Nutzen eines krankenhausweiten Infektionspräventions

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Originalarbeit | Original article
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Nutzen eines krankenhausweiten Infektionspräventions-Programmes
zur Reduktion nosokomialer Infektionen und assoziierter Sepsisfälle
(ALERTS) – Methodik und Zwischenergebnisse
Autoren
S. Hagel1,2,3 K. Ludewig2,4 J. Frosinski2,3 R. Hutagalung2 C. Porzelius2,5 P. Gastmeier6 S. Harbarth7
M.W. Pletz1,2 F.M. Brunkhorst4,8,9
Institut
1 Institutsangaben am Ende der Arbeit
Zusammenfassung
▼
Hintergrund und Fragestellung: Nosokomiale
Infektionen (NI) gehören zu den häufigsten Komplikationen eines Krankenhausaufenthaltes, erhöhen Morbidität und Mortalität und verursachen hohe Zusatzkosten. Primäres Ziel der
ALERTS-Studie ist es zu zeigen, dass durch eine
aktive Implementierung eines krankenhausweiten Infektionspräventionsprogrammes die Rate
nosokomialer Infektionen und einer damit assoziierten Sepsis um mindestens 20 % reduziert
werden kann.
Methodik: Prospektive, interventionelle Kohortenstudie im Vorher-Nachher Design (Quasi-experimentelles Studiendesign). Ein Studienzentrum mit 12 teilnehmenden Fachabteilungen (27
Nomalpflegestationen und 4 Intensivtherapiestationen) mit insgesamt 809 Betten. Die Surveillance von NI erfolgt mittels eines computerbasierten Algorithmus, basierend auf der Gabe
von antimikrobiellen Substanzen bei Patienten
mit einem erhöhten Risiko für NI (d. h. Vorliegen
von Venen- oder Harnblasenkathetern, operative
Eingriffe). Im Anschluss an die erste Surveillance-Periode erfolgt die aktive Implementierung eines krankenhausweiten Infektionspräventionsprogrammes, welches die Implementierung von Maßnahmenbündel zur Vermeidung
der vier häufigsten NI und eine stringente Umsetzung von Empfehlungen zur Händedesinfekti-
on beinhaltet. Beginnend im Mai 2013 erfolgt
gegenwärtig eine 18-monatige zweite Surveillance-Periode, in welcher der Erfolg der Maßnahmen beurteilt werden soll.
Ergebnisse: Eine Zwischenauswertung der ersten Surveillance-Periode (09/2011–08/2012) ergab, dass in dieser Zeit 30 631 Patienten auf den
teilnehmenden Stationen behandelt wurden. Basierend auf den CDC-Kriterien wurden 1637 nosokomiale Infektionen erfasst, was einer Inzidenz von 5,3 % entspricht. Basierend auf einer
klinisch-infektiologischen Beurteilung, unabhängig von den CDC-Kriterien, wurden zusätzlich
944 NI diagnostiziert (Gesamtinzidenz: 8,4 %, n = 2581). Bei einem erheblichen Anteil der Patienten entwickelte sich eine schwere Sepsis bzw.
ein septischer Schock als Folge der NI (tiefe
Atemwegsinfektion, n = 279 [37 %]; postoperative
Wundinfektion, n = 114 [25 %]; primäre Sepsis,
n = 110 [32 %]; sympt. Harnwegsinfektion, n = 46
[8 %]; andere, n = 87 [22 %]).
Folgerung: Bei Anwendung der CDC-Definitionen wird ein substantieller Anteil an nosokomialen Infektionen nicht erfasst, das reale Problem
der nosokomialen Infektionen wird demnach unterschätzt. Weiterhin konnte gezeigt werden,
dass es bei einem erheblichen Anteil nosokomialer Infektionen zu einer Progression von einer lokalisierten Infektion zu einer schweren Sepsis
bzw. septischen Schock kommt.
