Retinoblastom - Österreichische Kinder-Krebs

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Retinoblastom
für Eltern, die mehr wissen wollen
Inhalt
Ursachen
2
Chancen
4
Beschwerden
5
Untersuchung
6
Behandlung
8
Nach der Behandlung
17
Hallo du!
20
Einleitung
Bei Ihrem Kind wurde ein Retinoblastom festgestellt, ein
bösartiger Tumor in der Netzhaut des Auges, der nur bei
Kindern auftritt. Für Sie bricht jetzt wahrscheinlich eine Welt
zusammen, und viele Fragen tauchen auf. Diese Broschüre
möchte Sie über Grundlegendes bei der Behandlung eines
Retinoblastoms informieren.
Da der Krankheitsverlauf und die Behandlung von Kind zu
Kind verschieden sind, erfordert die Heilung eines Retino­
blastoms eine maßgeschneiderte Behandlung.
Machen Sie sich in aller Ruhe mit den Informationen vertraut
und besprechen Sie diese mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin oder
dem Pflegepersonal.
Das Wort „Retina“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet
Netzhaut, ein „Blastom“ bezeichnet eine Neubildung unreifer
Zellen.
1
Ursachen
Ein Retinoblastom entsteht durch einen Fehler in der Entwick­
lung von Netzhautzellen. Das Retinoblastom-Gen, welches das
Zellwachstum hemmen soll, funktioniert entweder nicht oder
fehlt überhaupt, wodurch sich die Zellen ungehemmt teilen.
Dies kann bereits während der Schwangerschaft geschehen.
Zu unterscheiden sind eine erbliche und eine nicht-erbliche
Form des Retinoblastoms. Die meisten Kinder mit einem Re­
tinoblastom (60 Prozent) leiden an der nicht-erblichen Form.
Die Krankheit ist spontan entstanden und tritt nur in einem
Auge auf. Bei 40 Prozent der Kinder handelt es sich um ein
erbliches Retinoblastom. In diesem Fall wurde die Krankheit
entweder von einem Elternteil vererbt (familiär erbliches
Retinoblastom) oder sie tritt als spontane Erbmaterial-Ver­
änderung beim Kind und in beiden Augen auf (sporadisch
erbliches Retinoblastom).
Sie fühlen sich vielleicht schuldig und möglicherweise denken
Sie: „Wäre ich doch gleich zum Arzt gegangen“, oder „Hätte
ich doch besser aufgepasst”. Es ist wichtig, Ihre Ängste und
Gedanken mit den behandelnden ÄrztInnen Ihres Kindes zu
besprechen, die Ihnen so viel wie möglich erklären werden.
Zeigen Sie diese Broschüre auch Ihrer Familie, Ihren Freun­
dInnen oder Bekannten.
Unreife Zellen
Der menschliche Körper besteht aus vielen Milliarden Zellen,
die sich immer wieder teilen. Diese neuen Zellen sorgen
für Wachstum und Entwicklung. In einem gesunden Körper
befindet sich die Zellteilung im Gleichgewicht. Bei Krebs
hingegen ist dieses Gleichgewicht gestört. Es findet hier
eine ungehemmte Teilung statt, wodurch die Zellen nicht
aufhören, sich zu vermehren. Dieser Vorgang kann auch im
Auge stattfinden. Zellen, die eigentlich zu Netzhautzellen
auswachsen sollten, beginnen ein Eigenleben zu führen. Sie
teilen sich und bilden einen Tumor, der nach einiger Zeit
Metastasen bilden kann.
Ein großer (links), mittelgroßer (Bildmitte) bzw. kleiner Retinoblastom-Knoten vor der Therapie
Netzhaut
Die Netzhaut ist eine dünne Schicht von Nervengewebe an
der Innenseite des Augapfels, die durch den Sehnerv mit dem
Gehirn verbunden ist. Sie enthält ca. 126 Millionen Sinnes­
zellen und in ihr wird das durch die Pupille eintreffende Licht
aufgefangen. Dass wir tagsüber Farben erkennen können,
haben wir ihr zu verdanken, aber sie ist auch verantwortlich
dafür, dass wir im Dunkeln sehen können. In der Mitte der
Netzhaut befindet sich der Gelbe Fleck, der uns in die Lage
versetzt, Details scharf wahrzunehmen.
Wie oft, bei wem und wo?
Jedes Jahr erkranken in Österreich ungefähr vier Kinder an
einem Retinoblastom. Die Krankheit tritt fast immer bei Kin­
dern unter fünf Jahren auf und wird oft schon im ersten oder
zweiten Lebensjahr entdeckt. Ein Retinoblastom kann sowohl
in einem Auge (einseitig) als auch in beiden Augen (beidsei­
tig) vorkommen. Es können sich auch mehrere Tumoren in
einem Auge befinden. Sehr selten hat sich der Tumor bereits
außerhalb des Augapfels ausgebreitet und/oder haben sich
die Zellen über den Sehnerv, die Gehirnflüssigkeit (Liquor)
oder die Blutbahn im ganzen Körper ausgebreitet.
