Recht –6– 1/2014 „Guter Preis bleibt (immer) guter Preis“? Steht die nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB zu bestimmende Vergütung für im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, in einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis zu diesen Leistungen, kann die der Preisbildung zugrundeliegende Vereinbarung sittenwidrig und damit nichtig sein. An die Stelle der nichtigen Vereinbarung über die Vergütung tritt die Vereinbarung, die Leistungen nach dem üblichen Preis zu vergüten. (Auszug aus dem amtlichen Leitsatz). Autorin: Birgit Appenrodt, Rechtsanwältin Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht Magdeburg So mancher Bauunternehmer wird sich von den Leitsätzen dieser BGH-Entscheidung vom 07.03.2013 nicht angesprochen fühlen. Denn was hat er mit wucherähnlichen Preisen und einem sittlich verwerflichen Gewinnstreben zu tun, wo er doch stets sauber kalkuliert und faire Preise anbietet. Dennoch kann aber auch für diesen Bauunternehmer die Entscheidung interessant sein. Insoweit beschäftigt sich der BGH im Rahmen seiner Entscheidung vom 07.03.2013 auch mit der in der Praxis so oft schwierigen Abgrenzung zwischen zusätzlichen und geänderten Leistungen und deren Schicksal hinsichtlich der Vergütung bei einem VOB/B-Vertrag. Beim BGB-Vertrag stellt sich die Frage einseitiger Leistungsänderungen durch den Auftraggeber nicht. Insoweit kennt das BGB ein einseitiges Leistungsänderungsrecht des Auftraggebers nicht. Auch besteht beim BGB-Vertrag kein Ausführungszwang hinsichtlich zusätzlicher Leistungen. Allerdings schuldet der Bauunternehmer auch bei einem BGBVertrag die vereinbarte Funktionstauglichkeit sowie, vorbehaltlich einer hiervon abweichenden Vereinbarung, die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik. Für hierfür erforderlich werdende zusätzliche Leistungen, und dies gilt insoweit auch, wenn sich zur Erreichung der vertraglich vereinbarten Funk- tionstauglichkeit bzw./und zur Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik Leistungsänderungen notwendig machen, steht dem Bauunternehmer, anders als bei einem VOB/B-Vertrag, wonach sich die Vergütung des Bauunternehmers aus der Urkalkulation ermittelt, gem. § 631 BGB die übliche Vergütung zu. Hinsichtlich geänderter Leistungen, so auch vom Auftraggeber verlangter zusätzlicher Leistungen, bedarf es insoweit beim BGB-Vertrag zunächst einer Einigung der Vertragsparteien. Bei einem VOB/B-Vertrag hingegen ist der Auftraggeber gem. § 1 Abs. 3 VOB/B berechtigt, einseitige Leistungsänderungen anzuordnen. Auch hat der Bauunternehmer gem. § 1 Abs. 4 VOB/B nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, mit auszuführen, außer wenn sein Betrieb auf derartige Leistungen nicht eingerichtet ist. Sowohl nach § 1 Abs. 3 VOB/B, dem Anordnungsrecht des Auftraggebers, die Leistungen zu ändern, als auch nach § 1 Abs. 4 VOB/B, dem Recht des Auftraggebers, zusätzliche Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, vom Bauunternehmer verlangen zu können, besteht für den Bauunternehmer insoweit ein Ausführungszwang. Der Bauunternehmer kann die Ausführung der geänderten bzw./und zusätzlichen Leistungen nicht verweigern mit der Begründung, der Auftraggeber habe sich zunächst mit ihm über die Vergütung zu verständigen. Werden durch Änderungen des Bauentwurfes oder andere Anordnungen des Auftragge- bers die Grundlage des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist zwar nach § 2 Abs. 5 VOB/B ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu vereinbaren. Diese Vereinbarung soll möglichst auch schon vor der Ausführung der Leistung vereinbart werden. Kommt es jedoch vor Ausführung der Leistungen zu keiner diesbezüglichen Vereinbarung, muss der Bauunternehmer die geänderten Leistungen zunächst ausführen und eine Klärung seiner Vergütungsansprüche im Nachhinein herbeiführen. Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, so hat der Bauunternehmer gem. § 2 Abs. 6 VOB/B einen Anspruch auf besondere Vergütung. Diese Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlungen für die vertraglichen Leistungen und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Auch hier sieht die VOB/B lediglich vor, dass eine entsprechende Vergütung zwischen dem Bauunternehmer und seinem Auftraggeber möglichst vor Beginn der Ausführungen vereinbart werden soll. Anders als bei einer geänderten Leistung schreibt jedoch § 2 Abs. 6 Nr. 1 VOB/B bei einer zusätzlichen Leistung vor, dass der Bauunternehmer seinen Vergütungsanspruch dem Auftraggeber ankündigen muss, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt. Auch wenn dem Bauunternehmer damit sowohl bei geänderten als auch bei zusätzlichen Leistungen ein – möglichst, insoweit aber nicht zwingend vor der Ausführung zu vereinbarender – Vergütungsanspruch zusteht, so hat die Ermittlung des neuen Preises bei einer geänderten Leistung auf der Grundlage der ursprünglichen Preiskalkulation des Bauunternehmers unter Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zu erfolgen. Die Höhe der Vergütung für zusätzliche Leistungen richtet sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertrag- § liche Leistung und den besonderen Kosten der zusätzlich geforderten Leistung. Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind und welche Leistungen zusätzlich zu vergüten sind, kommt es zunächst auf das gesamte Vertragswerk, und hier insbesondere auf die Leistungsbeschreibung an, zugleich aber auch auf die Frage, welche Leistungen nach den technischen Gegebenheiten zur Herstellung des Werkes erforderlich sind. Bei nicht vereinbarten Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 4 S. 1 VOB/B handelt es sich daher um solche Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistungen und des geschuldeten Werkerfolgs erforderlich sind, jedoch von dem, bezogen auf die einzelnen Ausführungsleistungen, vereinbarten Werklohn nicht erfasst sind. Die wichtigste Konsequenz für die Praxis lautet: Haben die Vertragsparteien die VOB/B vereinbart, so hat der Bauunternehmer nach § 1 Abs. 4 VOB/B nicht vereinbarte Leistungen, die zur Errichtung eines funktionstauglichen und zweckentsprechenden Werkes erforderlich sind, auf Verlangen des Auftraggebers mit auszuführen. Ausgenommen hiervon sind nur Leistungen, auf welche sein Betrieb nicht eingerichtet ist. Als Ausgleich hierfür gewährt § 2 Abs. 6 Nr. 1 S. 1 VOB/B dem Bauunternehmer einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung. Die Höhe der Vergütung für diese zusätzlichen Leistungen richtet sich nach der Grundlage der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten für die zusätzlich geforderten Leistungen. Die Urkalkulation des Bauunternehmers wird also bei der Ermittlung der Nachtragsvergütung fortgeschrieben. Nicht immer gilt hierbei „Guter Preis bleibt guter Preis“. (BGH, Urteil vom 07.03.2013 – VII ZR 68/10)