information - Kultur123 Stadt Rüsselsheim

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INFORMATION
Philosophie am Wochenende
Einführung von Dr. Frank Brosow, JGU Mainz,
Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Freier Dozent
Wieso, weshalb, warum: Philosophie?
„Einfältigkeit besteht darin, zu wenige Gedanken und Gefühle zu
haben, um die Welt, wie sie ist, zu begreifen.“ (Bernard Williams)
Philosophie? Was ist das eigentlich?
Die Philosophie (wörtlich: ‚Liebe zur Weisheit‘) kann als Mutter
aller Wissenschaften betrachtet wer-den. Nachdem sich
unzählige Einzelwissenschaften aus ihr entwickelt und von ihr
abgespalten haben, wird die Philosophie selbst vielerorts für
verzichtbar gehalten. Die abstrakten Probleme, mit denen sie sich
beschäftigt, scheinen für das Leben der Menschen entweder nicht
relevant oder unlösbar zu sein. Was bringt es mir zu wissen, was
ich mir unter Begriffen wie ‚Erkenntnis‘, ‚Kausalität‘ oder
‚Freiheit‘ vorzustellen habe? Wozu Fragen nach der Existenz
Gottes, dem Sinn des Lebens oder der richtigen Moral nachgehen,
wenn sich Philosophen selbst nach 2500 Jahren Diskussion in
diesen Fragen noch nicht einig geworden sind?
„Genaues und richtiges Denken ist das einzige universale Heilmittel
für jedermann und in jeder Verfassung.“ (David Hume)
Philosophie? Wozu braucht man das?
Erwähnt man in geselliger Runde, man beschäftige sich mit
Philosophie, so kann man ein seltsames Phänomen beobachten:
Menschen, die sich sonst nie mit Sinnfragen gleich welcher Art
beschäftigen, beginnen spontan, kollektiv und ohne Vorbehalte,
den Sinn eben dieser Tätigkeit zu hinterfragen. Ich habe mir
angewöhnt, auf derartige Fragen mit der Gegenfrage zu
antworten, ob mein Gegenüber seinem sicher sinnvollen Beruf
und seinen sicher nicht weniger sinnvollen Hobbys lieber in
Zentraleuropa oder in Ländern wie Syrien, dem Iran,
Zentralafrika, Indien, China oder Nordkorea nachgehen würde.
Die meisten gestehen daraufhin eine gewisse Vorliebe für die in
Volkshochschule
Kultur & Theater
Musikschule
Stadtbücherei
Volkshochschule
Datum: Oktober 2015
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Am Treff 1
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Schreiben vom 23.06.2014
Europa vorherrschende politische und religiöse Freiheit, den ökonomischen Wohlstand,
die weitestgehende Achtung der Menschenrechte und das gesellschaftliche Niveau an
Bildung und Aufklärung ein. Ich weise dann darauf hin, dass all diese Dinge nicht vom
Himmel gefallen, sondern das Ergebnis harter, geistiger Arbeit sind; einer Arbeit, die zu
wesentlichem Anteil von Philosophen und philosophisch denkenden Menschen geleistet
wurde. Ganz sinnlos scheint die Philosophie im Verlauf der Geschichte also nicht
gewesen zu sein, und in An-betracht der vielen noch ungelösten Probleme unserer Zeit
(Überbevölkerung, Wirtschafts- und Finanzkrisen, Religionskonflikte, Diskriminierung
von Minderheiten, Terrorismus, soziale Ungerechtig-keit...) wäre es kühn zu behaupten,
dass kein Bedarf mehr an kreativ und gründlich denkenden Menschen besteht.
„Wir philosophieren nicht, um zu erfahren, was ethische Werthaftigkeit sei, sondern um
wertvolle Menschen zu werden.“ (Aristoteles)
Philosophie? Was geht mich das an?
‚Nun gut‘, mögen Sie sagen, ‚vielleicht ist es doch nicht so schlecht, dass Menschen sich
mit Philosophie beschäftigen. Aber warum sollte gerade ich das tun?‘ Die Antwort ist
einfach: Weil es Ihr Denken bereichern wird. Durch Philosophie können Sie lernen:
die Urteile des gemeinen Menschenverstandes zu hinterfragen;
eigene Erfahrungen in richtige und klare Begriffe zu fassen;
Probleme konsequent und von allen Seiten zu durchdenken;
die eigene Position durch gute Argumente abzusichern;
gesellschaftliche & individuelle Reflexionsgrenzen abzubauen;
geistiges Selbstvertrauen zu entwickeln.
„Weiß ich viel? Durchaus nicht. Ein gewöhnlicher Bauer fragt mich etwas, und ich fühle mich
wie leer. Aber ich betrachte das Problem von allen Seiten und beantworte ihm die Frage, so
gut es nur geht.“ (Konfuzius)
Philosophie? Wie geht das?
