| T R E F F P U N K T FO R SC H U N G N A N O M AG N E T I S M U S ABB. 2 Kühlen durch adiabatisches Entmagnetisieren ist eine klassische Methode, um Temperaturen von wenigen Millikelvin zu erreichen. In kleinen, ringförmigen magnetischen Molekülen, so genannten Eisenrädern, beobachteten Physiker an der Universität Erlangen-Nürnberg auch den umgekehrten Effekt: Abkühlung durch Erhöhen des Magnetfeldes. Dies ermöglicht neue Einblicke in die Physik molekularer Nanomagnete [1]. – τ / N Aµ BT Coole Eisenräder | DREHMOMENT 3 Kühlen durch Entmagnetisieren 2 0,32 K 65,6 ° 23 mT/s 1 Kühlen durch Aufmagnetisieren 0 10 11 12 13 14 B/T Das Prinzip der magnetischen Kühlung beruht darauf, dass die Entropie eines magnetischen Stoffs sowohl von einem äußeren Magnetfeld als auch von der Temperatur abhängt. Dies wird verständlich, wenn man sich ein paramagnetisches Material aus vielen kleinen Stabmagneten zusammengesetzt vorstellt. Unter dem Einfluss eines angelegten Magnetfeldes richten sich diese zunehmend entlang der Feldlinien aus. Eine verstärkte Ausrichtung entspricht einer geringeren Entropie. Die magnetische Entropie nimmt also mit zunehmendem Magnetfeld ab. Die Temperatur hat die entgegengesetzte Wirkung. Nimmt sie zu, nimmt auch die Tendenz zur Unordnung und damit die Entropie zu. Ein Kühleffekt wird erreicht, indem ein angelegtes Magnetfeld unter adiabatischen Bedingungen, das heißt während die Probe von der Umgebung thermisch isoliert ist, reduziert wird. Um die durch das Erniedrigen des Magnetfeldes bewirkte Tendenz zu größerer Unordnung der Stabmagnete zu kompensieren, erniedrigt sich die Temperatur im entsprechenden Maße – die Probe kühlt ab. In so genannten molekularen Eisenrädern (chemische Struktur: NaFe6{N(CH2CH2O)3}6) beobachteten wir auch den umgekehrten Effekt: Kühlung durch Aufmagnetisieren. Das untersuchte Material besteht aus Molekülen, in denen sechs Eisenionen in ringförmiger Weise angeordnet sind (Abbildung 1). Die sechs für den Magnetismus ursächlichen Eisenionen spüren innerhalb eines Moleküls eine magnetische Wechsel- wirkung untereinander derart, dass die Moleküle bei tiefen Temperaturen zunächst unmagnetisch sind. Bei einem charakteristischen Wert des äußeren Magnetfeldes schalten die molekularen Eisenräder jedoch in einen magnetischen Zustand um. Diese ungewöhnliche Eigenschaft bedeutet, dass der Punkt größter Unordnung oder Entropie nicht mehr für verschwindendes Magnetfeld erreicht wird, sondern bei dem charakteristischen Feld. Legt man ein Magnetfeld oberhalb des charakteristischen Feldes an, isoliert die Probe von der Umgebung und erniedrigt anschließend das Magnetfeld in Richtung des charakteristischen Feldes. So kühlen die Eisenräder wie oben beschrieben ab. Startet man jedoch bei einem Magnetfeld unterhalb des charakteristischen Feldes und erhöht es, kühlen die Eisenräder ebenfalls ab, um der drohenden Abb. 1 Strukturdarstellung des Eisenrads. Die für die magnetischen Eigenschaften verantwortlichen Eisenionen (rot) sind ringförmig um ein zentrales Natriumion (orange) angeordnet. (O: blau, N: grün, C: gelb, H: nicht abgebildet). Drehmomentsignal als Funktion des Magnetfeldes. Die rote Kurve ergibt sich, wenn die Probe sehr gut thermisch angekoppelt, die schwarze hysteretische Kurve, wenn die Probe nahezu thermisch isoliert ist (NA: Avogadro-Konstante, µB: Bohrsches Magneton) Zunahme der Entropie aufgrund der Magnetfeldänderung entgegenzuwirken. Im Experiment wurde das aus der Magnetisierung der Eisenräder resultierende Drehmoment gemessen (Abbildung 2). Im Fall einer guten thermischen Ankopplung der Probe durchläuft das Drehmoment bei einer Magnetfeldänderung die rote, reversible Kurve. Das Umschalten vom unmagnetischen in den magnetischen Zustand findet bei etwa 12 T statt und ist an dem stufenartigen Verlauf der Messkurve gut zu erkennen. Verringert man die thermische Ankopplung jedoch, so wird eine Kurve mit einer deutlichen Hysterese durchlaufen. Aufgrund allgemeiner thermodynamischer Beziehungen stellt das Drehmomentsignal ein direktes, allerdings nicht so einfach abzulesendes Thermometer für die Temperatur der Eisenräder dar. Die Abweichung von der reversiblen Kurve ergibt sich aus der Abweichung der Temperatur der Eisenräder von der „Umgebungstemperatur“ (hier 0,32 K). Die blauen Felder deuten die Abkühlung der Eisenräder bei einer Annäherung an das charakteristische Magnetfeld an. Kühlung durch Aufmagnetisieren ist für verschiedene Materialklassen, wie Supraleiter, Antiferromagnete und auch molekulare Systeme, bekannt. Die Bedeutung der Ergebnisse