Chancen
Kinder mit einem Retinoblastom haben ausgezeichnete Hei­
lungschancen (über 90 Prozent), wobei allerdings die Größe
und die Ausbreitung des Tumors eine Rolle spielt. Ist der Tumor
über das Auge hinausgewachsen oder haben sich die Krebszel­
len im Körper ausgebreitet, sinken die Überlebenschancen. Da
jede Situation und jedes Kind jedoch einzigartig sind, lassen
sich nur schwer punktgenaue Vorhersagen treffen.
Beschwerden
Häufig verursacht der Tumor bei starkem Lichteinfall eine
weißliche Pupille. Dies wird „Katzenauge“ genannt und
fällt Ihnen wahrscheinlich erst auf, wenn Sie ein mit Blitz
geschossenes Foto Ihres Kindes ansehen (siehe Bild oben).
Die weit offen stehende Pupille erscheint in diesem Fall nicht
rot sondern gräulich-fahl. Ein weiteres mögliches Symptom
ist das Schielen Ihres Kindes. Ihr Kind sieht zwar mit dem
kranken Auge schlechter, aber das ist bei kleinen Kindern
oft schwer festzustellen. Auch ältere Kinder klagen fast nie
über Sehstörungen, offensichtlich gewöhnen sie sich daran.
Manchmal ist ein Auge rot oder es schmerzt. Bei einem beid­
seitigen Retinoblastom treten die Beschwerden manchmal
erst in einem und dann später im anderen Auge auf.
Untersuchung
Um eine genaue Diagnose zu stellen, muss sich Ihr Kind einer
Reihe von Untersuchungen unterziehen. Diese finden auch
während und nach der Behandlung regelmäßig statt. Die
meisten Untersuchungen werden von AugenärztInnen, andere
von KinderonkologInnen durchgeführt oder beauftragt.
π Anamnese: Mittels Fragen versuchen die ÄrztInnen, einen
Eindruck von der Entstehungsgeschichte der Krankheit bei
Ihrem Kind und vom Auftreten eines Retinoblastoms inner­
halb der Familie zu bekommen.
π Körperliche Untersuchung: Die ÄrztInnen bestimmen
Größe, Gewicht, Blutdruck und untersuchen Ihr Kind und
seine Organsysteme vom Scheitel bis zur Sohle, auch um
Hinweise auf etwaige Metastasen zu entdecken.
π Blutuntersuchung: Um eine mögliche Abweichung fest­
zustellen und den Zustand von Blut, Leber und anderen
Organen zu beurteilen, wird dem Kind aus dem Arm Blut
entnommen. Eine betäubende Creme kann den Schmerz
des Einstichs lindern.
π Augenspiegelung: Indem sie mit einer kleinen Lampe durch
die Pupille leuchten, können AugenärztInnen die Innenseite
des Auges untersuchen. Um die Pupillen zu erweitern, werden
die Augen zuvor eingetropft. Bei vielen Kindern wird diese
Untersuchung unter Narkose durchgeführt.
π Lumbalpunktion: Um Metastasen im Nervensystem aus­
zuschließen, bekommen manche Kinder einen Einstich in
den Rücken (Lumbalpunktion). Während Ihr Kind mit ange­
zogenen Knien auf der Seite liegt, wird mit einer Hohlnadel
ein wenig Rückenmarksflüssigkeit entnommen und diese
dann unter dem Mikroskop untersucht. Wenn möglich, wird
diese Untersuchung unter Narkose und zeitgleich mit anderen
Untersuchungen durchgeführt.
π Bildgebende Verfahren: Um den Ort des Tumors zu be­
stimmen, wird unter Narkose eine Ultraschalluntersuchung
gemacht. Die AugenärztInnen geben ein Gel auf die Augenl­ider Ihres Kindes und tasten mit einer kleinen Sonde darüber.
Durch den Widerhall der Schallwellen wird die Innenseite des
Auges auf einem Bildschirm sichtbar und als Foto festgehalten.
Fast immer wird eine MRT (Magnet­resonanztomographie)
durchgeführt. Diese Technik ist vor allem geeignet, sich ein
genaues Bild vom Tumor und des ihn umgebenden Gewebes
zu machen. Bei einer MRT werden Magnetfelder verwendet.
