5.7 Andere Knochentumoren 5.7.1 Benigne Tumoren 5.7.1.1

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5.7 Andere Knochentumoren
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5.7
Andere Knochentumoren
5.7.1
5.7.1.1
5.7.2
5.7.2.1
5.7.2.2
Benigne Tumoren 311
Riesenzelltumor 311
Maligne Tumoren 318
Chordom 318
Adamantinom 322
Literatur 324
5.7.1
Benigne Tumoren
5.7.1.1
Riesenzelltumor
Definition
왔 Bei dem Riesenzelltumor (RZT) han-
delt es sich um einen aggressiven Tumor, der aus einem stark vaskularisierten Gewebe
besteht, das mononukleäre Spindelzellen und zahlreiche mehrkernige Riesenzellen vom Osteoklastentyp enthält.
Riesenzellen treten bei einer Vielzahl von nichtneoplastischen Knochenerkrankungen auf, sodass ein
RZT von reaktiven Riesenzellansammlungen abgegrenzt werden muss. Zwar ist der RZT fast ausschließlich benigne oder wächst nur lokal aggressiv,
jedoch muss in etwa 3% der Fälle mit einem malignen RZT gerechnet werden. Daher wird der RZT heute histologisch in die drei Grade unterteilt:
∑ benigne (Grad I),
∑ semimaligne (Grad II) und
∑ maligne (Grad III).
Es wurde eine Reihe von Fällen publiziert, in denen
ein RZT, auch ein benigner, vorzugsweise pulmonale
Metastasen, gesetzt hatte. In etwas weniger als 1%
tritt ein RZT multizentrisch auf. In bis zu 15% der
RZT werden sekundäre aneurymatischen Knochenzysten angetroffen. RZT können bei Patienten, die an
einem Morbus Paget leiden, besonders wenn dieser
multizentrisch ist, als sekundäre Tumoren auftreten.
Inzidenz
RZT gehören zu den häufig auftretenden Knochentumoren und machen etwa 10% aller und etwa 20%
der benignen Knochentumoren aus.
Alter und Geschlecht
Als Faustregel kann gelten, dass fast alle RZT erst
nach Schluss der benachbarten Epiphysenfuge auftreten, sodass Tumoren bei Patienten <15 Jahren selten sind. Nur knapp 2% der RZT werden bei noch
nicht geschlossener benachbarter Epiphysenfuge
angetroffen. Drei Viertel der RZT treten zwischen
311
312
Kapitel 5 Knochentumoren
dem 15. und 45. Lebensjahr auf, wobei ein deutlicher
Altersgipfel in der 3. Lebensdekade vorhanden ist,
in der nahezu 40% der RZT diagnostiziert werden.
Sekundäre RZT in einem Morbus Paget werden meist
erst ab dem 60. Lebensjahr angetroffen. Männer und
Frauen sind in nahezu gleicher Häufigkeit betroffen.
Klinik
Die typischen Beschwerden bestehen in Schmerzen,
die bei Diagnosestellung meist bereits einige Wochen
andauern. Seltener ist eine lokale Schwellung ohne
begleitende Schmerzen vorhanden. Gelegentlich ist
eine pathologische Fraktur der Grund, sich in ärztliche Behandlung zu geben.
Lokalisation
Nahezu die Hälfte der RZT finden sich um das Kniegelenk, wobei das distale Femur (23%) häufiger als
die proximale Tibia (18%) und die proximale Fibula
(7%) befallen ist.Weitere häufige Lokalisationen sind
die distale Tibia (7%), das proximale Femur (5%),
der proximale Humerus (7%) und der distale Radius
(7%). Dabei ist der RZT unter den im distalen Radius gelegenen Tumoren häufig. Etwa 10% der RZT
sind in der Wirbelsäule, besonders im Sakrum, anzutreffen.
In den langen Röhrenknochen ist der RZT fast
ausschließlich epimetaphysär oder epimetadiaphysär gelegen. In etwa 10% der Fälle ist die Epiphyse
nicht mitbetroffen. Eine metaphysäre und metadiaphysäre Lage wird meist bei Patienten angetroffen,
bei denen die Epiphysenfuge noch nicht geschlossen
ist, kann selten allerdings auch bei geschlossener Epiphysenfuge auftreten. Eine rein epiphysäre Lokalisation wird nicht beobachtet. In vielen Fällen dehnt
sich der Tumor bis in die subchondrale Region der
Epiphyse aus. Etwa zwei Drittel der RZT sind exzentrisch im Knochen lokalisiert. In der Wirbelsäule
ist der RZT zur Hälfte im Wirbelkörper und zur
anderen im Wirbelkörper und Wirbelbogen gelegen
(Abb. 5.290).
