Überspannungsableiter zum Schutz der Bahnstromversorgungsanlagen und der elektrischen Triebfahrzeuge 1. Allgemeines Die elektrische Energie für die Bahnstromversorgung wird in der Regel durch Hochspannungsfreileitungen mit Nennspannungen von 110 kV oder 132 kV bei einer Frequenz von 50 Hz, 60 Hz oder 16,7 Hz zu den Bahnschaltanlagen übertragen. Die Spannung wird dort auf die Speisespannung der Oberleitungs-Bahnnetze herabtransformiert und ggf. in Gleichspannung umgeformt. Sowohl die Hochspannungsfreileitungen und die Schaltanlagen als auch die Oberleitungsnetze und die elektrischen Triebfahrzeuge sind Gewitterüberspannungen ausgesetzt, die zu schweren Schäden an der Isolation der elektrischen Geräte führen können. Von jeher war deshalb ein Überspannungsschutz der Transformatoren in den Schaltanlagen, der Einspeisestellen in den Oberleitungsnetzen und der Triebfahrzeuge erforderlich. Neben der Isolation müssen heute auch die immer häufiger zum Einsatz kommenden elektronischen Einrichtungen in der Nähe oder innerhalb der Gleise gegen Überspannungen geschützt werden, ebenfalls eine Aufgabe, die mit modernen Ableitern ohne weiteres gelöst werden kann. Dass Überspannungsableiter bisher trotzdem nicht immer eingesetzt wurden, lag daran, dass die Anwender häufig Vorbehalte bezüglich ihrer Be- 2. triebszuverlässigkeit hatten. Die Einführung der funkenstreckenlosen Metalloxidableiter, für die mittlerweile eine mehr als zwanzigjährige überaus positive Betriebserfahrung vorliegt, die permanente Weiterentwicklung der Dichtungssysteme sowie die zunehmende Verwendung von Kunststoffgehäusen stellen heute jedoch ein so hohes Maß an Zuverlässigkeit selbst noch im Ausfallverhalten nach einer erfolgten Überlastung sicher, dass absolut kein Grund mehr für einen Verzicht auf Überspannungsschutz sämtlicher Betriebsmittel im Bahnbereich besteht. Elektrische Eigenschaften der Ableiter Die elektrisch aktiven Teile eines modernen Ableiters sind die spannungsabhängigen Metalloxid(MO)-Ableitwiderstände. Deren Spannungsabhängigkeit ist so groß, dass sie ohne in Reihe geschaltete Funkenstrecken eingesetzt werden können. Bei anliegender Betriebsspannung fließt lediglich ein Leckstrom von weniger als 1 mA. Die Anforderungen an funkenstreckenlose MOAbleiter für Wechselspannungen größer 1 kV sind in der Vorschrift IEC 60099-4 (VDE 0675 Teil 4) festgelegt. Die Vorschrift DIN EN 50123-5 (VDE 0115 Teil 300-5) nennt spezielle Anforderungen an Ableiter im DC Bahnbereich. Hinweise zum Einsatz von Ableitern werden in der Anwendungsrichtlinie IEC 60099-5 (VDE 0675 Teil 5) und der Vorschrift DIN EN 50124-2 (Bahnanwendungen - Isolationskoordination) gegeben. Nachfolgend werden einige wichtige Begriffe aus diesen Schriften erläutert: © 12/2002 ∙ Siemens AG Bemessungsspannung Ur Die Bemessungsspannung ist die Wechselspannung (Effektivwert) bzw. die Gleichspannung, die mindestens 10 s an einem vorbelasteten (und damit erwärmten) Ableiter liegen kann, ohne dass dieser thermisch instabil wird. Dauerspannung Uc Die Dauerspannung ist der höchstzulässige Effektivwert der betriebsfrequenten Wechselspannung bzw. die höchstzulässige Gleichspannung, die dauernd am Ableiter anliegen darf. Spannungs-Zeit- (U-t-) Kennlinie Die Spannungs-Zeit-Kennlinie gibt die höchstzulässige Zeitdauer an, während der eine die Dauerspannung übersteigende Spannung am Ableiter liegen darf. -2- Nenn-Ableitstoßstrom In Der Nenn-Ableitstoßstrom ist der Blitzstoßstrom, für den der Ableiter ausgelegt ist. Er wird bei den Bahnableitern aus Sicherheitsgründen