Dieser Beitrag zeigt einen möglichen Verlauf eines Verfahrens zur

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 Dieser Beitrag zeigt einen möglichen Verlauf eines Verfahrens zur Feststellung einer Behinde‐
rung auf Grund einer CRPS – Erkrankung und gibt Informationen zum Thema „Begutachtung“. Antragsverfahren Der Antrag wird beim jeweils zuständigen Versorgungsamt gestellt. Dies ist inzwischen auch Online möglich. Die Gesundheitsstörungen, die als Behinderung festgestellt werden sollen, sind im Antrag umfassend anzugeben. Die mit dem Antrag eingereichten Unterlagen sollen nicht älter als zwei Jahre sein. Dazu gehö‐
ren Befundberichte, ärztliche Gutachten, Kurschlussgutachten, Pflegegutachten, EKG, Labor‐ und Röntgenbefunde, jedoch keine Röntgenbilder. Außerdem sind all die beteiligten Ärzte an‐
zugeben, die Aussagen zu den bestehenden Gesundheitsstörungen treffen können. Diese wer‐
den dann unter Umständen vom Versorgungsamt nochmals angeschrieben und aufgefordert, genaue Auskünfte hierzu zu geben und vorgegebene Fragen zu beantworten. Die Bewertung der Gesundheitsstörungen erfolgt nach den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätig‐
keit“. Eine hilfreiche Checkliste für das Ausfüllen des Antrages liegt am Ende des Textes bei. Feststellungsbescheid Der erste Bescheid wird von einem Gutachter nach Aktenlage beschieden. Gegen diesen Be‐
scheid kann Frau / Mann dann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Widerspruch erheben. Widerspruch In der Regel wird über den Widerspruch erneut per Aktenlage entschieden. Wenn das Versor‐
gungsamt dem Widerspruch nicht abhelfen kann, wird die Akte an die zuständige Bezirksregie‐
rung, dort an das Landesversorgungsamt zur Entscheidung weitergeleitet. Klage Besonders beim CRPS sind die vom (Landes)Versorgungsamt getroffenen Entscheidungen be‐
züglich der GdB‐Höhe sehr unterschiedlich. Wenn Frau / Mann mit dem erneuten Feststel‐
lungsbescheid nicht einverstanden ist, da der festgesetzte GdB nicht die tatsächlichen Ein‐
schränkungen berücksichtigt, bleibt nach einem erfolglosen Widerspruch nur die fristgerechte Klage vor dem Sozialgericht. In der Regel sollte Frau / Mann sich spätestens ab diesem Verfah‐
rensschritt anwaltlich vertreten lassen. Feststellung einer Behinderung bei CRPS
Im Rahmen einer Klage gegen den Bescheid des Versorgungsamtes holt das Sozialgericht dann bei allen Ärzten entsprechende Auskünfte ein, da nicht sichergestellt werden kann, dass das Versorgungsamt tatsächlich alle Ärzte eingebunden hat. Der Richter des Sozialgerichtes ent‐
scheidet dann darüber, ob zusätzlich ein schriftliches Sachverständigengutachten auf Grund ambulanter Untersuchung gemäß § 106 SGG eingeholt werden muss. Sozialmedizinischen Begutachtung gemäß § 106 SGG Der Gutachter bemisst auf Basis der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit“ den Grad der Behinderung. In den Anhaltspunkten gibt es auch Ausführungen zur Berücksichtigung von Schmerzen. Hier verweise ich auf die nachfolgenden Auszüge: Gemäß der Anhaltspunkte sind außergewöhnliche Schmerzen ggf. zusätzlich zu be‐
rücksichtigen (siehe Nummer 18 Absatz 8), da schmerzhafte Bewegungseinschrän‐
kungen der Gelenke schwerwiegender als eine Versteifung sein können. (Kapitel 26.18 > Haltungs‐ und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten <) Ähnliches gilt für die Berücksichtigung von Schmerzen. Die in der GdB/MdE Tabelle angegebenen Werte schließen die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. In den Fällen, in denen nach dem Sitz und dem Ausmaß der pathologischen Verände‐
rungen eine über das übliche Maß hinausgehende, eine spezielle ärztliche Behand‐
lung erfordernde Schmerzhaftigkeit anzunehmen ist, können höhere Werte ange‐
setzt werden. (Kapitel 18 > Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) Grad der Behin‐
derung (GdB) <) Die allgemeinen Ausführungen zu den Gliedmaßenschäden in den Anhaltspunkten weisen darauf hin, dass abhängig vom Einzelfall, trotz erhaltener Extremität gele‐
