LERNEN

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Kreis des Lebens: LERNEN – Versuch einer psychologischen und experimentellen Beobachtung
Ein Film von Tilman Wolff und Johanna Bayer
(aus Sendungen im BR)
Stand vom 15. Feber 2010
INHALTSVERZEICHNIS:
Wie wir lernen
Use it or lose it
Stress – hilfreich fürs Lernen
Lernen im Schlaf
Einfluss der Gefühle
Botenstoff Dopamin
Bewegung macht schlau
Denken in Kategorien
Alt gegen jung
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Wie wir lernen
Immer tiefer blicken Wissenschaftler heute in das Gehirn und entdecken immer aufregendere Strukturen,
die Auskunft über den Zustand des Geistes geben könnten. Vieles an der Architektur des Gehirns ist bis
heute allerdings noch rätselhaft. Gesundheit! zeigt, wie es um unser Gehirn steht.
Das Gehirn lernt nie aus - ein Leben lang. Denn seine Formbarkeit ist wahrscheinlich größer, als man
sich das bisher vorstellen konnte. Und es bleibt bis ins hohe Alter leistungsfähig. Seit einigen Jahren
fallen alte Vorurteile über das Gehirn - die strenge Trennung der beiden Hirnhälften haben Forscher
heute ebenso aufgegeben wie die Vorstellung, dass der Mensch immer nur 20 Prozent seines Gehirns
nutzt, während der Rest brach liegt. Es gibt keinen Leerlauf - das Gehirn ist eine ewige Baustelle, in
der pausenlos Synapsen und Leitungen neu gebildet werden.
Lernen macht glücklich !
Eine große Bedeutung dabei hat die Chemie, denn eine ganze Reihe von Botenstoffen spielt beim
Auf- und Abbau von Synapsen eine entscheidende Rolle. Und das geschieht bis ins hohe Alter. Tests
zeigen, dass nicht immer nur die Jungen beim Lernen und Entscheiden im Vorteil sind. Denn dass das
Gehirn von der Evolution auf das Lernen programmiert ist, zeigt sein internes Belohnungssystem:
Lernen macht glücklich!
Use it or lose it …
Wie eignen sich Menschen neues Wissen an? Über das "Lernen an sich" machen sich
Forscher an der Universität Zürich Gedanken. Pädagogische Theorien über das Lernen gibt es
viele. Aber was passiert beim Lernen im Gehirn?
Wissenschaftler unterscheiden zwischen dem Lernen nach dem Lehrbuch, dem deklarativen Wissen,
und dem Lernen, wie es Kinder tun - nämlich nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum" („trial and error“).
Wie Schüler und Studenten lernen, haben sie immer wieder erforscht. Aber wie aussagekräftig sind
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diese Ergebnisse, wenn es um das Erlernen von etwas völlig Neuem geht - bei Menschen ab 60
Jahren ?
Gehirntraining durch Klavierspielen ?
In Zürich haben die Wissenschaftler ihren Versuchspersonen Klavierstunden gegeben und immer
wieder mit ihnen geübt. Lässt sich damit das Gehirn tatsächlich trainieren?
Neuropsychologe, Universität Zürich: "Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Disziplinierung, Motivation, Handlungskontrolle – alle diese Funktionen werden überwiegend von dem Frontalkortex
gesteuert. Wenn Sie die genannten Funktionen trainieren, werden auch die neuronalen Netzwerke, die
diese Funktionen steuern, quasi neuronal ständig in Erregung gehalten. Und es gibt wunderschöne
Studien, die zeigen, dass Menschen, die bis ins hohe Alter Musik machen, Laienmusiker, weniger Abbau
der grauen Substanz in diesen Strukturen aufweisen, als Menschen, die keine Musik bis ins hohe Alter
machen."
Prof. Lutz Jäncke,
Natürlich funktioniert das auch mit anderen Aktivitäten als dem Klavierspielen. Das Motto lautet: Use it
or lose it – was im Gehirn nicht dauernd gebraucht wird, geht verloren. Wichtig sei, so die
Züricher Forscher, dass die neuronalen Netze dauernd genutzt werden, sonst geht die Leistungsfähigkeit verloren.
