Coole Eisenräder - Oliver Waldmann Group

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G
N A N O M AG N E T I S M U S
ABB. 2
Kühlen durch adiabatisches Entmagnetisieren ist eine klassische Methode, um Temperaturen von wenigen Millikelvin zu erreichen. In kleinen, ringförmigen magnetischen Molekülen, so genannten Eisenrädern,
beobachteten Physiker an der Universität Erlangen-Nürnberg auch den
umgekehrten Effekt: Abkühlung durch Erhöhen des Magnetfeldes. Dies
ermöglicht neue Einblicke in die Physik molekularer Nanomagnete [1].
– τ / N Aµ BT
Coole Eisenräder
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DREHMOMENT
3
Kühlen durch
Entmagnetisieren
2
0,32 K
65,6 °
23 mT/s
1
Kühlen durch
Aufmagnetisieren
0
10
11
12
13
14
B/T
Das Prinzip der magnetischen Kühlung beruht darauf, dass die Entropie
eines magnetischen Stoffs sowohl
von einem äußeren Magnetfeld als
auch von der Temperatur abhängt.
Dies wird verständlich, wenn man
sich ein paramagnetisches Material
aus vielen kleinen Stabmagneten
zusammengesetzt vorstellt. Unter
dem Einfluss eines angelegten Magnetfeldes richten sich diese zunehmend entlang der Feldlinien aus.
Eine verstärkte Ausrichtung entspricht einer geringeren Entropie.
Die magnetische Entropie nimmt
also mit zunehmendem Magnetfeld
ab. Die Temperatur hat die entgegengesetzte Wirkung. Nimmt sie zu,
nimmt auch die Tendenz zur Unordnung und damit die Entropie zu.
Ein Kühleffekt wird erreicht,
indem ein angelegtes Magnetfeld
unter adiabatischen Bedingungen,
das heißt während die Probe von der
Umgebung thermisch isoliert ist,
reduziert wird. Um die durch das
Erniedrigen des Magnetfeldes bewirkte Tendenz zu größerer Unordnung
der Stabmagnete zu kompensieren,
erniedrigt sich die Temperatur im
entsprechenden Maße – die Probe
kühlt ab.
In so genannten molekularen
Eisenrädern (chemische Struktur:
NaFe6{N(CH2CH2O)3}6) beobachteten
wir auch den umgekehrten Effekt:
Kühlung durch Aufmagnetisieren.
Das untersuchte Material besteht aus
Molekülen, in denen sechs Eisenionen in ringförmiger Weise angeordnet sind (Abbildung 1). Die sechs für
den Magnetismus ursächlichen
Eisenionen spüren innerhalb eines
Moleküls eine magnetische Wechsel-
wirkung untereinander derart, dass
die Moleküle bei tiefen Temperaturen zunächst unmagnetisch sind. Bei
einem charakteristischen Wert des
äußeren Magnetfeldes schalten die
molekularen Eisenräder jedoch in
einen magnetischen Zustand um.
Diese ungewöhnliche Eigenschaft
bedeutet, dass der Punkt größter
Unordnung oder Entropie nicht mehr
für verschwindendes Magnetfeld
erreicht wird, sondern bei dem
charakteristischen Feld. Legt man ein
Magnetfeld oberhalb des charakteristischen Feldes an, isoliert die Probe
von der Umgebung und erniedrigt
anschließend das Magnetfeld in
Richtung des charakteristischen
Feldes. So kühlen die Eisenräder wie
oben beschrieben ab. Startet man
jedoch bei einem Magnetfeld unterhalb des charakteristischen Feldes
und erhöht es, kühlen die Eisenräder
ebenfalls ab, um der drohenden
Abb. 1 Strukturdarstellung des Eisenrads. Die für die magnetischen Eigenschaften verantwortlichen Eisenionen
(rot) sind ringförmig um ein zentrales
Natriumion (orange) angeordnet.