gentlich der Zustand ungünstiger sein kann, als der Verlust. (Kapitel 26.18 > Hal‐
tungs‐ und Bewegungsorgane, Gliedmaßenschäden, Allgemeines <) Wenn Ärzte / Gutachter ohne Kenntnisse über die Begutachtung von Schmerzen Menschen mit Schmerzerkrankungen begutachten, kann es vorkommen, dass ausschließlich die bestehenden Funktionsminderungen (z.B. Bewegungseinschränkungen, Kraftminderung, etc.) bewertet wer‐ Stand 01.02.2013
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den. In der Regel sind dann gerade die Auswirkungen der Erkrankung auf Grund der erhebli‐
chen Dauerschmerzen auf das tägliche Leben nicht berücksichtigt. Sind im Rahmen einer sozialmedizinische Begutachtung nach § 106 SGG die Auswirkungen der Erkrankung auf das tägliche Leben wiederum nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt wor‐
den, kann die Klägerin / der Kläger beim Sozialgericht einen Antrag auf Einholung eines weite‐
ren medizinischen Sachverständigengutachtens gemäß § 109 SGG stellen. Die hierfür erforderli‐
che Zustimmung des Sozialgerichtes setzt eine ausführliche Begründung für ein solches Gutach‐
ten voraus. Sachverständigengutachtens gemäß § 109 SGG Hierbei besteht die Möglichkeit, dem Gericht einen eigenen Gutachtervorschlag zu unterbrei‐
ten, wobei es sehr wichtig ist, dass dieser Gutachter auch über die entsprechende Qualifikation verfügt. Der beauftragte Gutachter muss über den aktuellen Wissensstand der Krankheitsbilder mit Leitsymptom "chronischer Schmerz" verfügen (z.B. im Rahmen der Weiterbildung für die Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie"). Hierzu wird auch auf die entsprechenden Leit‐
linienseiten der AWMF verwiesen. Dies sollte bei der Auswahl des Gutachters berücksichtigt werden, ebenso ist es vorteilhaft, wenn der Gutachter dem zuständigen Sozialgericht möglichst bekannt ist. Nach meinem Kennt‐
nisstand gibt es nur wenige Gutachter, die über eine entsprechende Qualifikation verfügen. Die Begutachtungen chronischer Schmerzen aufgrund der meist komplizierten, widersprüchli‐
chen Befundlage gegenüber anderen Formen der Begutachtung erfordern einen deutlich er‐
höhten Zeitaufwand. Sie entsprechen daher häufig Gutachten mit einem hohen Schwierigkeits‐
grad, dies bedeutet, dass die Erstellung eines solchen Gutachtens „seinen Preis“ hat. Die Kosten für ein solches Gutachten trägt zunächst die Klägerin / der Kläger bzw. bei Vorliegen einer Kostenübernahmeerklärung ihre / seine Rechtschutzversicherung. Im weiteren Verfahren kann es unter Umständen zu einer Kostenübernahme durch das Sozialgericht kommen. Stand 01.02.2013
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Leitlinien zur Begutachtung von chronischen Schmerzen Ziel der Leitlinie für die Begutachtung von Schmerzen ist, den Ablauf und Inhalt der Begutach‐
tung von Patienten, die als Leitsymptom Schmerzen beklagen, zu vereinheitlichen. Sie soll der Komplexität von Schmerz, Schmerzerleben und Schmerzbeeinträchtigung durch interdisziplinä‐
res Zusammenwirken gerecht werden. Durch die Beschreibung sowohl der fachgebundenen Kompetenz als auch der Zusammenarbeit zwischen Gutachtern verschiedener Fachdisziplinen sollen qualitätssichernde Maßnahmen für die Gutachtenerstellung und Grundlagen für einheit‐
liche Einschätzungen schmerzkranker Probanden in den verschiedenen Rechtsbereichen er‐
möglicht werden. Damit soll auch die Verständigung zwischen Ärzten und Juristen verbessert werden. Gerade beim komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) ist die Bemessung besonders schwierig, weil Aspekte zu berücksichtigen sind, die bei der konventionellen Gutachtenuntersu‐
chung des Bewegungsapparates eben nicht zu Tage treten. In der Leitlinie wird das CRPS als außergewöhnlich, organisch begründetes Schmerzsyndrom erwähnt. Andere entsprechende außergewöhnlich starke Schmerzsyndrome sind z.B. Phantom‐