am Eisenrad liegen darin, dass sie mit dem bisherigen Verständnis nur unzureichend erklärt werden können. Es gibt Überlegungen, molekulare Nr. 2 34. Jahrgang 2003 | | Phys. Unserer Zeit | 59 T R E F F P U N K T FO R SC H U N G | Nanomagnete (zu denen auch die Eisenräder gehören) beispielsweise als Quantenbits, die elementaren Bausteine von Quantencomputern, einzusetzen. Eine Voraussetzung hierfür ist jedoch eine ausreichend lange Kohärenzzeit. Das ist jene Zeitspanne, über die Quanteninformation im Molekül gespeichert werden kann. Die physikalischen Mechanismen, welche die Kohärenzzeit in molekularen Nanomagneten begrenzen, sind bisher theoretisch diskutiert worden. Aber eben diese Mechanismen spielen bei den beschriebenen adiabatischen Ent- und TREFFPUNKT TV 18.3., 19.00 Uhr, Arte, Archimedes. Klimamodelle. Forscher arbeiten an Modellen, um die Vorhersagen zu verbessern. Mittlerweile ist das so genannte Klima-Engineering, die Beeinflussung des weltweiten Klimas durch gezielte Gegenmaßnahmen, zumindest in Wissenschaftskreisen diskussionswürdig. 23.3., 16.00 Uhr, 3Sat, hitec. Das Rad neu erfunden – Von Skates, Bikes und anderen runden Sachen. „Hitec“ berichtet über Ingenieursleistungen wie Fahrräder, die ohne Kette auskommen, und Bremsen, die beim Fahren helfen. 25.3., 19.00 Uhr, Arte, Archimedes. Supercomputer einst und heute. Was ist eigentlich ein Supercomputer? Über wie viel Rechenkapazität verfügt ein Supercomputer, welcher Rechner ist der mächtigste der Welt und zu welchen Zwecken wird er eingesetzt? 30.3., 16.00 Uhr, 3Sat, hitec. Umweltsündern auf der Spur. Wissenschaftler überwachen mit Hightech-Mitteln den Zustand vor allem von Luft, Wasser und Boden und kommen Umweltsündern auf die Spur. 1.4., 19.00, Arte, Archimedes. Wandernder Pol. Der Nordpol, auf den alle Kompassnadeln der Welt zeigen, ist keineswegs ein fester Punkt, sondern verändert ständig seinen Lage. 27.4., 16.00 Uhr, 3Sat, hitec. Riesenbohrer durch Granit. Im Gotthard entsteht mit 57 Kilometern Länge der längste Eisenbahntunnel der Welt. Die Hauptarbeit soll eine gigantische Tunnelbohrmaschine mit 400 Meter Länge und 9 Meter Durchmesser übernehmen. 7.5., 21.00 Uhr, WDR3, Quarks & Co. Das Quark – eine Reise durch den Teilchenzoo. | Phys. Unserer Zeit | 34. Jahrgang 2003 Nr. 2 | ABB. 1 | S T RO N T I U M T I TA N AT [1] O. Waldmann et al., Phys. Rev. Lett. 2002, 86, 246401. Oliver Waldmann, Uni ErlangenNürnberg, derzeit Ohio State University, USA. M I K ROS KO PI E | Das Fernsehprogramm bietet in den Wochen ab dem 10. März einige Beiträge mit physikalisch-technischem Hintergrund. Hier eine Auswahl. 60 Aufmagnetisierungsprozessen nahe des charakteristischen Feldes eine große Rolle. Die Ergebnisse am Eisenrad stellen somit einen wichtigen experimentellen Schritt zum besseren Verständnis der Dekohärenzmechanismen und damit zur besseren Einschätzung einer Anwendung molekularer Nanomagnete in Quantentechnologien, dar. | Sauerstoffatome im Elektronenmikroskop Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich ist es gelungen, mit einem Elektronenmikroskop die atomare Struktur in dem Perowskit Strontiumtitanat (SrTiO3) und dem Hochtemperatursupraleiter YBa2Cu3O7 abzubilden. Insbesondere ließen sich hierin Sauerstoffatome sichtbar machen, die wegen ihres geringen Streuquerschnitts bislang verborgen geblieben waren [1]. Möglich wurde dies mit einem neuartigen Elektronenmikroskop, in dem magnetische Linsen den bislang unvermeidlichen Abbildungsfehler der Aberration korrigieren. Wegen der günstigen elektrischen Eigenschaften finden Strontiumtitanat und andere Perowskite bereits einen vielfältigen Einsatz in der Halbleiterelektronik. Dort werden sie in dünnsten Schichten von nur einigen zehn bis einigen hundert Atomlagen eingesetzt. Ganz wesentlich ist hierbei die exakte Einstellung des Sauerstoffgehaltes, der über die große Zahl von Prozessschritten bei der Bauelementherstellung beibehalten werden muss. Mit der neuen Transmissions-Elektronenmikroskopie lässt sich prinzipiell kontrollieren, ob diese atomare Präzision tatsächlich gegeben ist. Das neue Gerät erlaubt es nicht nur, den Sauer- Strontiumtitanat (SrTiO3), oben abgebildet mit einem klassischen Elektronenmikroskop, unten mit dem korrigierten Mikroskop. Unten rechts sind auch Sauerstoffleerstellen erkennbar. Der Abstand zwischen einem O- und einem Ti-Atom beträgt 0,138 nm. stoff atomar abzubilden, sondern man kann damit auch den Sauerstoffgehalt in atomaren Dimensionen quantitativ messen. [1] C. L. Jia, M. Lentzen, K. Urban, Science 2003, 299, 870. TB