Einleitung
▼
Eine nosokomiale Infektion (NI) ist nach § 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) „eine Infektion mit
lokalen oder systemischen Infektionszeichen als
Reaktion auf das Vorhandensein von Erregern
oder ihrer Toxine, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer stationären oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die
Infektion nicht bereits vorher bestand“ [11]. Non
sokomiale Infektionen führen zu zusätzlichem
Leid für die Patienten und deren Angehörigen,
zusätzlichen Anstrengungen für das Personal
und zusätzlichen Ausgaben für den Krankenhausträger und schlussendlich für die Solidargemeinschaft. Aufgrund ihrer weitreichenden Konsequenzen ist die Prävention von NI in den vergangenen Jahren vermehrt in das zentrale Blick-
Prävention, Infektiologie
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Schlüsselwörter
nosokomiale Infektionen
Sepsis
Patientensicherheit
Epidemiologie
q
q
q
q
Keywords
healthcare associated
infections
sepsis
patient safety
epidemiology
q
q
q
q
eingereicht 03.05.2013
akzeptiert 25.07.2013
Bibliografie
DOI 10.1055/s-0033-1349481
Dtsch Med Wochenschr 0
2013;
1380
0:1717–1722 · © Georg
Thieme Verlag KG · Stuttgart ·
New York · ISSN 0012-04721439-4 13
Korrespondenz
Prof. Dr. med. Frank Martin
Brunkhorst
Zentrum für Klinische Studien,
Universitätsklinikum Jena
Salvador-Allende Platz 27
07747 Jena
Tel. 03641/9-323384
Fax 03641/9-34795
eMail frank.brunkhorst@
med.uni-jena.de
Korrekturexemplar: Veröffentlichung (auch online), Vervielfältigung oder Weitergabe nicht erlaubt! n
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Effectiveness of a hospital-wide educational programme for infection control to reduce the rate of
health-care associated infections and related sepsis (ALERTS) – methods and interim results
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feld von Patientenverbänden, Ärzten, Krankenhäusern und
Gesundheitsbehörden gerückt, was sich unter anderem in der
Novellierung des IfSG im Juli 2011 widerspiegelt.
Epidemiologie
Pro Jahr treten ca. 400 000 bis 600 000 NI in Deutschland auf.
Bei geschätzten 7500–15000 Patienten waren sie die Todesursache [4]. Erst kürzlich wurden die Ergebnisse der ersten europäischen Prävalenzerhebung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) zum Vorkommen von NI veröffentlicht. Insgesamt beteiligten sich 132 deutsche Krankenhäuser
mit 41539 Patienten an dieser Erhebung. Die Prävalenz in
Deutschland lag bei 3,9 %. Die häufigsten Infektionen waren
Harnweginfektionen (23 %), postoperative Wundinfektionen
(24 %) und untere Atemwegsinfektionen (22 %), gefolgt von C.difficile-Infektionen (6 %) und primärer Sepsis (6 %). Die häufigsten
Erreger von NI waren E.coli (18 %), Enterokokken (13 %) und
S.aureus (13 %) [1]. Eine vorab durchgeführte Pilotstudie mit 66
Krankenhäusern aus 23 Ländern zeigte eine Prävalenz von 7,1 %
[14]. Im internationalen Kontext liegt die Prävalenz in Deutschland somit in einem vergleichsweise günstigen Rahmen.
Kosten
Bezüglich der ökonomischen Konsequenzen von NI in Deutschland gibt es nur wenige Daten. Eine aktuelle Studie konnte zeigen, dass Patienten mit einer beatmungsassoziierten tiefen
Atemwegsinfektion eine durchschnittlich um 9 Tage längere
Krankenhausverweildauer aufweisen und Zusatzkosten von insgesamt 17015 € entstehen [8]. Eine Studie aus Hannover konnte
zeigen, dass für jeden Patienten mit einer nosokomialen Harnwegsinfektion, durch eine durchschnittliche Verlängerung der
Krankenhausverweildauer von 4 Tagen, zusätzliche Kosten von
etwa 1000 € entstehen [13]. Schätzungen aus den USA zeigen,
dass den Krankenhäusern jährlich insgesamt bis zu 30 Milliarden US $ direkte Zusatzkosten aufgrund NI entstehen [12].
