Prof. Dr.-Ing. G. Khoramnia Fachgebiet Hochspannungstechnik Hochschule Hannover Versuch Nr.4 Teilentladungsmessung 1 Aufgabenstellung: 1.1 Aufnahme des Schaltungsaufbaus des TE- Messsystems. (Gerätetechnik). 1.2 Einrichten der Messsoftware (gem. mtronix- Schnellanleitung, Seite 7). 1.3 Kalibrierung der Ladungsmengenanzeige des TE- Messsystems MPD 540 mit dem externen Kalibrator (Q = 5 pC, gem. mtronix- Schnellanleitung, Seite 8). Nach jedem Wechsel des Prüflings ist das TE- Messsystem neu zu kalibrieren. 1.4 Messung der piko- Coulomb (pC)- Werte ohne Prüfling bei zweifacher Prüfspannung (Umax = 80 kV). (Prüfung der Anlage auf TE und Ermittlung des Grundstörpegels.) Während dieser Messung ist bei U = 40 kV die Spannungsanzeige des TE- Messsystems MPD 540 zu kalibrieren (gem. mtronix- Schnellanleitung, Seite 9). 1.5 Untersuchung, Messung und Beurteilung (gem. KO- Bilder) von Teilentladungsimpulsen verschiedener Prüflinge bis zweifacher Bemessungsspannung (Umax = 40 kV). a) b) Kabelprobe (beschädigt und nicht beschädigt) Die maximal zulässige TE- Ladungsmenge beträgt 4 pC. Messung von Wandlern (Isolationsprüfung: Wicklungs- und Windungsprüfung). Die maximal zulässige TE- Ladungsmenge beträgt 4 pC. Führen Sie die Teilentladungsmessungen (gem. mtronix- Schnellanleitung, Seite 10) durch. 1.6 Untersuchung, Messung, Beurteilung (gem. KO- Bilder) von Teilentladungsimpulsen sowie Fehlerortung an einem beschädigten, 99 m langen, 10 kV Hochspannungskabel im “Cabel Mode“ (gem. mtronix Schnellanleitung, Seite 12). Die maximal zulässige TE- Ladungsmenge beträgt 20 pC. 1.7 Akustische Ortung einer äußeren Teilentladung mit Hilfe eines UltraschallRichtmikrofons. 2. Grundlagen: 2.1 2.2 2.3 S. Vorlesung “Hochspannungstechnik“. mtronix- Schnellanleitung, KO- Bilder, MPD Software. (Diese Unterlagen kopieren Sie am Versuchstag vom HST- Server.) Sonstige Literatur (VDE 0434, VDE 0434/A1). 3 Interpretation der Messresultate: Die Auswertung der Messergebnisse basiert auf die von Ihnen aufgezeichneten “Stream files“. (gem. mtronix- Schnellanleitung, Seite 11) Zur Speicherung der Versuchsergebnisse benötigen Sie einen USB- Stick ≥ 2 GB! Seite 1 Prof. Dr.-Ing. G. Khoramnia Fachgebiet Hochspannungstechnik Hochschule Hannover Teilentladungen Teilentladungen sind örtliche elektrische Entladungen in Isoliermitteln, die sich nur auf einen Teil des geprüften Dielektrikums beschränken und die Isolierung zwischen den Elektroden nur teilweise überbrücken. Entladungen treten meistens in der Form von Einzelimpulsen auf, die als elektrische Impulse im äußeren, an den Prüfling angeschlossenen Stromkreis festgestellt werden können. Teilentladungen können in Hohlräumen von Feststoffisolierungen auftreten, ebenso in Gasblasen von flüssigen Isolierstoffen oder zwischen Isolierschichten mit unterschiedlichen dielektrischen Eigenschaften. Sie können ebenfalls an scharfen Kanten oder Spitzen von metallenen Oberflächen auftreten. Obwohl Teilentladungen nur geringe Energiemengen aufweisen, können sie zu fortschreitender Verschlechterung der elektrischen Eigenschaften von Isolierstoffen führen. Äußere und innere Teilentladungen Elektrische Vorentladungen