Professur für Waldbau und Professur für Forstschutz & Dendrologie, ETH Zürich 1995 Sorbus aucuparia L. 1.2 Phänologie Blüht im Mai/Juni, die Früchte reifen von Ende Juli bis Oktober und bleiben häufig den Winter über am Baum (Wintersteher). Familie: Rosaceae 1.3 Fortpflanzung dtsch.: franz.: ital.: engl.: Vogelbeere, Eberesche sorbier des oiseleurs sorbo selvatico (degli uccellatori) mountain ash, rowan Beginn der Blüte etwa im Alter 10-15; fruktifiziert meist jedes Jahr. Das Fruchtfleisch enthält keimhemmende Stoffe, die durch natürliche Überwinterung bzw. Stratifizierung abgebaut werden. Für die Aussaat in der Baumschule wird empfohlen, die Samen gleich nach der Ernte vom Fruchtfleisch zu trennen und sie vor der Saat mehrere Monate zu stratifizieren. Tausendkorngewicht (TKG): 3,5-5 g. 1. Artbeschreibung Vegetative Vermehrung durch Wurzelbrut, im Gebirge auch durch Ableger. 1.1 Morphologie Gestalt: Kleiner, 10-15 (max. 20) m hoher Baum, oft strauchförmig. Rinde: Glatt, glänzend grau oder braun, mit länglichen, quergestellten Lentizellen; auch im Alter kaum Borkenbildung. Triebe: Lang- und Kurztriebe. Knospen schlank kegelförmig, mit ledrigen, schwarzvioletten, zottig weiss behaarten Schuppen. Blätter spiralig angeordnet, unpaarig gefiedert mit 9-19 Blättchen; diese lanzettlich, am Rand scharf gesägt, unterseits graugrün und behaart oder kahl. Blüten: In aufrechten, endständigen Schirmrispen; zwittrig, etwa 1 cm breit, mit doppelter, 5-zähliger Hülle, Kronblätter weiss, 2-4 (meist 3) Griffel. Entomogam. Früchte: Kugelige, bis 1 cm grosse und leuchtend rote Apfelfrüchte; essbar, aber sehr herbbitter. Die sogenannte Süsse Vogelbeere (var. edulis, syn.: var. dulcis, var. moravica) hat grössere Früchte, die arm an Bitterstoffen, jedoch reich an Zucker und Vitamin C sind. Tierverbreitung. Wurzel: Senkerwurzel-System mit relativ flach streichenden Seitenwurzeln. 202 1.4 Wachstum Rasches Jugendwachstum und frühe Kulmination des Zuwachses. Höchstalter etwa 100150 Jahre. 2. Verbreitung 2.1 Horizontalverbreitung Eurosibirische Pflanze (siehe Arealkarte). Vorrat gemäss LFI: 0.05 % des gesamtschweizerischen Holzvorrates. 2.2 Vertikalverbreitung Als Begleiter der Grünerle steigt die Vogelbeere bis an die obere Waldgrenze bei 20002300 m ü.M. Hauptverbreitung montan bis subalpin. In tieferen Lagen eher in frischem und feuchtem Klima. 203 3. Standortsansprüche c) Limitierende Faktoren, Grenzen für Vorkommen, Verbreitung: Konkurrenzdruck anderer Baumarten. 3.1 Physiologische und ökologische Amplitude, Grenzen a) Physiologisches Ökogramm (ohne Konkurrenzeinfluss) für waldbauliche Arbeit: Einzig als Vorbaubaumart im Gebirge von waldbaulicher Bedeutung. Stark gefährdet durch das Wild. d) Ökologische Kurzbeschreibung dürr Physiologisches Optimum Physiologische Amplitude frisch Grenze waldfähiger Standorte Vorkommensgrenze der Buche Vogelbeere nass sehr sauer mässig sauer basisch Die Vogelbeere ist eine boden- und klimavage Vorwald- und Pionierbaumart mit der grössten Höhenverbreitung aller Laubbäume. 