Patientenverfügung als Form der Selbstbestimmung

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Patientenverfügung als
Form der Selbstbestimmung
Hilflos ausgeliefert sein, unfähig, sich zu erklären, und nicht mehr in
der Lage, sein Leben zu gestalten: So wenig sich ein selbstständiger
Mensch diese Situation vorstellen kann, so sehr möchte und sollte
er auch im Sinne eines möglichst geringen Leidens darauf Einfluss
nehmen.
ereits im März 2003 erklärte der Bundesgerichtshof Patientenverfügungen aus Gründen der Würde und Selbstbestimmung prinzipiell für verbindlich. Damit erfuhr der Patientenwille, der bis zu diesem Zeitpunkt in der Intensiv- und
Palliativmedizin eher medizinischen Standards untergeordnet
war, eine erhebliche Aufwertung.
Erstmals wurde mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts, das zum 01.09.2009 in Kraft trat, die Patientenverfügung ausdrücklich gesetzlich geregelt. Es definiert sie
als „schriftliche Festlegung eines einwilligungsfähigen Volljährigen für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar
bevorstehende, Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt
oder sie untersagt“.
B
Voraussetzungen für die Rechtsverbindlichkeit einer Patientenverfügung:
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Volljährigkeit
Schriftform
Freiwilligkeit
eigenhändige Unterschrift
mutmaßliche Übereinstimmung mit dem aktuellen Willen
konkrete Aussagen
Einwilligungsfähigkeit (Überblicken und freie Wahl der
eigenen Entscheidung).
Patientenwille schon lange im Gesetz verankert
Eine notarielle Beglaubigung ist hingegen nicht erforderlich.
Wenn jedoch z. B. eine beginnende Demenzerkrankung festgestellt wurde, kann diese sinnvoll sein, damit die Einwilligungsfähigkeit nicht später angezweifelt wird. Es kommt jedoch nicht, wie oft angenommen, auf Geschäftsfähigkeit (z. B.
Fähigkeit, Verträge abzuschließen) an – somit können auch
Menschen unter gesetzlicher Betreuung verbindliche Willenserklärungen abgeben. Die Patientenverfügung sollte regelmäßig (z. B. jährlich) unterschrieben und ggf. aktualisiert werden.
Die Patientenverfügung behandelt selbstverständliche Grundrechte, die in allen Lebensbereichen bestehen, insbesondere
das Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit. Eine gegen den erklärten Willen des Patienten durch
geführte Behandlung wäre – unabhängig, um welche es sich
dabei handelt – nach § 223 StGB (Körperverletzung), § 823
(Schadensersatzpflicht) und § 1004 (Unterlassungsanspruch)
BGB rechtswidrig. Der BGH stellt ausdrücklich fest, dass dies
auch dann gilt, wenn die Unterlassung zum Tod des Patienten
führen würde – sofern der Patient nicht erkennbar von der Ver-
fügung abrückt. Zwangsbehandlungen sind grundsätzlich unzulässig. Daraus lässt sich ableiten:
Patientenverfügungen sind, sofern sie konkret und nachvollziehbar den mutmaßlichen aktuellen Willen des Betroffenen wiedergeben, immer für Arzt, Pfleger, Betreuer
u. A. verbindlich. Vertragliche Vereinbarungen, fachliche
oder ethische Bedenken sind nachgeordnet.
Im Gegensatz zur lebensverkürzenden „Nichtbehandlung“ ist
eine lebensverkürzende Behandlung (z. B. überdosierte
Schmerzmittel) in Deutschland nicht zulässig und daher auch
nicht Gegenstand einer Patientenverfügung. Die konkreten
Angaben sollten insbesondere die jeweilige Behandlung eindeutig beschreiben (z. B. „künstliche Beatmung“ und/oder „Ernährung über Magensonde“ statt „lebensverlängernde Maßnahmen“).
Davon unberührt bleibt allerdings das Gebot der Hilfeleistung. So sind Laien wie Fachpersonal grundsätzlich verpflichtet, im Notfall Bedrohungen vom Patienten abzuwenden, z. B.
bei einem Kreislaufstillstand Wiederbelebungsmaßnahmen
durchzuführen. Erst im Fall einer bestehenden aussichtslosen
Erkrankung und einem sicher bekannten, anderslautenden
Patientenwillen würde sich dies ändern.
Vorsorgevollmacht für Vertrauensperson
Um im Fall eigener Hilflosigkeit eine Vertrauensperson mit allen Angelegenheiten zu bevollmächtigen, empfiehlt sich der
Eintrag einer Vorsorgevollmacht in das zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (www.vorsorgeregister.de) mit
Angabe von Bevollmächtigtem und Inhalt der Vollmacht (z. B.
Wohnungs- und Vermögensangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Sozialversicherung). Dies
ist auch bei nahen Angehörigen notwendig, da diese nicht
automatisch für den Betroffenen tätig werden können. Riskante (Nicht-)Behandlungen dürfen beim einwilligungsunfähigen
Patienten nur mit Zustimmung des Betreuungsgerichts vorgenommen werden, sofern der Patientenwille nicht feststeht.
Wichtige Inhalte einer Patientenverfügung
Je individueller, aktueller und präziser eine Patientenverfügung verfasst wird, desto besser. Einige wichtige Punkte sind
meist darin enthalten, insbesondere – im Fall von Einwilligungsunfähigkeit – die Unterlassung oder Durchführung
von:
Herz-Lungen-Wiederbelebung
lebenserhaltender Maßnahmen wie Dialyse, Beatmung
oder Magensonde
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Bluttransfusionen
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Schmerztherapie mit bewusstseinsdämpfenden Mitteln
(auch für den Fall, dass diese das Leben evtl. verkürzen
würden) …
… falls bestimmte der folgenden Fälle eintreten:
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Im Zweifelsfall gilt mutmaßlicher Wille
Auch wenn eine Patientenverfügung nicht alle rechtlichen Voraussetzung erfüllt – z. B. weil sie zu allgemein bleibt, zu lange
zurückliegt oder nur mündlich abgegeben wurde –, muss sie
dennoch, soweit sich der aktuelle Wille für die konkrete Situation daraus ableiten lässt, befolgt werden, unabhängig ob es
einen Betreuer oder Bevollmächtigten gibt.
Haben Arzt, Pfleger oder Betreuer grundlegende fachliche oder
ethische Bedenken, dürfen sie den Patientenwillen zwar nicht
übergehen, aber ihre Aufgabe an einen Kollegen abgeben.
Die Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden. Fehlt ein Schriftstück, spielen frühere Äußerungen (z. B.
durch Angehörige wiedergegeben) bei der Einschätzung des
mutmaßlichen Willens eine wichtige Rolle. Entgegen einer
verbreiteten Vorstellung hat der Wille der Angehörigen oder
auch des Betreuers auf die Behandlung eines schwerkranken
Menschen keinen Einfluss. Wenn weder Schriftstücke noch individueller Wille bekannt sind, bestimmt der unter den gegebenen Voraussetzungen zu erwartende Wille, ob eine Behandlung abgebrochen oder fortgesetzt wird.
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Sterbeprozess oder Endstadium einer unheilbaren
tödlichen Krankheit
Gehirnschädigung, die höchstwahrscheinlich unwiederbringlich die Fähigkeit des Lernens, Gestaltens und
Kommunizierens zerstört hat
Dauerbewusstlosigkeit oder Wachkoma
(andere) Zustände, durch welche die Aufnahme von
Nahrung nicht mehr auf natürliche Weise möglich ist
andere Situationen mit Einwilligungsunfähigkeit.
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