Prof. Dr. Lutz Jäncke, Neuropsychologe, Universität Zürich: "Use it or Lose it – das zählt natürlich fürs Alter
umso mehr. Wenn Sie ab vierzig Jahre quasi Ihre Lebenskarriere beendet haben – Sie denken an ihr
Häuschen, gucken abends fernsehen und strengen sich kognitiv nicht mehr an - ist es völlig klar, dass
Sie kognitiv zunehmend abbauen. Wir sehen das den ganzen Tag, wir werden ja regiert von älteren
Menschen, keiner ist ja wirklich jung. Die meisten unserer Wirtschafts- und politischen Führer sin
eigentlich Menschen, die wir vom Alter her aus den Betrieben kippen würden. Sie sind ja 50, 60, 70 Jahre
alt. Wir hatten ja einen 70-jährigen Präsidenten und alle waren sehr zufrieden."
Bildunterschrift: Darstellung der neuronalen Vernetzung im Gehirn
Wie reagiert das Gehirn auf Reize, die das ständige Wiederholen immer derselben Klavier-Lektionen
auf die einzelnen Nervenzellen ausübt? Das Gehirn, auch das von älteren Menschen, ist in einem
ständigen Umbauprozess. Das sehen die Forscher an ihren Ableitungen. Die Nervenzellen können bei
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neuen Anforderungen neue Verbindungen untereinander aufnehmen – so stellen sich die
Wissenschaftler die Plastizität des Gehirns vor, die schon die einzelne Nervenzelle beherrscht.
Dornen wachsen und daran die Synapsen, die Schaltstellen zwischen den einzelnen Zellen.
Synapsen, die nicht gebraucht werden, bilden sich zurück. Eben "use it or lose it" .
Stress- hilfreich fürs Lernen ?
Stress ist nicht immer nur schädlich. Positiver Stress kann zum Beispiel hilfreich beim lernen sein. Das
haben Tests an jungen Strauchratten bewiesen. Eine Trennung von ihren Eltern hat sie kognitiv reifen
lassen.
Ist das Prinzip des Lernens wirklich so einfach - "use it or lose it"? Gibt es nicht auch äußere Faktoren,
die Einfluss auf das Lernen nehmen können - zum Beispiel Stress? In Magdeburg suchen Forscher im
Tierversuch nach den Auswirkungen von leichtem Stress auf einzelne Nervenzellen. Für eine genau
bemessene Zeitspanne trennen sie ganz junge Strauchratten von ihren Elterntieren.
Für die im Familienverbund lebenden Nager ist das eine einschneidende Erfahrung. Bei den Jungen –
so nehmen die Forscher an - könnte sich der Stress der Trennung im Gehirn festsetzen und den
neuronalen Netzen seinen prägenden Stempel aufdrücken. Eine halbe Stunde müssen die Jungtiere
alleine verbringen.
Bildunterschrift: Nervenzelle
Im Labor sehen sich die Magdeburger Forscher einzelne Nervenzellen der gestressten Jungtiere an.
Punkt für Punkt markieren sie jede einzelne Synapse, die sie auf der Oberfläche der langen Arme der
Nervenzelle, den Axonen, finden. Sie versuchen jede einzelne der Schalt- und Verbindungsstellen der
Nervenzelle aufzuspüren. Synapsen bilden durch die Verbindung von Nervenzellen ein Netzwerk, das
Informationen unglaublich schnell weiterleiten kann. Kann Stress Auswirkungen auf die Anzahl dieser
Synapsen haben, also bestimmen, wie viele es von ihnen gibt?
Schließlich haben die Magdeburger Forscher in verschiedenen Hirnstrukturen die Synapsen
durchgezählt.
Neurobiologin, Universität Magdeburg: "Wir haben gesehen, dass die meisten
Tiere (...) in Gehirnzentren, die mit Erinnerung und Gedächtnis zu tun haben, mehr an
erregenden synaptischen Verschaltungen haben als die Kontrolltiere. Und das ist etwas
überraschend, weil man denken könnte, Stress zerstört die Zellen und auch die Synapsen.
Aber es gibt ja auch so etwas wie positiven Stress, der durchaus auch für die weitere kognitive
Entwicklung förderlich ist."
