Auer Zitig Nr. 110 Auer Riet

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ortsgemeinde au
Bunte Blumenvielfalt im Auer Riet
■ Die glatten, knotenlosen Halme des Pfeifengrases wurden früher zum Putzen der langen Tabakspfeifen verwendet – daher leitet
sich auch die Bezeichnung ab.
Markus Grabher, Lustenau
N
ach einem langen Winter
wie dem vergangenen
sehnen wir uns besonders
nach der Frühlingssonne, die
auch im Riet die Pflanzenwelt
wieder erwachen lässt. Wenn
sich gedüngte Wiesen bereits
in sattem Grün präsentieren,
erscheinen die Streuewiesen
zunächst noch recht eintönig
braun.
Es sind gerade die Streuewiesen, die
neben den bekannten «Rietschönheiten»
wie der Sibirischen Schwertlilie und der
Sumpf-Siegwurz zahlreiche weitere botanische Schätze beherbergen, die vielen
Besuchern unbekannt sind. Ein Rietspaziergang – nicht nur im Frühjahr – ist
daher allemal lohnend.
Die Pflanzenwelt erwacht
Die Sumpfdotterblume an den Grabenrändern erscheint als eine der ersten
Frühjahrsblumen manchmal bereits im
März und kann so dichte Bestände entwickeln, dass die Gräben aus der Entfernung
durch ihre gelbe Färbung auffallen.
Wesentlich unauffälliger, aber ebenfalls
sehr zeitig blühen die verschiedenen Seggen. Seggen oder Sauergräser sind gerade für Feuchtwiesen - die sauren Wiesen
– charakteristisch. Zu den weit verbreiteten Arten im Riet zählen beispielsweise die
Filzfrüchtige und die Schlaffe Segge.
Selten ist dagegen die Zypergras-Segge
mit ihren langen, hängenden Blütenähren,
die nur an ganz nassen Stellen wächst und
daher auch als gefährdet gilt. Insgesamt
kommen im Auer Riet rund zwanzig verschiedene Sauergräser vor.
Faszinierende Orchideen
Seit jeher begeistern uns die auffallenden,
exotisch anmutenden Blüten der Orchideen, zu denen auch unsere wild wachsenden Knabenkräuter zählen. Die Blütezeit des Kleinen Knabenkrauts beginnt
meist im Mai; die Art ist gut zu beobachten, weil die Streuewiesen dann noch niederwüchsig sind. Bald folgen Breitblättriges Knabenkraut, Geflecktes Knabenkraut und die Langspornige Handwurz.
Farblich unterscheiden sich das Weisse
Breitkölbchen und das unscheinbar grün
blühende Zweiblatt von den anderen meist
rosa bis purpurfarbenen Orchideen. In der
dann bereits höheren Vegetation sind
diese beiden Arten oft nur schwer zu entdecken.
Orchideen reagieren sehr empfindlich auf
Düngung, weshalb sie fast ausschliesslich
in Streue- und Magerwiesen oder in lichten Wäldern zu finden sind. Aufgrund der
besonderen Ansprüche an ihren Lebensraum sind viele Arten von Natur aus selten
oder in den vergangenen Jahrzehnten selten geworden. Und fast alle Orchideen
haben eine gemeinsame Besonderheit:
Ihre Samen sind fein wie Staub, so klein,
dass sie für eine erfolgreiche Keimung
einen speziellen Pilz benötigen, der sie mit
Nährstoffen versorgt. 100‘000 Orchideensamen wiegen weniger als ein Gramm!
Insekten und Blumen
Wenn im Juli die meisten Futterwiesen
bereits ein- oder mehrmals gemäht wurden, erreichen die Streuewiesen erst ihren
Höhepunkt. Vor allem Hochstauden prägen dann das Erscheinungsbild. Davon
profitieren wiederum die zahllosen blütenbesuchenden Insekten.
Zu den häufigsten Sommerblumen zählen
Blutweiderich und Gilbweiderich, zwar mit
ähnlichen Namen, botanisch aber überhaupt nicht miteinander verwandt. Beide
sind ausgesprochen attraktiv und zugleich
recht anspruchslos an ihrem Standort.
Daher sind die beiden Weideriche auch im
Auer Riet weit verbreitet. Der Gilbweiderich
hat zudem eine Sonderstellung in der
europäischen Pflanzenwelt: Anstelle von
Nektar wie die meisten Blumen sondert
die Pflanze ein fettiges Öl ab, das Insekten
zur Bestäubung anlockt. Eine enge
Wechselbeziehung entstand mit Schenkelbienen der Gattung Macropis, die sich auf
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diese «Ölblumen» spezialisiert haben; sie
benötigen das Öl für die Herstellung des
Larvenbrots zur Versorgung ihrer Brut.
Ab Juli beginnt die Blütezeit des Grossen
Wiesenknopfs und dauert bis zum Herbst.
Besondere Bedeutung erlangt die Pflanze
als Nahrungsquelle für zwei sehr seltene
Schmetterlinge – den Hellen und den
Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling.
Die Raupen fressen am Wiesenknopf, sondern dann einen Lockstoff ab und werden
deshalb von ganz bestimmten Ameisen in
deren Bau transportiert. Dort werden die
Schmetterlingsraupen von den Ameisen
versorgt, verpuppen sich und überwintern,
bis im folgenden Jahr neue Schmetterlinge
schlüpfen. Ameisenbläulinge sind wegen
ihrer komplizierten Entwicklung sehr anfällig gegenüber Eingriffen in ihren Lebensraum und gelten international als
stark gefährdet. Im Auer Riet kommen
beide Schmetterlinge noch vor.