Populärphilosophische Bücher erwecken zuweilen den Anschein, Philosophie bestünde
darin zu wissen, was (und wenn ja, wie viele) große Philosophen gedacht haben. Das
stimmt nur bedingt. Oft ist die Kenntnis der Klassiker und ihrer einander
widersprechenden Theorien nur ein Mittel zum Zweck. Sie lehrt uns, einen Sachverhalt
eben dadurch zu verstehen, dass man ihn von verschiedenen Seiten betrachtet und auf
unterschiedliche Arten beschreibt. Dabei ist das Verständnis der Frage mindestens
ebenso wichtig wie das Suchen nach einer Antwort. Nichts könnte unphilosophischer
sein, als sich zu einer Frage zu äußern, über deren genaue Bedeutung man sich noch
keine Klarheit verschafft hat. Die Viel-falt philosophischer Antworten ist aber kein
Selbstzweck. Eine philosophische Diskussion ist mehr als der bloße Austausch von
Meinungen. Was zählt, sind nicht Meinungen, sondern die Argumente, mit denen
Meinungen begründet oder kritisiert werden. Die Qualität dieser Argumente zu ermitteln
und gegeneinander abzuwägen ist das Kerngeschäft der Philosophie.
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Schreiben vom 23.06.2014
„In der Philosophie genügt es nicht, recht zu haben;
man muß darüber hinaus verstehen, wo der Fehler liegt.“ (Peter Bieri)
Philosophie? Ist das nicht bloße Ideologie?
Der philosophische Diskurs unterscheidet sich dabei grundlegend vom politischen
Diskurs. Die Argumente des politischen Diskurses dienen dazu, das subjektive Interesse
verschiedener Gruppen an einer bestimmten Entwicklung zu ermitteln und zu
gewichten. Es gehört dabei zum Prozess der demokratischen Meinungsbildung, dass
jede Interessengruppe versucht, ihre Position möglichst stark zu machen. Dies ist
solange unschädlich und legitim, wie alle Parteien dieselbe Möglichkeit haben, sich in
diesem Diskurs Gehör zu verschaffen. Wer hingegen philosophisch über eine Frage
diskutiert, betrachtet sie nicht nur aus seiner eigenen Perspektive, sondern versucht, sie
von allen denkbaren Seiten zu betrachten. Er sucht nicht nur nach Argumenten, die
seine eigene Meinung stützen, sondern ist für alle Argumente offen, die ihm helfen, die
Frage besser zu verstehen oder zu einem besseren Verständnis des Spektrums an
möglichen Antworten zu gelangen. Dazu gehört auch, eine Meinung erst dann zu
verwerfen, wenn man verstanden hat, warum andere sie vertreten, und wenn man
überzeugt ist, die Argumente, die für sie sprechen, entkräften zu können. Wo die
Sachlage es nicht zulässt, sich eine wohlbegründete Meinung zu bilden, gebietet die
intellektuelle Redlichkeit dem Philosophen, sich eines Urteils über die ihm gestellte
Frage vorerst zu enthalten.
„Philosophieren bedeutet, im Denken schwindelfrei zu werden.“ (Otfried Höffe)
Philosophie? Was kommt dabei heraus?
Die Antworten, die am Ende eines philosophischen Diskurses stehen, sind keine
einfachen Antworten im Sinne eines ‚Ja‘ oder ‚Nein‘. Das Ergebnis eines philosophischen
Diskurses ist eine systematische Zusammenstellung aller Gründe, die für oder gegen
eine bestimmte Hypothese sprechen. Die Philosophie produziert keine Antworten so wie
die Automobilbranche Autos produziert. Philosophen sind auch keine Dienstleister, die
für andere abstrakte Probleme lösen, so wie ein Uhrmacher eine steheng-bliebene Uhr
repariert. Die Philosophie ist ihrem Selbstverständnis nach nicht dazu da, den Menschen
das Nachdenken abzunehmen; sie will sie vielmehr zum eigenen Nachdenken anregen
und anleiten. An-ders als andere Wissenschaften, die öffentlich für ihren
gesellschaftlichen Nutzen gelobt werden, will sie das Leben der Menschen nicht
einfacher, sondern komplexer machen und gerade dadurch auf eine ihr eigentümliche
Art bereichern. – Ob Sie dieses Angebot annehmen wollen, ist allein Ihre Entscheidung.
Behaupten Sie hinterher aber nicht, Sie seien nicht dazu eingeladen worden!
„Weder soll, wer noch Jüngling ist, zögern zu philosophieren, noch soll,
wer schon Greis geworden, ermatten im Philosophieren.“ (Epikur)
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