Prof. Katharina Braun,
Stress kann also hilfreich sein fürs Lernen. Bei den Tieren, die in der Hirnrinde und im Hippocampus
eine größere Anzahl an Synapsen hatten, konnten die Forscher auch eine erhöhte Lernfähigkeit
feststellen - gerade bei den Tieren, die in ihrer Jugend gelernt hatten, mit Stress umzugehen.
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Vielleicht ist das auch beim Menschen so. Beispielsweise am Klavier. Da sehen Forscher bei etwa
zehn bis fünfzehn Prozent ihrer Probanden sogar noch eine Leistungssteigerung im Alter. Ihre
Grundlage hat sie wohl im dauernden Gebrauch der grauen Zellen - von Jugend an.
Lernen im Schlaf ?
Lernen im Schlaf - ein Traum. Aber funktioniert das wirklich? Forscher aus Lübeck wollten es
genau wissen und haben Probanden auf die Matte gelegt.
An der Universität Lübeck haben Wissenschaftler ihre Versuchspersonen Schlafen gelegt und sie in
den verschiedensten Phasen des Schlafs beobachtet. Nächtelang haben sie über den Schlaf ihrer
Probanden, alles Medizinstudenten, gewacht.
Bevor die die Testteilnehmer sich hinlegen durften, mussten sie Aufgaben lösen. Bestimmte
Zahlenreihen sollten in einer bestimmten Weise addiert werden. Die Aufgaben waren nach einer
geheimen Regel konstruiert - die Lösung eigentlich ganz einfach. Doch darauf kamen die Medizinstudenten nicht. 300 dieser Aufgaben mussten sie abarbeiten. Und immer wieder lagen sie mit ihren
Berechnungen falsch. Eine frustrierende Erfahrung. Danach durften sie sich ins Bett legen - überwacht
von den Forschern, die sich für den sogenannten Delta Schlaf interessierten, eine besonders tiefe
Schlafphase, in der nicht einmal geträumt wird.
Die Lösung kommt im Schlaf
Die Fragen, die die Wissenschaftler interessierten: Kommt das Gehirn beim Schlaf auf das verborgene
Schema der Rechenaufgaben? Kann es eine Art Ordnung in das Chaos der gerade gemachten
Erfahrungen bringen? Das Gedächtnis ordnen?
Am nächsten Morgen bekamen sie Antworten auf ihre Fragen. Tatsächlich konnten fast alle
Versuchsteilnehmer nach nur einer Nacht die Aufgaben lösen, das Zahlenrätsel knacken.
Prof. Jan Born, Medizinische Universität Lübeck: "Das Gehirn ist im Schlaf aktiv, verdaut sozusagen das frisch aufgenommene Material und im Rahmen des Reprozessierens, dieser erneuten
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Verarbeitung des frisch aufgenommenen Materials im Schlaf, kommt es tatsächlich zu einer
Reorganisation der Gedächtnisrepräsentation...wir sagen, die Gedächtnisinhalte verändern sich in
gewisser Weise. Und daraus kann man ableiten, dass mitunter eine Reorganisation des Gedächtnisses so verläuft, dass man hinterher auf ein Problem, das man vor dem Schlaf nicht lösen konnte,
dass man hinterher eine andere Sichtweise hat und dieses Problem lösen kann ."
Lernen im Schlaf – das scheint tatsächlich zu klappen. Aber Schlaf ist nicht der einzige Faktor, der
Auswirkungen zeigt auf das Gedächtnis. Auch Gefühlen haben einen Einfluss. Wenn sie im Spiel sind,
ist die Erinnerung besonders stark .
Einfluss der Gefühle
Die Macht der Gefühle - sie waltet im Gehirn anders als bisher angenommen. Die Hirnareale, in
denen Gefühle verarbeitet werden, scheinen bestimmte Gedächtnisinhalte zu verstärken und
andere zu vernachlässigen.
In New York untersuchen Forscher den Einfluss von Emotionen auf das Denken. Mit Studien zum
Erinnerungsvermögen ist die Arbeitsgruppe von Elizabeth Phelps bekannt geworden.
