Angststörungen © Contrast Klinisch-praktische Aspekte 40 › österreichische ärztezeitung ‹ 17 ‹ 10. september 2006 DFP - Literaturstudium Angsterkrankungen weisen einen hohen Chronifizierungsgrad auf. Die Suizidrate ist ähnlich hoch wie bei Depressiven. Die Pharmakotherapie stellt meist eine mittel- oder langfristige Behandlungsstrategie dar, die bei einem Großteil der Betroffenen eine erhebliche Symptomminderung bewirkt. Von Peter Hofmann und Bernd Reininghaus* A ngststörungen findet man in nahezu allen Disziplinen der Medizin, besonders häufig aber in der psychiatrischen als auch in der hausärztlichen Praxis. Panikstörungen beispielsweise imponieren zunächst meist als schwere körperliche Erkrankung, ehe man nach intensiver somatischer Abklärung eine Angststörung als Ursache findet. Mit einer Lebenszeitprävalenz von 24,9 Prozent für alle Angsterkrankungen stellen sie nach den Depressionen die zweithäufigste psychiatrische Diagnose dar. Noch vor zwanzig Jahren wurde lediglich zwischen Angstneurose und Phobien unterschieden. Heute findet man in der Literatur einen differenzierten diagnostischen Zugang zum Thema Angsterkrankungen; man findet u.a. die Panikstörung mit/ohne Agoraphobie, Zwangsstörung, spezielle Phobien, generalisierte Angststörung, um nur die wichtigsten zu nennen. Die unterschiedlichen Subtypen weisen einen unterschiedlichen Erkrankungsbeginn und Verlauf sowie unterschiedliche Therapierbarkeit auf, sodass es einer genauen klinischen Diagnostik sowie eines spezialisierten therapeutischen Settings bedarf, um diese Patienten richtig zu behandeln und deren Lebensqualität entscheidend zu verbessern. Einen gewaltigen Fortschritt bei der Behandlung brachte die Einführung der modernen Antidepressiva, die heute den Goldstandard der Pharmakotherapie der Angststö- Klassifikation der Angststörungen nach dem ICD 10 F 40 Phobische Störung F 40.0 Agoraphobie .00 ohne Panikstörung .01 mit Panikstörung F 40.1 soziale Phobie F 40.2 spezifische Phobie F 41 Andere Angststörung F 41.0 Panikstörung F 41.1 generalisierte Angststörung F 41.2 Angst und depressive Stimmung gemischt F 42 Zwangsstörung F 42.0 vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang F 42.1 vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale) F 42.2 Zwangsgedanken und –handlungen gemischt F 43 Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen F 43.0 akute Belastungsreaktion F 43.1 posttraumatische Belastungsstörung F 43.2 Anpassungsstörungen .20 kurze depressive Reaktion .21 längere depressive Reaktion .22 Angst und depressive Reaktion gemischt .23 mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen .24 mit vorwiegender Störung des Sozialverhaltens › österreichische ärztezeitung ‹ 17 ‹ 10. september 2006 Tab. 1 rungen darstellen. Zusammen mit psychotherapeutischen/psychosozialen Interventionen bedeutet das eine gute Prognose für angstkranke Patienten, was auch durch epidemiologische Daten belegt ist. Diagnostik und Ätiologie Angst stellt in der Regel eine natürliche und notwendige Reaktion dar. Erst durch die Angstreaktion werden vegetative Abläufe (Blutdruckanstieg, Tachykardie, Schwitzen, etc.) aktiviert, die das Individuum auf eine Angriffsoder Fluchtreaktion vorbereiten. Wenn Angst als psychopathologisches Symptom, das heißt ohne reale, ursächliche Entsprechung auftritt, spricht man von Angststörung. Das Bestreben moderner Klassifikationssysteme (wie zum Beispiel des ICD 10) liegt darin, eine atheoretische, symptomorientierte, hauptsächlich nach dem psychopathologischen Befund gerichtete Einteilung zu schaffen. Bei der klinisch relevanten „pathologischen“ Angst sollte die sogenannte organische von den objekt- und situationsabhängigen oder situationsunabhängigen unterschieden werden; diese kann man in akut, anfallsartig und chronisch unterteilen (Abb. ). Sogenannte organische Ängste haben ein morphologisches Korrelat wie zum Beispiel eine Stoffwechselentgleisung, eine Gehirnverletzung oder aber einen Tumor. Die wichtigsten Differentialdiagnosen unter den Angststörungen sind phobische Störungen, Panikstörung, generalisierte Angststörung, Zwangsstörung, Anpassungsstörung, akute Belastungsstörung und posttraumatische Belastungsstörung (siehe Tabelle 1 ICD : 10). 