(O: blau, N: grün, C: gelb, H: nicht
abgebildet).
Drehmomentsignal als Funktion
des Magnetfeldes.
Die rote Kurve
ergibt sich, wenn
die Probe sehr gut
thermisch angekoppelt, die
schwarze hysteretische Kurve,
wenn die Probe
nahezu thermisch
isoliert ist (NA:
Avogadro-Konstante, µB: Bohrsches Magneton)
Zunahme der Entropie aufgrund der
Magnetfeldänderung entgegenzuwirken.
Im Experiment wurde das aus
der Magnetisierung der Eisenräder
resultierende Drehmoment gemessen
(Abbildung 2). Im Fall einer guten
thermischen Ankopplung der Probe
durchläuft das Drehmoment bei
einer Magnetfeldänderung die rote,
reversible Kurve. Das Umschalten
vom unmagnetischen in den magnetischen Zustand findet bei etwa 12 T
statt und ist an dem stufenartigen
Verlauf der Messkurve gut zu erkennen. Verringert man die thermische
Ankopplung jedoch, so wird eine
Kurve mit einer deutlichen Hysterese
durchlaufen.
Aufgrund allgemeiner thermodynamischer Beziehungen stellt das
Drehmomentsignal ein direktes,
allerdings nicht so einfach abzulesendes Thermometer für die Temperatur
der Eisenräder dar. Die Abweichung
von der reversiblen Kurve ergibt sich
aus der Abweichung der Temperatur
der Eisenräder von der „Umgebungstemperatur“ (hier 0,32 K). Die
blauen Felder deuten die Abkühlung
der Eisenräder bei einer Annäherung
an das charakteristische Magnetfeld
an.
Kühlung durch Aufmagnetisieren
ist für verschiedene Materialklassen,
wie Supraleiter, Antiferromagnete
und auch molekulare Systeme, bekannt. Die Bedeutung der Ergebnisse
am Eisenrad liegen darin, dass sie mit
dem bisherigen Verständnis nur unzureichend erklärt werden können.
Es gibt Überlegungen, molekulare
Nr. 2 34. Jahrgang 2003
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Phys. Unserer Zeit
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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G
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Nanomagnete (zu denen auch die
Eisenräder gehören) beispielsweise
als Quantenbits, die elementaren
Bausteine von Quantencomputern,
einzusetzen. Eine Voraussetzung
hierfür ist jedoch eine ausreichend
lange Kohärenzzeit. Das ist jene
Zeitspanne, über die Quanteninformation im Molekül gespeichert
werden kann. Die physikalischen
Mechanismen, welche die Kohärenzzeit in molekularen Nanomagneten
begrenzen, sind bisher theoretisch
diskutiert worden. Aber eben diese
Mechanismen spielen bei den beschriebenen adiabatischen Ent- und
TREFFPUNKT TV
18.3., 19.00 Uhr, Arte, Archimedes.
Klimamodelle. Forscher arbeiten an
Modellen, um die Vorhersagen zu verbessern. Mittlerweile
ist das so genannte Klima-Engineering, die Beeinflussung
des weltweiten Klimas durch gezielte Gegenmaßnahmen,
zumindest in Wissenschaftskreisen diskussionswürdig.
23.3., 16.00 Uhr, 3Sat, hitec. Das Rad neu erfunden –
Von Skates, Bikes und anderen runden Sachen. „Hitec“
berichtet über Ingenieursleistungen wie Fahrräder, die ohne
Kette auskommen, und Bremsen, die beim Fahren helfen.
25.3., 19.00 Uhr, Arte, Archimedes. Supercomputer einst
und heute. Was ist eigentlich ein Supercomputer? Über
wie viel Rechenkapazität verfügt ein Supercomputer,
welcher Rechner ist der mächtigste der Welt und zu
welchen Zwecken wird er eingesetzt?