Röntgenmorphologie
Fast alle RZT sind osteolytisch, wobei fast die Hälfte
mehr oder minder deutliche (Pseudo-)Trabekulierungen aufweist. Die weniger aggressiv wachsenden
Tumoren zeigen dabei wesentlich häufiger (Pseudo-)
Trabekulierungen als die aggressiver wachsenden.
Bei hoch aggressiv wachsenden RZT sind (Pseudo-)
Trabekulierungen selten. Weniger als 5% der RZT
besitzen zusätzliche osteoblastische Areale, und
selten wird ein sklerotischer Randsaum beobachtet.
Die RZT zeigen eine Wachstumsrate, die vom Grad
Lodwick IA bis zu Grad II variieren kann, wobei die
meisten einen Grad IB und IC aufweisen. Lobulierte
Außenkonturen werden eher selten beobachtet (Abb.
5.291, Abb. 5.292, Abb. 5.293, Abb. 5.294, Abb. 5.295,
Abb. 5.296).
Eine Knochenauftreibung durch Induktion einer
Periostschale ist bei mehr als der Hälfte der Tumoren
vorhanden. Lamelläre oder spikuläre Periostreaktionen werden nur selten und eher bei sehr aggressiven
RZT angetroffen (Abb. 5.297, Abb. 5.298, Abb. 5.299).
Der typische RZT ist eine Osteolyse
mit mehr oder minder ausgeprägter
Trabekulierung, die keinen Sklerosesaum, jedoch
häufig scharfe Grenzen aufweist, die epimeta(dia)
physär exzentrisch gelegen ist, sich bis in die subchondrale Grenzzone ausdehnt, um das Kniegelenk
oder im distalen Radius gelegen ist und bei jungen
Erwachsenen auftritt.
Merke
!
Abb. 5.290. Statistische Daten
zum Riesenzelltumor
5.7 Andere Knochentumoren
Abb. 5.291. Typischer Riesenzelltumor. Der rein osteolytische
Tumor ist exzentrisch epimetaphysär im tumortragenden
Knochen gelegen. Er dehnt sich bis in die subchondrale Region
aus und zeigt eine Wachstumsrate vom Grad Lodwick IB
Abb. 5.292. Typischer Riesenzelltumor. Der rein osteolytische
Tumor ist exzentrisch epimetaphysär im Femur gelegen, dehnt
sich bis nach subchondral aus und zeigt eine Wachstumsrate
vom Grad Lodwick IB
Abb. 5.293. Riesenzelltumor. Der Tumor weist deutliche Trabekulierungen auf, die ihm einen seifenblasenartigen Aspekt verleihen
Abb. 5.294. Riesenzelltumor. Der Tumor wächst aggressiv,
weist einen mottenfraßartigen Rand auf und hat die laterale
Kompakta langstreckig reaktionslos destruiert
313
314
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.295. Riesenzelltumor. Der Tumor ist in der distalen
Radiusepimetaphyse gelegen und weist eine feine Trabekulierung auf
Abb. 5.296. Riesenzelltumor. Ungewöhnliche metaphysäre Lage
bei geschlossener Epiphysenfuge
Abb. 5.298. Riesenzelltumor. Der im Schambein gelegene
Tumor hat den Knochen aufgetrieben und zeigt deutliche
Trabekulierungen. Dieses Bild wird häufig bei einem RZT und
einer aneurysmatischen Knochenzyste angetroffen
Abb. 5.297. Riesenzelltumor. Der exzentrisch im Knochen gelegene Tumor hat die Ausbildung einer lateralen Periostschale
induziert
5.7 Andere Knochentumoren
Abb. 5.299. Riesenzelltumor. Der Tumor hat die Kompakta
durchbrochen und eine lamelläre Periostreaktion induziert,
die er bereits teilweise durchbrochen hat
Schnittbilddiagnostik
Eine Detektion und artdiagnostische Einordnung
gelingt in den meisten Fällen mittels konventioneller
Röntgendiagnostik. Für den Nachweis eines multizentrischen Auftretens kann die Skelettszintigraphie
eingesetzt werden, da alle RZT eine Speicherung zeigen, wobei die intraossäre Ausdehnung jedoch häufig
überschätzt wird. Sie zeigen meist eine starke, teilweise homogene, teilweise inhomogene Anreicherung (Abb. 5.300 a, b). Es besteht keine Korrelation
zwischen dem Grad der Traceraufnahme und dem
histologischen Grad.
