Geriatrische Onkologie

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CM E · TO PI C · g er iat r isc h e o nkologie
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Seite 47
Webtipps: Assessment-Instrumente,
Empfehlungen, Kongressberichte
Seite 49
Für die Praxis: Wie fit ist der
Patient im Alltag?
Seite 50
Fallbericht: 94-jährige Frau mit
Tumor in der Augenhöhle
F. Honecker1 · G. F. Kolb2
OnkologischesZentrum,II.MedizinischeKlinikundPoliklinik,UniversitäresCancerCenterHamburg,Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf,Hamburg
2
MedizinischeKlinik,FachbereichGeriatrieundRehabilitation,St.Bonifatius-HospitalLingen/Ems
1
Geriatrische Onkologie
Zu alt für eine Tumortherapie?
Das mittlere Erkrankungsalter von Krebspatienten liegt in Deutschland bei knapp 70 Jahren. Diese Patienten
stellen ein heterogenes Kollektiv mit einem zum Teil deutlich erhöhten Risiko für Toxizität dar. Neben Komor­
biditäten und Polypharmazie liegt häufig auch eine altersbedingte Abnahme von Organfunktionen, insbeson­
dere der Nieren, vor. Während gebrechliche Patienten oftmals nicht einmal eine dosisadaptierte Therapie to­
lerieren, laufen fitte ältere Patienten Gefahr, als nicht ausreichend therapierbar abgestempelt und somit unter­
behandelt zu werden. Eine sorgfältige Nutzen­Risiko­Abwägung onkologischer Maßnahmen ist deshalb
besonders wichtig.
bestpracticeonkologie|6·20094:46–54|DOI10.1007/s11654-009-0187-3|©SpringerMedizinVerlag2009
webtipps
Onkologie und
demographischer Wandel
Der Trend zu einer Gesellschaft der Älteren ist ungebrochen. Es wird geschätzt,
dass bis " 0" 0 die Zahl der Menschen, die
" " Jahre und älter sind, um die Hälfte zunehmen wird [1]. Hinzu kommt, dass ältere Menschen in Deutschland eine vielfach unterschätzte Restlebenserwartung
haben: Bei einer 7" -jährigen Frau beträgt
diese derzeit bei steigender Tendenz noch
über 11 Jahre! Somit wird " 0" 0 mehr als
jeder Dritte zu den " 0-Jährigen und Älteren gehören. Auf die Gesellschaft
und insbesondere den Gesundheitssektor kommen deshalb massive Veränderungen zu. Die Onkologie wird diese
Dynamik in besonderem Maße zu spüren bekommen: Aufgrund der weiterhin
kontinuierlich ansteigenden Lebenserwartung wird die Zahl älterer Tumorpatienten in den kommenden Dekaden
kontinuierlich zunehmen. So schätzen
die statistischen Ämter des Bundes und
der Länder in einer aktuellen Publikation, dass bis " 0" 0 die durch Neubildungen
verursachten Krankenhausfälle um über
" 0" und somit überproportional zur Gesamtheit der Krankenhausfälle zunehmen werden [" ]. Zudem ist auch mit einer
qualitativen Veränderung dieses Kollektivs zu rechnen: Bereits ab " 0" 0 wird fast
jeder fünfte Patient 80 Jahre und älter
sein, so dass auch eine deutliche Zunahme der gebrechlichen Patienten zu erwarten ist. Für die Onkologie stellt dieses
Kollektiv eine „terrra incognita“ dar, da
über diese Patienten bislang aus Studien
und Erhebungen so gut wie überhaupt
keine Daten vorliegen. Auch wenn diese demographischen Fakten hinreichend
bekannt sind, scheint dennoch unser
Gesundheitswesen im Allgemeinen und
auch die Onkologie im Speziellen auf die
bevorstehenden Herausforderungen bislang unzureichend vorbereitet zu sein.