Präventionspotenzial
Während die Gruppe von NI, die ihren Ursprung in exogenen Erregern haben, generell vermeidbar sein sollten, können endogen
bedingte NI nur teilweise verhindert werden. Im Rahmen von
KISS (Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System) konnten
bei verschiedenen NI wiederholt und in unterschiedlichen Zeitperioden signifikante Reduktionsraten von 20–30 % nachgewiesen werden. In einigen Krankenhäusern, vor allem solchen mit
hohen Ausgangsinfektionsraten, kann das Reduktionspotenzial
auch bis zu 40 % oder mehr betragen. Somit sind von den jährlich 400 000–600 000 NI ca. 80 000–180 000 NI und ca. 1500–
4500 assoziierte Todesfälle potenziell vermeidbar [5].
ALERTS-Studie
Aktuell liegen keine Studien vor, welche die Effektivität eines
krankenhausweiten, multimodalen aktiven Programms zur Prävention nosokomialer Infektionen untersucht haben. Entweder
wurden nur ausgewählte Bereiche im Krankenhaus (z. B. Intensivtherapiestationen), einzelne Maßnahmen (z. B. Händedesinfektion) oder aber Maßnahmenbündel zur Prävention einer einzelnen nosokomialen Infektion (z. B. Gefäßkatheter-assoziierte
Infektionen) untersucht. Weiterhin wurden viele Studien eher
in solchen Krankenhäuser durchgeführt, die eine hohe Ausgangsinfektionsrate hatten und aufgrund dessen eine höhere
Reduktion an NI erwartet werden konnte. Daten, wie häufig es
zu einer Progression von einer lokalisierten NI zu einer schwe-
ren Sepsis/septischem Schock kommt, sind ebenfalls nicht verfügbar. Ziel der ALERTS-Studie ist es, erstmals wissenschaftliche
Grundlagen für ein krankenhausweites Infektionspräventionsprogramm zu schaffen und zu zeigen, dass hierdurch die Rate
der NI und der damit verbundenen septischen Komplikationen
um mindestens 20 % reduziert werden kann. Neben dem primären Studienziel werden gesundheitsökonomische Aspekte untersucht (COST – ALERTS) und ein klinischer Risikoscore (RISK –
ALERTS) und laborchemische Parameter (LAB – ALERTS) zur
frühzeitigen Identifizierung von Patienten mit einem erhöhten
Risiko für eine Progression von einer lokalisierten NI zu einer
schweren Sepsis/septischem Schock entwickelt bzw. identifiziert. Die Studie wird seit August 2011 in dem Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) „Sepsis und Sepsisfolgen“ am Universitätsklinikum Jena durchgeführt. Nachfolgend
werden Zwischenergebnisse der ersten Surveillance-Periode
präsentiert.
Methodik
▼
ALERTS ist eine prospektive, monozentrische, interventionelle
Kohortenstudie im Vorher-Nachher-Design (quasi-experimentelles Studiendesign). Hierbei handelt es sich um ein gängiges
Studiendesign im Bereich der Prävention nosokomialer Infektionen. Nachteil des nicht-randomisierten Studiendesign ist die
Tatsache, dass z. B. konfundierende Variablen oder Störvariablen
nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Eine Randomisierung, z. B. auf Stationsebene einer Fachabteilung, ist jedoch
nur eingeschränkt möglich, da sich die Patienten zwischen den
Stationen in ihrem Krankheitsbild und Schweregrad teilweise
deutlich unterscheiden und die Mitarbeiter ebenfalls nicht einem einzigen Bereich (z. B. Station) zugeordnet sind. Eine klare
Trennung einer Intervention ist somit schwer umsetzbar und
Effekte einer Intervention nur schwer vergleichbar.