41 : Phobische Störungen Charakteristisch für phobische Störungen ist eine auf – im Allgemeinen ungefährliche – Objekte oder Situationen gerichtete Angst. Diese Objekte oder Situationen werden typischerweise gemieden oder voller Leid ertragen. Dadurch gelingt die Kontrolle der Angst. Phobische Angst ist subjektiv, physiologisch und im Verhalten von anderen Angstformen nicht zu unterscheiden. Das Ausmaß reicht von leichtem Unbehagen bis hin zu panischer Angst, Angst davor zu sterben oder wahnsinnig zu werden. Die Angst wird nicht durch die Erkenntnis gemildert, dass andere Menschen die fragliche Situation nicht als gefährlich oder bedrohlich betrachten. Häufig entsteht auch eine Erwartungsangst vor der phobischen Situation. Phobische Angst tritt auch häufig gemeinsam mit einer Depression auf. a) Agoraphobie Die Agoraphobie (agora griechisch für Marktplatz) stellt eine Sonderform der spezifischen Phobie dar. Der Begriff beschreibt nicht nur eine Angst vor offenen Plätzen, sondern vielmehr die Angst davor, sich in der (belebten) Öffentlichkeit nicht sofort wieder an einen sicheren Ort zurückziehen zu können, im Allgemeinen nach Hause. Charakteristisch ist die Angst, die eigenen vier Wände zu verlassen und sich beispielsweise in eine Menschenmenge zu begeben, öffentliche Verkehrsmittel wie Busse Züge, Flugzeuge zu benützen. Das Fehlen eines Fluchtweges kennzeichnet die agoraphobische Situation. Einige Betroffene sind schließlich völlig an ihr Haus gefesselt. Überwiegend sind Frauen betroffen, der Erkrankungsbeginn liegt im frühen Erwachsenenalter. Die Erkrankung tendiert zur Generalisierung mit allen sekundären psychosozialen und psy­ chiatrischen Konsequenzen. 42/43 b) Soziale Phobie Die soziale Phobie ist charakterisiert durch die (unangemessene) Furcht vor kritischer Betrachtung und Beurteilung durch andere Menschen in verhältnismäßig kleinen Gruppen (nicht in Menschenmengen) und führt schließlich dazu, dass soziale Situationen vermieden werden. Die soziale Phobie beginnt häufig in der Adoleszenz und kann auf spezielle Situationen wie beispielsweise Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit oder Treffen mit dem anderen Geschlecht beschränkt sein. Erröten, Zittern, Übelkeit oder Drang zum Wasserlassen sind häufige Symptome dieser Angstform, die sich im Extremfall bis zur panischen Angst steigern kann. Ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten, das bis zur vollständigen sozialen Isolation führen kann, ist oft die Folge. c) Spezifische Phobien Diese Phobien sind zielgerichtet auf ganz spezielle Situationen oder Objekte wie beispielsweise geschlossene Räume, Höhen, Donner, Dunkelheit, bestimmte Tiere, Fliegen, Urinieren oder die Defäkation, Anblick von Blut, Fliegen… Auch hier kann die phobische Situation Panik auslösen, obwohl das Objekt beziehungsweise die Situation eng umschrieben ist. In den häufigsten Fällen kommt zu einem Vermeidungsverhalten, die Betroffenen leben meist unbeeinträchtigt, solange sie der phobischen Situation ausweichen. Panikstörung Bei der Panikstörung handelt sich um wiederholtes Auftreten von Panikattacken innerhalb von vier Wochen. Die Panikstörung ist nicht auf bestimmte Umgebungssituationen beschränkt. Vielmehr handelt es sich um eine unerwartete, meist ohne unmittelbar subjektiv wahrgenommene Gefahr auftretende Angst, die akut in Anfallsform (Dauer meist bis 15 Mi- nuten) ohne somatisch-medizinische Ursache auftritt. Charakteristisch ist die anhaltende Sorge vor wiederkehrenden Angstanfällen (antizipatorische Angst). Die Anfälle sind durch ein crescendo-artiges Ansteigen der furchtsamen Empfindungen charakterisiert. Oft ist eine Panikstörung mit Agoraphobie vergesellschaftet. Aufgrund der Panikattacken kommt es bei den Betreffenden häufig zu einer Verhaltensänderung. Ferner resultiert aus der panischen Angst häufig eine Angst vor der Angst (Phobophobie) mit der Konsequenz einer Vermeidungshaltung Generalisierte Angststörung (GAD) Die generalisierte Angststörung ist auch unter dem Begriff „frei flottierende Angst“ bekannt, das heißt sie ist an kein bestimmtes Objekt gebunden. Die Dauer beträgt mindestens mehrere Wochen, wobei die Angst an den meisten Tagen auftritt. Kennzeichnend für diese Störung ist ein generell erhöhtes Angstniveau ohne beherrschende Paniksymptome sowie ohne klare phobische Ausrichtung der Angst (ungerichtet, weder Objekt noch situationsgerichtet). Diese Patienten imponieren durch ständige Befürchtungen (Verluste), erhöhte motorische Spannung (Zittern, Muskelschmerz), eine vegetative Übererregbarkeit, ferner durch Hypervigilanz (besondere Schreckhaftigkeit in Bezug auf die Umwelt). Die Erkrankung neigt zu Chronifizierung. Zwangsstörung (OCD) Kennzeichnend für die Erkrankung sind wiederkehrende Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen. Zwangsgedanken sind Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die den Patienten immer wieder stereotyp beschäftigen; sie sind quälenden oder auch obszönen Inhaltes und werden immer als sinnlos erlebt.: ›✓ ö s t e r r e i c h i s c h e ä r z t e z e i t u n g ‹ 1 7 ‹ 1 0 . s e p t e m b e r 2 0 0 6 : Sie drängen sich den Patienten auf. Zwangsgedanken werden als eigene Gedanken erlebt, auch wenn sie als abstoßend empfunden werden. Zwangshandlungen hingegen sind stereotype Bewegungen, die ständig wiederholt werden. Diese Stereotypien erfüllen weder einen Zweck noch werden sie vom Patienten als angenehm empfunden wie zum Beispiel zählen, wiederholen oder ordnen. Eine Sonderform ist der Waschzwang. Die Patienten sind einem unangenehmen, quälenden und angstbesetzten emotionalen Stress ausgesetzt. Das Spektrum der Symptome ist breit und reicht von abnormer Risikoabschätzung mit erhöhter Angstbereitschaft über pathologische Zweifel hin bis zu einem inneren Unvollständigkeitsgefühl. Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen Diese Erkrankungen unterscheiden sich sowohl ätiologisch als auch symptomatologisch von den restlichen Angststörungen. Ein außergewöhnlich belastendes Lebensereignis, das eine akute Belastungsreaktion hervorruft, oder eine besondere Änderung im Leben, die zu einer anhaltend unangenehmen Situation geführt hat, verur­ sacht eine Anpassungsstörung. Je nach Schwere, syndromaler Ausprägung und Verlaufsdynamik dieser Störungen unterscheidet man folgende Typen: akute Belastungsstörung, posttraumatische Belastungsstörung und Anpassungsstörung. a) Akute Belastungsstörung Sie ist definiert als eine vorübergehende beträchtliche Störung, der in der Regel ein Trauma von ungewöhnlicher Schwere vorausgeht. Typischerweise klingt die Störung nach Stunden bis einigen Tagen wieder ab. 44 b) Posttraumatische Belastungsstörung Dieser geht ein Ereignis oder ein Geschehen von außergewöhnlicher Schwere beziehungsweise katastrophalem Ausmaß voraus, was nahezu bei jedem Menschen eine tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Dazu gehören Naturereignisse oder von Menschen verursachte Katastrophen wie Kampfhandlungen und schwere Unfälle. Innerhalb von sechs Monaten nach dem Belastungsereignis oder nach dem Ende einer Belastungsperiode entsteht eine protrahierte Reaktion. Gekennzeichnet ist diese Störung durch anhaltende Erinnerungen und Wiedererlebung der Belastung durch so genannte Flash backs („NachhallErinnerungen“) oder in Träumen. Konsequenterweise werden von den Betroffenen jene Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen, gemieden. Weitere Symptome sind: das Gefühl, betäubt zu sein, emotionale Stumpfheit, Ein- und Durchschlafstörungen, Reizbarkeit, Vigilanz, Schreckhaftigkeit, Wutausbrüche sowie Konzentrationsschwierigkeiten. Diese Störung steht aktuell ganz besonders im Zentrum der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit, sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Therapieforschung. Die Dimension dieses Problems wurde bisher weit unterschätzt. Anpassungsstörung Im Gegensatz zur prosttraumatischen Belastungsstörung ist die Belastung, der die Betroffenen ausgesetzt sind, nicht von katastrophalem Ausmaß. Die Belastung kann beispielsweise eine schwere körperliche Krankheit, ein Trauerfall oder auch eine Trennung sein. Die Symptomatik steht in direktem zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis und beginnt meist innerhalb eines Monats. Sie dauert meist nicht länger als sechs Monate; im Einzelfall bis zu zwei Jahre. Die Anpassungsstörung imponiert symptomatologisch als affektive Störung, Angststörung oder somatoforme Störung. Die Kriterien der einzelnen Störungen werden dabei aber nicht erfüllt. Der Patient steht unter einem hohen Leidensdruck, ist emotional beeinträchtigt und in seiner sozialen Funktion und Leistung eingeschränkt. In Bezug auf Art und Schweregrad der Symptomatik bestehen große Unterschiede. Früher hat man unter diesem Begriff die „reaktiven Depressionen“ summiert. Ätiopathogenese Die Neurobiologie der Angst Bei Angststörungen findet man als neurobiologisches Korrelat Balancestörungen der Neurotransmitter