Im Becken und in der Wirbelsäule sind für eine
übersichtliche Darstellung häufig eine CT oder MRT
erforderlich. In der CT kann gezeigt werden, dass keine
Matrixverkalkungen vorhanden sind, wodurch die Anzahl der möglichen Differenzialdiagnosen eingegrenzt
werden kann. Daneben können in der CT auch das
Ausmaß der Kompaktadestruktion und einer möglichen Periostreaktionen sicher erfasst, jedoch ein Gelenkeinbruch nicht zuverlässig nachgewiesen werden.
Für das Staging ist die MRT das optimale Untersuchungsverfahren. Eine nicht selten vorhandene meist
kleine extraossäre Komponente kann auf axialen
Schnitten und ein möglicher Gelenkeinbruch auf
longitudinalen Schnitten demonstriert werden, was
eine wichtige Information für die Operationsplanung
bedeutet. Der RZT ist im Markraum meist scharf begrenzt und zeigt im T1-gewichteten Bild eine muskelisointense und im T2-gewichteten Bild meist eine
hohe Signalintensität. Ist es als Folge rezidivierender
älterer Einblutungen zu starken Hämosiderinablagerungen gekommen, kann sich der Tumor in allen
Abb. 5.300 a, b. Typischer Riesenzelltumor. a Im Röntgenbild zeigt
der Tumor eine typische Lage und
Morphologie. b Im Skelettszintigramm ist eine starke Tracerakkumulation nachweisbar
a
b
315
316
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.301 a, b. Riesenzelltumor.
a In dem T1-gewichteten SE-Bild
kommt die Ausbreitung des
Tumors bis in die subchondrale
Region übersichtlich zur Darstellung. Der Tumor hat die ventrale
Kompakta komplett penetriert.
b Im T2-gewichteten SE-Bild
stellen sich große Tumoranteile
durch die Hämosiderinablagerungen nach abgelaufenen Einblutungen signalarm dar
a
b
Abb. 5.302 a, b. Riesenzelltumor.
a Im T1-gewichteten SE-Bild zeigt
der Tumor eine vergleichbare
Signalintensität wie die benachbarte Muskulatur. b Nach Kontrastmittelapplikation weist
der Tumor ein deutliches mäßig
inhomogenes Enhancement auf
a
b
Sequenzen signalarm darstellen (Abb. 5.301 a, b). Ein
sensitiver Eisennachweis ist mit T2*-gewichteten
GRE-Sequenzen möglich.
Eine relativ frische Einblutung lässt den Tumor
durch die Methämoglobinansammlung sowohl auf
dem T1- als auch T2-gewichteten Bild signalintensiv
erscheinen. Um in diesem Falle einen RZT nicht mit
einem lipomatösen Tumor zu verwechseln, kann eine
T1-gewichtete Sequenz mit Fettsättigung durchgeführt werden. Dabei bleibt der eingeblutete RZT im
Gegensatz zu einem fetthaltigen Tumor signalinten-
siv. Die soliden Tumorareale zeigen regelmäßig ein
starkes Kontrastmittelenhancement (Abb. 5.302 a, b).
Der Tumor kann als Folge von lokalen Blutungen
oder Nekrosen deutliche Inhomogenitäten und zystisch imponierende Areale aufweisen. Diese zystischen Bezirke können auch Flüssigkeits-FlüssigkeitsSpiegel zeigen, die allerdings auch im Gefolge einer
sekundären aneurysmatischen Knochenzyste auftreten können. Nach einem operativem Eingriff ist die
MRT das entscheidende Untersuchungsverfahren,
ein Rezidiv frühzeitig zu diagnostizieren.
5.7 Andere Knochentumoren
Differenzialdiagnose
Liegt eine typische exzentrische epimetaphysäre Lage eines osteolystischen Tumors bei einem Patienten
zwischen 18 und 35 Jahren vor, kann die Diagnose
eines RZT recht zuverlässig gestellt werden. Bei sehr
aggressiv wachsenden Tumoren kommt differenzialdiagnostisch ein osteolytisches Osteosarkom in Frage, das aber eher noch aggressiver wächst und wesentlich häufiger unterbrochene lamelläre Periostreaktionen bietet. Eine aneurysmatische Knochenzyste kann einem RZT sehr ähnlich sehen, wächst
jedoch nur selten in die Epiphyse ein und tritt bei
jüngeren Patienten auf. Das Osteoblastom ist stärker
sklerotisch, hat häufig einen breiten Sklerosesaum
und wird selten mit einer epiphysären Tumorkomponente beobachtet. In einigen Fällen besteht eine Verwechslungsgefahr mit einem Fibrosarkom oder malignen fibrösen Histiozytom, die eine vergleichbare
Morphologie aufweisen können und in etwa einem
Viertel der Fälle epimetaphysär gelegen sind.
