Vergleichsstudie – Kapazitätsmechanismen für das Marktdesign der Zukunft Autoren: Barbara Bahn (B.Sc.), Fabian Wohlfart (M.A.), Raphael Noack (M.Sc.) Leipzig, 09/2013 Management Summary Die Diskussion um das zukünftige Energiemarktdesign in Deutschland und Europa ist mit der abgeschlossenen Bundestagswahl in die heiße Phase eingetreten. Drei Vorschläge wie ein solches neues Design aussehen könnte, stehen derzeit im Fokus der brancheninternen Diskussion. Dieses sind die Vorschläge für ein „Integriertes Energiemarktdesign“ (iEMD), einen „umfassenden Kapazitätsmarkt“ und einen „fokussierten Kapazitätsmarkt“. Bei den beiden Varianten des Kapazitätsmarktes handelt es sich um zentral organisierte Verfahren, welche durch eine übergeordnete Institution organisiert und durchgeführt werden. Das iEMD setzt dagegen auf ein dezentral organisiertes Verfahren, bei welchem die Kapazitäten mittels Zertifikaten ermittelt werden. Die vorliegende Vergleichsstudie – Kapazitätsmechanismen für das Marktdesign der Zukunft beleuchtet die drei genannten Designvorschläge nach einheitlichen Analysekategorien und ermöglicht auf diese Weise einen direkten Vergleich und die Verortung im energiepolitischen Zieldreieck. Zusätzlich zu dieser inhaltlichen Analyse beleuchtet die Studie auch die politischen Wahlprogramme der vor der Bundestagswahl 2013 im Bundestag vertreten Parteien. Dadurch wird es möglich die denkbare Richtung der politischen Steuerung mit den Designvorschlägen zu verknüpfen und eine Entwicklungstendenz abzuleiten. Umfassender Kapazitätsmarkt (Versorgungssicherheitsverträge) Im Konzept des umfassenden Kapazitätsmarktes steht die Gewährleistung der Versorgungssicherheit im Mittelpunkt. Durch die Offenheit des Kapazitätsmarktes für alle am Markt tätigen Erzeuger besteht die gute Chance, dass der Kapazitätsmarkt zu einem idealen Marktpreis geräumt wird. Vorbedingungen zur Teilnahme welche den Marktzugang einschränken um politisch oder wirtschaftlich gewollte Veränderungen wie die Bevorzugung von regenerativen Energien oder die Verminderung von CO 2 Emissionen zu erzwingen, werden nicht eingesetzt. 1/4 Diese „reine Lehre“ verdeckt die energiepolitischen Möglichkeiten, welche sich durch eine Einschränkung der Auktionsteilnahme auf Seiten der Kapazitätsanbieter ergeben. Unter dem Primat der Versorgungssicherheit sind die vom EWI vorgestellten Versorgungssicherheitsverträge durchaus geeignet. Durch eine konservative Abschätzung der benötigten Kapazitäten kann eine Unterdeckung vermieden werden. Eine gewisse Überdeckung der ausgeschriebenen Kapazitäten ist jedoch wahrscheinlich. Die Höhe der dadurch entstehenden Effizienzverluste kann nicht abschließend beantwortet werden. Es ist jedoch fraglich ob diese als akzeptabel eingestuft werden können. Fokussierter Kapazitätsmarkt Der zentrale Unterschied des fokussierten Kapazitätsmarkts gegenüber den anderen Vorschlägen ist seine Möglichkeit der umfassenden politischen Steuerung. Durch die Beschränkung der Zulassung auf „notwendige“ Altanlagen und Neuanlagen, welche vorgegebenen Kriterien entsprechen müssen, ist eine Steuerung nach politischen Vorgaben (wie beispielsweise Klimaschutzziele) gut möglich. Als vorteilhaft sollte grundsätzlich der Einsatz von Auktionsmechanismen gelten. Weitere Vorteile sind die Robustheit des Systems (beispielsweise durch die Bestimmung von Preisgrenzen oder Zulassungskriterien) und seine geringe Pfadabhängigkeit. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Kapazitätsmarktes ist, dass er die Möglichkeit schafft regional unterschiedliche Kapazitätspreise zu bestimmen. Damit kann direkt auf regionale Über- oder Unterkapazitäten reagiert werden. Die umfassenden Eingriffe in die marktwirtschaftlichen Mechanismen müssen jedoch auch als Nachteil angesehen werden. Soll einzig und allein die Sicherstellung der notwendigen Kapazitäten im Mittelpunkt stehen, so wirken sich Beschränkungen zum Marktzutritt negativ auf die Effizienz und damit auf die Kosten aus. Vor diesem Hintergrund kann eine Ausgrenzung vom Kapazitätsmarkt als willkürlich erscheinen und die gewünschte Investitionssicherheit beeinträchtigen. Integriertes Marktdesign (iEMD) Die Argumente der effizienten Kostenkontrolle und der effektiven Mengenbestimmung stehen im Mittelpunkt des integrierten Marktdesigns. Die Idee ist, mittels Zertifikaten ein Preissignal für Erzeugungskapazitäten zu generieren. So sorgt der entsprechend modifizierte Leistungsmarkt dafür, dass für die Marktteilnehmer die entsprechenden wirtschaftlichen Anreize entstehen um zu investieren. Gleichzeitig wird durch den Preismechanismus auch die Nachfrageseite in die Pflicht genommen. Für das iEMD spricht außerdem sein modularer Aufbau. Gerade in der momentanen Transformationsphase kann dadurch auch längerfristig ein robustes System aufgebaut werden, welches auf sich verändernde Anforderungen reagieren kann. Die durch das Ausgeben von Zertifikaten geringe Einflussmöglichkeit durch die Politik, wird von vielen Unternehmen als positiv bewertet. 