Die Wiesenapotheke
Katzenkraut, Hexenkraut, Mondwurzel
oder Stinkwurz – der Echte Baldrian hat
viele Namen. Die weissen Blütendolden
und auch die getrocknete Wurzel verströmen einen eigentümlichen Geruch, der
Katzen magisch anzieht. Im mittelalterlichen Volksglauben half der Duft gegen
böse Geister, in der Volksheilkunde galt
Baldrian als Mittel gegen Seuchen und die
Pest. Tatsächlich nachgewiesen aber ist
■ Als ausgesprochener Frühblüher zeigt die Sumpfdotterblume ihre leuchtend gelben
Blüten sehr zeitig im Frühjahr. Diese sind reich an Pollen und Nektar und werden von
Käfern, Fliegen und Bienen bestäubt.
die beruhigende und krampflösende
Wirkung, weshalb Baldrian noch heute zur
Behandlung von Angstzuständen oder
Schlaflosigkeit eingesetzt wird. Der Echte
Baldrian wächst auf Feuchtwiesen, in Auwäldern und im Auer Riet vor allem an
Grabenrändern.
Süssen und Würzen von Honigwein eingesetzt. Sie enthalten sogenannte Salicylglykoside, die im Körper zu Salicylsäure
umgewandelt werden und schmerzstillende und fiebersenkende Wirkung haben.
Dieser Wirkstoff ist auch im Aspirin enthalten.
Das Mädesüss zählt im Sommer sicher zu
den auffälligen Erscheinungen im Riet.
Seine süsslich duftenden Blüten wurden
einst vor allem in Skandinavien zum
Vorbereitung auf den Winter
Die meisten Streuewiesen sind sogenannte «Pfeifengraswiesen», denn das Pfeifengras ist besonders gut an ungedüngte und
feuchte Standorte angepasst, kann mit
den meterlangen Wurzeln aber auch
Trockenperioden überdauern. Es treibt
recht spät aus und entwickelt erst ab Juli
die typischen bläulich-violett gefärbten
Blütenrispen. Wer mit hellen Hosen durch
eine taunasse Pfeifengraswiese wandert,
wird feststellen, dass die Blüten auch
abfärben. Im Herbst verlagert die Pflanze
alle Nährstoffe in die unterirdischen
Speicherdepots. Sichtbar wird dies an der
goldgelben Farbe des Grases, das dann
praktisch ausschliesslich aus Zellulose
besteht. Und für den Aufbau von Zellulose
benötigen die Pflanzen nur Wasser,
Kohlendioxid und Sonnenlicht. Daher sind
Streuwiesen keine Futterwiesen, sondern
liefern Einstreu für das Vieh – wovon sich
auch ihre Bezeichnung ableitet. Weil die
Nährstoffe im Herbst in den Boden verlagert werden, können Jahr für Jahr die
gleichen Erträge geerntet werden, obwohl
nicht gedüngt wird. Und nicht gedüngt
werden darf, denn bereits eine einzige
Düngung kann die sensiblen Pflanzenarten
verdrängen.
■ Die Sibirische Schwertlilie ist wohl eine der prächtigsten europäischen Wildpflanzen.
Der wissenschaftliche Name Iris bezieht sich auf die griechische Göttin des Regenbogens
und erinnert an die Farbenpracht der Blüten.
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Einst wurden im Rheintal weite Rietgebiete
als Streuwiesen genutzt. Entwässerungen,
Meliorationen und Verbauungen hatten
dann vor allem im 20. Jahrhundert grosse
Verluste zur Folge. Gut 40 Hektaren werden im Auer Riet aber noch heute als
Streuwiesen bewirtschaftet, also nur einmal jährlich im Herbst gemäht. Der
Beibehaltung dieser traditionellen Nutzungsform ist die grosse Pflanzenvielfalt
mit seltenen Arten zu verdanken.
■ Der Öl statt Nektar produzierende Gilbweiderich ist eine alte
Färber- und Heilpflanze, die gegen Blutfluss, bei Skorbut, Durchfall und Geschwüren eingesetzt wurde.
■ Zu den häufigen Orchideen zählt die Sumpf-Ständelwurz, die
zwischen Juni und August ihre attraktiven Blütenstände ausbreitet.
■ Der Grosse Wiesenknopf, eine wichtige Schmetterlingspflanze, gilt seit dem Mittelalter als blutstillende Pflanze.
■ Wollgräser wachsen in besonders nassen Streuwiesen. Die
weissen Wollhaare dienten früher zuweilen auch als Wundwatte
oder wurden zu Kerzendochten verarbeitet.
■ Ein botanisches «Highlight» ist die Sumpf-Siegwurz mit ihren
prächtigen Blüten. Die Art gilt als vom Aussterben bedroht. Nach
mittelalterlichen Vorstellungen sollten die Knollen unverwundbar und die schwertförmigen Blätter unbesiegbar machen.
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■ Der Lungenenzian ist bedroht, da Feuchtwiesen weniger wurden oder viele zu früh gemäht werden: Die Pflanze blüht erst im
Spätsommer, manchmal bis in den Oktober, so dass die Samen
nicht immer reif sind, wenn gemäht wird.
■ Früher wurde der hohe Gerbstoffanteil im Saft des Blutweiderichs zum Ledergerben verwendet.
■ Knabenkräuter sind sehr langlebig und benötigen von der Keimung bis zur ersten Blüte bis zu 16 Jahre.
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