Landrat Dr - Landkreis Wunsiedel

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Mai bis August 2006 Uhr
Naturpark-Infostelle, Rathaus Markt Zell
Sonderausstellung
Die Vogelbeere – Charakterbaum des Fichtelgebirges
Botanik und Kulturgeschichte
Eine Ausstellung des Naturparks Fichtelgebirge e.V.;
erarbeitet von Karen Görner-Gütling, M.A.,
mit finanzieller Unterstützung der Sechsämter Likör GmbH.
Der ursprüngliche Baumbewuchs der Mittelgebirge, so auch im Fichtelgebirge, war ein
Mischwald. Der Bergmischwald setzt sich aus zahlreichen Baumarten zusammen: Bergahorn,
Rotbuche, Hainbuche, Eiche, Esche, Tanne, Kiefer und in höheren Lagen Fichte und
Vogelbeere.
Lange Zeit unterschätzt, hat die Vogelbeere in den letzten Jahren stark an waldbaulicher,
ökologischer und ökonomischer Bedeutung gewonnen. So war sie auch Baum des Jahres
1997.
Der Name Vogelbeere oder Vogelbeerbaum ist alt und weit verbreitet. Tatsächlich sind die
roten Beeren für zahlreiche Vögel wertvolle Nahrung. Durch das Fressen der Beeren und
Samen tragen sie auch zur Verbreitung des Baumes bei. Mancherorts heißt der Baum nach
bestimmten Vogelarten, die seine Beeren besonders schätzen, auch Drosselbeere,
Krammetsbeerbaum (Krammet = Drossel), Kreienbeer (Kreie = Krähe) oder aber Gimpelbeere.
Die Beeren wurden früher beim Vogelfang als Köder eingesetzt. Daher kommt der wissenschaftliche Name der Baumart aucuparia (au = avis = der Vogel, cuparia = capere = fangen).
Die Bezeichnung Eberesche lässt sich über die Vorsilbe „Eber“-, in der die gleiche Wortwurzel
wie etwa in der Vorsilbe des Wortes „Aber“glaube stecken könnte, als „Falsche Esche“ oder
„Schein-Esche“ deuten. So lässt sich auch der Name Aberesche erklären. Das Wort „Esche“ im
Namen verweist auf die Ähnlichkeit des Blattes mit dem der Esche – das machen auch die
Bezeichnungen Wielesche und Moosesche deutlich.
Eine andere Erklärung der Vorsilbe „Eber“- geht auf die Herleitung aus dem keltischen Wort für
Eibe (eburos) zurück. Der Name Eberesche könnte demnach „Eiben-Esche“ bedeuten und eine
Ähnlichkeit mit beiden Bäumen bezeichen. Darauf weist auch der Name Eibschen hin. Die Eibe
ist ein Nadelbaum, der gleichfalls rote Beeren trägt.
Der unangenehme Geruch der Blüten hat dem Baum auch den Namen Stinkesche
eingetragen.
Der Eberesche wurden früher magische Zauber abwehrende Kräfte zugesprochen. In der
Walpurgisnacht oder am 1. Mai wurde das Vieh unter Ausrufung von Segenssprüchen mit
Ebereschenzweigen „bequitscht“ (gepeitscht). Daher mag die Bezeichnung Quitschbeere
stammen. Andere Varianten sind die Bezeichnungen Queckenboom, Quitsbeere, Quetschen
und Queckbeere.
Die Benennung Mostbeere geht auf die Verwendung der Beeren zur Mostgewinnung zurück.
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Die Gemeine Eberesche trägt den botanischen Namen Sorbus aucuparia.
Die Baumart gehört zur Gattung Sorbus, zur Unterfamilie der Apfelartigen (Maloideae) und zur
Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Die Baumart hat zahlreiche Unterarten.
Die Eberesche ist eine anspruchslose Licht- bis Halbschattenbaumart. Sie findet von den
Tieflagen bis zur subalpinen Waldgrenze Lebensräume. Die Vogelbeere ist in allen
Höhenlagen frosthart sowie widerstandsfähig gegen Wind und Schnee.
Der Baum stellt keine großen Bodenansprüche, bevorzugt aber humusreiche Böden. Die
Eberesche wächst noch auf nährstoffarmen, bodensauren Standorten, auf Hochmooren und
teilweise auch auf Kalkböden. Sie kommt sogar auf reinem Humus vor. Am besten gedeiht sie
auf gut feuchten Böden im Gebirge. Dabei meidet sie Staunässe und zieht lockere, gut
durchlüftete Böden vor.
Die Vogelbeere ist eine Vorwaldart, eine Pionierbaumart, die mit als erste Kahlflächen und
lichte Standorte besiedelt. Sie ist häufig gemeinsam mit Weide, Birke und verschiedenen
Straucharten anzutreffen. Nach Sturmwürfen und Kahlschlägen stellt sie sich sehr schnell ein,
da die Samen im Boden liegend offensichtlich längere Zeit – bis zu 5 Jahre lang – keimfähig
bleiben.