Dr. Elizabeth Phelps, New York University: "Im Gehirn von Menschen, aber auch von Ratten, gibt
es Areale, die für die Verarbeitung von Emotionen und Gefühle zuständig sind - zum Beispiel für Angst
oder Erregung. Aber diese Areale verarbeiten nicht nur Emotionen, sondern scheinen auch in
irgendeiner Weise auf normale Gedächtniszentren einzuwirken. Sie scheinen für das Verständnis von
Emotionen wichtig zu sein."
Bildunterschrift: Lässt sich das menschliche Gedächtnis von emotionalen Reizen beeinflussen?
Lässt sich das menschliche Gedächtnis von emotionalen Reizen beeinflussen? Um das
herauszubekommen, machen die New Yorker Forscher Untersuchungen. Sie wollten wissen, welche
Rolle bestimmte Teile des Gehirns bei der Abspeicherung von Informationen im Gedächtnis spielen Hirn-Areale aus dem sogenannten limbischen System, die sonst eher für die Verarbeitung von
Gefühlen da sind.
Sie glauben, dass bestimmte Teile des Gehirns Einfluss auf das Erinnerungsvermögen ihrer
Probanden nehmen. Beispielsweise, wenn sie ihnen Fotos von realen Ereignissen zeigen .
Und während sie selbst einen tiefen Blick via Computertomographie in das menschliche Gehirn
wagen, spielen sie ihren Probanden die Fotografien ein zweites Mal in die Röhre ein und lassen sich
die Frage beantworten, ob und wie stark diese sich an die manchmal drastischen Darstellungen
erinnern.
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Dr. Elizabeth Phelps, New York University: "Menschen behaupten, dass sie etwas nie vergessen
könnten, weil das Erlebnis so schrecklich oder so einzigartig gewesen war. Aber das stimmt nicht.
Menschen vergessen viele Details, auch von hochgradig emotionalen Ereignissen. Aber sie sind
absolut überzeugt, sich an Alles ganz genau zu erinnern. Gefühle beeinflussen das Maß unserer
Aufmerksamkeit, die wir bestimmten Dingen schenken, wie und wie gut wir Informationen speichern
und Gefühle beeinflussen, sogar wie genau wir uns an bestimmte Dinge erinnern."
Bildunterschrift: An emotionale Ereignisse hat man starke Erinnerungen - die müssen aber nicht in
allen Details der Realität entsprechen.
Die starke Erinnerung an ein emotionales Ereignis muss nicht unbedingt in allen Details mit der
Realität übereinstimmen. Die Hirnareale, in denen Gefühle verarbeitet werden, scheinen bestimmte
Gedächtnisinhalte zu verstärken und andere zu vernachlässigen. Sie spiegeln dem Gedächtnis vor,
sich akkurat an alles zu erinnern. Ein Trugschluss.
Die Macht der Gefühle - im Gehirn scheint sie doch anders zu walten, als bisher angenommen.
Dopamin – zentraler Botenstoff im Lernsystem
Dopamin bewirkt, dass man das positive Gefühl eines Aha-Erlebnisses hat. Es ist ein
gehirneigenes Belohnungssystem, das dafür sorgt, dass die Lust am Lernerfolg anhält und
geradezu süchtig macht nach neuen Aha-Erlebnissen.
Wissenschaftler aus Magdeburg sind dem Geheimnis des Erfolgs beim Lernen auf der Spur. Sie
untersuchen verschiedene chemische Verbindungen und sind auf eine Vielzahl von Substanzen
gestoßen, die im Gehirn als sogenannte Botenstoffe arbeiten.
Bildunterschrift: Graphische Darstellung eines menschlichen Kopfes
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Besonders einer von ihnen, das Dopamin, hat ihre Aufmerksamkeit erregt. Mit dem Dopamin glauben
die Magdeburger Forscher den zentralen Botenstoff im Lernsystem gefunden zu haben. An den
Synapsen wandeln die Nervenzellen elektrische Signale in chemische Botenstoffe um und senden sie
an die Synapsen der anderen Nervenzellen. Dopamin wird allerdings nur ausgeschüttet, wenn das
Gehirn eine neue Strategie erfolgreich lernt, sagen die Forscher. ..
