Systemanalyse und Modellbildung

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Systemanalyse und
Modellbildung
Universität Koblenz-Landau
Fachbereich 7: Natur- und Umweltwissenschaften
Institut für Umweltwissenschaften
Dr. Horst Niemes (Lehrbeauftragter)
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in
der Systemanalyse
8.1
Energie, Exergie und Anergie
• Nur ein Teil der einem System zugeführte freie Energie liefert
nutzbare Arbeit, um von einem thermodynamischen
Gleichgewichtes aus einen neuen Status zu erreichen, wenn
irreversible Prozesse im System vorhanden sind.
• Die nutzbare Arbeit wird als entropy-freie Komponente oder
Exergy und die restliche entropy-belastete Komponente als
Anergy bezeichnet
• Hierbei kann zwischen stoffliche, energetische und
informatorischen Termen unterschieden werden, welche
wieder vereinheitlicht werden können, falls
Äquivalenzrelationen zwischen Masse, Energie und
Information hergestellt werden können.
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in
der Systemanalyse
8.2
Entropie, Temperatur und Wärme
• Clausius (1850) hat erkannt, dass Wärme kein Stoff, sondern
eine Energieform ist, die – wie die anderen Energieformen in
der Physik auch – gleich dem Produkt aus einer extensiven
mit einer intensiven Variablen ist.
• Die marginale Änderung der Wärme ist gleich dem Produkt
der intensiven Variablen, der Temperatur T, und der
marginalen Änderung einer extensiven Variablen S, für die
Clausius den Begriff Entropie einführte.
: = • Die Entropie ist definiert als Integral der marginalen
Änderungen der Wärme bezogen auf die Temperatur für
einen reversiblen Prozess, der ein System vom Zustand 1 in
den Zustand 2 überführt:
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
.
: = 2 − (1)
• Für zirkulären Prozess in einem geschlossenen System, in
dem der Wechsel von Zustand 1 nach 2 ein irreversibler
und zurück von Zustand 2 nach 1 ein reversibler Prozess ist,
gilt:
<0⟹
=0∧
.
.
+ <0
.
.
• Mit der Definition der Entropie folgt hieraus der so
bezeichnete Zweite Hauptsatz der Thermodynamik, der
besagt, dass die Entropie in einem geschlossenen System
mit irreversiblen Prozessen niemals abnimmt:
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
2 − (1) >
.
⟹ (2) > (1)
• Jedes offenes System kann so erweitert werden kann, dass
man ein geschlossenes System erhält.
• Das führt zu der Implikation, dass ein irreversibler Prozess
in seine entgegengesetzte Richtung umgekehrt werden
kann, wenn genügende freie Energie für das Teilsystem
verfügbar ist, wo der irreversible Prozess statt findet.
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
• Beispiele: Vermischung zweier zuvor getrennter Gase,
Temperatur- oder Konzentrationsausgleich, usw.
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
8.3
Entropie, Wahrscheinlichkeit und Information
• Während die klassische Thermodynamik den Makrozustand
eines Systems erfasst, setzt die Boltzmann‘s Formel die
Entropie, S, mit der Wahrscheinlichkeit, W, der Mikrozustände
des Systems über die so genannte Boltzmann-Konstante, k in
die Beziehung:
= • Sie Beziehung besagt, dass der Zweite Hauptsatz der
Thermodynamik auch als Informationsänderungen über die
Mikrozustände des Systems formuliert werden kann. Für den
Fall, dass das System N Partikels (mit h=1,…,n Eigenschaften)
enthält, welche unabhängig voneinander in verschiedener
Weise miteinander kombiniert werden können, gilt
beispielsweise:
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
8.3
Entropie, Wahrscheinlichkeit und Information
= −
%
!" ln !"
"&
'(
• wobei die Häufigkeiten !" = )'e die Wahrscheinlichkeiten
der Partikels mit h-Mengen von Eigenschaften bedeuten.
• Shannon´s Formel für die Messung der Information (oder der
Informationsentropie):
* = −
%
"&
!" +, !"
• kann als Informationsverlust während eines Transfers von
kodierter Information verstanden werden, was
charakteristisch für irreversibler Prozesse ist.
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
• Treten Informationsverluste auf, muss freie Energie verfügbar
sein, um potentiell auftretende irreversible Prozesse an
Informationsverluste auszugleichen.