Altersbedingte
Veränderungen
Altern ist ein höchst individueller Prozess, so dass alterspezifische Besonder-
heiten in interindividuell unterschiedlicher Weise ausgeprägt sind. Höheres
Alter zeigt jedoch eine deutliche Assoziation mit dem Auftreten von Komorbiditäten sowie den so genannten geriatrischen Syndromen wie Demenz, Delirium, Depression, Inkontinenz, spontane
Frakturen, Fallneigung, Vernachlässigung oder Gedeihstörung (. Tab. 1, [" ]).
Stürze nehmen bei älteren Menschen ein
epidemisches Ausmaß an: Etwa " 0" aller über " " -Jährigen stürzen einmal pro
Jahr, bei Bewohnern von Altenheimen
ist dies sogar bei " 0" aller älteren Menschen der Fall. In der Geriatrie wird ein
Sturzereignis als „rote Lampe“ gewertet,
das eine drohende Verschlechterung des
Allgemeinzustands anzeigt. Unter Chemotherapie wird bei älteren Patienten
zudem eine erhöhte Inzidenz von Toxizitäten beobachtet. Diese betreffen insbesondere die Schleimhäute (Mukositis und
Diarrhö), die kardiale Funktion sowie die
Knochenmarksfunktion. Aufgrund einer
Abnahme der Infektabwehr treten auch
schwere Infektionen häufiger auf als bei
jüngeren Patienten. Als Ursache hierfür
wird neben der eingeschränkten Plastizität des Knochenmarks nach Chemotherapie eine reduzierte Aktivität der neutrophilen Granulozyten und eine eingeschränkte Lymphozytenfunktion vermutet. Insgesamt führt dies zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer febrilen Neutropenie oder gar Sepsis nach
Chemotherapie bei älteren Patienten.
Mit dem Alter kann es außerdem zu
einer eingeschränkten Organfunktionen
der Nieren (Abnahme der glomerulären
Filtrationsrate), der Lunge (Abnahme
der Elastizität und der Gasaustauschfläche) und des Herzens (Verlust an kardialem Muskelgewebe) kommen. Eine Reihe von Empfehlungen hinsichtlich optimierter Supportivmaßnahmen, wie den
routinemäßigen Einsatz von Wachstumsfaktoren, sind formuliert worden
[" , " ]. Höheres Alter, fortgeschrittene Erkrankungssituation, reduzierter Allgemein- oder Ernährungszustand, Hämoglobinwert <1" g/dl oder Komorbiditäten
bedingen ein erhöhtes Risiko für Myelosuppression [" ]. Die aktuellen Richtlinien
empfehlen eine Gabe von Wachstums-
Mehr Informationen zur geriatrischen Onkologie
z www.dgho.de
Assessment-Instrumente AufderHomepagederDeutschenGesellschaftfürHämatologieundOnkologie
(DGHO)findetsichunterdemLink
„Arbeitskreise“der„ArbeitskreisgeriatrischeOnkologie“.IndieserArbeitsgruppewerdenFragenzumAssessmentdes
geriatrisch-onkologischenPatientenerarbeitet.EinigeAssessment-Instrumente
gibtesalsPDF-DateienzumDownload.
z www.siog.org
Empfehlungen der SIOG DieInternationaleGesellschaftfürGeriatrischeOnkologie(SIOG)hältaufdieser
InternetseiteEmpfehlungenderGesellschaftbereit.
z www.krebsgesellschaft.de
Aktuelle Kongressberichte AktuelleKongressberichte,auchzum
Thema„GeriatrischeOnkologie“,finden
SieaufdenWebseitenderDeutschen
Krebsgesellschafte.V.
z www.dggeriatrie.de
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie BeiderDeutschenGesellschaftfürGeriatriesindInformationenzuFortbildungen
undKongressenerhältlich.„Arbeitsgruppe
Onkologie“derDeutschenGesellschaft
Tab. 1 Geriatrische Syndrome.
(Nach [3])
- Demenz
- Delirium (auf dem Boden akuter Zustände
wie Infektion, Myokardinfarkt usw.)