Erst wird eine Fotoserie des Auges, der Augenhöhle und des
Gehirns gemacht, dann bekommt Ihr Kind ein Kontrastmittel
über eine Vene injiziert und es werden wiederum Aufnahmen
gemacht. Ihr Kind muss lange still liegen bleiben und bekommt
deshalb ein Schlafmittel oder eine Narkose. Ein MRT-Scan­
ner ist eine Art Röhre, in die man auf einem beweglichen
Tisch hineingeschoben wird und die laute Klopfgeräusche
von sich gibt.
MRT
Magnetresonanztomographie
Die Magnetresonanztomographie, kurz MRT
oder auch Kernspintomographie genannt,
gehört zu den bildgebenden Verfahren – wie
das Röntgen, die Computertomographie, und
der Ultraschall – die ins Körperinnere
schauen können, ohne den Menschen dabei
zu verletzen.
Die ÖKKH hat zu den
bildgebenden Verfahren
MRT, CT, Sonographie,
Szinti­graphie und zu den
Untersuchungsmethoden
EKG u. EEG Informations­
broschüren herausgegeben.
Bestellmöglichkeit über den
Online-Shop auf:
www.kinderkrebshilfe.at
Behandlung
Sobald der Tumor und seine eventuelle Ausbreitung genau
lokalisiert worden sind, kann die Behandlung beginnen. Sie
ist unter anderem von der Größe des Tumors abhängig, der
Stelle im Auge, wo er sich befindet, seiner Ausbreitung und
davon, ob eines oder beide Augen betroffen sind. Für jedes
Kind wird die Behandlung individuell festgelegt. Im Falle
eines einseitigen Retinoblastoms bedeutet dies fast immer
die operative Entfernung des Auges. Dies ist zwar eine sehr
traurige Entscheidung, aber die einzige Möglichkeit, um zu
verhindern, dass der Tumor weiter wächst. Als Ersatz für das
eigene Auge bekommt Ihr Kind ein Kunstauge, das dem eige­
nen so weit wie möglich ähnelt. Personen, die nicht um die
Krankheit Ihres Kindes wissen, können in den meisten Fällen
das Kunstauge nicht vom gesunden Auge unterscheiden.
Sollten sich die Tumorzellen in den Sehnerv, die Aderhaut des
Auges oder andere Teile des Körpers ausgebreitet haben, be­
kommt Ihr Kind nach der Operation eine Chemotherapie.
Bei einem beidseitigen Retinoblastom ist die Behandlung ab­
hängig davon, ob das Retinoblastom an beiden Augen gleich
weit fortgeschritten ist, oder die beiden Augen unterschiedlich
stark betroffen sind. Die Therapie hängt auch vom Alter des
Kindes und den genauen Stellen im Auge ab, wo sich die Tu­
moren befinden. Die Behandlung besteht meistens aus einer
Kombination aus Lasertherapie, Chemotherapie oder einer
örtlichen Vereisung (der so genannten „Kryokoagulation“).
Manchmal werden die Augen auch bestrahlt. Dies kann so­
wohl äußerlich als auch mit einem radioaktiven Plättchen auf
dem Augapfel erfolgen. Manchmal ist es unvermeidlich, dass
das stärker betroffene Auge doch noch nachträglich operativ
entfernt werden muss.
Die meisten Kinder haben langfristig keine Probleme mit der
Verträglichkeit ihres künstlichen Auges.
Operation
Um das Retinoblastom so vollständig wie möglich entfer­
nen zu können, muss manchmal das gesamte Auge entfernt
werden (Enukleation). Während der Operation werden das
Bindegewebe rund um das Auge, die Augenmuskeln und der
Sehnerv losgelöst. Anschließend wird als Platzhalter eine po­
röse Kugelplombe in die Augenhöhle eingesetzt und mit den
Augenmuskeln vernäht. Die Bindehaut wird über der Plombe
vernäht, sodass diese von außen nicht mehr sichtbar ist. In
die Lidspalte wird später das von außen sichtbare Kunstauge
eingesetzt. Dieses ähnelt einer großen Kontaktlinse, und es
wird auch wie eine solche gehandhabt. Das entnommene
Auge wird in den darauffolgenden Tagen unter dem Mikroskop
untersucht. Basierend auf dem Befund und den Daten der
anderen Untersuchungen wird das Ausbreitungsstadium des
Tumors festgestellt und die weitere Behandlung festgelegt.
Die Erstellung des pathologischen Befunds des entfernten
Auges kann bis zu zwei Wochen dauern.
Was merkt mein Kind von der Operation?