2/4 Der wichtigste Kritikpunkt, dem sich die Verfechter dieses Marktdesigns stellen müssen, ist die Gefahr der Entstehung einer Zweiklassengesellschaft bei den Stromkunden. Die bislang sehr hohe Versorgungssicherheit in Deutschland hat dazu geführt, dass eine Nicht-Versorgung oder der wiederkehrende Ausfall der Versorgung für weite Teile der Bevölkerung schlichtweg unvorstellbar ist. Wie also werden Kunden mit Stromprodukten umgehen, die zwar günstiger sind, aber bei denen die Qualität der Versorgungssicherheit niedriger ist? Das „Gut“ Stromversorgung wandelt sich damit von einem homogenen zu einem heterogenen Gut. Es wird jedoch explizit darauf verwiesen, dass der Privatkundensektor zumindest in der Einführungsphase von dieser Regelung ausgenommen werden könnte. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das außer Acht lassen von konkreten Steuerungsmechanismen die eine Förderung von regenerativen Energien vorsehen. Der Entwurf sieht hierfür marktbasierte Optionen vor. Politische Positionierung Die Studie beleuchtet die politischen Wahlprogramme der im Bundestag, vor der Bundestagswahl 2013, vertretenen Parteien. Keine Partei stellt sich eindeutig hinter eines der diskutierten Modelle, sondern trifft meist allgemeine Aussagen. Tendenzen lassen sich trotz alledem erkennen. Die FDP bevorzugt ein marktwirtschaftliches Modell. Die meisten Übereinstimmungen ergeben sich daher mit dem iEMD. Wichtigster Aspekt für DIE LINKE, sind die umfassenden Möglichkeiten zur politischen Steuerung. Die CDU ist zwar eher dem iEMD zuzuordnen, könnte aber wohl auch mit einem fokussierten Kapazitätsmarkt mit marktwirtschaftlichen Komponenten und Technologieoffenheit leben. Andersherum die SPD, die sowohl mit einem iEMD leben könnte, jedoch ein Kapazitätsmarktdesign bevorzugt. Die Grünen sprechen sich wohl auch eher für ein Kapazitätsmarktdesign aus. Aus politischer Sicht wird die Rolle der EU wohl ebenfalls einen Einfluss auf das Marktdesign nehmen, denn die Integrierbarkeit in den europäischen Binnenmarkt wird von den meisten Parteien gefordert. Ergebnisse Um eine Entscheidung für oder gegen eines der drei vorgestellten Systeme treffen zu können, müssen die Zielsetzungen die erreicht werden sollen klar definiert werden. In Abhängigkeit von diesen Zielen kann sich jeweils ein anderes Design als besonders geeignet profilieren. Im Vergleich zu anderen Ländern, welche einen Kapazitätsmarkt eingeführt haben, sind die Anforderungen an die Flexibilität in Deutschland wesentlich größer. Nirgendwo sonst sind in solch großem Umfang erneuerbare Energien, welche gleichzeitig keinen geregelten Lastgang zulassen, in den Markt aufgenommen worden. Unter dem Primat der Kosteneffizienz bei gleichbleibender Kostenstruktur, kann das integrierte Marktdesign seine Vorteile ausspielen. Diese Vorteile erlangt das Modell jedoch aufgrund von Abstrichen bei der Versorgungssicherheit und der ökologischen Komponente. 3/4 Der Umfassende Kapazitätsmarkt hat seine Stärken in der Robustheit des Systems und in den zumindest vorhandenen Möglichkeiten der politischen Steuerung. Die notwendigen Strukturen sind recht leicht zu schaffen und können durch die Bundesnetzagentur umgesetzt werden. Die Erweiterung des Systems zu einem fokussierten Kapazitätsmarkt kann ordnungspolitisch als der nachfolgende Schritt betrachtet werden. Um die bei dieser Variante vermutlich entstehenden Mehrkosten in Grenzen zu halten, sind in angrenzenden Bereichen marktwirtschaftliche Mechanismen möglich. Anhand der hier vorgestellten Optionen ergibt sich für das energiewirtschaftliche Zieldreieck folgende Einordnung: Einordnung der Zielsetzung der diskutierten Modelle in das Zieldreieck der Energiewirtschaft, eigene Darstellung Es ist davon auszugehen, dass sich die Diskussion um das geeignete System auch im Jahr 2014 fortsetzen wird und sich die Optionen weiter konsolidieren werden. Aus unserer Sicht und anhand der dargestellten Sachlage vermuten wir, dass sich die politischen Entscheidungsträger (vor allem in Hinblick auf den Wahlausgang) auf einen Kapazitätsmarkt mit marktwirtschaftlichen Komponenten einigen werden. Hauptgrund hierfür wird die politische Steuerbarkeit sein. Dieser Kapazitätsmarkt wird dann nach und nach bis 2020 umgesetzt werden. Die vollständige Studie kann in elektronischer Form gegen eine Schutzgebühr von 245 € (zzgl. MwSt.) angefordert werden. Bei Interesse können Sie sich jederzeit gerne an uns wenden. Ihre Ansprechpartner Barbara Bahn Referentin Veranstaltungen Fabian Wohlfart Referent Markt & Regulierung T +49 341 98988-523 E [email protected] T +49 341 98988-522 E [email protected] Energieforen Leipzig GmbH Hainstraße 16 | 04109 Leipzig www.energieforen.de 4/4