Eine Abgrenzung zu einem Chondroblastom, das
epimetaphysär wächst, kann unmöglich sein, wenn es
keine Matrixverkalkungen und keinen sklerotischen
Randsaum aufweist. Chondromyxoidfibrome haben
häufig einen deutlichen sklerotischen Randsaum
und wachsen seltener in die Epiphysen. Ein nichtossifizierendes Knochenfibrom ist exzentrisch metaphysär oder diaphysär gelegen und zeigt meistens
eine lobulierte Begrenzung und immer einen sklerotischen Randsaum. Eine solitäre Knochenzyste ist
zentral im Knochen lokalisiert und weist häufig
einen sklerotischen Randsaum auf.
Schwierig bleibt die Abgrenzung zu einem Braunen Tumor beim Hyperparathyreoidismus, der histologisch und radiologisch einen RZT imitieren kann.
Die Patienten sind jedoch meist älter, und der Tumor
tritt häufig multizentrisch auf. Nicht selten sind auch
die typischen subperiostalen Resorptionen an den
Phalangen nachweisbar. Der Schlüssel ist jedoch der
Nachweis einer Erhöhung des Parathormons.
In einigen Fällen kann ein teleangiektatisches
Osteosarkom radiologisch nicht von einem RZT abgegrenzt werden. Dies zeigt jedoch in der MRT eine
überwiegend zystische Tumormorphologie mit einigen gut vaskularisierten soliden Arealen.
In der Wirbelsäule kann der RZT nicht zuverlässig
von einem Chordom differenziert werden. In der CT
sind im Chordom jedoch häufig punktförmige Verkalkungen nachweisbar (Abb. 5.303 a, b). Während
der RZT meist im Wirbelkörper wächst, wachsen
die aneurysmatische Knochenzyste und das Osteoblastom bevorzugt im Wirbelbogen. Ab einer bestimmten Tumorgröße werden von allen drei Entitäten jedoch sowohl der Wirbelbogen als auch der Wirbelkörper befallen.
a
b
Abb. 5.303 a, b. Riesenzelltumor. a Der sakrale Riesenzelltumor hat die unteren Sakrumsegmente destruiert und b eine
präsakrale Weichteilkomponente ausgebildet. Eine zuverlässige Differenzialdiagnose zu einem Chordom ist nicht möglich.
Jedoch zeigen Chordome nicht selten Tumorverkalkungen
Therapie und Prognose
Die chirurgische Behandlung des RZT wird durch die
Tatsache kompliziert, dass der Tumor fast immer in
der Epiphyse lokalisiert ist und häufig bis in die subchondrale Region vorwächst. Das therapeutische Ziel
besteht in einer kompletten Tumorresektion unter
Schonung des Gelenks. Eine alleinige Kürettage ist
nicht ausreichend, da in mehr als einem Drittel der
Fälle ein Rezidiv auftritt. Daher wird die sorgfältige
Kürettage mit weiteren adjuvanten lokalen Maßnahmen kombiniert. Diese bestehen u. a. in der Implantation einer temporären Knochenzementplombe, die
zusätzlich mit Phenol getränkt werden kann, oder in
einer Kryochirurgie. Hierdurch kann die Redizivfrequenz auf etwa 5–15% gesenkt werden. Bei einer
weiten Resektion beträgt die Rezidivrate deutlich
weniger als 10%.
317
318
Kapitel 5 Knochentumoren
In einigen Fällen kann es wegen einer ungünstigen Tumorlokalisation oder einem sehr aggressiven
Wachstum angebracht sein, eine weiträumigere Tumorresektion durchzuführen und ggf. einen Gelenkersatz zu implantieren.
Eine Strahlentherapie sollte auf die Fälle beschränkt bleiben, bei denen der RZT nicht komplett
zu resezieren ist. Hier besteht die Gefahr einer sarkomatösen Entartung, die bei modernen Bestrahlungstechniken jedoch als eher gering zu betrachten ist.