• Bei der Vermischung zweier Gase beispielsweise Schadstoffen
gehen Informationen über die Lokalität der Partikel verloren.
• Offensichtlich existiert eine Äquivalenzbeziehung zwischen
Entropie und Information.
• Im Zusammenhang mit der Entdeckung von Bekenstein (1974)
schwarzer Löchern und deren theoretischen Begründung
durch ´Hawkins (1975) scheint auch Äquivalenzbeziehung
zwischen Entropie, Information und Masse zu existieren:
∆ = ∆* = +./. 012 0345.
• Verschwindet ein Objekt der Mobj. in einem Schwarzen Loch
mit der Masse MBW , dann ist das mit einem
Informationsverlust bzw. einer Entropiezunahme verbunden.
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
8.4
Beziehung zwischen Arbeit und Exergie
• Angenommen: ein System befinde sich im
thermodynamischen Gleichgewicht mit seiner Umgebung
(Environment).
• Eine gewisse Menge an Arbeit aus der Umgebung wird
gebraucht, um das System von seinen Ausgangszustand 0 in
den Zustand 1 zu bringen. Bei der Rückkehr von Zustand 1
nach 0 wird eine gewisse Menge an Arbeit auf die Umgebung
ausgeübt.
• Zu einem direkten Übergang von 0 nach 1, welcher eine
Mindestmenge an Arbeit aus der Umgebung braucht
min 89 = 8:;% , gibt es einen korrespondierenden
Übergang von 1 nach 0, wo das System eine maximale Arbeit
=>? 8:9 = 8:;@A erbringt. Es gilt: 8:;% = 8:;@A .
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
8.4
Beziehung zwischen Arbeit und Exergie
• Für die zugeführte Arbeit gilt, dass die extern dem System
zugeführte Menge an Arbeit ist mindestens gleich der Summe
der Änderungen der inneren Energie U, der Wärme, der
Kompressionsarbeit und des chemischen Potentials ist.
8: ≥ ∆C − 9 ∆ + !9 ∆D −
%
"&
E" 9 ∆" FGH.
8:;% = 8:;@A = ∆C − 9 ∆ + !9 ∆D − ∑%"& E" 9 ∆" • Mit der sogenannten Gibbs‘ Gleichung
C = − !D +
%
"&
E" 9 ∆" 8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
• können wir hierfür auch schreiben:
:;% = :;@A = − 9 − ! − !9 D −
%
"&
E" 9 ∆" • Die maximale Arbeit kann auch in die Form gebracht
werden:
8:;@A = 9 ΔK3K = K3K − 9 L
= ∆C − 9 ∆ + !9 ∆D −
%
"&
E" 9 ∆" • ΔC, Δ, ΔDNΔ" geben die Differenzen des
thermodynamischen Gleichgewichtes von den Werten der
Energie, der Entropie, des Volumens und der Zahl der
Partikel des Systems an.
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
• Da das Konzept der maximalen Arbeit häufig besser geeignet
ist, wird der Begriff der Exergie eingeführt. Es ist jene
entropiefreie Menge an Energie, die ein System liefern kann,
wenn das System in das thermodynamische Gleichgewicht mit
seiner Umgebung gebracht wird oder übergeht. Es gilt:
:;@A = O?
• Die freie Energie, E, präsentiert die Summe der entropiefreien
Energie, Ex, und der Anergie, An, d.h. die Entropie, S, der
irreversiblen Prozesse im System:
O = O? + :
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
8.5
Exergie und thermodynamisches Gleichgewicht für ein
chemisches System als Beispiel
• Wir untersuchen den Übergang eines chemischen Systems
beim Übergang vom Zustand 1, dem thermodynamischen
Gleichgewicht, in einen Zustand 2.
• Annahme: Eine infinitesimale Änderung der Exergie eines
chemischen Systems fände in einer sehr kurzen Zeit statt,
dass die Umwelt des Systems sich nicht ändert. Dann gilt:
O?
=
/
%
"&
E" −
E"9
"
/
• Mit dem wie folgt definierten chemischen Potential
E" = E"9 + P" ,
ℎ = 1, … , 8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
8.5
Exergie und thermodynamisches Gleichgewicht für ein
chemisches System als Beispiel
• erhalten wir für vorherige Gleichung, wobei Nh die molare
Konzentrationen der Substanzen h sind, R die Gaskonstante
ist und T=T0 unterstellt wird:
O?
