Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 13 Die Rezeption der arabisch-islamischen Philosophie in Orient und Okzident I. Vorbemerkung II. Die Rezeption der klassischen arabischen Philosophie in den islamischen Ländern A. Allgemeines B. Exkurs: Philosophinnen in den arabischen Ländern? III. Die Rezeption der arabisch-islamischen Philosophie im lateinischen Europa A. Übersetzungen aus dem Arabischen ins Lateinische B. Die Terminologie der lateinischen Übersetzungen aus dem Arabischen und ihre Bewältigung C. Zum hermeneutischen Umgang mit den neuen Übersetzungen: Thomas von Aquin interpretiert den Liber de causis D. Der „Averroismus“: Eintritt einer rein rationalen Philosophie ins lateinische Europa? 1. Einführung 2. Thesen der Averroisten 3. Die Auseinandersetzung um den Averroismus im 13. Jahrhundert 4. Das Problem der doppelten Wahrheit E. Weitere Hinweise IV. Fazit Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 1. a) Begleitbrief König Manfred von Siziliens (reg. 1250-1266) zu einigen übersetzten Büchern: „[1] Den allgemeinen Lehrern des Pariser Studiums, die auf den Quadrigen der philosophischen Disziplin sitzen, Manfred, von Gottes Gnaden etc. [2] Obwohl uns die mühevolle Masse der Geschäfte häufig hinwegzieht, lassen wir nicht zu, dass irgendein bisschen Zeit, das wir der Beschäftigung mit den vertrauten Dingen entzogen haben, müßig abläuft. Vielmehr investieren wir es voll und ganz gerne in die unbezahlte Einübung des Lesens [...], zum Erwerb der Wissenschaft, ohne die das Leben der Menschen nicht geleitet wird. [...] (ed. Gauthier: Revue des sciences philosophiques et théologiques 66, 1982, S. 327f.; eigene Übs.) [1] Sedentibus in quadrigis philosophicae disciplinae Parisiensi studii doctoribus universis Manfredus dei gratia etc. [rex Siciliae] [...] [2] Quamquam operosa frequenter negotiorum turba nos distrahat [...], quicquid tamen temporis de rerum familiarium occupatione decerpimus transire non patimur otiosum, sed totum in lectionis exercitatione gratuita libenter expendimus [...], in acquisitione scientiae, sine qua mortalium vita non regitur. [...] Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 1. b) Fortsetzung: [3] Als wir also einige Bücher [...] aufschlugen [...], kamen uns einige unter die Augen, die [...] entweder ein Fehler dieses Werkes oder eines Menschen noch nicht in die Kenntnis der lateinischsprachigen Welt geführt hatte. Da wir nun wollten, dass die altehrwürdige Autorität solcher Werke bei nicht durch eine mündliche Übersetzung, ohne einen Vorteil für viele, wieder jung wird, haben wir sogleich angeordnet, dass sie durch ausgewählte und beider Sprachen mächtige Männer, unter treuer Bewahrung der Jungfräulichkeit der Worte, übersetzt werden. [...] [4] Hier nun haben wir mit Überlegung vorgesehen, vor allem Euch, als den hochberühmten Zöglingen der Philosophie [...], einige Bücher vorzulegen, die das neugierige Studium und die treue Sprache der Übersetzter schon herrichten konnten“. [3] Dum librorum ergo volumina [...] revolvimus [...], nostris aliquando sensibus occurrerunt quas [...] vel hominis defectus aut operis ad Latinae linguae notitiam non perduxit. Volentes igitur, ut reverenda tantorum operum senilis auctoritas apud nos non absque multorum commodis vocis organo traductione iuvenescat, ea per viros electos et utriusque linguae peritos instanter duximus verborum fideliter servata virginitate transferri. [...] [4] Ecce vobis potissime velut philosophiae praeclaris alumnis [...] libros aliquos, quos curiosum studium translatorum et lingua iam potuit fidelis instruere, consulto praevidimus praesentandos. Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 2. Beispiele für terminologische Besonderheiten lateinischer Übersetzungen aus dem Arabischen: λόγος logos maʿnā intentio [im Sinne Bezugnahme auf etwas, Repräsentation; vgl. Intentionalität] ἐνέργεια energeia tamm perfectio νοῦς nous ʿaql intellectus οὐσία ousia māhiyya quidditas οὐσία ousia ğawhar substantia ὄν on mawğūd ens, existens von: Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 3. Thomas von Aquin (1225-1274) bemüht sich bereits 1252, verschiedene Begriffe in Einklang zu bringen: „Das Substantiv ,essentia‘ wird von den Philosophen in den Begriff ,Washeit‘ abgewandelt. Und eben dies ist, was der Philosoph häufig das ,Was-es-war-Sein‘ nennt, das heißt das, wodurch etwas hat, ein ,was‘ zu sein. Dies heißt aber auch ,Form‘, sofern mit ,Form‘ die ,certitudo‘ eines Dings gemeint ist. Mit noch einem anderen Substantiv heißt es ,Natur‘ ..., sofern nämlich ,Natur‘ all jenes heißt, ,was vom Verstand auf irgendeine Weise erfasst werden kann‘ (Zitat aus Boethius). ... Das Substantiv ,Natur‘ scheint in dieser Anwendung eher die essentia einer Sache zu bezeichnen, sofern es eine Hinordnung zum eigentlichen Wirken der Sache hat .... Das Substantiv ,Washeit‘ hingegen bezieht sich auf das, was durch die Definition bezeichnet wird. Von ,essentia‘ spricht man jedoch, sofern durch es und in ihm das Seiende Sein hat“. (De ente et essentia/Über das Seiende und das Wesen I 3, Übs. W. Kluxen, leicht geändert). Nomen ,essentiae‘ a philosophis in nomen ,quidditatis‘ mutatur. Et hoc est quod philosophus frequenter nominat ,quod quid erat esse‘, id est hoc per quod aliquid habet esse quid. Dicitur etiam ,forma‘ secundum quod per ,formam‘ significatur certitudo uniuscuiusque rei .... Hoc etiam alio nomine ,natura‘ dicitur ... secundum scilicet quod ,natura‘ dicitur omne illud quod ,intellectu quoquo modo capi potest‘. ... Nomen ,naturae‘ hoc modo sumptae videtur significare essentiam rei, secundum quod habet ordinem ad propriam operationem rei ... ,Quidditatis‘ vero nomen sumitur ex hoc, quod per definitionem significatur. Sed essentia dicitur secundum quod per eam et in ea habet esse. Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 3. a) Bedeutungsnuancen der Synonyme zu substantia nach Thomas von Aquin quod quid erat esse → Etwas-Sein forma → Bestimmtheit natura → Wirkung quidditas → Definition essentia → ontologische Bedeutung Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 4. Thomas von Aquin erkennt ca. 1272 die Abhängigkeiten der ihm auf Lateinisch vorliegenden Quellen: „Im Arabischen findet sich aber das Buch, das bei den Lateinern ,Über die Ursachen‘ heißt. Es steht fest, dass es aus dem Arabischen übersetzt wurde und auf Griechisch überhaupt nicht vorhanden ist. Daher scheint es von einem der arabischen Philosophen aus dem genannten Buch des Proklos exzerpiert zu sein“. (Kommentar zum Liber de causis/Super librum de causis expositio, Prooemium, p. 3, 5-9 Saffrey; eigene Übs.) In arabico vero invenitur hic liber qui apud Latinos ,de causis‘ dicitur, quem constat de arabico esse translatum et in graeco penitus non haberi. Unde videtur ab aliquo philosophorum arabum ex praedicto libro Procli excerptus. Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 5. Thomas von Aquin interpretiert die vom Neuplatoniker Proklos stammende Triade Sein-Leben-Intellekt (νοῦς) auf monotheistische Weise: „[1] Einige Leute, die die hier getroffene Aussage ,die erste Ursache schuf das Sein der Seele vermittelt durch den Intellekt‘ (Buch von den Ursachen, Lehrsatz 3) missverstanden, meinten, laut dem Autor dieses Buches seien die Intellekte die Schöpfer der Substanz der Seelen. Aber [...] die Platoniker nahmen an, dass dasjenige, welches das Sein selbst ist, für alles die Ursache der Existenz darstellt, das aber, welches das Leben selbst ist, für alle die Ursache Lebens, das aber, was der Intellekt selbst ist, für alle die Ursache des Denkens. [...] [2] Man muss also sagen, dass die Seele von der ersten Ursache, von der sie das Sosein hat, auch die Denkfähigkeit hat. Und das stimmt überein mit der Aussage des Dionysios (Die göttlichen Namen IV 2) [...], dass das Gute selbst, das Sein selbst, das Leben selbst und die Weisheit selbst nichts Verschiedenes sind, sondern ein und dasselbe wie Gott, von dem in die Dinge übergeht, dass sie sowohl sind als auch leben als auch denken“. (Kommentar zum Liber de causis/Super librum de causis expositio III; p. 22, 4-7. 