- Depression
- Inkontinenz
(kontinuierlich und irreversibel)
- Stürze (≥ dreimal monatlich ohne
eruierbaren Grund)
- Spontane Frakturen
(schwere Osteoporose)
- Vernachlässigung und Missbrauch
(„neglect and abuse“)
- Gedeihstörung („failure to thrive“)
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Tab. 2 Vorschlag für ein geriatrisches Assessment*
Dimension/Ressource
Vorgeschlagener Test
Selbstversorgung
„Activities of daily living“ (ADL), Barthel-Index
Unabhängigkeit der Lebensführung
„Instrumental activities of daily living“ (IADL) nach
Lawton & Brody
Mobilität, Gangsicherheit
„Timed up and go test“ nach Podsiadlo
Kognition
„Clock completion test“ nach Watson, „Mini Mental
State Examination“ nach Folstein
Depression
„Geriatric Depression Scale“ (GDS) nach Yesavage
Komorbidität
Charlson-Index
Ernährung
„Mini Nutritional Assessment“ nach Guigoz
Hör-/Sehminderung
Fachärztliches Konsil, Audiometrie, Sehtest
Soziales Umfeld
Sozialanamnese
*Vorschlag der Arbeitsgruppe „Geriatrische Onkologie“ der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie
und Onkologie (DGHO), der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Arbeitsgemeinschaft
Internistische Onkologie (AIO; nach [18]). Während für sensorische Einschränkungen und das soziale
Umfeld keine spezifischen geriatrischen Testinstrumente vorliegen, kann für die anderen Dimensionen
auf standardisierte Tests zurückgegriffen werden. Entsprechende Assessment-Unterlagen können auf
der Internetseite der DGHO im Bereich der Arbeitsgruppe als pdf-Dateien heruntergeladen werden.
faktoren bereits ab einem Risiko für eine
febrile Neutropenie von " 0" .
Zu alt für eine
Tumortherapie?
Bestehende Komorbiditäten und ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen nach
einer Therapie bis hin zu einem letalen
Verlauf sind Gründe, die häufig dazu
führen, dass ältere Patienten keiner Chemotherapie zugeführt werden. Eine Ursache für erhöhte Toxizität kann in Einzelfällen eine im Alter veränderte Pharmakokinetik sein. Gravierender jedoch
scheint eine im Alter veränderte Pharmakodynamik mit geringerer Reserve
der Endorgane zu sein [7, 8].
Veränderungen sowohl der Pharmakokinetik, als auch der Pharmakodynamik
ist bei renal eliminierten Medikamenten
mittels Dosisanpassung an die glomeruläre Filtrationsrate Rechnung zu tragen. Für eine Reihe von Substanzen wurden aufgrund der vorhandenen Literatur
durch die „International Society of Geriatric Oncology“ bereits detaillierte Vorschläge formuliert, in welchem Umfang
bestpracticeonkologie|6·2009
sowohl bei normaler als auch bei eingeschränkter Nierenfunktion eine Dosisanpassung erfolgen sollte [" , 10].
Wenig Studien, wenig Daten,
viele Fragen
Die EUROCARE-Gruppe hat im Rahmen einer europaweiten Auswertung
klinischer Krebsregister kürzlich nachgewiesen, dass Patienten über 70 Jahre
nicht in gleichem Maße wie jüngere Patienten von den Verbesserungen der Überlebensraten in den letzten Dekaden profitiert haben [11]. Evidenzbasierte Medizin,
die letztlich die Grundlage des medizinischen Fortschritts darstellt, beruht auf
der Umsetzung von Erkenntnissen aus
klinischen Studien in die tägliche Praxis,
z. B. in Form von Leitlinien. International fehlen bisher klinische Leitlinien zur
Behandlung älterer Tumorpatienten.