größer gewählt als der größte zu erwartende Blitzstoßstrom am Einbauort des Ableiters. Aus Gründen erhöhter Auslegungssicherheit weisen sämtliche in dieser Unterlage vorgestellten Ableiter einen NennAbleitstoßstrom von 10 kA der Form 8/20 µs auf. Jedoch sind in Bahnanlagen Blitzstoßströme > 5 kA nicht zu erwarten. tens ein Hängeisolator oder Stützer befindet, der durch seinen Überschlag den Ableiter entlastet. Ist das nicht der Fall, so spricht man von einem Naheinschlag. Dieser kann von keinem Ableiter beherrscht werden und führt praktisch immer zu dessen Überlastung. Während in Hochspannungsanlagen Naheinschläge u.a. durch mitgeführte Erdseile weitestgehend vermieden werden, lassen sie sich jedoch in Mittelspannungsanlagen aus wirtschaftlichen Gründen nicht völlig ausschließen. Trotzdem bleibt die Ableiterüberlastung ein äußerst seltenes Ereignis und betrifft jährlich weitaus weniger als 1% aller eingesetzten Ableiter. Kurzschlussstromfestigkeit Is und Überlastverhalten Blitz-Schutzpegel eines Ableiters Der Blitz-Schutzpegel eines Ableiters ist identisch mit dessen Restspannung beim NennAbleitstoßstrom. Die Restspannung eines Ableiters ist der Spannungsfall am Ableiter beim Durchgang eines Blitzstoßstromes. Ihre Höhe ist nicht nur abhängig von der Stärke eines Ableitstoßstromes sondern auch von dessen Steilheit. Für Stoßströme sehr großer Frontsteilheit liegt die Restspannung etwa 6% höher als bei einem vergleichbaren Blitzstoßstrom der Form 8/20 µs. Da jedoch die Stoßstromamplituden in Bahnanlagen selten 3 kA überschreiten, treten trotzdem nie Restspannungen oberhalb des Blitz-Schutzpegels auf. Schutzbereich eines Ableiters Wichtig ist zu beachten, dass ein Ableiter einen begrenzten räumlichen Schutzbereich hat. Dieser hängt ab von der Höhe der Restspannung des Ableiters, der Steilheit des Überspannungsvorganges und der Stehspannung der zu schützenden Isolation. Der Ableiter soll sich so dicht wie möglich an dem zu schützenden Betriebsmittel befinden. Die empfohlene maximale Leitungslänge zwischen dem Einbauort des Ableiters und dem zu schützenden Betriebsmittel in Mittelspannungsanlagen beträgt 10 bis 15 m. Naheinschlag Die Überlegungen zur Belastbarkeit eines Ableiters und zu dessen Schutzvermögen setzen voraus, dass sich zwischen der Einschlagstelle des Blitzes in die Leitung und dem Einbauort des Ableiters mindes- Die Kurzschlussstromfestigkeit ist diejenige Kurzschlussstromstärke, bis zu der ein Ableiter nach einer erfolgten Überlastung einen Kurzschlussstrom führen kann, ohne zu bersten. Da Ableiter im Bahnbereich häufig an öffentlich zugänglichen Stellen eingesetzt werden, kommt dem Verhalten bei Überlastung eine ganz besondere Bedeutung zu. Das Überlastverhalten wird bei den SiemensAbleitern durch die Verwendung einer Druckentlastungsmembran kontrolliert. Diese Membran weist gegenüber starr wirkenden Überdrucksicherungen vor allem den Vorteil extrem kurzer Öffnungszeiten auf. Die Überdruckmembran wird für Ableiter aller Spannungsebenen eingesetzt und hat sich seit über drei Jahrzehnten bestens bewährt. Eine weitere Verbesserung des Kurzschlussverhaltens wird durch die Verwendung von Kunststoffgehäusen anstelle von Porzellangehäusen erreicht, bei denen die Möglichkeit eines thermischen Bruches völlig ausgeschlossen ist. Jedoch ist auch bei Verwendung von Kunststoffgehäusen das Überlastverhalten stark von der Konstruktion abhängig. Bei den Gleichspannungs-Bahnableitern vom Typ 3EB2, die in nicht öffentlich zugänglichen Anlagen eingesetzt werden, sind die Ableitwiderstände