13-16; 24, 4-9 Saffrey; eigene Übs.) [1] Hoc autem quod hic dicitur quod ,causa prima creavit esse animae mediante intelligentia‘ quidam male intelligentes existimaverunt secundum auctorem istius libri quod intelligentiae essent creatrices substantiae animarum. Sed [...] Platonici ponebant quod id quod est ipsum esse est causa existendi omnibus, id autem quod est ipsa vita est causa vivendi omnibus, id autem quod est ipsa intelligentia est causa intelligendi omnibus; [...] [2] oportet ergo dicere quod a prima causa, a qua habet essentiam, habet etiam intellectualitatem. Et hoc concordat sententiae Dionysii [...], quod non aliud sit ipsum bonum, ipsum esse et ipsa vita et ipsa sapientia, sed unum et idem quod est deus, a quo derivatur in res et quod sint et quod vivant et quod intelligant. Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 6. a) Der ,Averroist’ Alberich von Reims (um 1250) über die Vorzüge der Philosophie: „[1] Drei sind es, wie Empedokles sagt, in erster Linie unter der gesamten Vielfalt der Dinge, die das großartigste Geschenk der Großzügigkeit Gottes, nämlich die Philosophie, erleuchten und erheben: die Verachtung des beweglichen Überflusses, das Streben nach der göttlichen Seligkeit und die Erleuchtung des Geistes. [...] [2] Denn das Sein des Menschen in seiner höchsten Vollkommenheit oder Vollständigkeit besteht darin, dass er durch die theoretischen Wissenschaften vollkommen ist, wie Averroes im Prolog [zum Kommentar] zum Achten Buch von [Aristoteles‘] Physik sagt“. [...] (Philosophia/Die Philosophie, S. 29. 32f. Gauthier [Revue des sciences philosophiques et théologiques 68, 1984]; eigene Übs.) [1] Tria sunt, ut ait Empedocles, in tota rerum varietate praecipua quae excellentissimum divinae munificentiae donum, philosophiam videlicet, elucidant et extollunt, scilicet mobilis affluentiae contemptus, divinae felicitatis appetitus, mentis illustratio. [...] [2] Nam, ut ait Averroes in prologo octavi Physicorum, esse hominis ex sua ultima perfectione vel completione est ipsum esse perfectum per scientias speculativas. [...] Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 6. b) Fortsetzung: „[3] Nun werden wir [hierhin] durch ein natürliches Streben gezogen, wie die Göttin der Wissenschaften an ihrem Anfang darlegt: ,Alle Menschen‘ usw. [streben von Natur aus zu wissen] (Metaphysik I 1, 980a 21). Hierzu sagt der Kommentator: ,Wir haben ein natürliches Verlangen, die Wahrheit zu wissen‘. Zu Recht, denn, wie Aristoteles im Zehnten Buch der Nikomachischen Ethik sagt, ist der Mensch nur Intellekt (X 7, 1178a 2-7). Dieser Intellekt wird aber, nach dem Zeugnis des genannten Averroes [...] durch die Philosophie vervollständigt. [...] Ihm stimmt Seneca zu, wenn er sagt: ,Ohne Bildung’ zu leben ,ist Tod und ein Begräbnis des lebenden Menschen‘ (Seneca, Brief 82, 3)“. [3] Appetitu quidem trahimur naturali, sicut proponit dea scientiarum suo principio: ,Omnes homines’ etc. [naturaliter scire desiderant]. Supra quod dicit commentator quod ,habemus naturale desiderium ad sciendum veritatem’. Merito, cum secundum Aristotelem decimo Ethicorum homo sit solus intellectus, hic autem intellectus, per verbum Averrois praefati [...] per philosophiam completur. [...] Cui consonat Seneca dicens: Vivere ,sine litteris mors est et hominis vivi sepultura’. Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 7. a) Ein besorgter Dominikaner wendet sich an Albertus Magnus, um Antworten auf die Probleme zu erhalten, die er durch averroistische Thesen gegeben sieht (um 1270): „Dem in Christus ehrwürdigen Vater und Herrn Albert [...] Bruder Aegidius aus dem Dominikanerorden. [...] Die Artikel, welche die Pariser Magister, die man als bedeutend in der Philosophie ansieht, in ihren Vorlesungen vortragen, [...] befand ich für wert, dass ihr diese, bereits in vielen Versammlungen bekämpft, durch den Hauch Eures Mundes auslöscht“. (Einleitung zu Albertus Magnus, Die fünfzehn Streitfragen/De quindecim problematibus; Übs. H. Anzulewicz, leicht geändert). Venerabili in Christo patri ac domino Alberto [...] frater Aegidius ordinis praedicatorum. [...] Articulos quos proponunt in scholis magistri Parisienses, qui in philosophia maiores reputantur, [...] dignum duxi, ut eos iam in multis congretationibus impugnatos vos oris vestri spiritu interimatis: Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 7. b) Fortsetzung: „I. Dass der Intellekt aller Menschen der Zahl nach ein und derselbe ist. II. Dass