schmerzen bzw. die Trigeminusneuralgie. Bei der Bemessung der Einschränkungen bei einem CRPS sind weniger Umfänge oder Bewegungsausschläge bedeutsam, sondern vielmehr Aspekte der konkreten Einschränkung im täglichen Leben. Ein wesentliches Kriterium besteht darin, bei chronischen Schmerzen zu unterscheiden, ob or‐
ganische, psychische oder kombinierte Schmerzursachen vorliegen. Außerdem ist zu ermitteln, ob wirklich eine außergewöhnliche Schmerzsymptomatik vorliegt. Gemäß der AWMF ist dies beim CRPS der Fall, da dass CRPS eine der wenigen Erkrankungen ist, die im Sinne der AWMF als Erkrankung explizit aufgelistet ist, die aus organischer Sicht außer‐
gewöhnliche Schmerzen erklärt. Die Durchführung einer komplexen Konsistenzprüfung ist ebenso Bestandteil der Begutach‐
tung, um abschließend zu entscheiden, ob tatsächlich eine schwere chronische Schmerzerkran‐
kung vorliegt. Stand 01.02.2013
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Im Rahmen einer Begutachtung ist daher neben einem orthopädischen auch die Begutachtung von Schmerzen erforderlich, in dem die Beeinträchtigungen der Fähigkeiten im täglichen Leben mit zur Sprache kommen und entsprechenden Teilhabereinschränkungen berücksichtigt wer‐
den müssen, da auf Grund der außergewöhnlichen Schmerzen der ganze Tagesverlauf beein‐
trächtigt wird. Eine Leistungsbeurteilung ist auf Basis der oben genannten AWMF zu treffen, da diese Leitlinie für die schmerztherapeutische Begutachtung den Stand des derzeit herrschenden ärztlichen Wissens berücksichtigt. Die Leitlinien stehen unter http://www.uni‐duesseldorf.de/AWMF/ll/030‐102.htm Abschluss Da es beim CRPS sehr differierende Verläufe gibt, kommt es bezüglich Schmerz und Funktion nicht immer zu schweren Einschränkungen, somit ist ein Verfahren zur Feststellung des Grades der Behinderung nicht zwangsläufig mit dieser Erkrankung verbunden. Glücklicher Weise gibt es laut Literatur beim CRPS viele Verläufe, die innerhalb von Monaten ausheilen. Kommt es aber bezüglich Schmerz und Funktion zu schweren Einschränkungen, ist die Feststel‐
lung des Grades der Behinderung für den Betroffenen unter Umständen sehr wichtig. Ein sol‐
ches Verfahren kann sich aber über Jahre hinziehen. Gerade deshalb braucht Frau / Mann kompetente Partner: o
Einen fachlich qualifizierten Arzt und Schmerztherapeuten o
Einen Fachanwalt für Medizin‐ und Sozialrecht (gut, wenn eine Rechtsschutzversicherung vorhanden ist) o
Einen kompetenten Gutachter o
Geduld, Durchhaltevermögen, Kraft und Energie o
Partner (Familie, Freunde, eine Selbsthilfegruppe, informative CRPS – Foren, etc.) Stand 01.02.2013
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Beim Ausfüllen des Antrages ist folgende Checkliste sehr hilfreich: o
Bestehen die Funktionsstörungen seit mindestens 6 Monaten? o
Habe ich wirklich alle Gesundheitsstörungen (Beschwerden/Symptome/Krankheiten) auf‐
geführt? Maßstab: Was kann ich im Alltag (nicht) mehr? o
Habe ich alle Unterlagen in Kopie vorliegen, um sie einzureichen (Befundberichte, ärztli‐
che Gutachten, Kurschlussgutachten, Pflegegutachten, EKG, Labor‐ und Röntgenbefunde, etc.)? o
Habe ich andere Gesundheitsstörungen aufgeführt, die ich zusätzlich zur Schmerzkrank‐
heit habe (z.B. Augenleiden, Krankheiten der inneren Organe, Kreislauf, Stoffwechsel, usw.)? o
Sind alle Beeinträchtigungen nachprüfbar, d.h. sind sie bei einem Arzt "aktenkundig"? o
Habe ich alle Ärzte/Kliniken aufgeführt? o
Habe ich die wichtigsten in Frage kommenden Ärzte (vor allem meinen Schmerztherapeu‐
ten und meinen Hausarzt) über meinen Antrag informiert? o
Habe ich ein Schmerztagebuch geführt (evtl eine Kopie beilegen)? o
Habe ich alle Medikamente aufgeführt, die ich ständig oder auch nur bei Bedarf einneh‐
me? o
Benutze ich Hilfsmittel, die ich ebenfalls auflisten sollte (z.B. Orthese, Gehhilfen, etc.)? o
Um vollständige Antragsangaben machen zu können, ist ein Gespräch mit den behandeln‐
den Ärzten ratsam. o
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