3.2 Detaillierte Standortsansprüche a) Klimacharakter Die Vogelbeere ist ausgesprochen klimavag. Sie kommt von den Tieflagen bis an die Waldgrenze vor. In warmen Gegenden bevorzugt sie eher kühlere Lagen. b) Schattentoleranz/Lichtcharakter b) Soziologisches Verhalten und Gesellschaftsanschluss Die Vogelbeere hat keinen Herrschaftsbereich im engeren Sinn. Sie stellt sich gerne auf Pionierstandorten oder auf Kahlschlagflächen ein. Als anspruchslose, konkurrenzschwache Baumart ist sie vor allem auf Standorten anzutreffen, welche anderen Baumarten nicht zusagen. Auf Kalkunterlage ist sie nur sehr selten und eher im subalpinen Bereich anzutreffen. Sie fehlt vermutlich konkurrenzbedingt auf basenreichen, nassen Standorten. in der frühen Jugend: In der frühen Jugendphase sehr viel Schatten ertragend, dann aber ziemlich bald lichtbedürftig. ab Dickungsstufe: Lichtbaumart, in Beständen daher selten. c) Wärme Gesamtwärme: Anspruchslos. Winterkälte: Die Vogelbeere gilt als winterhart. Gesellschaftsanschluss: Dominierend und stellenweise dominierend: Beigemischt: 1, 2, 4,-7, 11, 13, 16-18, 21, 22, 25, 30, 34-36, 42, 46, 48, 50, 53, 55, 56, 58, 59, 61-64, 67-69, 71 (3, 8, 12, 14, 19, 20, 27, 33, 45, 47, 49, 52, 57, 60)u d) Boden Geologisches Substrat: Die Vogelbeere stellt keine besonderen Ansprüche an das Substrat. Sie fehlt einzig auf Alluvionen und kalkskelettreichen Rohböden (Rüfen). Wasserhaushalt: Sowohl auf trockenen wie auf nassen Böden (Torfböden) vorkommend. Fehlt in nährstoffreichen Bruchwäldern (Schwarzerlenbruch). Nährstoffversorgung: Anspruchslos. Kommt auf armen wie auf nährstoffreichen Böden vor. Bodenstruktur, physikalische Eigenschaften: Indifferent. 204 205 4. Gefährdungen 4.1 Abiotische Gefährdungen a) Verhalten unter Stress Wasserstress/ Trockenheit: Mässig empfindlich. Überschwemmung: Mässig resistent. Erträgt bis 2 Monate sommerliche Überschwemmung. Vernässung: Die Vogelbeere meidet Staunässe, erträgt aber Pseudogleyböden. Im basisch-staunassen Bereich wird sie vermutlich durch Konkurrenz verdrängt. Gelegentlich anzutreffen ist sie auf Standorten, die mit Hochmooren verzahnt sind. Wechselhafter Wasserhaushalt: Die Vogelbeere erträgt Wechseltrockenheit. Frost: Spätfrost: Unempfindlich. Frühfrost: Nirgends erwähnt, vermutlich unempfindlich. Frostrisse: Wenig empfindlich. b) Standfestigkeit Wind: Kaum von Bedeutung, da die Vogelbeere selten in der Oberschicht vorkommt. Schnee, Schneebruch: Belaubt mittel gefährdet, unbelaubt ungefährdet. c) Weitere abiotische Gefährdungen Keine. 4.2 Biotische Gefährdungen Bakterien: Erwinia amylovora (Feuerbrand). Pilze: Verticillium-Welke, Gymnosporangium spp. (Gitterrost), Podosphaera oxyacanthae (Mehltau). Wildverbiss. Verantwortlich für den Inhalt: Professur Waldbau: Kap. 2.2, 3, 4.1 Professur Forstschutz & Dendr.: Kap. 1, 2.1, 4.2 206 207