werden auch als Teilentladungen (TE) bezeichnet, wobei innere und äußere Teilentladungen unterschieden werden. Äußere Teilentladungen treten an stark gekrümmten Oberflächen gasisolierter Elektroden auf. Demgegenüber liegen innere Teilentladungen immer dann vor, wenn Durchschläge in Hohlräumen (Gaseinschlüsse) von Feststoffisolierungen oder Flüssigkeiten einsetzen, also bei einer Schichtung von gasförmigen und festen bzw. flüssigen Isoliermitteln. In Bild 1 sind einige der möglichen Ursachen für innere Teilentladungen schematisch aufgezeigt. Bild 1: Formen der Teilentladung Seite 2 Prof. Dr.-Ing. G. Khoramnia Fachgebiet Hochspannungstechnik Hochschule Hannover Danach können innere Teilentladungen z.B. durch Störungen ausgelöst werden: - Oberflächenfehler des Isolierstoffes (1) - Gaseinschluss (Lunker) im Isolierstoff (2) - lokale Zerstörung des Isolierstoffes durch eine Vorbeanspruchung (3) - mangelnde Elektrodenhaftung (4) - Gasspalt am Elektrodenrand Ersatzschaltbild Um die charakteristischen Unterschiede zwischen inneren und äußeren Teilentladungen deutlich machen zu können, werden beide Phänomene parallel behandelt. In beiden Fällen kann die Anordnung in drei Bereiche unterteilt werden (Bild2). Bild 2 : äußere Teilentladung innere Teilentladung Es sind dies: - Teilentladungszone (1) - serielle Zone (2) - parallele Zone (3) In beiden Fällen kann die parallele Zone (3) zu einer Kapazität C3 zusammengezogen werden. Sie erfasst den weitgehend unbeeinflussten Teil des Dielektrikum. Die Teilentladungszone (1) wird als eine Kapazität C1 aufgefasst, die bei einer Zündspannung Uz durchschlägt. Daher wird der Kapazität C1 im Ersatzschaltbild (Bild 3) eine Funkenstrecke parallel geschaltet. Die durch die Funkenentladung gebildeten Ladungsträger können im Gasdielektrikum in die serielle Zone (2) hinein driften. Diese erhält dadurch einen überwiegend ohmschen Charakter, was durch einen Widerstand R2 ausgedrückt wird. Bei einer Anordnung mit innerer Teilentladung ist diese Ladungsträgerdrift nicht möglich; die serielle Zone (2) behält ihren kapazitiven Charakter. Der wesentliche Unterschied der Ersatzschaltbilder drückt sich demnach in unterschiedlicher Modellierung der Zone (2) aus. Seite 3 Prof. Dr.-Ing. G. Khoramnia Fachgebiet Hochspannungstechnik Hochschule Hannover Bild 3: Ersatzschaltbild für äußere (links) und innere (rechts) Teilentladungen Aufgrund physikalischer Überlegungen kann für die Anordnung mit äußerer Teilentladung R2 >> 1/ωC1 (1) Und für die Anordnung mit innerer Teilentladung C2 << C1 (2) angenommen werden. Daher darf in beiden Fällen davon ausgegangen werden, dass der Strom i(t) des rechten Zweiges durch die serielle Zone (2) eingeprägt ist. Mit dieser Erkenntnis erhält man eine Information über den Verlauf der Spannung u1(t). Für die Anordnung mit äußerer Teilentladung ergibt sich: i t du t u t C1 1 R2 dt du1 t u t dt R2 C1 (3) (4) Die Steilheit der Spannung an C1 ist dem Augenblickswert der Klemmenspannung proportional. Für die Anordnung mit innerer Teilentladung folgt dagegen: i t C 2 du t du t C1 1 dt dt du t C1 du1 (t ) dt C2 dt (5) (6) Hier ist die Steilheit der Spannung an C1 der Steilheit der Klemmenspannung proportional. Da in beiden Fällen die Steilheit an C1 erzwungen wird, kann die Spannung an C1 auch dann ermittelt werden, wenn sie bei Erreichen der Zündspannung kurzzeitig zusammenbricht. Seite 4 Prof. Dr.