Es ist sowohl für Europa als auch für
Amerika nachgewiesen worden, dass das
mediane Alter von Patienten mit Tumorerkrankungen in klinischen Studien
deutlich unter dem Alter liegt, das Patienten mit der jeweiligen Erkrankung
in der Allgemeinbevölkerung aufweisen
[1" , 1" , 1" ]. Hinzu kommt, dass klinische
Studien eine Selektion hin zu überdurchschnittlich fitten älteren Patienten aufweisen, was bedeutet, dass Ergebnisse
aus Studien nicht unkritisch auf die tägliche Praxis übertragen werden dürfen.
Die Folge ist, dass Unsicherheit darüber
besteht, welches therapeutische Vorgehen angemessen ist, um sowohl Über- als
auch Unterbehandlung zu vermeiden.
Behandlungsbarrieren
abbauen
Eine Metaanalyse von vier Studien zur
Therapie des metastasierten nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms zeigt, dass
darauf hingearbeitet werden muss, spezifische Studien für ältere Patienten aufzulegen [1" ]. In altersspezifischen Studien
wurden signifikant mehr alte und hochbetagte Patienten sowie Individuen mit
eingeschränktem Allgemeinzustand behandelt als in nichtaltersspezifischen Studien. Zudem war die Therapie in den Studien für ältere Patienten bei signifikant
niedrigeren Raten an Nebenwirkungen
deutlich weniger toxisch, ohne dabei jedoch an Effektivität einzubüßen.
Um mehr ältere Tumorpatienten in
klinische Studien einzubringen, gilt es
noch einige Barrieren zu überwinden.
Neben dem Abbau starrer Altersgrenzen sowie der Durchführung altersspezifischer Studien scheint für Studienzwecke eine Stratifikation der Patienten
auf der Basis individueller Einschränkungen und Ressourcen, wie sie mit Hilfe
eines geriatrischen Assessments möglich
ist, ein geeignetes Vorgehen zu sein, um
eine individualisierte Therapie anbieten
zu können [1" , 17]. In Deutschland werden für Patienten mit hämatologischer
Systemerkrankung derzeit insgesamt 1"
altersspezifische Protokolle angeboten.
Bei soliden Tumoren ist das entsprechende Studienangebot mit nur drei Protokollen – für Patienten mit Weichteilsarkomen, Ovarialkarzinomen und Mammakarzinomen – derzeit beklagenswert
gering. Die laufenden Studien sind allerdings nach wie vor in erster Linie auf fitte
f ür die prax i s
ältere Patienten ausgerichtet. Ein Studienkonzept mit abgestuftem therapeutischem Konzept, bei dem basierend auf
einem geriatrischen Assessment unterschiedlichen Subgruppen – namentlich
fitten, eingeschränkt therapiefähigen
und gebrechlichen Patienten (siehe unten) – ein unterschiedliches Vorgehen
angeboten wird, sucht man bislang vergeblich.
Wie fit ist der Patient im Alltag? Der Barthel-Index (auch „Activities of daily living“, ADL) ist ein Index zur Bewertung von alltäglichen Fähigkeiten und dient der systematischen Erfassung von Selbstständigkeit beziehungsweise Pflegebedürftigkeit von älteren Patienten.
Fürdie„AktivitätendestäglichenLebens“werdenPunkteverteilt,wobeiminimal
0Punkte(komplettePflegebedürftigkeit)undmaximal100Punkte(Selbstständigkeit)
erreichtwerdenkönnen.BeiälterenTumorpatientenkommtderDetektionundgegebenenfallsderBehandlungtherapierbarerKomorbiditäteineentscheidendeRollezu.
Ab 70 Jahren: Geriatrisches
Assessment vornehmen
Derzeit wird von unterschiedlichen
Fachgesellschaften wie dem „National
Comprehensive Cancer Network“ (NCCN) oder der „International Society of
Geriatric Oncology“ (SIOG) empfohlen, bei allen Patienten über 70 Jahren
vor der Einleitung therapeutischer Maßnahmen ein „Geriatrisches Assessment“
vorzunehmen. Die Arbeitsgruppe Geriatrische Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) hat einen Assessment-Vorschlag für ältere Tumorpatienten erarbeitet und publiziert ([18], . Tab. 2). Die
entsprechenden Assessment-Unterlagen
können auf der Internetseite der DGHO
im Bereich der Arbeitsgruppe als pdf-Dateien heruntergeladen werden.