Serotonin, Noradrenalin, Dopamin, GABA und Glutamat (siehe Grafik 2, S. 49). Daraus ergibt sich die Sinnhaftigkeit pharmakologischer Interventionen, die diese Transmittersysteme beeinflussen. Unter neuroanatomischen Gesichtspunkten muss dem Corpus amygdaloideum eine zentrale Bedeutung als „Schaltstelle der Angst“ beigemessen werden. Hier werden exogene Reize verarbeitet (konditionierte und unkonditionierte Angststimuli) und weiter zu Regionen des Hypothalamus und des Hirnstamms projiziert, um Furcht- und Angstreaktionen zu vermitteln. Dem Corpus amygdaloideum vorgeschaltet sind die noradrenergen Neurone des Locus coeruleus. Außerdem können sich Störungen der Schilddrüse, der Nebenniere und der Wachstumshormone negativ auf die Entwicklung einer Angsterkrankung auswirken. Einen Überblick über die neurophysiologischen Vorgänge bei der Entstehung von Angst gibt die Grafik 1 (Seite 45). Bei bis zu sieben Prozent der Bevölkerung scheint eine genetische Prädisposition vorzuliegen. Neben neurobio­ › österreichische ärztezeitung ‹ 17 ‹ 10. september 2006 DFP - Literaturstudium Neurobiologie der Angst Panikstörung Generalisierte Angststörung Soziale Angststörung Genetik: Familiäre Häufung Ja Ja Ja Hinweise für Störungen im Ser- Ja Wirksamkeit seroto- Vereinzelt Wirksamkeit Ja otoninsystem nerger Medikamente serotonerger Medikamente Hinweise für Störungen der Ja (NA, Adrenalin und Do- Verminderung der Zahl der Ja (NA) Katecholamine pamin) α2-Adrenorezept. Wirksam keit noradrenerger Medika mente Hinweise für Störungen des Ja Ja GABA-Benzodiazepinrezeptor Veränderungen in der HPA- Achse Ja Nein Teilweise Störung der Immunfunktion Gering Ja (einem chronischen Stresszustand entsprechend) Provokationstest Positiv für Laktat, CCK, Positiv für Laktat (schwäch- Positiv für CO2, CCK NaHCO3, CO2, Hyperven- er), CCK (schwächer) tilation, Adrenalin, NA, Koff- ein Überempfindlichkeit von CO2 Ja Sensoren EEG- Veränderungen Teilweise Ja (rechter Frontallappen) Veränderungen in der Bildgebung Neuroanatomie (Temporal- Widersprüchlich und inkon- Neuroanatomie (Putamen, lappen) zerebraler Blutfluss inkonsistent bezüglich Blut- Amygdala, Basalganglien) fluss und Neuroanatomie Zerebraler Blutfluss CCK: Cholezystokinin NA: Noradrenalin NaHCO3: Natriumbikarbonat logischen Erklärungsmodellen gibt es psychologische Modelle, zu diesen zählen die Persönlichkeitsmodelle, das lerntheoretische Modell, kognitive Schemata und die psychodynamischen Modelle. Mit Hilfe des Vulnerabilitäts-Stress-Modells können neurobiologische und psychologische sowie genetische Modelle in Einklang gebracht werden. Liegt bei einem Patienten die Spezifische Phobie Ja Ja Hinweise Tab. 2 entsprechende biologische Vulnerabilität vor, kann es durch psychosozialen Stress zum Ausbruch einer Angsterkrankung kommen. Die häufigsten : psychosozialen Ursachen sind Neurophysiologische Vorgänge bei Angststörungen › österreichische ärztezeitung ‹ 17 ‹ 10. september 2006 Grafik 1 45 Benzodiazepine Benzodiazepin Dosierung mg/Tag HWZ Aktive Metaboliten Alprazolam 0,5 -4 mg 10-15h Alpha-Hydroxyalprazolam (für klinische Wirkung kaum von Bedeutung) Bromazepam 3-24 mg 10-20h Chlordiazepoxid 5-150 mg 5-30h Demoxazepam (HWZ ca. 45h) Nordazepam(HWZ bis zu 200h) Clobazam 10-120 mg 12-60h Desmethylclobazam (HWZ ca. 50-100h) Clonazepam 2-5mg (bis max. ca. 40h - 15 mg) Diazepam 5-100 mg 20-40h Nordazepam(HWZ bis zu 200h) Oxazepam (HWZ 4-15h) Dikaliumclorazepat 10-100mg 1-2h Nordazepam(HWZ bis zu 200h) (36-200h) Lorazepam 1-10mg 8-24h - Oxazepam 15-150 mg 4-15h - Prazepam Nordazepam(HWZ bis zu 200h) : emotional belastende Ereignisse in der Kindheit beziehungsweise in der Jugend, Missbrauch, das Modell-Lernen am Beispiel ängstlicher, vermeidender Eltern oder auch ungünstige Bindungsstile der Eltern in Betracht. Medikamentöse Therapie Die Pharmakotherapie der Angsterkrankungen hat seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine große Entwicklung gemacht. Während anfänglich Angstsymptome zunächst durch Barbiturate, später durch Benzodiazepine behandelt („gedämpft“)) wurden, rückten Antidepressiva im Laufe der Zeit immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses. Grundsätzlich sollte sich die pharmakologische Therapie der Angsterkrankungen ähnlich der Behandlung der Depression in drei Phasen gliedern: Phase I: Die Behandlung in der Akutphase sollte symptomatisch sein und dem Patienten die Anspannung nehmen. In dieser Phase sind Anxiolytika vom Benzodiazepin-Typ meist unverzichtbar. Dennoch sollte schon jetzt mit einer wirksamen antidepressiven Therapie begonnen werden. 