direkt in Silikongummi vergossen. Im Fall einer Überlastung reißt der entstehende Lichtbogen sehr schnell das Gehäuse auf, so dass sich kein Überdruck aufbauen kann. Damit ist weitgehend sichergestellt, dass keine Teile von einem ausfallenden Ableiter weggeschleudert werden. Für die Bahnableiter vom Typ 3EB1, die auf den Masten der Oberleitung und auf den Triebfahrzeugen der Vollbahnen eingesetzt werden, wird dieselbe Technik angewendet wie für die Siemens-Hochspannungsableiter: auf ein faserverstärktes Kunststoffrohr hoher mechanischer Festigkeit sind Schirme aus hochtemperaturvernetztem Silikon aufvulkanisiert. Der untere Flansch enthält die auch in den Hochspannungsableitern tausendfach bewährte Dichtung und Überdruckmembran. Im Falle einer Ableiterüberlastung führt das dazu, dass das Gehäuse mechanisch völlig intakt bleibt und nicht -3aufreißt. Der Lichtbogen brennt sich nicht durch das Kunststoffgehäuse, sondern die heißen Gase werden durch die Druckentlastungsöffnung gezielt nach außen geführt, was eine Kommutierung des Lichtbogens von innen nach außen bewirkt. Selbst kleinste Bruchstücke können das Ableiterinnere nicht verlassen, die mechanische Festigkeit des Ableiters bleibt erhalten. Der Ableiter kann daher sogar bedenkenlos auch als Stützer eingesetzt werden. 3. Speisespannungen von Bahnnetzen Die Speisespannungen von Bahnnetzen sind in der Vorschrift DIN EN 50163 (VDE 0115 Teil 102) angegeben. Dort werden u.a. folgende Begriffe und Definitionen verwendet: Nennspannung Un Der für ein Betriebsmittel des Netzes festgelegte Wert Höchste Dauerspannung Umax1 Höchster Wert der Spannung, der mit unbestimmter Dauer auftreten kann Höchste nichtpermanente Spannung Umax2 Höchster Wert der Spannung, der als höchste nichtpermanente Spannung auftreten kann (gilt für Langzeitübergangszustände) Höchste Langzeitüberspannung Umax3 Effektivwert einer Wechselspannung als Höchstwert der Langzeitüberspannung für T = 20 ms Langzeitüberspannung Überspannung > Umax2 und > 20 ms, z.B. bei Anstieg der Primärspannung von Unterwerken Es sind folgende Speisespannungen für Bahnnetze festgelegt: Un Umax1 (V) Umax2 (V) Umax3 (V) 4. 750 V DC 900 1000 1270 1500 V DC 1800 1950 2540 3000 V DC 3600 3900 5075 15000 V 16,7 Hz 17250 18000 25300 25000 V 50 Hz 27500 29000 38750 A1 - A2 Ableiterkonzept gemäß VDV-Schrift 525 bei Anwendung in Gleichspannungsnetzen Mit seiner Schrift Nr. 525 gibt der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) dem Betreiber von Gleichstrombahnen Empfehlungen zum wirksamen Schutz vor Überspannungen bei Blitzeinschlägen. Eine besondere Bedeutung bei der Planung von Blitzschutzkonzepten kommt der Erdung des Stromsystems zu. Werden die Fahrschienen von Gleichstrombahnen zur Verringerung der Streustromkorrosion gegen Erde isoliert, wie dies bei neu zu verlegenden Gleisen gefordert wird, so sind sie als Blitzschutzerder ungeeignet. In diesem Falle sind je nach den örtlichen Gegebenheiten an der Strecke niederohmige Mastfundamente, Rammrohre, Bewehrungen von Stahlbetonfahrwegen oder separate Tiefenerder als Blitzschutzerder zu verwenden. Sind die Fahrschienen jedoch ohne weitere Maßnahmen zur Isolierung verlegt, weisen sie i.a. einen nur kleinen Ableitwiderstand auf und können als Blitzschutzerder verwendet werden. Allerdings wird der Ableitstoßstrom dann über die Gleise zur Erde abgeführt, was elektrische oder elektronische Einrichtungen gefährdet, die sich in der Nähe der Gleise oder in den Gleisen befinden. Eine wirkungsvolle Abhilfe gegen Überspannungen durch diesen