Mit Hilfe eines solchen Assessments
können bei älteren Tumorpatienten die
Ressourcen und Defizite erhoben werden. Dies soll dazu dienen, die individuelle Belastbarkeit eines Patienten besser
abzuschätzen zu können. Bislang ist das
Assessment noch nicht an einer größeren
Patientengruppe prospektiv geprüft worden, so dass eine zuverlässige Risikostratifizierung, insbesondere die zuverlässige Abschätzung der individuellen Therapiefähigkeit, ein noch ungelöstes Problem darstellt und derzeit Gegenstand
laufender Untersuchungen ist.
In der Literatur ist eine Unterteilung
der heterogenen Gruppe älterer Patienten
in die drei Gruppen „fit“, „mit Einschränkungen“ und „gebrechlich“ gebräuchlich [7]. Mit dieser Klassifizierung wurde durch Balducci auch gleich eine Beurteilung der individuellen Therapiefähig-
Abb. 1 Einteilung älterer Tumorpatienten in 3 Gruppen. (Nach [7])
Gruppe 2
Abhängig in 1-2 IADL,
max. 1-2 Komorbiditäten
Gruppe 1
Unabhängig und ohne
schwere Komorbidität
Gruppe 3
Gebrechlich, “frail”:
abhängig in ≥1 ADL,
≥3 Komorbiditäten,
≥1 geriatrisches Syndrom
Lebenserwartung
>tumorbedingte
Prognose
<tumorbedingte
Prognose
therapierbar
Ja
Lebensverlängernde
Behandlung
Nein
Palliation
* Es muß angemerkt werden, dass die prospektive Validierung der Überlegenheit einer
solchen Klassifikation gegenüber der individuellen Einschätzung des Arztes derzeit noch aussteht.
Geriatrisches Assessment: Minimum ist die Erhebung von Komorbiditäten,
die Überprüfung der Selbstständigkeit bzw. der Abhängigkeit bei den basalen
Aktivitäten (ADL) bzw. den erweiterten Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL)
und die Erhebung von geriatrischen Syndromen
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fa llb e ri c ht
94-jährige Frau mit Tumor in der Augenhöhle – noch operieren? Der solitär fibröse Tumor ist eine mesenchymale Neoplasie, die meist am Brustfell auftritt. Häufig handelt es sich um ein gutartiges Wachstum, der Tumor kann aber auch Rezidive und insbesondere Metastasen entwickeln. Bei einer Frau im fortgeschrittenen Lebensalter trat der Tumor in der Augenhöhle auf.
Rüstige Dame trifft Entscheidung für Tumortherapie
Die94-jährigePatientinstelltesichmiteinemseit7JahrenbestehendensolitärfibrösenTumorinderlinkenAugenhöhleinderKlinikvor.DierüstigeDameklagte
übereinefortschreitendeSchwellungunterdemOberlid(. Abb. 1).DerLidschluss
warnichtmehrmöglich.ZunehmendwarauchdieSehkraftschlechtergeworden.
DieComputertomographieergabeinen3×3,3×2,2cmgroßen,kontrastmittelaufnehmendenTumor.DieregelmäßigenKontrollenüberdieletzten7Jahrehattenzunächst
einefürdensolitärfibrösenTumorcharakteristischelangsameGrößenzunahmegezeigt.Erstindenletzten12MonatenbeschleunigtesichdasTumorwachstum.DerTumorwarmittelshistologischerUntersuchungundüberImmunhistochemienachweis
derAntigeneCD34undCD117diagnostiziertworden.DieFrauwilligtetrotzihreshohenAltersnunauchineineOperationein.ErstnachdemmitSchmerzenverbundene
EntzündungenauftratenunddiesozialeStigmatisierungzunahm,entschlosssiesich
zuroperativenTherapie.
ducci dieselben Patienten zu " " " als fit,
" " ," " als eingeschränkt und " " ," " als gebrechlich einstufte. Eine Korrelation der
Einschätzung mit klinisch relevanten
Endpunkten wie Therapieabbruchrate,
Toxizität oder Frühletalität steht allerdings noch aus, sodass derzeit nicht beurteilt werden kann, ob die optimistische
ärztliche Einschätzung oder die konservative Einstufung des Assessments die
Patienten zuverlässiger abbildet.