46/47 Kommentare Anxiol. Potenz Möglicherweise höheres Abhängig- +++ keitspotential als Vergleichspräparate Sicheres Anxiolytikum ++ Kumulationsgefahr wegen lang wirk- + samer Metaboliten Kumulationsgefahr wegen lang wirk- ++ samer Metaboliten Sicheres Anxiolytikum; First line-Anti- +++ konvulsivum Kumulationsgefahr; Schnellster Wirk- ++ ungseintritt aller Benzodiazepine Sehr gute Sedierung Pro-drug; wird im sauren Magen- ++ milieu zum aktiven Nordazepam hydroxylysiert Schneller Wirkungseintritt; Hochpo- +++ tente Anxiolyse Langsame Absorption bei kurzer +++ HWZ; Sicheres Anxiolytikum Pro-Drug, wird langsam zum aktiven + Metaboliten Nordazepam hydroxylysiert; Wirkungseintritt erst nach 3-7h Phase II: Nach der Stabilisierung folgt eine Erhaltungstherapie, die grundsätzlich ein Ausschleichen des Tranquilizers vorsieht. Phase III: Schließlich wird mit einer prophylaktischen Therapie ein Rückfall verhindert. Heutzutage kommen Medikamente der verschiedensten Substanzgruppen für die Behandlung einer Angsterkrankung in Betracht, wobei die größte Bedeutung den modernen Antidepressiva zukommt. Dennoch sollte man nicht auf die Benzodiazepine vergessen, die vor allem in der Akutphase eine wichtige Rolle spielen. In der Folge werden die wichtigsten Präparate dargestellt. Benzodiazepine Benzodiazepine zeichnen sich durch einen raschen Wirkungseintritt aus, oft schon innerhalb der ersten 30 Minuten nach Verabreichung. Sie schaffen zumeist einen akuten Durchbruch bei hartnäckigen Angstsymptomen. Werden sie zusammen mit Antidepressiva verabreicht, kommt es zum „boostern“ der serotonergen Wirkung. Ein großer Vorteil der Anxiolytika vom Benzodi- Tab. 3 azepin-Typ ist, dass sie zusätzlich schlaffördernd wirken, was vor allem die subjektive Schlafqualität verbessert. Bei Angsterkrankungen ist ja oftmals der Schlaf gestört. Die anxiolytische Wirkung der Benzodiazepine ist ferner durch zahlreiche wissenschaftliche Studien über Jahrzehnte belegt, wobei festzustellen bleibt, dass die Wirksamkeit bei Zwangserkrankungen mäßig und bei der posttraumatischen Belastungsstörung unzureichend ist. Bei komorbider Depression (bei bis zu 50 Prozent der Betroffenen) ist mit der Behandlung mit Benzodiazepinen eher weniger ein klinischtherapeutischer Effekt zu erwarten. Benzodiazepine sind im Allgemeinem gut verträglich, relativ sicher hinsichtlich Überdosierung. Dennoch sind sie durch die sedierenden Nebenwirkungen wie zum Beispiel Schläfrigkeit, Fehlkoordination oder Amnesie problematisch für manche Patienten. Innerhalb der Gruppe der Benzodiazepine gibt es große Unterschiede hinsichtlich der Pharmakokinetik und des Metabolismus. Einige Benzodiazepine haben ein großes Interaktionspotential, da sie dem oxidativen Metabolismus in : der Leber unterliegen. › österreichische ärztezeitung ‹ 17 ‹ 10. september 2006 : Problematisch bei der Behandlung mit Benzodiazepinen sind vor allem das Abhängigkeitspotential, die Toleranzentwicklung, und die Möglichkeit des Wiederauftretens der Zielsymptomatik bei zu raschem Absetzen. Ebenso sind Rebound-Phänomene möglich; vor allem nach längerer Einnahme kommt es zu körperlichen Entzugssymptomen (Krampfrisiko). Aus diesem Grund sollten Benzodiazepine – abgesehen von Ausnahmefällen – auf die Akutbehandlung beschränkt sein; weiters sollten sie immer ausschleichend abgesetzt werden. Benzodiazepine sollten die Brücke zur serotonergen Langzeitwirkung der Antidepressiva darstellen. Dabei sollten den kurzwirksamen Benzodiazepinen ohne aktive Metaboliten aufgrund der einfacheren und übersichtlicheren Pharmakokinetik der Vorzug gegeben werden. Antidepressiva Bereits in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde über den anxiolytischen Effekt dieser Medikamente berichtet. Imipramin wurde in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts als potentes Medikament zur Behandlung von Panikattacken propagiert. Weiters zeigte sich, dass Monoaminooxidase-Inhibitoren (MAOI) wie zum Beispiel Tranylcypromin antiphobische Effekte aufweisen. Mit dem Aufkommen der SSRI (Selective Serotonin Reuptake Inhibitors) begann eine neue Ära bei der Behandlung der Angst, wobei diese modernen Therapeutika auch wesentlich besser in Studien erforscht wurden. Außerdem gibt es heute einige neuere Antidepressiva mit alternativem Wirkansatz, die in diversen Studien viel versprechende Ergebnisse hinsichtlich anxiolytischer Aktivität liefern. Einen Überblick über das Indikationsspektrum gängiger Antidepressiva liefert Tabelle 4. 