In den Abteilungen für Augenheilkunde und Kinderonkologie
wird Ihr Kind von pädagogisch geschulten MitarbeiterInnen
so gut wie möglich auf die Operation vorbereitet. Abhängig
vom Alter Ihres Kindes geschieht dies mittels Plüschtieren,
Spielzeug, Fotos oder einer Informationsbroschüre. Am
Tag der Operation wird Ihrem Kind ein Beruhigungsmittel
verabreicht, es bekommt ein Operationshemd und Sie dür­
fen es zum Operationssaal begleiten. Die Operation dauert
eineinhalb bis zwei Stunden. Nachher wird Ihr Kind – außer
Übelkeit und einem Druckverband auf der Augenhöhle – von
der Operation wenig spüren. Wenn alles gut gegangen ist,
darf es am nächsten Tag nach Hause. Der erste Anblick des
Auges ohne Druckverband kann doch ein sehr emotionaler
Moment sein. Versuchen Sie, gemeinsam mit den Augenärz­
tInnen die Bindehaut in der Lidspalte anzusehen, nehmen
Sie Ihr Kind in den Arm, aber nehmen Sie sich auch Zeit
für Ihre eigenen Gefühle. Kurz nach der Operation sind die
Augenlider dick angeschwollen, nach einiger Zeit geht die
Schwellung zurück und die rosa Farbe der Bindehaut ist in
der Lidspalte erkennbar. Nach der Operation wird von der
Wunde anfänglich regelmäßig Wundflüssigkeit abgegeben.
Die AugenärztInnen werden Sie informieren, wie Sie Ihrem
Kind am besten helfen können.
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Ungefähr drei bis vier Wochen nach der Operation sollten Sie
mit Ihrem Kind zu einem/r AugenprothetikerIn (OkularistIn)
gehen, also zu einem/r SpezialistIn für alles, was mit Kunst­
augen zu tun hat. Darauf werden Sie von den AugenärztInnen
und dem spezialisierten Pflegepersonal vorbereitet. Sehen Sie
sich den Aufklärungsfilm über Augenprothesen gemeinsam
mit Ihrem Kind an oder lesen Sie zur Verfügung stehendes
Informationsmaterial.
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Lasertherapie
Die AugenärztInnen werden sich für eine Lasertherapie
entscheiden, wenn Ihr Kind einen oder mehrere kleine Tu­
moren im Auge hat und diese eher hinten auf der Netzhaut
sitzen. Ein Laser ist eine spezielle Art Glühlampe, die einen
sehr dünnen, gleißenden Lichtstrahl aussendet. Um die
Tumorzellen abzutöten, wird dieser Lichtstrahl mittels eines
Mikroskops oder einer Stirnlampe auf das Retinoblastom
gerichtet. Um sicherzustellen, dass der Tumor auch wirklich
vernichtet wurde, muss Ihr Kind vielleicht mehrere Male
gelasert werden. Die Laserbehandlung erfolgt meistens in
Kombination mit einer Chemotherapie.
Vereisung
Sitzen die Tumoren im vorderen Teil des Auges oder am Ran­
de der Netzhaut, können die behandelnden ÄrztInnen eine
Vereisung, auch Kryokoagulation („kryos“ bedeutet kalt und
„Koagulation“ Gerinnung) genannt, verordnen. Ihrem Kind
wird eine stark abgekühlte Sonde an das Auge gehalten und
so wird das Tumorgewebe bei einer Temperatur von –60° C
künstlich gefroren, damit die Tumorzellen absterben. Manch­
mal sind auch mehrere Behandlungen nötig, die Vereisung
wird nur bei kleineren Tumoren angewendet, bei größeren
gelingt es leider nicht, alles zu vereisen.
12
Was merkt mein Kind von diesen Behandlungen?
Sowohl die Laserbehandlung als auch die künstliche Verei­
sung werden unter Narkose durchgeführt. Gegen auftretende
Schmerzen nach dem Eingriff bekommt Ihr Kind Schmerzmit­
tel. Nach der Behandlung wird Ihr Kind versuchen, sich die
Augen zu reiben. Versuchen Sie, dies zu verhindern, indem Sie
seine Hände festhalten, mit Ihrem Kind spielen, oder es auf
eine andere Art ablenken. Manchmal hilft es auch, Söckchen
über die Hände zu streifen. Sitzt der Tumor im Gelben Fleck,
ist die Sehleistung schon sehr eingeschränkt. Nach der Laser- ­
oder Kältebehandlung formt sich dort Narbengewebe, wo­
durch sich das Sehvermögen leider nicht verbessert. Fragen
Sie das Pflegepersonal oder die ÄrztInnen, wie Sie Ihr Kind
am besten unterstützen können.