Bei etwa 1% der nichttherapierten RZT und bei
bis zu 6% der rezidivierenden RZT sollen Lungenmetastasen auftreten. Diese können jedoch mit gutem
Erfolg chirurgisch entfernt werden. Je aggressiver der
RZT radiologisch und vor allem histologisch imponiert, umso schlechter wird die ansonsten sehr gute
Langzeitprognose. Bei der aggressivsten, am seltensten zu beobachtenden Form versterben bis zu ein
Viertel der Patienten an den Folgen ihres Tumorleidens. Weniger als 5% der RZT, dann jedoch meist
nach vorangegangener Strahlentherapie des Primärtumors, zeigen eine maligne Transformation.
Dabei treten bevorzugt Osteosarkome, gefolgt von
Fibrosarkomen und malignen fibrösen Histiozytomen auf.
5.7.2
Maligne Tumoren
5.7.2.1
Chordom
Definition
왔 Das Chordom ist ein maligner Tumor,
der in der Wirbelsäule oder in der
Schädelbasis auftritt. Er entsteht aus Resten der primitiven Notochorda, der Chorda dorsalis.
Diese Reste liegen typischerweise im Nucleus pulposus der Bandscheibe, jedoch gelegentlich auch im
Wirbelkörper. Chordome zeigen makroskopisch eine
läppchenförmige Architektur und eine gallertartige
Konsistenz. Histologisches Merkmal ist die Zusammensetzung aus physaliformen, pflanzenähnlichen,
Zellen und aus einer mukoiden Grundsubstanz. Der
Tumor wächst langsam und lokal invasiv, metastasiert aber selten.
Inzidenz
Chordome sind seltene Tumoren und machen knapp
1% der primären Knochentumoren aus.
Alter und Geschlecht
Chordome treten typischerweise bei älteren Patienten auf. Drei Viertel der Tumoren werden jenseits des
40. Lebensjahres beobachtet. Chordome treten bei
Männern nahezu doppelt so häufig wie bei Frauen
auf.
Klinik
Da die Tumoren langsam wachsen, werden sie relativ
spät diagnostiziert. Die Symptome sind von der Lokalisation und der Wachstumsrichtung des Tumors
abhängig. Sakrokokzygeale Chordome rufen zunächst lokale Schmerzen hervor, die später in das Gesäß und in die Beine ausstrahlen. Eine Tumorausdehnung in die Beckenweichteile kann zu einer Kompression oder Infiltration des Rektums und der Blase
führen.Auch kann der präsakrale Nervenplexus infiltriert werden. Wenn der Tumor nach dorsal wächst,
kann er als Schwellung sichtbar werden. Chordome
der Schädelbasis rufen Kopfschmerzen, Übelkeit und
Erbrechen hervor. Sehstörungen und je nach Wachstumsrichtung Lähmungen einzelner Hirnnerven treten als neurologische Symptome hinzu. Chordome
der Wirbelsäule verursachen Schmerzen und neurologische Symptome, die bis zur Querschnittslähmung
reichen können.
Lokalisation
Die häufigste Lokalisation ist die sakrokokzygeale
Region mit etwa der Hälfte der Fälle. Etwa ein Drittel
findet sich in der sphenookzipitalen Region an der
Schädelbasis. Die Wirbelsäule ist in etwa 10% der
Fälle betroffen. Dabei sind die Halswirbelsäule und
Lendenwirbelsäule häufiger als die Brustwirbelsäule
befallen. Ein kleiner Rest liegt primär extraossär.
In der Wirbelsäule sind die Tumoren meist im
Wirbelköper lokalisiert, dehnen sich bei entsprechender Größe aber auch in die Anhangsgebilde aus
(Abb. 5.304).
Röntgenmorphologie
In drei Viertel der Fälle sind die Chordome rein
osteolytisch. Davon weisen einige einzelne Verkalkungen auf. In einem Viertel der Fälle sind sie gemischt osteolytisch-osteoblastisch. Nur sehr selten
sind sie rein osteoblastisch. Die Tumoren wachsen
üblicherweise unter dem Bild Lodwick IC und II, selten IB. Periostreaktionen sind selten (Abb. 5.305). Die
meisten Tumoren besitzen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine extraossäre Weichteilkomponente, die mittels Schnittbilddiagnostik nachweisbar ist.
Der Tumor kann auch durch die Bandscheibe wachsen und benachbarte Wirbel befallen, wozu nur
wenige andere Tumoren in der Lage sind.
Das typische Bild eines Chordoms ist
ein im Sakrum oder Kokzygeum gelegener osteolytischer Tumor, der eine ausgedehnte
präsakrale Weichteilkomponente aufweist, die in der
CT meist gut abgrenzbar ist, und einzelne VerkalkunMerke
!
