacht wird, meistens erst spät erkannt. Bild 25 Vorrang der Versorgungssicherheit Verfasser: Klaus Gottschalk Gibt man der Aufrechterhaltung des Schutzes bei Überspannung den Vorrang, wird, wenn es die Einbaubedingungen zulassen, auf die Sicherung F2 im Ableiterpfad verzichtet. Vorteile: Es fallen keine zusätzlichen Kosten und kein weiterer Montageaufwand für Sicherungen an. Es ist kein unbemerkter Kurzschluss der Ableiter möglich. Nachteil: -Bei einem kurzgeschlossenen Ableiter löst die Sicherung F1 aus und unterbricht die Spannungsversorung des Systems. Bild 26 Vorrang der Aufrechterhaltung des Schutzes bei Überspannung Stand 04/2012 9.7 Seite 11 von 11 Überspannungsschutz für Anlagen und Geräte der Niederspannung 13. Anschlussleitungslänge 14. Querschnitt von Erdungsleitern Die Wirksamkeit des Überspannungsschutzes ist von der Länge der Anschlussleitungen der SPDs abhängig. Dies gilt besonders dann, wenn das verwendete Gerät anteilige Blitzströme führt, wie z. B. bei Typ 1 oder Typ 1+2 Ableitern. Die DIN VDE 0100-534 fordert daher möglichst kurze Anschlussleitungen zu den Überspannungsschutzeinrichtungen, vorzugsweise mit einer Gesamtanschlusslänge von weniger als einem halben Meter. Die Praxis zeigt jedoch, dass diese Forderung oft schwierig zu realisieren ist. Falls die Anschlusslänge nicht auf weniger als 0,5 m beschränkt werden kann, ist die sogenannte V-Verdrahtung für den Anschluss der SPDs zu bevorzugen (siehe Bild 24), wenn diese Anschlussvariante bedingt durch die maximal zulässige Ableitervorsicherung möglich ist. Die DIN VDE 100-534 gibt für Erdungsleiter von SPDs, die am oder in der Nähe des Speisepunktes einer Anlage eingebaut sind, einen Mindestquerschnitt von 4 mm² Kupfer vor. Besonders zu beachten ist hierbei auch der Klemmbereich des eingesetzten Ableiters, da viele am Markt erhältlichen Geräte nur für einen minimalen Anschlussquerschnitt von 6 mm² ausgelegt sind. Ist am Einbauort mit anteiligen Blitzströmen zu rechnen, so wird für die eingesetzten Typ 1 bzw. Typ 1+2 Ableiter ein Querschnitt von 16 mm² Kupfer gefordert. Bild 27 V-Verdrahtung Bild 28 Anschluss über Stichleitung Verfasser: Klaus Gottschalk Stand 04/2012