Das Universitätsklinikum Jena (UKJ) ist ein Haus der Maximalversorgung mit 1566 Betten und ca. 4500 Mitarbeitern, die personelle Besetzung des Hygienefachpersonal entspricht den
Empfehlungen der KRINKO von 2009 [9]. Jährlich werden am
UKJ über 52 000 Patienten stationär behandelt. An der ALERTSStudie nehmen 27 Normal- und 4 Intensivtherapiestationen der
zentralen Abteilungen (q Tab. 1) mit insgesamt 809 Betten teil
(Normalstation: 737, Intensivstation: 72). Zur Erhebung der Inzidenz nosokomialer Infektionen erfolgte vom 1. September
2011 bis zum 31. August 2012 eine erste Surveillance-Periode,
an die sich die Intervention mit Implementierung der Infektionspräventionsmaßnahmen anschließt. Nachfolgend erfolgt
über 18 Monate eine erneute Surveillance-Periode zur Messung
der Ergebnisqualität (April 2013 bis September 2014). Das Studienpersonal besteht aus drei Krankenschwestern und zwei
Ärzten (ein Internist/Infektiologe, ein Anästhesist/Intensivmediziner), die in Vollzeit mit der Durchführung der Studie betraut
sind und in der Surveillance nosokomialer Infektionen, u. a. im
„NRZ für die Surveillance von nosokomialen Infektionen“ in
Berlin, geschult wurden. Ein positives Votum der lokalen Ethikkommission und des Datenschutzbeauftragten wurde vor Beginn der Studie eingeholt. Die Anmeldung im Deutschen Register Klinischer Studien erfolgte unter DRKS00003166.
Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 1717–1722 · S. Hagel et al., Nutzen eines krankenhausweiten …
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Tab. 1
Liste der teilnehmenden Abteilungen.
1719
Tab. 2 Anzahl nosokomialer Infektionen nach Infektfokus (CDC: CDC Kriterien erfüllt, Non-CDC: CDC Kriterien nicht erfüllt).
Teilnehmende Abteilungen
Infektionsfokus
CDC (n,%)
Non-CDC (n,%)
Gesamt (n)
Intensivmedizin
Postoperative Wund-
Klinik für Innere Medizin II, Hämatologie, Internistische Onkologie
infektion
457
Klinik für Innere Medizin III, Nephrologie, Endokrinologie, Stoffwechselerkran-
3A1
131 (29 %)
–
131
kungen und Rheumatologie/Osteologie
3A2
92 (20 %)
–
92
Klinik für Innere Medizin IV, Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie
3A3
234 (51 %)
–
234
Klinik für Neurologie
Infektion der unteren
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie
Atemwege
Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
3Pneumonie
319 (57 %)
241 (43 %)
560
Klinik für Neurochirurgie
3Bronchitis
76 (38 %)
126 (62 %)
202
Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie
Primäre Sepsis
219 (64 %)
122 (36 %)
341
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Harnwegsinfektion
175 (38 %)
283 (62 %)
458
Klinik für Frauenheilkunde
C. difficile-Infektion
171 (100 %)
–
171
Klinik für Geriatrie
Andere Infektion
220 (56 %)
172 (44 %)
392
Summe
1637 (63 %)
944 (37 %)
2581
762
Surveillance
Die Identifikation von Patienten mit einer möglichen NI erfolgt
über die Verschreibung einer antimikrobiellen Therapie während des stationären Aufenthaltes. Diese Information wird täglich von dem Stationspflegepersonal der Normalstationen in der
elektronischen Patientenakte (COPRA) oder dem Krankenhausinformationssystem (SAP) dokumentiert. Wird bei einem Patienten, der eine Liegedauer von mehr als 48 h und mindestens
einen Risikofaktor für eine NI (operativer Eingriff, zentraler oder
peripherer Venenkatheter oder Harnblasenkatheter) aufweist,
eine antimikrobielle Therapie neu begonnen oder der Wirkstoff
gewechselt, erfolgt eine Meldung an das Studienpersonal. Dieses
evaluiert im Anschluss anhand klinischer, laborchemischer, mikrobiologischer und bildgebender Befunde, ob bei dem Patienten eine NI vorliegt. Im Gegensatz hierzu wird auf den Intensivtherapiestationen, aufgrund des breiten Einsatzes von antimikrobiellen Substanzen und des hohen Risikos für eine NI, bei jedem
Patienten
eine
patientenbezogene
Surveillance
durchgeführt. Die Definition der NI erfolgt gemäß den Empfehlungen des „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC)
[7]. Darüberhinaus erfolgt zusätzlich eine klinisch-infektiologische Einschätzung durch das Studienpersonal, um NI zu erfassen, welche nicht die CDC-Kriterien erfüllen (non-CDC). Neben
demographischen Daten werden Fokus und Therapie der Infektion sowie die SIRS- bzw. Organdysfunktionskriterien nach Definition der Deutschen Sepsis-Gesellschaft [10] über 5 Tage nach
Beginn der NI dokumentiert. Für die korrekte Berechnung der
Inzidenzdichte von Device-assoziierten Infektionen pro 1000
Device-Tage wird weiterhin durch das Stationspersonal täglich
für jeden Patienten das Vorhandensein eines zentralen bzw. eines peripheren Venenkatheters oder eines Harnblasenkatheters
dokumentiert.