5.7 Andere Knochentumoren
Abb. 5.304. Statistische Daten
zum Chordom
Abb. 5.305. Chordom. Der Tumor hat die kaudalen Sakrumsegmente partiell destruiert. Daneben kann eine ausgedehnte,
nichtmineralisierte Weichteilkomponente abgegrenzt werden
(Pfeile)
Abb. 5.306. Chordom.Als einzigen Hinweis auf den Tumor findet sich eine Destruktion der Sakrallinien rechts (Pfeile). Hier
muss frühzeitig die Schnittbilddiagnostik eingesetzt werden
gen zeigt und der bei Patienten jenseits des 40. Lebensjahres auftritt.
Schnittbildmorphologie
Für die diagnostische Aufarbeitung eines Chordoms ist in jedem Falle die Schnittbilddiagnostik
erforderlich. Durch die Tumorlage im Achsenskelett ist bereits die Detektion auf konventionellen Röntgenbildern deutlich eingeschränkt (Abb.
5.306).
In der CT können die Chordome in der Wirbelsäule einschließlich des Sakrums sicher erfasst werden. Die CT zeigt eine meist osteolytische Läsion im
Wirbelkörper, die häufig von einer großen paraverte-
Abb. 5.307. Chordom. Die CT zeigt eine Destruktion des
Sakrums und eine ausgedehnte präsakrale Weichteilkomponente, die unregelmäßige Mineralisationen aufweist
319
320
Kapitel 5 Knochentumoren
Abb. 5.308. Chordom. Die CT
zeigt eine Destruktion des
Sakrums und einen großen
präsakralen Weichteiltumor,
der nur diskrete Mineralisationen
aufweist
a
b
Abb. 5.309 a–c. Chordom. a Das T1-gewichtete SE-Bild zeigt
die Ausbreitung des Tumors im Sakrum und präsakral, wobei in
der Weichteilkomponente einige etwas signalintensivere Bezirke
zur Darstellung kommen. b Im T2-gewichteten SE-Bild zeigt der
c
recht signalintensive Tumor einen angedeutet läppchenförmigen Aufbau. c Im kontrastmittelverstärkten T1-gewichteten SEBild ist das Ausmaß des Enhancements mäßig, wobei auch hier
ein angedeutet läppchenförmiger Aufbau imponiert
5.7 Andere Knochentumoren
bralen Weichteilraumforderung begleitet wird. Die
Weichteilkomponente weist häufig feine Verkalkungen auf. Typisch für sakrale und kokzygeale Chordome sind eine ausgedehnte präsakrale, meist rundlich
imponierende Weichteilkomponente und eine Destruktion des tumortragenden Knochens, wobei einzelne verkalkte strangförmige Periostreaktionen
vom Sakrum in die Weichteilkomponente reichen
können (Abb. 5.307,Abb. 5.308). Nach Kontrastmittelgabe findet sich ein recht inhomogenes Enhancement
mit multiplen, z. T. größeren nicht anreichernden
Arealen. Bei den Schädelbasischordomen gelingt der
Nachweis zwar mit der CT, für die genaue Ausdehnungsbestimmung ist jedoch eine MRT erforderlich.
In der MRT kann der läppchenartige Aufbau häufig nachvollzogen werden. In der T1-gewichteten
Sequenz stellt sich der Tumor meist signalärmer als
die Muskulatur dar und ist in der T2-gewichteten
Sequenz sehr signalintensiv, jedoch etwas weniger
signalintensiv als Liquor und Knorpel, was auf den
hohen Wassergehalt der gallertartigen Tumormatrix
zurückzuführen ist. Fibröse Septen und gröbere Verkalkungen kommen besonders im T2-gewichteten
Bild als sehr signalarme Strukturen zur Abbildung.
Nach Kontrastmittelgabe ist ein mäßiges Enhancement sichtbar,das häufig peripher betont und recht inhomogen ist (Abb. 5.309 a–c). In der MRT kann die Lagebeziehung eines Chordoms zu den neuralen Strukturen im Spinalkanal sehr übersichtlich dargestellt
werden, was für die Operationsplanung wichtig ist.