Je nach Umfang und Auswahl der
eingesetzten Instrumente kann die Dauer eines Assessments zwischen 1" Minuten und einer Stunde variieren, wobei
die Durchführung weitgehend an medizinisches Assistenzpersonal delegierbar ist ([1" ], . Abb. 2). Zur Erhöhung der
Praktikabilität und damit der Akzeptanz im klinischen Alltag muss geprüft
werden, ob auch ein abgekürztes Assessment brauchbare Aussagen in Bezug auf
die Therapiefähigkeit eines Patienten erlaubt.
Patientenregister verbessern
geriatrisches Assessment
Abb. 1 9 Der solitär fibröse Tumor
bestand seit 7 Jahren und wurde
immer größer
Fazit: Auch im hohen Alter ist eine Operation oft sinnvoll
DasolitärfibröseTumoreninderRegelbenigneTumorerkrankungensind,solltedies
alsDifferenzialdiagnosebeiunklaren,vorallemlangsamwachsendenAugenhöhlentumorenberücksichtigtwerden.EinefrühzeitigeoperativeTherapieistjedochzuempfehlen.DerpostoperativeVerlaufimhierdargestelltenFallgestaltetesichkomplikationslos.DiePatientinwarbeiDiagnosestellungbereits87Jahrealtundwurdeerstmit
94Jahrentherapiert.Indenbisherigen6MonatenseitderOperationfandsichkein
AnhaltfüreinRezidiv.DieSehkraftdesAugeskonnteallerdingsnichtwiederhergestelltwerden.
Quelle: HNO (2009) 57:169–172
keit verbunden und eine Empfehlung für
das therapeutische Vorgehen abgegeben,
. Abb. 1. Bemerkenswert ist die Beobachtung, dass die spontane ärztliche
Einschätzung der Therapiefähigkeit von
Patienten deutlich optimistischer ausfällt als ein formales Assessment. Dies
bestpracticeonkologie|6·2009
Ein Weg, die Datenlage zur Behandlung
älterer Tumorpatienten und insbesondere zur Relevanz eines geriatrischen
Assessments zu verbessern, ist die Erfassung von Daten in prospektiven klinischen Patientenregistern. Die Stärke
eines Registers liegt in der Nähe zur Behandlungsrealität der klinischen Praxis.
Es ermöglicht Erkenntnisse über Patienten mit mittelgradiger oder schwerer
Einschränkung der Therapiefähigkeit,
die aus klinischen Studien bisher meist
ausgeschlossen waren.
Seit 2007: Mamma-Register
zeigt eine Untersuchung an " 00 älteren
Patienten einer onkologischen Schwerpunktpraxis in Deutschland [1" ]. Durch
die Ärzte wurden " " ," " als fit, " " ," " als
eingeschränkt und " ," " als gebrechlich
eingestuft, während das durchgeführte
Assessment nach den Kriterien von Bal-
Anfang des Jahres " 007 wurde durch die
Arbeitsgruppe „Gynäkologische Tumoren und Mammakarzinome“ der AIO das
Mamma-Register „REAL LIFE“ initiiert,
das von " " 00 Patientinnen mit Mammakarzinom die initialen Krankheitscharakteristika, die Therapie und den Verlauf prospektiv erfassen soll. Das Teilprojekt SENORA soll Patientinnen im Alter
von " 70 Jahren erfassen, die eine krebs-
CME · TOP IC · geriatrische onkolog i e
spezifische Therapie erhalten. Hier sind
derzeit laut AIO-Studienportal etwa 170
Patientinnen eingeschlossen. Im Teilprojekt ELDERLY, das in Kooperation mit
der Arbeitsgruppe Geriatrische Onkologie durchgeführt wird, werden die Daten
von Patientinnen über 70 Jahren erfasst,
die eine Chemo- oder Immuntherapie erhalten. In dieses Register sind laut Koordinierungszentrum des Registers derzeit
1" 0 von geplanten " 00 Patientinnen eingeschlossen.