maßnahmen zielen auf die Prävention der vier häufigsten NI
(Harnwegsinfektionen, Infektionen der unteren Atemwege,
postoperative Wundinfektionen und Gefäßkatheter-assoziierte
Infektionen). Aktuelle evidenzbasierte, internationale Empfehlungen zur Infektionsprävention sollen in pragmatische, im Stationsalltag einfach umzusetzende Maßnahmenbündel zusammengefasst werden. Für die Implementierung und Umsetzung
der Maßnahmen kommen Schulungen des Personals, Poster, Daten-Rückkopplung, öffentliche Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit, Checklisten und Optimierung von Arbeitsabläufen zum
Einsatz. Unter anderem wurde in Kooperation mit der BAUHAUS
Universität in Weimar eine Posterkampagne zur Händedesinfektion gestaltet (q Abb. 1). Die Schulung der Infektionspräventionsmaßnahmen werden während der zweiten Surveillance-Periode aktiv fortgeführt.
Ergebnisse
▼
In der ersten Surveillance-Periode wurden in den teilnehmenden Abteilungen 30 631 Patienten stationär behandelt, von denen 26 949 eine Liegedauer von mehr als 2 Tagen aufwiesen. In
Intervention
Ziel ist es, für jede Organisationsebene (z. B. Station) spezifische
Infektionspräventionsmaßnahmen in Form von Bündeln zu implementieren. Diese Maßnahmen richten sich nach den individuellen Bedürfnissen und Defiziten der jeweiligen Organisationsebene und werden mit Hilfe der Ergebnisse aus der ersten
Surveillance-Periode erarbeitet. Zentraler Punkt der Infektionspräventionsmaßnahmen wird eine Optimierung der Maßnahmen zur Händehygiene sein. Weitere Infektionspräventions-
Abb. 1 Posterkampagne in Kooperation mit der BAUHAUS Universität Weimar (©Sabrina Rossow).
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Klinik für Innere Medizin I Kardiologie, Angiologie, Pneumologie, Internistische
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Tab. 3
Andere
Infektionen
13%
Demographie (Patienten mit nosokomialer Infektion).
Parameter
Statistik
Alter in Jahren (Median, IQR)
70 (57–77)
Geschlecht
3Männlich
967 (53,75 %)
3Weiblich
832 (46,25 %)
Body-Mass-Index in kg/m2 (Mittelwert, SD)
27,01 ± 5,79
Bestehende Infektion bei Aufnahme (n, %)
628 (34,91 %)
Aufnahmeart
1799 (100 %)
3Elektiv operativ
576 (32,02 %)
3Elektiv konservativ
341 (18.95 %)
3Notfall operativ
329 (18.29 %)
3Notfall konservativ
553 (30.74 %)
Unterbringung vor Aufnahme
1799 (100 %)
3Eigene Wohnung
1276 (70,93 %)
3Altersheim/Pflegeheim
78 (4,34 %)
3Anderes KKH/Reha
386 (2,46 %)
3Unbekannt
59 (3,28 %)
Stationärer Voraufenthalt innerhalb 30 Tagen im UKJ (n, %)
495 (27,52 %)
C. difficile
Infektion
10 %
Primäre
Sepsis
13 %
Diskussion
▼
Die Auswertung der ersten Surveillance-Periode zeigt eine Inzidenz nosokomialer Infektionen nach CDC-Definition von 5,3 %.