48 a) Selektive Serotonin Reuptake inhibitors (SSRI) SSRI erhöhen die Verfügbarkeit von Serotonin im synaptischen Spalt durch die Blockade des Rücktransportes in die Neuronen. Sechs SSRIs sind momentan auf dem Markt erhältlich: Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin und Escitalopram. Bei Angsterkrankungen sind SSRI Therapie der ersten Wahl. Für die Behandlung der Akutphase einer Angster- krankung wird die additive Gabe eines Benzodiazepins empfohlen, da es zu Beginn manchmal zu Angstverstärkung, Zittrigkeit, Schlaflosigkeit und Unruhezuständen kommen kann. Diese Vorgangsweise sollte jedoch auf die Akutbehandlung beschränkt bleiben. Generell sollte bei selektiven SerotoninWiederaufnahmehemmern (SSRIs) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRIs) zu Beginn eine reduzierte Standarddosis verord- Antidepressiva bei Angststörungen Wirkstoff Rezeptor- Dosis Indikation Indikation Indikation Sonstige Nebenwir profil mg/die Sozialphobie Panikstörung Zwang Indikatonenkungen Citalopram 5 HAT 20-60 - + + GIT; AKA; SEX Escitalopram 5 HAT 10-30 + + - GIT; AKA; SEX Fluoxetin 5 HAT 20-80 - - + BUL GIT; AKA; SEX Fluvoxamin 5 HAT 100-300- - + GIT; AKA; SEX Paroxetin 5 HAT 20-50 + + + GAD; GIT; AKA; PTSD SEX Sertralin 5 HT; DA 50-200 + + + GAD; PTSD GIT; AKA; SEX Duloxetin 5 HT; NA 60-120 - - - SCH GIT; AKA Milnacipran 5 HT; NA 50-200 - - - SCH GIT; AKA Venlafaxin ER5 HT; NA; 75-375 + - - GAD RR↑ DA; 5 HT2 Mirtazapin 5 HT; NA; 15-60 - - H1; 5 HT2; α2 Tianeptin 5 HAT 37,5 - - Moclobemid MAO 300-600+ - Reboxetin NA 4-12 - - Clomipramin 5 HT; NA; 75-225 + + + COR; DA; SEX; KG↑ 5 HT2; α2 Amitryptilin 5 HT; NA; 50-300 - - - SCH; COR; H1; 5 HT2; SST SEX; KG↑ α2 DA Doxepin 5 HT; NA 100-300- + + COR; SEX; KG↑ BUL: Bulimia nervosa; GAD: Generalisierte Angststörung; PTSD: Posttraumatische Belastungsstörung; SCH: Schmerzstörung; SST: Schlafstörung; TRMD: Therapieresistente Maior Depressio; GIT: Gastrointestinale NW; AKA: akathisieähnliche Unruhezustände; SEX: Sexuelle Dysfunktion; COR: Cardiale NW im Sinne von Reizleitungsstörungen; KG↑: Gewichtszunahme; RR↑: Blutdruckanstieg; Tab. 4 › österreichische ärztezeitung ‹ 17 ‹ 10. september 2006 DFP - Literaturstudium Handelsnamen Antidepressiva SSRI Antidepressiva SNRI Antidepressiva Trizyklika Citalopram: Seropram® Duloxetin: Cymbalta® Amitryptilin: Saroten® Fluoxetin: Fluctine® Milnacipran: Ixel® Clomipramin: Anfranil® Fluvoxamin: Floxyfral® Mirtazapin: Mirtabene® Doxepin:Sinequan® ® ® Paroxetin: Seroxat Venlafaxin ER: Efectin ER Sertralin: Tresleen® Escitalopram: Cipralex® net, das heißt einschleichend dosiert werden. In Analogie zur Therapie von depressiven Erkrankungen können bei Angsterkrankungen Dosierungsschritte beziehungsweise die Umstellung von Antidepressiva vorgenommen werden (siehe Tab. 2, Seite 45). Benzodiazepine Alprazolam: Xanor® Bromazepam: Lexotanil® Chlordiazepoxid: Limbitrol® Clobazam: Frisium® Clonazepam: Rivotril® Diazepam: Valium®, Gewacalm® Dikaliumclorazepat: Tranxilium® Lorazepam: Temesta®, Merlit® Oxazepam: Praxiten®, Adumbran® Prazepam: Demetrin® Andere Buspiron: Buspar® Hydroxyzin: Atarax® Reboxetin: Edronax® Tranylcypromin: Jatrosom® Pregabalin: Lyrica® Tianeptin: Stablon® Moclobemid: Aurorix® Tab. 5 Physiologische Rolle von Noradrenalin, Serotonin und Dopamin b) Serotonin und Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Venlafaxin ER ist für die Indikationen generalisierte Angststörung und Sozialphobie eine gut wirksame Substanz, was sowohl in Kurz- als auch Langzeitstudien mit hoher Signifikanz belegt werden konnte. Milnacipran ist für sich genommen sehr gut in dieser Indikation wirksam; außerdem stellt es eine günstige Alternative bei Patienten mit einer Lebererkrankung dar, da es keinem first pass-Effekt in der Leber unterliegt. Das dual wirkende Antidepressivum Duloxetin ist in Österreich noch nicht zugelassen; es zeigt eine sehr gute Wirksamkeit bei der Behandlung von Angststörungen. hung der synaptischen Freisetzung von Serotonin und Noradrenalin, ebenso zu einer Blockade der postsynaptischen 5 HT2 und 5 HT3-Rezeptoren sowie des H1 Histamin-Rezeptors. Mirtazapin zeigt gute Wirksamkeit bei