Rubrik „Für Sie gelesen“ Immer höhere Leistungen – sind die physiologischen Grenzen unserer Nutztiere erreicht? Von: Rainer Chermak Aus: Rundschau für Fleischhygiene und Lebensmittelüberwachung 7/2012, S. 226 f Noch vor wenigen Jahrzehnten war das heutige Leistungsvermögen der Nutztiere kaum vorstellbar. Grund hierfür sind vor allem enorme Zuchtfortschritte und aktuelle Kenntnisse zum Nährstoffbedarf der Tiere. Mastschweine schaffen in der Spitze eine durchschnittliche Tageszunahme von 1100g, Broiler schaffen einen Gewichtszuwachs um das Vierzigfache innerhalb der viereinhalb wöchigen Kurzmast. In manchen Bundesländern liegt die durchschnittliche Laktationsleistung von Milchkühen bei 9 000 kg. Wo aber liegen die physiologischen Grenzen unserer Nutztiere? Die Milchkuh ist hier im Zentrum der Betrachtung. Sie hat eine deutlich längere Lebensdauer als Masttiere und soll gleichzeitig durchaus widersprüchliche Ziele realisieren: Zum einen soll sie durch eine gute Reproduktionsleistung möglichst viele Laktationsperioden erreichen, zum anderen eine möglichst hohe Milchleistung bei jeder Laktationsperiode erzielen. Bei einer sehr hohen täglichen Milchleistung kommt es bei einer limitierten Futteraufnahme zu einer negativen Energiebilanz, die durch den Abbau körpereigener Energiereserven ausgeglichen wird. Die Steigerung der Milchleistung wurde in den letzten Jahrzehnten mit einer Zunahme der Gesundheitsprobleme erkauft. Die höchste Laktationsleistung wird in der 4. bis 5. Laktation erzielt, im Durchschnitt erreichen Milchkühe aber nur 2,5 Laktationsperioden. Die häufigsten Abgangsursachen sind mangelnde Fruchtbarkeit, Euterentzündungen, Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen sowie Stoffwechselstörungen. Die Zunahme der Störungen korreliert hier mit der Höhe der negativen Energiebilanz. Bei begrenzten Ressourcen stellt die Kuh diese vorrangig für Milch für das neugeborene Kalb zur Verfügung und „schaltet“ dabei nicht überlebenswichtige Funktionen wie die weitere Reproduktion ab. Verstärkend wirken noch Managementfehler. Allerdings gibt es Betriebe, die eine hohe Milchleistung bei gleichzeitig zufrieden stellenden Reproduktionsraten erreichen. Hier weisen die Milchkühe aber in der Regel einen überdurchschnittlich guten Gesundheitsstatus auf (Nur gesunde Tiere können eine hohe Leistung erbringen). Eine zukünftige Aufgabe der Zuchtverbände ist es, die Merkmale zu identifizieren, die es diesen Kühen möglich machen, den Gegensatz zwischen Energiedefizit und Fruchtbarkeit zu bewältigen. Dadurch könnte in Zukunft nicht nur die Milchleistung sondern auch die Herdengesundheit verbessert werden. Allerdings muss auch die Umwelt der Kuh optimal sein: gute Haltungsbedingungen, engagiertes Management, angepasste Fütterung und optimaler Kuhkomfort sind grundlegende Voraussetzungen dafür, dass das Leistungspotential auch realisiert werden kann. Vor diesem Hintergrund kann die physiologische Leistungsgrenze daher derzeit nicht definiert werden. Review BLTK (fw)