Ein Vergleich mit bisherigen Studien zur Epidemiologie von NI
in Deutschland ist schwierig, da bisher nur vereinzelt Inzidenzuntersuchungen durchgeführt wurden. Ein Vergleich der Ergebnisse aus Querschnittsuntersuchungen ist nicht möglich, da Da-
Infektion der
unteren Atemwege
25 %
Symptomatische
Harnwegsinfektionen
11 %
Abb. 2 Verteilung der nosokomialen Infektionen (CDC-Definition, n = 1637).
40
35
37
33
30
diesen 12 Monaten wurden 1637 nosokomiale Infektionen nach
CDC-Definition erfasst. Dies entspricht einer Inzidenz von 5,3 %.
Zusätzlich wurden 944 Infektionen diagnostiziert, bei denen die
CDC-Kriterien nicht erfüllt waren, jedoch im Rahmen der klinisch-infektiologischen Einschätzung eine nosokomiale Infektion vorlag (non-CDC). Somit wurden insgesamt 2581 nosokomiale Infektionen bei 1825 Patientenfällen erfasst (Gesamtinzidenz 8,4 %) (q Tab. 2). Die Verteilung aller 2581 diagnostizierten
NI ist in q Abb. 2 dargestellt, eine Übersicht über demographische Parameter in q Tab. 3. Bei 3355 Meldungen, d. h. Episoden
von Beginn bzw. Wechsel der antimikrobiellen Therapie und
Vorliegen eines Risikofaktors für eine NI und einer Krankenhausverweildauer > 48 Stunden, konnte eine NI ausgeschlossen
werden. Gründe hierfür waren z. B. Therapie einer ambulant erworbenen Infektion oder Behandlung einer NI, die in einem externen Krankenhaus erworben wurde. Bei 37 % der Patienten
mit einer tiefen Atemwegsinfektion, bei 33 % der Patienten mit
einer primären Sepsis, bei 25 % der Patienten mit einer postoperativen Wundinfektion und 8 % der Patienten mit einer symptomatischen Harnwegsinfektion kam es zu einer Progression von
einer lokalisierten NI zu einer schweren Sepsis oder septischen
Schock (q Abb. 3). Diese Progression spiegelt sich auch in der
Rate der notwendigen Verlegungen von einer Normalstation auf
eine Intensivstation aufgrund der NI wider (Atemwegsinfektion:
25 %, primäre Sepsis: 17 %, postoperative Wundinfektion: 23 %,
sympt. Harnwegsinfektion: 6 %, Andere: 11 %). Weitere Analysen,
u. a. zur Inzidenzdichte Katheter-assoziierter Infektionen, gesundheitsökonomische Aspekte (COST-ALERTS) und Risikostratifizierung (RISK-ALERTS), sind noch nicht abgeschlossen.
Postoperative
Wundinfektionen
28 %
25
25
20
22
15
10
8
5
0
Atemwegsinfektion
Primäre
Sepsis
Wundinfektion
Harnwegsinfektion
Andere
Abb. 3 Progression von einer lokalisierten Infektion zu einer schweren
Sepsis oder septischem Schock (n = 2 581, Angaben in Prozent).
ten zur Prävalenz und Inzidenz von NI nicht uneingeschränkt
miteinander verglichen werden können. Die erste große nationale Inzidenzstudie ist die retrospektiv durchgeführte Studie
der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft (DKG) aus dem Jahr
1990, bei der 5561 Patienten hinsichtlich des Auftretens von NI
während des gesamten Krankenhausaufenthaltes beurteilt wurden. Hierbei wurden solche Infektionen, die frühestens am
zweiten Krankenhaustag auftraten, als NI definiert (keine CDCDefinitionen) und eine Inzidenz von 6,3 % ermittelt [2]. Eine
weitere umfangreiche Untersuchung wurde in den Jahren 1995
bis 1998 auf Intensivstationen und in chirurgischen Abteilungen
von 8 mittelgroßen Krankenhäusern im Raum Freiburg und Berlin durchgeführt (NIDEP 2). Prospektiv wurden mehr als 11 000
Patienten im Hinblick auf die Entwicklung einer nosokomialen
Infektion verfolgt, und es wurde eine Inzidenzrate von 6,9 % ermittelt [3]. Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit unseren Daten
ist jedoch nur eingeschränkt möglich, da sich die Untersuchungen zum einen in ihren Definitionen für nosokomiale Infektionen (DKG-Studie: keine CDC-Definition) und zum anderen in
der untersuchten Patientenpopulation (NIDEP-2: nur Patienten
der Chirurgie und Intensivmedizin) unterscheiden. Ebenfalls ist
es nur eingeschränkt möglich, unsere Ergebnisse generell auf
andere deutsche Krankenhäuser zu übertragen, da die Rate NI
u. a. von der Versorgungsstufe und der Patientenpopulation bzw.