Angstsymptomen; außerdem wirkt es günstig durch die Verbesserung der klinischen Schlafparameter. c) Mirtazapin Mirtazapin entfaltet seinen Wirkmechanismus über die präsynaptische Blockade von Alpha II Adrenozeptoren. Dabei kommt es zu einer Erhö- d) Trizyklische Antidepressiva(TZA) In dieser heterogenen Gruppe von Medikamenten wird die Anxiolyse durch die Wiederaufnahmehemmung › österreichische ärztezeitung ‹ 17 ‹ 10. september 2006 Grafik 2 von Serotonin und Noradrenalin bewirkt. Die Nebenwirkungen dieser Medikamentengruppe (wie zum Beispiel Sedierung) dürften zusätzlich einen günstigen Effekt haben. Die anxiolytische Wirksamkeitslatenz beträgt wie bei den SSRI zwei bis vier Wochen, in manchen Fällen sogar sechs Wochen und bei Zwangsstörungen generell länger. Bei der Anwendung von trizyklischen Antidepressiva in der klinisch notwendigen Dosierung kommt es häufig zu Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Obstipation, orthosta- : 49 : tischer Hypotension, Tachykardie, Sedierung, psychomotorischen Störungen, Gewichtszunahme etc. Aufgrund dieser zum Teil erheblichen Nachteile und mangelnder Sicherheit stellen Trizyklika Medikamente der dritten Wahl dar. e) Andere Antidepressiva Reboxetin ist ein selektiver Noradrenalin Reuptake Inhibitor (NARI). Die bisher vorliegenden Daten sind vielversprechend; es gibt Hinweise dafür, dass die Substanz bei Panikstörungen und bei der Sozialphobie wirksam ist. Tianeptin ist der einzige Vertreter aus der Gruppe der SRE (Serotonin Reuptake Enhancer). In klinischen Studien wurde eine Wirksamkeit bei der Behandlung von Angstsymptomen bei Depressionen mehrfach nachgewiesen. Der Wirkmechanismus (mitunter Beeinflussung von glutamatergen Neuronen) lässt eine gute Wirkung erwarten. Moclobemid ist ein reversibler Monoaminooxidase-Inhibitor (RIMA). Andere Präparate a) 5 HT1a Rezeptor-Agonisten Buspiron ist ein partieller Agonist am postsynaptischen 5 HT1a-Rezeptor. Die Substanz gilt als Klassiker bei der Behandlung der generalisierten Angststörung. Sie eignet sich auch zur Behandlung der Angstsymptome bei Depression. Bei der Panikstörung ist Buspiron jedoch nicht wirksam. Einige Wochen nach Therapiebeginn tritt die Wirkung ein; sie kann jedoch abgeschwächt sein, wenn der Patient zuvor Benzodiazepine genommen hat. Insgesamt wird Buspiron gut vertragen. Es kommt weder zu einer Abhängigkeit, zu einer Sedierung oder zu Absetzeffekten. Die Gabe ist nur als Dauermedikation zu empfehlen, da es keine Anhaltspunkte für akute anxiolytische 50/51 Wirkung gibt. Die Dosierung für Buspiron liegt zwischen 15 und 30 Milligramm. b) Hydroxyzin Hydroxyzin hat eine blockierende Wirkung an H1-Histaminrezeptoren, außerdem adrenolytische sowie anticholinerge Aktivität. Neben anxiolytischen und sedierenden werden auch antiemetische Eigenschaften beschrieben. Es gilt bei schwächerer Anxiolyse (als Benzodiazepine) als second lineTherapeutikum, zeigt jedoch kein Abhängigkeitspotential. Die empfohlene Tagesdosis liegt bei 50 bis 400 Milligramm. c) Antipsychotika Früher zeigte sich, dass die niedrigdosierte Gabe eines klassischen Neuroleptikums durchaus einen günstigen Effekt aufweisen kann, besonders bei der Behandlung der generalisierten Angststörung. Aufgrund des Risikos einer tardiven Dyskinesie ist die Verabreichung derartiger Medikamente nicht zu empfehlen. Derzeit geht man in einer Vielzahl von Studien der Frage nach, ob die modernen atypischen Antipsychotika bei Angsterkrankungen wirksam sind; ein Effekt ist aufgrund der 5 HT2-Blockade zu erwarten. d) Antiepileptika Pregabalin,ein Antiepileptikum der neueren Generation, das zusätzlich noch die Zulassung zur Behandlung des neuropathischen Schmerzes hat, zeigte in jüngeren Studien vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich Wirksamkeit bei der generalisierten Angststörung. Psychotherapeutische Behandlung Eine wichtige Voraussetzung für eine zielführende, effiziente psychotherapeutische Intervention stellt die Bereitschaft des Patienten dar, sich einer Psychotherapie unterziehen zu wollen. Wichtig dabei ist die Formulierung von Zielen, wobei hier auf die unterschiedliche Symptomatologie beziehungsweise Ausprägung der verschiedenen Subgruppen der Angsterkrankung eingegangen werden sollte. Außerdem ist der Patient darüber aufzuklären, dass eine völlige Symptomfreiheit möglicherweise nicht erreicht werden kann. Eine supportive Psychotherapie kann in jedem