Differenzialdiagnose
Die sakrokokzygealen Chordome lassen sich anhand
ihrer charakteristischen Lage und der Röntgenmorphologie, besonders wenn in der CT Verkalkungen in
der extraossären Komponente sichtbar sind, häufig
als solche diagnostizieren. Differenzialdiagnostisch
muss an eine Metastase, die seltener eine so ausgedehnte Weichteilkomponente aufweist, einen Riesenzelltumor, der keine Matrixverkalkungen jedoch in
der MRT ein weitgehend homogenes Kontrastmittelenhancement zeigt, und ein Myelom, das keine Verkalkungen in einer eher selten anzutreffenden großen Weichteilkomponente bietet, gedacht werden.
Bei in der Wirbelsäule gelegenen Chordomen ist
eine artdiagnostische Einordnung nur selten möglich
(Abb. 5.310, Abb. 5.311). Eine größere Weichteilkomponente oder ein transdiskales Wachstum sollten an
ein Chordom denken lassen. Differenzialdiagnostisch kommen Metastasen, Myelome und Chondrosarkome, die meist stärker verkalken und im T2-gewichteten Bild sehr signalintensiv sind, in Frage.
In der Schädelbasis kann bei einer typischen Lage
im Klivus die Diagnose Chordom recht zuverlässig
gestellt werden. Das hier selten anzutreffende Chon-
Abb. 5.310. Chordom. Der Tumor ist im Wirbelkörper und
Wirbelbogen des 2. HWK lokalisiert, wobei der Wirbelkörper
gesintert ist. Die Morphologie ist uncharakteristisch
Abb. 5.311. Chordom. Die konventionelle Tomographie stellt
einen osteolytischen Tumor im gesinterten 2. LWK dar, der
eine uncharakteristische Morphologie bietet
321
322
Kapitel 5 Knochentumoren
drosarkom des Klivus kann eine vergleichbare Morphologie aufweisen, zeigt jedoch meist ausgedehntere
Verkalkungen. Bei größeren Tumoren mit Infiltration
mehrerer Knochen kommen differenzialdiagnostisch
ein Meningeom, ein Kraniopharyn- geom, aber auch
ein Makroadenom der Hypophyse in Frage.
Als Ursprung werden versprengte Epithelzellen diskutiert.
Therapie und Prognose
Die Therapie der Wahl ist die chirurgische Resektion
mit breitem Sicherheitsabstand, eine weite Resektion. Hierdurch ist der Patient geheilt. Jedoch ist diese operative Therapie häufig nicht möglich, da der
Tumor die nervalen Strukturen oder Nachbarorgane
infiltriert hat oder eine ungünstige Lokalisation aufweist. Dann kann eine zusätzliche hoch dosierte
Strahlentherapie die Prognose verbessern. Eine Chemotherapie hat bisher keine befriedigenden Erfolge
gezeigt. Die Rezidivhäufigkeit ist hoch, die Metastasierungsfrequenz dagegen niedrig. Die Patienten versterben an den durch das lokale Tumorwachstum
hervorgerufenen Komplikationen.
Alter und Geschlecht
Der Tumor kann in nahezu jedem Lebensalter auftreten. Mehr als zwei Drittel der Tumoren treten jedoch
in der 2. und 3. Lebensdekade auf. Es existiert keine
eindeutige Geschlechtsbevorzugung.
5.7.2.2
Adamantinom
Das Adamantinom ist ein sehr seltener maligner
Knochentumor, dessen Histiogenese unklar ist. Der
Name ist missverständlich, denn der Tumor bildet
keine Zahnschmelzsubstanz.
Definition
왔 Es handelt sich um einen epithelialen
Knochentumor, der aus epithelzellähnlichen Zellen besteht, die nest- oder strangförmig
angeordnet sind. Das umgebende Stroma besteht aus
Fibroblasten, die denen in einer fibrösen oder osteofibrösen Dysplasie vorkommenden Zellen ähnlich sehen.
Inzidenz
Adamantinome machen weniger als 1% aller malignen Knochentumoren aus.
Klinik
Das führende klinische Symptom ist eine lokale
Schwellung mit oder ohne begleitende Schmerzen.
Die Zeit, die bis zur Diagnosestellung verstreicht,
kann wenige Tage bis viele Monate betragen. Gelegentlich wird der Tumor erst durch eine pathologische Fraktur klinisch auffällig. In der Anamnese
wird häufig ein vorausgegangenes Trauma angegeben.
Lokalisation
Der Tumor tritt typischerweise in der Tibia auf. Etwa
90% der Tumoren sind in diesem Knochen lokalisiert. Die restlichen Tumoren wurden in den übrigen
langen Röhrenknochen beschrieben, wobei die Fibula der zweithäufigste Sitz ist. Innerhalb des Knochens
sind vier Fünftel der Adamantinome diaphysär, der
Rest metadiaphysär lokalisiert. In jeweils der Hälfte
der Fälle ist der Tumor zentral und exzentrisch gelegen (Abb. 5.312).