Abb. 2 9 Ein geriatrisches Assessment
umfasst verschiedene Testinstrumente. Ein Großteil dieser
Tests ist an medizinisches Assistenzpersonal delegierbar.
(MitfreundlicherGenehmigung
JuwiMacMillanGroupGmbH)
Seit 2005: IN-GHO®-Register
Die " 00" initiierte „Initiative Geriatrische Hämatologie und Onkologie“
(IN-GHO®) hat es sich unter anderem
zum Ziel gesetzt, die Besonderheiten in
der Behandlung älterer Tumorpatienten
zu untersuchen und aufgrund dieser Erkenntnisse mittelfristig die Versorgung
dieser Patienten zu verbessern (www.
in-gho.de). Das zentrale Projekt von
IN-GHO® ist das so gena nnte
IN-GHO®-Register, in dem Daten älterer
Tumorpatienten " 70 Jahren gesammelt
werden [17]. In anonymisierter Form werden Alter, Geschlecht, Körpergröße und
Gewicht, Tumordiagnose, Therapieform
sowie die Ergebnisse eines geriatrischen
Assessments erfasst. Ergänzend wird die
Einschätzung der Therapiefähigkeit des
Patienten durch den behandelnden Arzt
dokumentiert sowie der Patient um eine Selbsteinschätzung seiner Belastbarkeit gebeten. Eine Verlaufsuntersuchung
nach 8 bis 1" Wochen und eine abschließende Erhebung des Patientenstatus
nach etwa " Monaten ermöglichen Aussagen zum Therapieverlauf, insbesondere zu den Endpunkten Durchführbarkeit
einer Therapie, Auftreten von schweren
Toxizitäten sowie Versterben innerhalb
des Beobachtungszeitraums.
Derzeit wird das Register an über
100 teilnehmenden Zentren, die das gesamte Spektrum der spezialisierten Versorgung onkologischer Patienten umfassen, eingesetzt. Erste Auswertungen der
Daten von knapp 1" 00 der inzwischen
über " " 00 Patienten des Registers, davon
" " 0 mit hämatologischer Systemerkrankung und 11" 0 mit solidem Tumor, wurden " 008 und " 00" auf den ASH- und
ASCO-Kongressen vorgestellt. Über " 0"
der Patienten wurden als „nicht fit“ eingestuft, und beeindruckende " " " waren
" 80 Jahre alt, was belegt, dass hier Daten
eines Patientenkollektivs erfasst werden,
das in klinischen Studien bisher nahezu
nicht präsent war.
» Tumorpatienten über 80 Jahren
werden bisher in klinischen
Studien nahezu gar nicht erfasst «
Eine erste Auswertung untersuchte den
Endpunkt „Versterben innerhalb des Beobachtungszeitraums“ von " Monaten,
welcher mit " " ," " aller Patienten kein
seltenes Ereignis wa-r. Sowohl für Patienten mit hämatologischer als auch mit
solider Neoplasie zeigten sich Assoziationen verschiedener Patientencharakteristika des geriatrischen Assessments
wie „Activities of daily living“ (ADL),
„Instrumental activities of daily living“
(IADL), Depression und Mobilität mit
dem Endpunkt Versterben. Das reine
chronologische Alter hingegen korrelierte mit diesem Endpunkt nicht [" 0, " 1].
Fazit für die Praxis
Bei der Auswahl der Therapie müssen bei
älteren Tumorpatienten individuelle Faktoren wie biologisches Alter, Komorbidität
und individuelle Defizite, die am besten im
Rahmen eines geriatrischen Assessments
erhoben werden, berücksichtigt werden.