-Ing. G. Khoramnia Fachgebiet Hochspannungstechnik Hochschule Hannover Dieses erfolgt in Bild 4, wobei zu beachten ist, dass die Klemmenspannung mit reduzierter Amplitude skizziert ist. Bild 4: Klemmenspannung u(t) und Spannung u1(t) bei Anordnungen mit äußerer Teilentladung (links) und innerer Teilentladung (rechts). Verlauf der Spannung u1 ohne Teilentladung (----). Man erkennt: Erreicht der Scheitelwert der Klemmenspannung die Einsetzspannung, so treten vereinzelt Teilentladungen auf. Dabei entlädt sich jeweils die auf Uz aufgeladene Kapazität C1. Ist der Scheitelwert der Klemmenspannung höher als die Einsetzspannung, so äußern sich die Teilentladungen in Impulspaketen. Die Impulspakete treten bei äußeren Teilentladungen im Bereich des Scheitels der Klemmenspannung auf, bei inneren Teilentladungen dagegen im Bereich des Nulldurchgangs. Berechnung der Ladung eines Teilentladungsimpulses Liegt am Prüfling die zeitlich veränderliche Spannung u, so ergeben sich die Spannungen u1 und u2 durch die kapazitive Spannungsteilung. Erreicht hierbei die Spannung u1 die Zündspannung Uz, wird die Funkenstrecke FS durchschlagen und die Kapazität C1 entladen, wobei die Kapazität C2 auf die momentane Gesamtspannung u = u20 aufgeladen wird. Bei weiter ansteigender Spannung u baut sich dann an der Kapazität C1 erneut die Spannung u1 C2 u u20 C1 C2 (7) auf. In Bild 4 ist der Verlauf der Spannung u und u1 dargestellt. Nach jedem Durchschlag folgt die Spannung u1 abstandsgleich dem Verlauf der gestrichelt gezeichneten teilentladungsfreien Kurve. Hierbei wird angenommen, dass die Kapazität C1 bei jedem Durchschlag völlig entladen wird, was den wirklichen Verhältnissen allerdings nicht entspricht, bei denen immer eine Restspannung erhalten bleibt. Da die Teilentladung im Bereich einiger Nanosekunden abläuft und in dieser Zeit wegen der unvermeidlichen Induktivität der Zuleitung eine Nachladung nicht erfolgen kann, bricht also die Spannung am Prüfling zunächst um die Differenz ∆u zusammen. Liegt an dem Ersatzschaltbilds nach Bild 3 zum Zeitpunkt des Teildurchschlags gerade die Gesamtspannung Seite 5 Prof. Dr.-Ing. G. Khoramnia Fachgebiet Hochspannungstechnik Hochschule Hannover u = ug, so müssen unmittelbar vor und nach dem Durchschlag der Funkenstrecke FS die Ladungen C C Q u g 1 2 C3 u g u C2 C3 C1 C2 (8) der jeweiligen Gesamtkapazitäten gleich sein. Da an der Kapazität C1 vor der Teilentladung die Zündspannung Uz C2 u g C1 C2 (9) liegt, kann die Gesamtspannung ug durch die Zündspannung Uz der Fehlerstelle ausgedrückt werden. Es ergibt sich dann für die Spannungsabsenkung u U z C2 U z C2 C2 C3 C3 (10) da im allgemeinen C3 >> C2 ist. Es kann dann auch für die nachfließende Ladung Q C3 u C2 U z (11) gesetzt werden. Die Energie, die pro Teilladung in der Fehlstelle in Wärme umgesetzt wird, ist: WTE C1 U z2 2 (12) Sie kann Ausgangsursache für eine thermische Umwandlung der Feststoffumgebung sein. Begriffe