= P9
/
%
"&
" "
9
" /
• Berücksichtigt man, dass Ex(T0= 0) ist, dann erhalten wir
durch Integration auf beiden Seiten für die Exergie:
O?(/) = P9 P9
%
'(
S
"& '(
K %
KS "&
" "
9
/ = P9
/
"
" − "9 " = 9
%
"&
%
"&
K
" "
9
/ =
/
"
KS
" "
9
−
−
"
"
"9
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
• Bezogen auf die Gesamtmenge N aller Partikel
(gleichbedeutend mit dem von ihnen eingenommene
Volumen) erhalten wir für die marginale Änderung der Exergie
und für diese selbst folgende Ausdrücke:
O?
= P9
/
%
"&
O?(/) = P9
T" T"
9 / ,
T"
%
"&
=U/ ≔
%
"&
"
T"
T" 9 − T" − T"9
T"
• Diese Relationen geben die entropiefreie Arbeit an, die durch
die Umwelt aufgebracht werden muss, um das System von
einem Zustand in einen anderen zu bringen.
WU.. T 9 → Y = WU.. Y → Y 9 = −O?(T , T 9 )
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
• Im Einzelnen bedeutet diese Beziehung:
1. Die externe Arbeit der Umwelt auf das System, mit der
Übergang von der Konzentration c0 → c1 erzwungen wird,
ist gleich :9 = −WU.. T 9 → T
2. In einem geschlossenen System kehrt dieses System
spontan in den Zustand c0 zurück und dissipatiert Exergie
in diesen Prozess. Der Prozess ist abgeschlossen, wenn:
:9 = −WU.. T − T 9 = O? T , T 9 .
3. Hierdurch akkumuliert das System Exergie: O? T , T 9 =
:9 = −WU.. T 9 − T
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
8.6
Beziehungen zwischen Exergie und Information
• Konzentrationen lassen sich auch als Wahrscheinlichkeiten
formulieren und hierfür die Variable !" = % ⁄ = T"
eingeführt wird. Wir erhalten für die Exergie die äquivalente
Beziehung:
O?(/) = %
"&
!"
!" 9 + − − 9
9
!"
• Der Vektor der intensiven Variable ![ = ! , … , !% beschreibt
die Komposition und die extensive Variable N den Zustand
des Systems.
]
• Der Wert \ = ∑%"& !" (S mit dem konstanten Faktor
](
1⁄2 bezeichnet man als das Kullback-Maß für die Änderung
der Information.
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
8.6
Beziehungen zwischen Exergie und Information
• Damit kann die Exergie in eine informative und eine
materielle Komponente unterteilt werden:
O?%^
O? = O?%^ + O?;@K =U/__`=_
= \ !, !9 ≥ 0NO?;@K = ⁄9 − − 9 ≥ 0
• Der erste Term steht für die strukturelle Änderungen und der
zweite Term für die Änderung der Gesamtmasse des Systems.
• Verfolgt man den Evolutionsprozess von der Bildung
physikalischen Systemen hin zu chemischen, biologischen,
sozialen Systemen usw., kann man die Exergie unterteilen in:
]"ca
43
b";
a3b
+ O?%^
+ O?%^
O? = O?%^
+ O?%^
]"ca
a3b
43
b";
+O?;@K
+ O?;@K
+ O?;@K
+ O?;@K
a3b
steht für die kumulierte Information einzelner
• O?%^
Individuen und den sozialen Erziehungsprozess.
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
• Entscheidend ist immer die gewählte Ebene, von der die
nutzbare Arbeit (Exergie) in Form von Informationen oder
materiellen (oder energetischen) Komponenten bezogen wird.
• Will man beispielsweise die chemische Exergie nutzen,
interessieren die anderen Ebenen nicht; sie bleiben ungenutzt
und können als Anergie verloren.
• Der genetischen Information für die Reproduktion von
Kartoffeln beispielsweisen interessieren bei deren Konsumtion
nicht und gehen dabei verloren.
8.
Thermodynamik und Informationstheorie in der
Systemanalyse
8.7
Ökonomische Transformationsprozess aus
thermodynamischer Sicht
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