Leibniz-Institut für Neurobiologie, Magdeburg: "Dopamin bewirkt, dass Sie das
positive Gefühl eines Aha-Erlebnisses haben. In der Hirnterminologie nennen wir das eine positive
Rückkopplung. Sie sehen einen Weg und haben den selbst erarbeitet, dafür belohnt sich das Gehirn
selbst. Und der Effekt dieser Selbstbelohnung, also dieses guten Gefühls, ist: Sie haben erstmal die
Motivation weiterzumachen. Wenn Sie oft diesen Mechanismus betätigen, bewirkt das, dass Sie
generell hoch motiviert sind, Erfolge zu haben und etwas zu leisten. Das ist gewissermaßen der
Mechanismus, der hinter Erfolgserlebnissen steht. Da ist auch noch ein weiterer raffinierter Prozess
angekoppelt: Dopamin scheint der Neurotransmitter zu sein, der dafür sorgt, dass bestimmte Erfahrungen, die man persönlich macht und die für einen sehr wichtig sind – zum Beispiel ein Erfolg –mit
Priorität im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden."
Prof. Henning Scheich,
Dopamin ist ein gehirneigenes Belohnungssystem, das dafür sorgt, dass die Lust am Lernerfolg anhält
und geradezu süchtig macht nach neuen Aha-Erlebnissen. Im Normalfall, sagen die Forscher, probiert
jeder Mensch bei einer neuen Aufgabe verschiedene Lösungswege im Gehirn aus, bis eine Lösung
gefunden ist. Dann gibt es auch wieder das Dopamin.
Dr. Frank Ohl, Leibniz-Institut für Neurobiologie, Magdeburg: "Wir haben unser Aha-Erlebnis nicht in
einer Weise, dass sich langsam ein Verständnis herausbildet, sondern wir identifizieren den Zeitpunkt,
wo der Groschen fällt. Das zweite ist, dieser Zeitpunkt, wo das passiert, ist individuell ganz
unterschiedlich. Obwohl wir alle unsere Versuchstiere durch dieselben Versuchsparadigmen ziehen,
fällt der Groschen bei jedem Individuum zu einem anderen Zeitpunkt. Wir können das sehr gut
korrelieren mit den Änderungen der Hirndynamik. Und die dritte Eigenschaft ist: Wenn das passiert ist,
dann bleibt diese neue kognitive Struktur, die sich herausgebildet hat, stabil. Das heißt, wenn uns der
Aha-Effekt gelungen ist, sehen wir die Welt mit anderen Augen, wir können die neuen unbekannten
Reize immer in diese Kategorien einordnen."
Dann ist der Erfolg da. Und damit wird auch das Belohnungssystem in Gang gesetzt.
Bewegung macht schlau
Möglicherweise lässt sich das Belohnungssystem des Gehirns noch stärken - durch
Bewegung. Schüler sind an der Sporthochschule in Köln die Versuchspersonen. Bewegung
könnte die Ausschüttung von Dopamin anregen, so die Vermutung der Wissenschaftler.
Für die wissenschaftliche Arbeit müssen Schüler 40 Minuten lang kräftig strampeln. Die Auswirkungen
des körperlichen Trainings aufs Gehirn werden später gemessen.
Ein ähnliches Experiment machen Forscher in Bielefeld. Mit Wüstenrennmäusen, einer Hamsterart.
Auch dort beobachten sie die Ausschüttung von Botenstoffen im Gehirn – zum einen bei Tieren, die in
kleinen Käfigen mit Laufrad gehalten werden, zum anderen bei Tieren, die artgerecht aufwachsen sogenannten Gehegetieren. Sie haben viel Platz.
Prof. Dr. Teuchert-Noodt, Universität Bielefeld: "Die Gehegetiere bewegen sich im Prinzip viel
weniger. Sie zeigen ihr natürliches Spiel-, Explorations- und Putzverhalten und so weiter, das sind
natürliche Bewegungen. Unter diesen natürlichen Bewegungen reifen die Transmitter ausgewogener,
optimaler, artspezifisch - also gut - aus. Die Käfigtiere haben im Vier-Stunden-Rhythmus Aktivphasen,
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dann zeigen sie ihre fürchterlichen Stereotypien. Man wird selber ganz nervös, wenn man das sieht.