Die Vogelbeere kommt in Schlusswaldgesellschaften höherer Lagen vor und ist hier mit
Traubeneichen, Kiefern und Stieleichen, mit Grünerlen und Bergkiefern oder mit Lärchen und
Zirben anzutreffen.
In Buchen- und Eichen-Hainbuchenwäldern geringerer Höhenlagen kommt sie nur in
Verlichtungen und an Waldrändern vor.
Die Eberesche gedeiht in sehr unterschiedlichen Klimagebieten. Sie ist in fast ganz Europa
verbreitet. Die Vogelbeere ist der am weitesten nördlich anzutreffende Laubbaum. Teilweise
bildet der Baum neben anderen sogar die Baumgrenze.
In den Alpen steigt die Vogelbeere bis auf eine Höhe von 2000 bis 2400 Metern. In den
Mittelgebirgen kommt sie noch in Höhenlagen von 1100 bis 1450 Metern vor.
Möglich macht das eine Besonderheit: Die jungen Zweige enthalten unter der glatten Rinde
Chlorophyll. So ist der Baum bei der Photosynthese nicht nur auf seine Blätter angewiesen und
kann bereits vor Laubausbruch assimilieren.
Die Eberesche mit ihren Unterarten ist, wie ihre Verwandten der Gattung Sorbus auch, ein
Obstbaum. Mit der Intensivierung des weltweiten Handels und der zunehmenden Bedeutung
südländischer Früchte hat auch die Vogelbeere heute als Nutzobst an Bedeutung verloren.
Als Nutzobst hat die Unterart Essbare oder Edle Eberesche (Sorbus aucuparia ‚edulis‘) die
größte Bedeutung. Sie heißt auch Süße (‚dulcis‘) oder Mährische (‚moravica‘) Eberesche. Sie
ist sehr anspruchslos und widerstandsfähig. Ihre Früchte sind etwas größer als die der
Gemeinen Eberesche und nahzu frei von Bitterstoffen. Sie eigenen sich gut zur Verwertung.
Daneben gibt es weitere Unterarten sowie zahlreiche Auslesen und Gartenformen.
Die Eberesche findet schon sehr lange als Nahrungsmittel, in der Volksmedizin und als
Holzlieferant Verwendung.
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Bereits in vorgeschichtlicher Zeit sprach man der Vogelbeere magische Kräfte zu. Der hohe
Stellenwert der Vogelbeere kommt in ihrer Bedeutung im Volksglauben zum Ausdruck.
Die Vogelbeere wurde häufig auch bei der Vogeljagd eingesetzt.
Die Beeren der Eberesche enthalten reichlich Vitamine – insbesondere Vitamin C,
Ascorbinsäure –; Zuckeralkohole und Zucker: Saccharose, Fructose, Glucose, Sorbit;
organische Säuren; Gerbstoffe; Pektin; Bitterstoffe sowie Glycoside und Parasorbinsäure;
etwas ätherisches Öl, verschiedene Carotinarten.
Aufgrund der Parasorbinsäure gelten die rohen Beeren als leicht giftig. Beim Kochen und
Trocknen aber wird diese Säure weitgehend zerstört. Vogelbeeren regen den gesamten
Stoffwechsel an und entwässern. Obwohl die Beeren eine Harn treibende, abführende, Appetit
anregende und entzündungshemmende Wirkung haben, kann man sie nicht als eigentliches
Heilmittel bezeichnen.
In der Tierheilkunde gelten Vogelbeeren als Mittel gegen Ziegen- und Schweinerotlauf.
Vogelbeeren sollten wegen ihrer – wenn auch äußerst geringen – Giftigkeit nicht roh, sondern
gekocht oder getrocknet verzehrt werden.
Die meisten wild vorkommenden Vogelbeeren schmecken herb und bitter. Daher sollten sie vor
Verwendung entbittert werden – durch Einlegen in Essigwasser oder durch Frosten. Als
Nahrungsmittel eignen sich am Besten die Beeren der Süßen oder Mährischen Eberesche.
Aus den Beeren kann man im Entsafter Saft bereiten. Gerne wird auch Kompott oder
Marmelade und Gelee gegessen. Dafür kann man die Beeren gut mit Äpfeln, Birnen oder
Quitten mischen. Teilweise fanden getrocknete und geröstete Vogelbeeren als Kaffee-Ersatz
Verwendung. Aus den getrockneten Beeren wurde früher auch der Zuckeraustauschstoff Sorbit
gewonnen. Rohe Vogelbeeren schmecken kandiert sehr gut. Man sollte aber nicht sehr viele
auf einmal davon verzehren. Aus den Beeren lässt sich auch Kräuterbier brauen, Schnaps
brennen und Essig bereiten.