Chemotherapie
Chemotherapie ist eine Behandlung mit Medikamenten
(Zytostatika), welche die Zellteilung hemmen und die Tumor­
zellen töten. Für die Verabreichung einer Chemotherapie gibt
es verschiedene Gründe, z.B. um den Tumor zu verkleinern
oder um Metastasen oder eine Wiederkehr des Tumors zu
verhindern. Die Kombination und die Dauer der Chemothe­
rapie können unterschiedlich sein. Im Behandlungsprotokoll
steht genau verzeichnet, was Ihr Kind zu welchem Zeitpunkt
bekommen soll. Sollte trotz der Entfernung des Auges das
Risiko bestehen, dass der Tumor über die Netzhaut oder den
Sehnerv hinausgewachsen ist, wird meistens eine Kombination
aus den Medikamenten Vincristin, Etoposid und Carboplatin
verabreicht. Die Dauer der gesamten Behandlung wird durch
den Ort, die Ausbreitung des Tumors und die Reaktion auf
die Therapie bestimmt und erstreckt sich meistens über ein
halbes Jahr. Hat sich der Tumor über das Auge hinaus aus­
gebreitet, werden noch andere Zytostatika hinzugefügt und
die Behandlung wird ungefähr ein Jahr dauern. Natürlich wird
Ihnen dies erklärt, und Sie können und sollen auch Fragen
stellen. Die AugenärztInnen und die KinderonkologInnen ar­
beiten bei der Auswahl der Behandlung eng zusammen. Die
Chemotherapie wird unter der Verantwortung von Kinderon­
kologInnen durchgeführt. Sie wird mittels einer Infusion oder
Injektion verabreicht und Ihr Kind wird meistens stationär im
Krankenhaus aufgenommen. Da das Anstechen einer Infusi­
on für kleine Kinder eine große Belastung darstellt, wird zu
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Beginn der Behandlung ein Broviac-Katheter gelegt. Dies ist
ein Plastikschlauch, der unter Narkose in eines der großen
Blutgefäße eingeführt wird und dessen Ende durch die Haut
nach außen ragt. Auf diese Weise können Zytostatika und
andere Medikamente verabreicht werden, ohne jedes Mal
wieder stechen zu müssen. Um vorzubeugen, dass sich der
Schlauch verstopft, muss dieser wöchentlich durchgespült
werden. Bei Metastasen kann es notwendig sein, Ihrem
Kind die Zytostatika auch mittels einer Lumbalpunktion zu
verabreichen.
Was merkt mein Kind von der Chemotherapie?
Haben Sie Fragen oder
sehen Sie etwas, was Ihrem
Gefühl nach nicht in Ordnung ist? Scheuen Sie sich
nicht, nach dem Arzt oder
der Ärztin zu rufen.
14
Neben dem erwünschten Effekt auf die Tumorzellen haben
fast alle Zytostatika Auswirkungen auf die Schleimhäute, die
Haut, das Haar und die Blutzellen. Als Folge davon kann es
zu Übelkeit, Mundschmerzen, Geschmacksveränderungen,
Durchfall und Haarausfall kommen. Überdies ist Ihr Kind
durch eine geschwächte Abwehr besonders anfällig für Infek­
tionen. Obwohl diese Nebenwirkungen nach der Behandlung
verschwinden, sind sie sehr unangenehm und können einen
großen Einfluss auf das Leben Ihres Kindes ausüben. Oft ist
eine unterstützende Behandlung in Form von Antibiotika,
Medikamenten gegen Übelkeit, Mundpflege oder eine Blut­
transfusion notwendig.
Jedes Zytostatikum hat seine eigenen Nebenwirkungen, die
meistens vorübergehend, manchmal aber auch bleibend auf­
treten können. Vincristin kann die Enden der Nervenbahnen
schädigen, was zu einem prickelnden Gefühl in Fingern und
Zehen und einer verringerten Muskelkraft in Händen und
Unterschenkeln führt, und wodurch Ihr Kind Schwierigkeiten
beim Gehen, Schreiben oder Zeichnen entwickeln kann. Auch
Verstopfung kommt oft vor, Ihr Kind erhält dann Abführmittel
oder eine spezielle Diät verschrieben. Carboplatin kann die
Nieren angreifen. Als Vorsorgemaßnahme bekommt Ihr Kind
zusätzliche Flüssigkeit verabreicht und sein Blut und Urin
werden regelmäßig untersucht. Informieren Sie bitte Ihren
Arzt/Ihre Ärztin, wenn Ihr Kind Fieber bekommt (Temperatur
höher als 38,5° C). Etoposid kann allergische Reaktionen aus­
lösen, zu Blutdruckabfall, zu Blutbilddepression und selten
auch zu einer Sekundärleukämie führen. Bedenken Sie aber,
dass nicht alle Nebenwirkungen bei jedem Kind auftreten.
Strahlentherapie
Die Strahlentherapie tötet Tumorzellen, arbeitet dem Wachs­
tum von Tumorzellen entgegen und mögliche neue Tumor­
zellen bekommen keine Chance, sich zu entwickeln. Da die
Tumorzellen sehr empfänglich auf Bestrahlung reagieren,
die gesunde Netzhaut aber weniger, ist diese Behandlung
bei vielen Kindern effektiv. Bei einem Retinoblastom werden
zwei Formen der Strahlentherapie angewendet: die äußerliche
Strahlentherapie und radioaktive Plättchen.