Scheinbare Ladung q Sie ist die Ladung, die kurzzeitig zwischen den Klemmen des Prüflings eingespeist, die Spannung zwischen diesen Klemmen vorübergehend um denselben Wert ändert wie die Teilentladung selbst. Teilentladungs- Einsetzspannung Ui Sie ist die niedrigste Spannung, bei der im Prüfkreis Teilentladungen beobachtet werden, wenn die an den Prüfling angelegte Spannung von einem niedrigeren Wert ausgehend, bei dem keine derartigen Entladungen beobachtet werden, allmählich gesteigert wird. Seite 6 Prof. Dr.-Ing. G. Khoramnia Fachgebiet Hochspannungstechnik Hochschule Hannover Teilentladungs- Aussetzspannung Ue Sie ist die niedrigste Spannung, bei der im Prüfkreis noch Teilentladungen beobachtet werden, wenn die Prüfspannung von einem über der Einsetzspannung liegenden Wert allmählich gesenkt wird. Zweck der Messung Teilentladungsmessungen werden im Wesentlichen zu folgenden Zwecken durchgeführt: - Zum Nachweis, dass der Prüfling bei einer festgelegten Spannung keine Teilentladungen aufweist, die eine festgelegte Stärke übersteigen, zum Ermitteln der Spannungshöhe, bei der solche Teilentladungen bei steigender Spannung einsetzen und bei sinkender Spannung aussetzen, zum Ermitteln der Teilentladungsstärke bei einer festgelegten Spannung. - Der Prüfkreis Zur Messung der Teilentladung an Kabeln und Wandlern verwendet man den Prüfkreis im Bild 5. L1 N PE Steuerungsund Sicherheitskreis Prüfkabine Netzfilter T Uˆ / 2 kV C Mu PD Mee Input PD AkV GND RX TX Batterie Ck Power Prüfling Trafosteuerung MTS V K Kalibrator P C Mo V Lichtwellenleiter TX RX MTS CMo CMu P K Ck AkV Mee LWLS T Multi Test Set (Stelltransformator/Messgerät) Kapazitiver-Teiler / Oberspannungskondensator Kapazitiver Teiler / Unterspannungskondensator Prüfling Kalibrator Koppelkondensator Ankoppelvierpol MPD540CPL Messerfassungseinheit MPD540 Lichtwellenleiter- Steuereinheit USB502 Hochspannungsprüftransformator in Mantelbauweise PC / mtronix Software Bild 5: Schaltungsaufbau des Prüfkreises Seite 7 LWLS USB2.0 USB 2.0 Prof. Dr.-Ing. G. Khoramnia Fachgebiet Hochspannungstechnik Hochschule Hannover Akustische Detektion von Teilentladungen Beim Auftreten von Teilentladungen entstehen zusätzlich zum Ladungsumsatz auch mechanische Wellen im Ultraschallbereich. Eine nicht elektrische Methode zum Auffinden von äußeren Teilentladungen in Hochspannungsgeräten und Hochspannungsprüffeldern ist somit auch die akustische Detektion des Ultraschallpegels der Teilentladung. Hierüber ist recht einfach die Lokalisierung der Fehlstelle möglich, jedoch lässt diese Methode kaum eine Aussage über die Teilentladungsstärke zu. Die Erkennung und centimetergenaue Lokalisierung von Teilentladungen in Hochspannungsgeräten, wie z.B. Transformatoren erfolgt mittels Körperschalldetektion mit Piezoelektrische Sensoren. Die punktgenaue Lokalisierung äußere Teilentladungen, z.B. an Hochspannungsfreileitungen oder in Hochspannungsprüffeldern erfolgt mittels Ultraschall- Richtmikrofonen bei einer Resonanzfrequenz von 40 kHz. Befinden sich die Fehlstellen in einer Entfernung > 5 m werden zur Erhöhung der Empfindlichkeit Parabolspiegel mit Visiereinrichtungen verwendet. Seite 8