die Aussage ,der Mensch denkt’ falsch oder uneigentlich ist. III. Dass der menschliche Wille aus Notwendigkeit will und wählt. IV. Dass alles, was auf Erden geschieht, der Notwendigkeit der Himmelskörper unterliegt. V. Dass die Welt ewig ist. [...] VII. Dass die Seele, welche die Form des Menschen ist, insofern er Mensch ist, mit dem Untergang des Körpers untergeht. [...] X. Dass Gott einzelnes nicht erkennt“. I. Quod intellectus omnium hominum est unus et idem numero. II. Quod ista est falsa vel impropria: homo intelligit. III. Quod voluntas hominis ex necessitate vult et eligit. IV. Quod omnia quae in inferioribus aguntur subsunt necessitati corporum caelestium. V. Quod mundus est aeternus. [...] VII. Quod anima, quae est forma hominis secundum quod homo, corrumpitur corrupto corpore. [...] X. Quod deus non cognoscit singularia. Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 8. Ein anonymer Averroist zu Thomas von Aquins Behauptung, jeder einzelne Mensch denke: „Indem etwas Unakzeptables benannt und dieses dort nicht bewiesen wird, indem es anderswo vorausgesetzt, bekannt und zugestanden wird, ist es leicht, viel Unakzeptables zu folgern. Diese aber nehmen an, dass der Mensch eigentümlich denkt, beweisen dies aber nicht. Von dieser Voraussetzung her argumentieren sie. Aber wenn dieses Vorausgesetzte nicht wahr ist, argumentieren sie nicht. Dass der Mensch daher in eigentümlicher Rede denkt, gestehe ich nicht zu. Wenn dies jedoch zugestanden ist, dann weiß ich nicht zu antworten. Aber dies bestreite ich, und zu Recht, daher werde ich leicht antworten. (Quaestiones in De anima/Probleme zu Aristoteles‘ De anima, ed. M. Giele, ca. 1269, vgl. Siger von Brabant, ed. Perkams, S. 242f.; eigene Übs.) aliquo inconvenienti dato, et illo non probato ibi, alibi supposito, confesso et concesso, multa inconvenientia facile est concludere. Isti autem accipiunt quod homo proprie intelligit, nec hoc probant. Ex hoc supposito arguunt. Quodsi istud suppositum non est verum, non arguunt. Unde, quod homo proprio sermone intelligit, non concedo; illo tamen concesso, nescio respondere; sed istud nego et merito; ideo faciliter respondebo. Friedrich-Schiller Universität Jena Institut für Philosophie/Inst. für Altertumswiss. Prof. Dr. Matthias Perkams VL Philosophie im Judentum und Islam WS 2016/17 9. Thomas von Aquin behauptet in der Auseinandersetzung mit den sogenannten Averroisten, diese nähmen eine doppelte Wahrheit an: „(266) Es ist jedoch größerer Verwunderung oder sogar Entrüstung würdig, dass jemand, der sich als Christ bezeichnet, [...] sagt: „Dies ist das Argument, durch welches die Katholiken ihre Ansicht besitzen“, womit der die Lehre des Glaubens eine Ansicht nennt. [...] (267) Noch schwerwiegender aber ist, was er später sagt: „durch die Vernunft folgere ich notwendig, dass der Intellekt der Zahl nach einer ist; das Gegenteil halte ich aber standhaft durch den Glauben fest“. Also meint er, dass sich der Glaube auf einiges richte, dessen Gegenteil notwendig erschlossen werden kann. Weil aber nur etwas notwendig Wahres notwendig erschlossen werden kann, dessen Gegenteil etwas unmögliches Falsches ist, folgt aus seinem Wort, dass sich der Glaube auf etwas unmögliches Falsches richtet, was auch Gott nicht herstellen kann – dies können die Ohren der Gläubigen nicht ertragen“. (De unitate intellectus contra Averroistas/Die Einheit des Intellekts gegen die Averroisten, § 266f.; eigene Übs.) (266) Est autem maiori admiratione vel etiam indignatione dignum, quod aliquis Christianum se profitens [...] dicit ,haec est ratio per quam Catholici videntur habere suam positionem‘, ubi sententiam fidei positionem nominat. [...] (267) Adhuc autem gravius est quod postmodum dicit ,per rationem concludo de necessitate, quod intellectus est unus numero; firmiter tamen teneo oppositum per fidem‘. Ergo sentit quod fides sit de aliquibus, quorum contraria de necessitate concludi possunt. Cum autem de necessitate non concludi possit nisi verum necessarium, cuius oppositum est falsum impossibile, sequitur secundum eius dictum quod fides sit de falso impossibili, quod etiam deus facere non potest: quod fidelium aures ferre non possunt.