Äußerliche Strahlentherapie (Bestrahlung) wird ausschließlich
bei Kindern mit einem beidseitigen Retinoblastom angewendet,
wenn sie die einzige Möglichkeit darstellt, das Sehvermögen zu
erhalten. Radioaktive Strahlen werden von einem Apparat aus
auf die Augen Ihres Kindes gerichtet. Um den größtmöglichen
Effekt zu erzielen und das umliegende Gewebe so weit wie
möglich zu schonen, wird die Bestrahlung auf fünf Wochen
verteilt, in welchen Ihr Kind täglich bestrahlt wird.
Dies ist eine sehr spezialisierte Behandlung, die nur an sehr
wenigen Zentren durchgeführt wird. Die äußerliche Strahlen­
therapie wird – aufgrund der geringen Anzahl an betroffenen
Kindern in Österreich – am europäischen Zentrum der Uni­
versitätsklinik in Essen (Deutschland) durchgeführt.
Radioaktive Plättchen werden bei Tumoren verwendet, die
noch nicht so groß und weit genug vom Sehnerv entfernt
sind. Auch wenn der Tumor zurückkehrt, wird manchmal eine
Behandlung mittels Plättchen gewählt. An die Außenseite des
Augapfels wird ein Plättchen genäht, das eine kleine Menge
Radioaktivität ausstrahlt. Dieses Plättchen muss einige Tage
dort verbleiben, um die Tumorzellen so effektiv wie möglich
abtöten zu können.
In Österreich werden
Retinoblastome –
zusammen mit der Augenklinik Graz – auf der
Kinderonkologie der
Universitätsklinik Graz
behandelt.
Bedenken Sie, dass in
unterschiedlichen Krankenhäusern manchmal auch
unterschiedliche Gepflogenheiten herrschen können.
Erkundigen Sie sich, was Sie
tun können, um Ihr Kind zu
unterstützen.
15
Was merkt mein Kind von der Strahlentherapie?
Eine äußerliche Strahlentherapie ist unsichtbar und unhör­
bar, Ihr Kind wird nichts davon merken. Ihr Kind darf sich
nicht bewegen und muss auch das Auge still halten, damit
die Bestrahlung genau auf die richtige Stelle trifft. Daher
ist eine sehr kurze Narkose (5 bis 10 Minuten) notwendig.
Sie können Ihr Kind begleiten, wenn es zur Narkose muss.
Die MitarbeiterInnen der Strahlentherapieabteilung werden
Ihr Kind mithilfe von Büchern, Videos und Übungen vorbe­
reiten. Radioaktive Plättchen werden operativ angebracht.
Danach wird Ihr Kind zwei bis drei Tage in einem speziellen
Raum gepflegt. Dies ist notwendig, weil die Plättchen eine
kleine Menge Radioaktivität ausstrahlen. Sie dürfen Ihr Kind
normal festhalten und versorgen, außer Sie sind schwanger
oder wurden in Ihrer Jugend selbst mittels Strahlentherapie
behandelt. Eine äußerliche Bestrahlung hat Nebenwirkungen,
die vorübergehend, manchmal aber auch bleibend auftreten
können. So kann die Haut rund um die Augen rot werden
und starken Juckreiz verursachen. Nach einiger Zeit geht
das meistens wieder vorbei. Langfristig kann es zu einem
verringerten Wachstum des Knochens, der Muskeln der
Augenhöhle und eines Teils des Nasenrückens kommen.
Hierdurch entsteht ein ungleiches Wachstum im Gesicht,
wogegen Ihr Kind vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt
behandelt werden will. Da die Funktion der Tränendrüsen
eingeschränkt ist, kann Ihr Kind an trockenen Augen leiden.
Achten Sie auf Sonneneinstrahlung und verwenden Sie eine
Creme mit dem höchsten Schutzfaktor. Dies gilt vor allem
während und kurz nach der Bestrahlung. Abhängig vom Ort
des Tumors besteht bei radioaktiven Plättchen eine geringe
Möglichkeit der Schädigung des Sehnervs oder von Trübungen
der Linse, wie dem grauen Star. Die AugenärztInnen werden
Ihr Kind hierauf untersuchen.
Bei der äußerlichen Strahlentherapie muss mit einer erhöh­
ten Sekundärmalignomrate (Zweitkrebs-Erkrankungsrate) im
Bestrahlungsfeld gerechnet werden.