Abb. 5.312. Statistische Daten
zum Adamantinom
5.7 Andere Knochentumoren
Abb. 5.313. Adamantinom. Der gemischt osteolytisch-osteoblastische Tumor liegt zentral in der Schaftmitte der Tibia und
zeigt eine Wachstumsrate vom Grad Lodwick IB
Abb. 5.314. Adamantinom. Der rein osteolytische Tumor liegt
in Schaftmitte der Tibia, hat die Ausbildung einer kaum mineralisierten Periostschale induziert und zeigt einige Trabekulierungen. Er bietet eine Wachstumsrate vom Grad Lodwick IC
b
a
Abb. 5.315 a, b. Adamantinom. a Der Tumor ist dorsal exzentrisch in der
Tibia lokalisiert und hat die Kompakta komplett destruiert. b Die CT
demonstriert die exzentrische Destruktion der Tibia. Es ist eine diskret
mineralisierte Periostreaktion vorhanden
323
324
Kapitel 5 Knochentumoren
Röntgenmorphologie
Die meisten Tumoren sind gemischt osteolytischosteoblastisch, wobei das Bild häufig aus multiplen
scharf begrenzten unterschiedlich großen Osteolysen, die durch sklerotische Areale getrennt werden,
besteht. Seltener sind Adamantinome rein osteolytisch oder weisen eine Mattglasmatrix auf. Die
Wachstumsgeschwindigkeit ist nur mäßig, Grad Lodwick IB und IC dominieren. In nahezu der Hälfte der
Fälle treibt der Tumor durch die Ausbildung einer
Periostschale den Knochen mehr oder minder auf.
Nichtunterbrochene Periostreaktionen vom lamellären Typ treten in etwa einem Drittel der Fälle,
meist nach eingetretener Infraktion, auf (Abb. 5.313,
Abb. 5.314, Abb. 5.315 a, b).
Das typische Bild ist ein im Tibiaschaft gelegener gemischt osteolytisch-osteoblastischer Tumor, der wenig bis mäßig
aggressiv imponiert und bei jungen Erwachsenen
angetroffen wird.
Merke
!
Schnittbildmorphologie
In der MRT zeigt der Tumor häufig sowohl auf dem
T1-gewichteten als auch auf dem T2-gewichteten Bild
eine niedrige Signalintensität, die auf seinen hohen
Anteil an verknöcherter Matrix zurückzuführen ist.
In dem T2-gewichteten Bild kommen innerhalb der
signalarmen Bezirke daneben noch mäßig signalintensive Areale, die den im Röntgenbild sichtbaren
Osteolysen entsprechen, zur Abbildung. Ein peritumorales Ödem kann vorhanden sein. Gelegentlich
kann bei einer exzentrischen Lage in der axialen
Schnittebene noch normales Fettmark in der Nachbarschaft des Tumors sichtbar sein.
Differenzialdiagnose
Allein anhand der Wachstumsgeschwindigkeit kann
das Adamantinom nicht eindeutig als maligner Tumor identifiziert werden. Weist der Tumor die charakteristische Lage in der Diaphyse der Tibia und
eine gemischt osteolytisch-osteoblastische Morphologie auf, kann ein Adamantinom weitgehend vermutet werden. In dieser Kombination ist die einzige Differenzialdiagnose die osteofibröse Dysplasie, die eine
nahezu identische Morphologie aufweist. Sie wächst
jedoch weitgehend unter dem Bild Lodwick IA oder
IB und tritt typischerweise bei Kindern unter 15 Jahren auf. In letzter Konsequenz ist jedoch eine radiologische Differenzierung nicht möglich. Auch histologisch gibt es eine Übergangsform zwischen beiden
Entitäten, das so genannte osteofibröse-Dysplasieähnliche Adamantinom.
Therapie und Prognose
Die Behandlung besteht in einer chirurgischen Resektion mit ausreichenden Sicherheitsrändern. Wird
der Tumor nicht komplett entfernt, tritt ein Rezidiv
auf, das vielfach wesentlich aggressiver wächst und
sich wie ein hoch malignes Sarkom verhalten kann.
Adamantinome können in nahezu einem Viertel der
Fälle metastasieren, vorzugsweise in die Lunge. Metastasen können noch Jahre nach der Resektion sichtbar werden. Wenn der Primärtumor korrekt therapiert wird, ist die Prognose gut.
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