Der Intensität der gewählten Therapie, die
bei eingeschränkt therapiefähigen Pati-
enten eher als eine Mono- oder Kombinationstherapie in angepasster Dosierung
und nur bei fitten Patienten in Standarddosierung durchgeführt wird, muss auch
mit Supportivmaßnahmen Rechnung getragen werden.
Insbesondere bei sozial nicht gut vernetzten älteren Patienten ist es wichtig, therapieassoziierte Toxizitäten oder Komplikationen frühzeitig zu detektieren und umgehend zu behandeln. Hier kann dem Hausarzt oder ambulant betreuenden Facharzt
eine bedeutende Rolle zukommen. Auch
wenn eine Chemotherapie im höheren Alter zum Teil mit höherem Toxizitätsrisiko
einhergeht, so stehen heute für eine Reihe
von Tumoren auch für über 70-Jährige geeignete Therapieansätze zur Verfügung.
Ein wichtiges Aufgabengebiet und aktuelles klinisches Forschungsfeld, dem im
Rahmen von Registern und Studien nachgegangen wird, stellt die Verbesserung der
Datenlage zu älteren Tumorpatienten dar.
Mit Hilfe der hier mittelfristig erwarteten
Daten, z. B. aus dem IN-GHO®-Register, wird
es möglich sein, die Therapiefähigkeit von
Patienten besser abzuschätzen.
Korrespondenzadresse
Dr. Dr. F. Honecker
OnkologischesZentrum,
II.MedizinischeKlinikund
Poliklinik,Universitäres
CancerCenterHamburg,
UniversitätsklinikumHamburgEppendorf,Martinistr.52,
20246Hamburg
[email protected]
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CM E · TO PI C · g er iat r isc h e o nkologie
Interessenkonflikt:F.HoneckerundG.F.
KolbhabenvonderFirmaOrthoBiotech,
DivisionofJanssenCilagGmbHalsMitglieder
imwissenschaftlichenBeiratderInitiative
IN-GHO®undfürReferententätigkeitenHonorareerhalten.
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Kostenlos teilnehmen bis
01.02.2010
Die Teilnahme an der Fortbildungseinheit „Geriatrische Onkologie“ ist bis zum
01.02.2010 kostenlos. Danach ist die
CME-Teilnahme über ein Abonnement
oder CME.Tickets möglich.
Weitere Informationen finden Sie auf
www.CME.springer.de.
Die Restlebenserwartung einer 75-Jährigen beträgt in Deutschland derzeit noch etwa…
o
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Es wird aufgrund der demographischen Entwicklung in den kommenden Jahren mit einer Zunahme der hochbetagten (>80-jährigen) Patienten in Deutschland gerechnet. Wie hoch schätzen die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder in etwa den Anteil dieser Patienten an allen Krankenhauspatienten für das Jahr 2020?
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[17] MassaE,MadedduC,AstaraGetal(2008)Anattemptto
correlatea„MultidimensionalGeriatricAssessment“(MGA),
treatmentassignementandclinicaloutcomeinelderlycancer
patients:resultsofaphaseIIopenstudy.CritRevOncolHematol66:75–83
o
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o
5%.
10%.
20%.
25%.
50%.
Eine Reihe von klinischen Ereignissen und Zuständen werden als „Geriatrische Syndrome“ bezeichnet. Was fällt nicht unter diesen Oberbegriff?
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o
[18] FriedrichC,KolbG,WeddingUetal(2003)Comprehensive
GeriatricAssessmentintheelderlycancerpatient.Onkologie
26:355–360
o
[19] WeddingU,KöddingD,PientkaLetal(2007)Physician‘sjudgementandcomprehensivegeriatricassessment(CGA)select
differentpatientsasfitforchemotherapy.CritRevOncol
Hematol64:1–9
o
bestpracticeonkologie|6·2009
3Jahre.
5Jahre.
9Jahre.
11Jahre.
13Jahre.
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Inkontinenz.
Schwerhörigkeit.
Depression.
Demenz.
Delirium.
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