Vorgang sind zusätzliche Überspannungsableiter in den Einrichtungen. Für einen umfassenden Schutz der Oberleitungsanlage sollten freilufttaugliche, nach VDV 525 als „A1“ bezeichnete Ableiter an jedem Speisepunkt, an den Enden von Speiseabschnitten und Ausläuferstrecken, an Kuppelstellen sowie an Stromentnahmestellen installiert werden. Zusätzliche A1Ableiter sind empfehlenswert, wenn Streckenabschnitte besonders häufig von Blitzeinschlag betroffen sind, so z.B. auf Brücken oder freien Überlandstrecken. -4- Die Beschaltung der Speiseleitungen und der Rückleiter in den Unterwerken mit Ableitern bildet einen wesentlichen Bestandteil eines Blitzschutzkonzeptes für ein Bahnstromsystem. Dabei werden zwei unterschiedlich dimensionierte Ableiter eingesetzt. Die A1-Ableiter werden zwischen die Streckenschalter bzw. Kabelanschlüsse und die Rückleitung geschaltet. Die unvermeidliche Potentialanhebung des Rückleiters infolge eines Blitzstoßstromes wird durch die A2-Ableiter zwischen Rückleitung und Bauwerkserde begrenzt. Obwohl MO-Überspannungsableiter außerordentlich zuverlässige Betriebsmittel sind, deren Ausfallraten deutlich kleiner als 1%/Jahr sind, kann es 5. unter ungünstigen Umständen doch zu einem Ausfall kommen, was dann zu einer dauerhaften Leitfähigkeit des A1-Ableiters führt. Weisen die Fahrschienen einen kleinen Ableitungsbelag auf, kann der Erder in diesem Fall für längere Zeit eine unzulässig hohe Fehlerspannung annehmen. Wird jedoch ein zusätzlicher A2-Ableiter mit einer kleinen Dauerspannung (120 V £ Uc £ 300 V) zwischen Erder und Rückleiter geschaltet, so wird dieser beabsichtigt ebenfalls überlastet, begrenzt auf diese Weise die Fehlerspannung und bewirkt durch das Nachspeisen aus der Fahrleitungsanlage eine Auslösung des Streckenschalters. Auswahl der Ableiter Bei der Auswahl der Ableiter für die o.g. Netze ist lediglich darauf zu achten, dass die Dauerspannung des Ableiters gleich oder größer ist als die höchste nichtpermanenten Spannung des Netzes, also Uc ≥ Umax2 Gewählt wird derjenige Ableiter, dessen Uc entweder gleich Umax2 ist oder dessen Uc innerhalb einer Typenreihe auf Umax2 folgt. Damit sind automatisch alle anderen Einsatzbedingungen des Ableiters erfüllt. Die Typenreihen der Siemens-Ableiter wurden so ausgelegt, dass sie den Anforderungen der üblichen Bahnnetze entsprechen. Bei Bedarf lassen sich jederzeit Sonderauslegungen verwirklichen. Folgende Ableitertypen stehen für die einzelnen Einsatzorte der Bahnstromversorgung zur Verfügung: Schutz der Betriebsmittel in den Hochspannungs - Schaltanlagen 110 kV bis 380 kV: Ableiter 3EP4, 3EP2 oder 3EP3 mit Porzellangehäuse oder Ableiter 3EQ1, 3EQ4 oder 3EL2 mit Kunststoffgehäuse Schutz der Oberleitungsanlagen bei Vollbahnen: Ableiter 3EB1 mit Kunststoffverbundgehäuse bei Straßenbahnen: auch Ableiter 3EC3 mit Porzellangehäuse (seit Jahrzehnten bewährt) Schutz der Triebfahrzeuge bei Vollbahnen: Ableiter 3EB1 mit Kunststoffverbundgehäuse bei Straßenbahnen: auch Ableiter 3EC3 mit Porzellangehäuse Schutz der Gleichspannungs-Unterwerke und Begrenzung der Potentialanhebung der Fahrschienen: Ableiter 3EB2 mit Kunststoffgehäuse (Direktumguss) Mehr Info? Wenn Sie mehr über unsere Überspannungsableiter wissen möchten, rufen Sie uns bitte an. Wir informieren Sie gerne ausführlich. Tel. Fax E-Mail: +49 (0)30 - 386 2 33 90 +49 (0)30 - 386 2 67 21 [email protected] Power Transmission and Distribution High Voltage Division Surge Arresters Nonnendammallee 104 D-13629 Berlin http://www.siemens.com/ableiter Siemens Aktiengesellschaft