16
Nach der Behandlung
Es beginnt ein neuer Zeitabschnitt: Keine Tumorbehandlungen
mehr, aber regelmäßige Besuche beim Augenarzt/bei der Au­
genärztin, um festzustellen, ob alles in Ordnung ist. So eine
Kontrolle ist belastend, kann aber auch beruhigend sein. Es
wird eine Augenspiegelung durchgeführt und kontrolliert, ob
sich Ihr Kind gut entwickelt. Wurde Ihr Kind an einem Auge
behandelt und hat es ein erbliches Retinoblastom, dann wird
das nicht behandelte Auge besonders intensiv beobachtet.
Wurde Ihr Kind einer Chemotherapie unterzogen oder leidet
es an einer erblichen Form des Retinoblastoms, bleibt es unter
der Kontrolle von KinderonkologInnen. Der Kontrollzeitraum
dauert einige Jahre, bis Ihr Kind erwachsen ist, aber auch dann
wird es noch regelmäßig ins Krankenhaus müssen. Anfangs
finden die Kontrollen ein Mal pro Monat statt, später werden
die Intervalle immer größer.
Bei der nicht-erblichen
Form des Retinoblastoms
befindet sich die genetische
Abweichung in den Zellen
der Netzhaut.
Bei der erblichen Form sitzt
die Abweichung in allen
Körperzellen. Nur in diesem
Fall ist das Retinoblastom
übertragbar.
17
Die erbliche Veranlagung
Sollte Ihr Kind die erbliche Form des Retinoblastoms haben,
wirft dies natürlich viele Fragen auf. Bei Ihrem Kind besteht
die 50-prozentige Möglichkeit, dass es das abweichende Gen
später an seine eigenen Kinder weitergibt. Überdies besteht
das geringe Risiko, dass Ihre anderen Kinder auch ein Retino­
blastom bekommen könnten. Sie, Ihr/e PartnerIn und Ihr Kind
werden auf Genträgerschaft untersucht. Sollten Sie weitere
Kinder haben, werden diese bis zu ihrem sechsten Lebensjahr
einer besonderen Beobachtung unterzogen, falls es nicht
sicher ist, ob sie das Retinoblastom-Gen in sich tragen. Im Falle
einer Schwangerschaft kann eine Fruchtwasseruntersuchung
durchgeführt werden, denn sie kann mit hoher Wahrschein­
lichkeit ausschließen, dass das abweichende Gen vorhanden
ist. SpezialistInnen, die klinischen GenetikerInnen, können
Ihnen diesbezüglich mehr sagen und werden Sie und Ihr Kind
zusammen mit anderen ExpertInnen begleiten.
18
Den Alltag wieder meistern
Den Alltag wieder aufzunehmen ist manchmal leichter gesagt
als getan. Vielleicht hat Ihr Kind noch Schwierigkeiten mit der
Sehkraft oder will sein künstliches Auge nicht akzeptieren.
Vielleicht kann es bestimmte Spiele (noch) nicht spielen oder
möchte nicht mehr zur Kontrolle ins Krankenhaus. Und wie
sieht es mit Ihren anderen Kindern aus? Benötigen diese
zusätzliche Aufmerksamkeit, weil sie das Gefühl haben, zu
kurz gekommen zu sein? Müssen sie auch auf ein etwaiges
Retinoblastom hin kontrolliert werden? Dann gibt es natürlich
auch noch Ihre eigenen Gefühle. Es scheint, als ob Ihnen erst
jetzt bewusst wird, was alles geschehen ist. Dies ist völlig
normal, denn Sie haben eine besondere Zeit hinter sich. Wie
gehen Sie damit um? Bei wem finden Sie Unterstützung? An
wen können sich Ihre Kinder wenden? Vielleicht kommen
Sie damit alleine oder zusammen mit Ihrem/r PartnerIn oder
FreundInnen oder mit Hilfe geschulter TherapeutInnen zurecht.
Vielleicht haben Sie auch das Bedürfnis, Erfahrungen mit El­
tern, die das Gleiche durchgemacht haben, auszutauschen?
Sie können immer mit den Kinder-Krebs-Hilfe Organisationen
Kontakt aufnehmen.
Langfristig
Kinder, die ein Retinoblastom überstanden haben, werden die
Folgen immer mit sich tragen. Viele Kinder haben Probleme
mit ihrem Äußeren, vor allem, wenn sie bestrahlt wurden.
Andere wiederum haben aber keine Schwierigkeiten damit.
Kinder mit einem Auge erfahren meistens keinerlei Einschrän­
kungen, vermissen aber doch einen Teil ihres Gesichtsfelds.
Hat Ihr Kind ein Kunstauge und befindet es sich noch im
Wachstum, muss dieses Auge regelmäßig ersetzt werden.
Wurde das Retinoblastom in beiden Augen gefunden und
behandelt, kann die Sehkraft von einem guten bis zu einem
kaum vorhandenen Sehvermögen variieren. Vielleicht sieht
Ihr Kind nur mit einem Auge schlechter, vielleicht mit beiden
Augen, möglicherweise ist Ihr Kind erblindet.