Sie bewegen sich sehr viel mehr als die Gehegetiere. Aber diese hyperaktive Bewegung macht sie
nicht schlauer, sondern dümmer."
Was aber macht schlauer?
Die Wissenschaftler in Bielefeld suchen nach Hinweisen im Hippocampus, was schlauer macht. Der
Hippocampus spielt eine entscheidende Rolle bei der Speicherung neuer Gedächtnisinhalte. Er ist in
ständiger Erregung und seine Nervenzellen werden dauernd umgebaut. Lernen im Gehirn ist ein
ständiger Umbauprozess der neuronalen Netze - abzulesen an der einzelnen Nervenzelle, dem
einzelnen Neuron. Das Ganze ist abhängig von einer ausgewogenen Ausschüttung der Botenstoffe,
die den Umbau der Netzwerke erst in geordnete Bahnen bringt.
Aber wie ist es bei Schülern? Ist der Tierversuch so einfach auf den Menschen zu übertragen? Ein
Junge wird - gut verkabelt - zu Bett gebracht. Nachmittags hat er seine Runden auf dem Fahrradergometer der Forscher gemacht. Jetzt sammeln sie Daten. Dass Bewegung sich auf die Transmitterausschüttung auswirkt, ist den Forschern bekannt. Welche Bewegung und wie viel davon – das
versuchen sie herauszufinden.
Denken in Kategorien
Kinder bauen ihr Wissen vom Allgemeinen ins Besondere auf. Forscher vermuten, dass es im
Alter möglicherweise einen Wissensabbau in umgekehrter Richtung gibt: Erst geht das
Besondere dann das Allgemeine, die Kategorie, verloren.
Bis zum Alter von einem halben Jahr haben Kinder noch nicht viele Verknüpfungen von Nervenzellen
in ihrem Gehirn. Wenig später erringen sie den größten Lernerfolg: Ohne Schule, ohne Lehrer lernen
sie ihre Muttersprache. Aber lange bevor sie überhaupt sprechen können, versuchen Kleinkinder
bereits, ihre Welt zu ordnen. In Heidelberg versuchen Forscherinnen herauszubekommen, wie die
Kleinkinder das machen.
Auf einem Videoschirm greift die Versuchsleiterin immer wieder nach dem Spielzeugauto, nicht nach
dem Tier. Irgendwann wird die Versuchsleiterin einmal das Tier und nicht das Auto nehmen. Das
scheint einen Unterschied in der Reaktion der Kinder zu bewirken. Die Reaktion der Kinder fällt
möglicherweise so aus, weil sie bereits über ein Wissen verfügen, das die Welt in Kategorien einteilt .
Vom Allgemeinen ins Besondere
Sie wissen, dass Autos und Tiere nicht in dieselbe Kategorie gehören. Und sie wissen, dass PKWs
und Lastwagen, Baufahrzeuge und Trecker einer Kategorie angehören und Elefanten und Krokodile
einer anderen.
Entwicklungspsychologin Universität Heidelberg: "Der Mensch ordnet die
Wirklichkeit in einer bestimmten Art und Weise. Man kann sogar überlegen, ob wirklich alles abhängig
von Erfahrungen ist oder ob wir nicht auch da vorgeprägt sind, wenn wir zur Welt kommen. Es
gibt Ideen dazu, dass Babys schon mit einem Gesichtererkennungsmechanismus zur Welt kommen.
Dann wäre die Kategorie Gesicht ein besonderes Objekt von Anfang an."
Prof. Dr. Sabina Pauen,
Kinder bauen ihr Wissen vom Allgemeinen ins Besondere auf, sagen die Forscher - erst die
allgemeinen Kategorien und dann das Spezielle. Woher die Kinder das können, ob diese Fähigkeiten
angeboren sind, wissen die Forscher noch nicht. Sie vermuten nur, dass es im Alter möglicherweise
einen Wissensabbau in umgekehrter Richtung gibt: Erst geht das Besondere, dann das Allgemeine,
die Kategorie, verloren.