Fall sinnvoll sein: Die Aufklärung und ausführlich wiederholte Information über die Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten, ein problemorientiertes Gespräch und konkrete Ratschläge, die Vermittlung einer Lebensphilosophie, die Bestätigung und Hebung des Selbstwertgefühls, etc. stehen hier im Mittelpunkt dieser Therapieform. Angststörungen stellen im Allgemeinen eine Domäne der kognitiven Verhaltenstherapie dar, im Speziellen die phobischen Störungen. Eine exakte psychotherapie-spezifische Diagnose ist Voraussetzung für den Erfolg einer Therapie (siehe Tab. 6, Seite 52). Die kognitive Verhaltenstherapie ist aus der Sicht der evidence based medicine bei Phobien das psychotherapeutische Verfahren der ersten Wahl. Das Angebot ist vielfältig und teilweise krankheitsspezifisch. Darüber hinaus sind auch Ansätze aus der systemischen Therapie sowie dynamische (tiefenpsychologisch-psychoanalytische) psychotherapeutische Ansätze in Betracht zu ziehen. Psychodynamisch-psychotherapeutische Verfahren setzen speziell bei der Funktion des Angsterlebens in dysfunktionalen Beziehungsmustern an und zielen eigentlich nicht primär auf eine Symptomreduktion ab. Nicht zuletzt deshalb sind die psychodynamischen Kurz-Psychotherapien in vielen Fällen erfolgreich, weil unbewusste Tendenzen zur „Flucht in die Gesund: heit“ zur Wirkung gelangen. › österreichische ärztezeitung ‹ 17 ‹ 10. september 2006 Verhaltenstherapie bei Angststörungen (Rief, 1995) Panikattacke Agoraphobie Generalisierte Angst Exposition an körpereigenen Signalen Exposition an externen Auslösern Entspannungverfahren (z. B. Hyperventilationstest) Kognitive Umstrukturierg. Abbau von Vermeidungsverhalten Biofeedback „Sorgenexposition“ Kognitive Strategien zur Beruhigung : Im Gegensatz zu Verhaltenstherapeutischen Methoden, die vor allem die Symptomreduktion zum Ziel haben – also symptomorientiert sind – beeinflussen psychodynamische und systemische Therapien die Persönlichkeitsstrukturen und können dadurch eine bessere Symptombewältigung bewirken und u.a. die Compliance zur medikamentösen Therapie verbessern. Festzuhalten ist jedoch, dass bezüglich der Effektivität einer psychodynamischen Therapie bei Angsterkrankungen jegliche wissenschaftliche Evidenz im Sinn von kontrollierten Studien weitestgehend fehlt. Ein besonders erfolgreicher Ansatz, der sich auch in der täglichen Praxis be- währt hat, ist das rationale Modell des Teufelskreises. Dabei wird dem Patienten in einfacher Weise ein biologisch mitgesteuertes Reaktionsmodell als Krankheitsmodell nahe gebracht (siehe Grafik 3). Zusammenfassung Bei Angsterkrankungen handelt es sich um psychische Störungen, die einen hohen Chronifizierungsgrad aufweisen. Bedauerlicherweise liegt die Suizidrate ähnlich hoch wie bei Depressiven. Des Weiteren finden sich zahlreiche Probleme der Co-Morbitität mit anderen psychischen Störungen, vor allem mit Suchterkrankungen, speziell mit Alkoholismus. Frauen sind in aller Regel Soziale Angst Selbstsicherheitstraining Kommunikationstraining Rollenspiele In-vivo-Exposition Tabelle 6 häufiger betroffen. Insgesamt handelt es sich um eine Gruppe schwerwiegender Erkrankungen mit einem hohen gesundheitspolitschen Impact. Die vielfältigen pharmakotherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten stellen die Therapie der ersten Wahl dar; sie sind sinnvoller Weise in Kombination mit der Verhaltenstherapie anzuwenden. Mit diesen therapeutischen Möglichkeiten, bei denen es sich in der Regel um mittel- oder längerfristige Strategien handelt, ist es möglich, dass es bei einem Großteil der Betroffenen zu einer erhebliche Symptomminderung kommt. Dies führt in der Folge zu einer Reduktion der Krankheitslast und somit zu einer akzeptablen Lebensqua9 lität. *) Univ. Prof. Dr. Peter Hofmann und Dr. Bernd Reininghaus; beide: Universitätsklink für Psychiatrie Graz, Auenbruggerplatz 31, 8036 Graz; Tel.: 0316/ 385/83 415; Fax-DW 3556; E-Mail: [email protected] „Teufelskreis der Angst“ Lecture Board: Univ. Prof. Dr. Hans-Peter Kapfhammer/ Universitätsklinik für Psychiatrie Graz Univ. Prof. Dr. Michael Musalek/ Anton Proksch-Institut,Wien-Kalksburg Univ. Doz. Dr. Werner Schöny/ Landesnervenklinik Wagner-Jauregg, Linz Herausgeber: Universitätsklinik für Psychiatrie Graz 52 Grafik 3 Diesen Artikel finden Sie auch im Web unter www.arztakademie.at/ls › österreichische ärztezeitung ‹ 17 ‹ 10. september 2006