Vogelbeeren sind auch ein wichtiger Bestandteil von Kräuterlikören und Magenbittern
(Sechsämtertropfen). So wurden im Landkreis Wunsiedel für den Magenbitter
Sechsämtertropfen von 1974 bis 1996 jährlich zwischen 10 und 20 Tonnen Vogelbeeren zu
sammeln beantragt. Zu Fuß und per Fahrrad, teilweise mit Leitern ausgestattet, zogen viele
Leute durch die Fluren im Fichtelgebirge um mit der Ernte von Vogelbeeren ein Zubrot zu
verdienen. Pro Zentner erhielt man etwa 25 Mark. Der Ertrag war von Jahr zu Jahr
unterschiedlich und lag zwischen knapp einer Tonne und fast 40 Tonnen. In trockenen Jahren
oder wenn der Spanner sich breit gemacht hatte, fiel der Ertrag noch geringer aus oder es gab
gar keine Beeren.
Vogelbeerholz ist nur mäßig schwindend, zäh, recht biegsam, elastisch und fest. Es lässt sich
gut bearbeiten.
Vogelbeerholz war früher als Wagnerholz sehr geschätzt, aber auch als Drechsler-, Schnitz-,
und Tischlerholz begehrt. Büchsenmacher verwendeten gerne Vogelbeere. Fässer, vor allem
für Obstbranntweine, stellte man bevorzugt aus diesem Holz her. Auch bei der Herstellung von
Weberschiffchen, Holzrädern, Radkämmen, Modellen und Formen, Löffeln, Tellern und
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Holzschrauben war Eberesche sehr gefragt. Vogelbeere eignet sich hervorragend zur
Fertigung von Werkzeugstielen.
Heute bietet sich das schön gemaserte Vogelbeerholz als Massivholz und Furnierholz für
Möbel und Innenausbau an.
Im Ökosystem Wald hat die Vogelbeere als robuste Pionierbaumart und als Nahrungsquelle für
Tiere und Pilze eine große Bedeutung. In ihrer Funktion als Nahrungsbaum trägt die Eberesche
zur Lebensvielfalt in den Wäldern bei.
Vogelbeeren werden von 63 Vogelarten verzehrt. Damit ist die Eberesche der von den meisten
Vögeln genutzte Baum. Bei uns ernähren sich überwiegend Amsel, Singdrossel, Misteldrossel,
Rotkehlchen, Star, Mönchsgrasmücke, Kleiber, Gimpel, Seidenschwanz und Rotdrossel von
Vogelbeeren.
Die Beeren werden auch von Nagetieren wie Eichhörnchen, Siebenschläfer, Haselmaus,
Rötel-, Erd-, Gelbhals- und Feldmaus gefressen.
Auch für viele Säugetiere ist die Vogelbeere als Nahrung wichtig. Knospen, Blätter und Triebe
werden von den Schalenwildarten gerne gefressen. Rot-, Reh- und Schwarzwild nehmen
ebenfalls herab gefallene Vogelbeeren als Nahrung auf. Rotfuchs und Dachs haben eine
Vorliebe für Vogelbeeren.
In der Forstwirtschaft galt die Eberesche lange als unwirtschaftlicher, wertloser Baum, der nur
in geringem Umfang geduldet wurde. In der jüngsten Vergangenheit hat die Vogelbeere, die
aufgrund ihrer Anspruchslosigkeit und Widerstandsfähigkeit eine wichtige Pionierbaumart ist,
deutlich an Wertschätzung gewonnen. Ganz besonders bewährt hat sich der robuste Baum in
letzter Zeit bei der Neuanpflanzung belasteter Flächen.
Im Erzgebirge, im Harz und im Fichtelgebirge ist die Vogelbeere oft die einzige Baumart, die
bisher allen Immissionsbelastungen stand hält.
Auch im Fichtelgebirge machten sich die Immissionbelastungen seit Anfang der 1980-er Jahre
durch schwere Waldschäden in Verbindung mit einem großen Baumsterben bemerkbar.
Betroffen waren vor allem Fichtenbestände höherer Lagen. Zur Behebung der Schäden wurden
hier schließlich im Rahmen des Waldverjüngungsprogrammes verstärkt Vogelbeerbäume
angepflanzt, die sich nun natürlich verjüngen und verbreiten.
Gleichzeitig geht das Bestreben in der Waldentwicklung auch hin zu einem möglichst
naturnahen Bergmischwald.
So ist in den Hoch- und Kammlagen (800 bis 1050 Meter) ein Ebereschenbestand von 20
Prozent angestrebt – neben 70 Prozent Fichte und je 5 Prozent Buche und Bergahorn. In den
darunter liegenden Hanglagen (650 bis 800 Meter) soll die Vogelbeere neben Tanne, Lärche
und Bergahorn zu mindestens 5 Prozent dem Fichten-Buchen-Wald beigemischt werden.
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