Schließlich finden die meisten Kinder ihren Weg, manchmal
mit externer Hilfe und Begleitung. Dennoch, langsam aber
sicher wird auch Ihr Kind zu einem/r gesunden Erwachsenen
heranwachsen.
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Hallo du!
Hast du selbst ein Retinoblastom (gehabt)?
Hat dein Bruder oder deine Schwester so einen Tumor (gehabt)
und willst du wissen, was das alles bedeutet?
In dieser Broschüre geht es um Augentumoren, Operationen,
Untersuchungen, Bestrahlungen, Chemotherapie und alles,
was damit zusammenhängt. Sie wurde für deine Eltern ge­
schrieben, aber du kannst sie natürlich auch lesen. Vielleicht
steht hier etwas, was du noch nicht weißt!
Vielleicht warst du noch jung, als du den Augentumor hattest
und jetzt hast du viele Fragen. Was NICHT in der Broschüre
steht, ist, wie du dich damals fühltest, wie du aussahst, in
welchem Krankenhaus du warst, wie du reagiert hast, welcher
Herr oder welche Frau Doktor an deinem Bett stand, wie oft
dein Opa und deine Oma dich besuchten, was im Sportklub
oder in der Klasse passierte und was auch sonst noch los
war. Diese Fragen kannst du am besten deinen Eltern stellen,
denn sie waren ja schließlich dabei. Es gibt sicher noch Fotos
aus dieser Zeit und, wer weiß, vielleicht haben deine Eltern
etwas aufgeschrieben.
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Oder, oder, oder … du willst wissen, wie es jetzt um dich
steht. Ob du schon wieder ganz gesund bist, ob noch etwas
an deinem Auge verändert werden kann und wie es mit der
Schule weitergehen soll. Sind alle Eltern von Kindern, die ein
Retinoblastom haben, so überbesorgt?
Wer weiß, vielleicht bist du ja „nur“ ein Bruder oder eine
Schwester, und du fühlst dich alleine und unverstanden.
Dies sind alles ganz normale Gefühle und Fragen, aber es ist
schon lästig, wenn sie immer wieder auftauchen.
Probier doch selbst, hier etwas zu tun. Geh zu deinem Hausarzt
oder deiner Hausärztin, zu den ÄrztInnen ins Krankenhaus
oder liege deinen Eltern in den Ohren. Suche jemanden, der
so alt ist wie du und das Gleiche erlebt hat, lies Bücher, geh
ins Internet, denk dir eine Geschichte aus, schreib einen Brief
oder sprich mit jemandem, der viel über Augentumoren bei
Kindern weiß.
Wer weiß, vielleicht hilft es dir, und du findest Antworten auf
Fragen, die für dein Leben wichtig sind.
In den Nachsorge-Camps der Österreichischen Kinder-KrebsHilfe gibt es u.a. auch die Möglichkeit zum Erfahrungsaus­
tausch mit Gleichbetroffenen. Gemäß dem Leitsatz „Kraft und
Hoffnung geben – Überleben!“ lernen von Krebs betroffene
Kinder und Jugendliche sowie deren Geschwister, ihr Leben
wieder selber in die Hand zu nehmen, mit ihren Ängsten
umzugehen und Vertrauen aufzubauen.
Innerhalb der Österreichischen Kinder-Krebs-Hilfe
gibt es eine eigene Elterngruppe „Retinoblastom“.
e-mail:
[email protected]
Nähere Informationen zu den psychotherapeutisch begleiteten
Nachsorge-Projekten der Österreichischen Kinder-Krebs-Hilfe
gibt es per Telefon: +43/1/402 88 99 oder auf der Website:
www.kinderkrebshilfe.at
21
I mpressum
Herausgeberin: Österreichische Kinder-Krebs-Hilfe, Anita Kienesberger
Borschkegasse 1/7, 1090 Wien
Tel: +43/1/402 88 99, e-mail: [email protected], www.kinderkrebshilfe.at
Idee + Konzept: Vereniging „Ouders, Kinderen en Kanker“ (VOKK), Niederlande
Originaltext: Nel Kleverlaan
Mitarbeit: Univ.Prof. Dr. Christian Urban, Dr. Karola Frenzel, Univ.Prof. Dr. Gerald Langmann, Dr. Werner Wackernagel
Redaktion: MMag.a Monika Kehrer, Anita Kienesberger
Grafik + Gestaltung: Monika Vali. Lektorat: Elisabeth Aulehla. Druck: REMAprint, 1160 Wien, 2012/2. Auflage
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Österreichische Kinder-Krebs-Hilfe
Verband der Österreichischen
Kinder-Krebs-Hilfe Organisationen
Spendenkonto: PSK 7.631.111, Blz 60.000
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