30.3., 16.00 Uhr, 3Sat, hitec. Umweltsündern auf der
Spur. Wissenschaftler überwachen mit Hightech-Mitteln
den Zustand vor allem von Luft, Wasser und Boden und
kommen Umweltsündern auf die Spur.
1.4., 19.00, Arte, Archimedes. Wandernder Pol. Der
Nordpol, auf den alle Kompassnadeln der Welt zeigen, ist
keineswegs ein fester Punkt, sondern verändert ständig
seinen Lage.
27.4., 16.00 Uhr, 3Sat, hitec. Riesenbohrer durch Granit.
Im Gotthard entsteht mit 57 Kilometern Länge der längste
Eisenbahntunnel der Welt. Die Hauptarbeit soll eine gigantische Tunnelbohrmaschine mit 400 Meter Länge und
9 Meter Durchmesser übernehmen.
7.5., 21.00 Uhr, WDR3, Quarks & Co. Das Quark – eine
Reise durch den Teilchenzoo.
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Phys. Unserer Zeit
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34. Jahrgang 2003 Nr. 2
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ABB. 1
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S T RO N T I U M T I TA N AT
[1] O. Waldmann et al., Phys. Rev. Lett. 2002,
86, 246401.
Oliver Waldmann, Uni ErlangenNürnberg, derzeit Ohio State
University, USA.
M I K ROS KO PI E
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Das Fernsehprogramm
bietet in den Wochen ab
dem 10. März einige Beiträge mit physikalisch-technischem Hintergrund. Hier eine
Auswahl.
60
Aufmagnetisierungsprozessen nahe
des charakteristischen Feldes eine
große Rolle. Die Ergebnisse am
Eisenrad stellen somit einen wichtigen experimentellen Schritt zum
besseren Verständnis der Dekohärenzmechanismen und damit zur
besseren Einschätzung einer Anwendung molekularer Nanomagnete in
Quantentechnologien, dar.
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Sauerstoffatome im
Elektronenmikroskop
Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich ist es gelungen, mit einem
Elektronenmikroskop die atomare
Struktur in dem Perowskit Strontiumtitanat (SrTiO3) und dem Hochtemperatursupraleiter YBa2Cu3O7 abzubilden. Insbesondere ließen sich hierin
Sauerstoffatome sichtbar machen, die
wegen ihres geringen Streuquerschnitts bislang verborgen geblieben
waren [1]. Möglich wurde dies mit einem neuartigen Elektronenmikroskop,
in dem magnetische Linsen den bislang unvermeidlichen Abbildungsfehler der Aberration korrigieren.
Wegen der günstigen elektrischen
Eigenschaften finden Strontiumtitanat
und andere Perowskite bereits einen
vielfältigen Einsatz in der Halbleiterelektronik. Dort werden sie in dünnsten
Schichten von nur einigen zehn bis einigen hundert Atomlagen eingesetzt.
Ganz wesentlich ist hierbei die exakte
Einstellung des Sauerstoffgehaltes, der
über die große Zahl von Prozessschritten bei der Bauelementherstellung beibehalten werden muss. Mit
der neuen Transmissions-Elektronenmikroskopie lässt sich prinzipiell kontrollieren, ob diese atomare Präzision
tatsächlich gegeben ist. Das neue
Gerät erlaubt es nicht nur, den Sauer-
Strontiumtitanat (SrTiO3), oben abgebildet mit einem klassischen Elektronenmikroskop, unten mit dem korrigierten Mikroskop. Unten rechts sind
auch Sauerstoffleerstellen erkennbar.
Der Abstand zwischen einem O- und
einem Ti-Atom beträgt 0,138 nm.
stoff atomar abzubilden, sondern man
kann damit auch den Sauerstoffgehalt
in atomaren Dimensionen quantitativ
messen.
[1] C. L. Jia, M. Lentzen, K. Urban, Science
2003, 299, 870.
TB
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