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Alt gegen jung
Wer glaubt, Ältere wären geistig nicht so leistungsfähig wie die Jungen, der irrt. Tests haben
bewiesen: Sie sind zwar nicht so reaktionsschnell, dafür machen sie aber weniger Fehler .
Mit speziellen Programmen versuchen Forscher in Göttingen, Alterskrankheiten wie Alzheimer auf die
Spur zu kommen. Dabei interessiert sie besonders das Gehirn älterer Menschen. Sind es
möglicherweise Abnutzungserscheinungen, die die Leistungsfähigkeit des Gehirns im Alter
einschränken? Oder geht Wissen im Alter womöglich einfach so verloren?
Bildunterschrift: Auch bei absonderlichem Design - unser Kategoriedenken sagt uns: Das ist ein Stuhl,
da kann man sich draufsetzen! m
Denken in Kategorien
Forscher glauben, dass alle Menschen ihr Wissen in Sinn-Gruppen speichern - von Geburt an.
Kategorien spiegeln unsere Erfahrungen wieder und ordnen sie. Sonst würde ein absolutes Chaos in
unserem Gehirn herrschen. Außerdem könnte der Mensch dann Dinge auch nicht zuordnen.
Bildunterschrift: Ältere Menschen sind vielleicht nicht so reaktionsschnell, machen dafür aber weniger
Fehler.
Ein Beispiel: Wenn man in einen unbekannten Raum kommt und dort einen Stuhl sieht, weiß man,
dass man sich auf diesen Stuhl setzen kann - eben weil es ein Stuhl ist und weil dieser zum Sitzen da
ist. Hätte man dieses Kategorienwiessen nicht, könnte man die Ähnlichkeit zwischen bekannten und
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unbekannten Stühlen nicht erkennen. Durch Kategorien kann das Wissen von der einen auf eine neue
Situation übertragen werden, so Prof. Sabina Pauen, Entwicklungspsychologin an der Universität
Heidelberg.
Ist ein jüngeres Gehirn leistungsfähiger als ein älteres?
In Dortmund schicken die Wissenschaftler "Alt" gegen "Jung" ins Rennen und beobachten, was sich
im Kopf ihrer Versuchsteilnehmer tut. Im Experiment müssen beide virtuell am Rechner eine
bestimmte Strecke zurücklegen. Fahrerisches Können ist das eine, Reaktionsvermögen das andere.
Denn die Versuchsteilnehmer sollen auch auf Pfeile reagieren, die immer wieder ins Computerbild
eingespielt werden. Wenn einer der Pfeile nach unten weist, müssen sie einen kleinen Knopf am
Lenkrad drücken. Wer hat das schnellere Reaktionsvermögen – der alte oder der junge Mensch?
Bildunterschrift: Junge sind schneller, machen aber mehr Fehler.
Schnelligkeit ist nicht alles
Zwar waren die Jüngeren in bisherigen Tests immer schneller am Knopf als die Älteren. Aber
Schnelligkeit ist nicht alles. Auch auf die richtige Ausführung kommt es an. Die Forscher suchen nach
den Mechanismen der geistigen Leistungsfähigkeit bei Jung und Alt. Nach den Hirnkurven scheinen
sich die Älteren besser zu schlagen als gedacht. Sie liegen viel häufiger richtig als die Jungen und
machen weniger Fehler.
Dr. Michael Falkenstein, Institut für Arbeitsphysiologie Dortmund: "Man hat bisher immer die
Message verbreitet, ältere Menschen sind schlechter - mehr oder weniger bei allen Aufgaben. Das ist
überhaupt nicht so. Wir wollen an unserem Institut herausfinden, wo sie schlechter sind. Da können
wir vielleicht mit Trainings oder Formung der Arbeitswelt helfen. Wo sind sie genauso gut oder wo sind
sie sogar besser? Da könnte man dann die gezielte Empfehlung geben: Stellt diese Leute ein für
diesen Job, weil sie das besser können."
Wer also glaubt, Ältere wären geistig nicht so leistungsfähig wie die Jungen, der irrt. Mit ihrer
Erfahrung machen sie weniger Fehler und sind letztlich die Gewinner.
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