dem case-mix abhängig ist. So hatten in der nationalen Prävalenzstudie des ECDC große Krankenhäuser (> 800 Betten) höhere Prävalenzraten als kleinere Krankenhäuser (Gesamtpräva-
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Die Verteilung der NI deckt sich mit den Ergebnissen der ECDCPrävalenzstudie für die Infektionen der unteren Atemwege
(ALERTS 25 % vs. 22 % ECDC), der postoperativen Wundinfektionen (ALERTS 28 % vs. 25 % ECDC) und bei den C.difficile-Infektionen (ALERTS 10 % vs. 7 % ECDC). Auffällig sind jedoch die Unterschiede bei den symptomatischen Harnwegsinfektionen
(ALERTS 11 % vs. 22 % ECDC) und bei der primären Sepsis
(ALERTS 13 % vs. 6 % ECDC). Ein Grund für die niedrige Rate an
nosokomialen Harnwegsinfektionen könnte in den unterschiedlichen Studiendesigns liegen. Die Surveillance nosokomialer Infektionen erfolgt in der ALERTS-Studie hauptsächlich anhand
klinischer, laborchemischer, mikrobiologischer und bildgebender Befunde und ist somit in einem hohen Maße auf die Qualität
der Krankenaktendokumentation der behandelnden Pflegekräfte und Ärzte angewiesen. Wichtige klinische Symptome (z. B.
Harndrang, erhöhte Miktionsfrequenz) für die Diagnose einer
Harnwegsinfektion nach CDC-Definition werden jedoch häufig
nicht dokumentiert und können somit nicht in die Beurteilung
einbezogen werden. Eine Untersuchung bzw. Befragung des Patienten durch das Studienteam wäre für die Qualität der Entscheidung, ob eine NI vorliegt, wünschenswert, aufgrund der
Anzahl der Meldungen (15–20 Stück/Tag) jedoch nicht umsetzbar. Im Gegensatz hierzu besteht bei Querschnittsuntersuchungen häufig die Gelegenheit das Pflegepersonal, die Ärzte oder
den Patienten direkt zu befragen, da er sich zu diesem Zeitpunkt
noch in Behandlung befindet. Die CDC-Kriterien für die Diagnose einer nosokomialen Harnwegsinfektion können somit exakter beurteilt werden.
Ein Grund für die erhöhte Rate an primären Sepsisfällen könnte
in der Diagnostikintensität liegen. Da nach den CDC-Definitionen erst der Erregernachweis in der Blutkultur eine Blutstrominfektion eindeutig anzeigt, wird die Chance, nosokomiale Blutstrominfektionen zu identifizieren, eindeutig höher, wenn viele
Kulturen abgenommen werden. Erst kürzlich konnten Gastmeier et al. für Deutschland zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen der Zahl an abgenommenen Blutkulturen und den ermittelten ZVK-assoziierten Sepsisraten besteht [6]. Unabhängig davon können natürlich auch Defizite im Bereich der Prävention
von Gefäßkatheter-assoziierten Infektionen eine Rolle spielen.
Wundinfektion, einer tiefen Atemwegsinfektion oder einer primären Sepsis, eine Progression zu einer schweren Sepsis oder
septischen Schock aufweisen und eine Verlegung von einer Normal- auf eine Intensivstation erforderlich macht. Dies impliziert
einen Einfluss auf die Morbidität und Mortalität sowie zusätzliche Behandlungskosten – beides Punkte, die in weiteren Analysen genauer betrachtet werden müssen. Limitierend muss erwähnt werden, dass in unserer Studie die Surveillance für postoperative Wundinfektionen nur bis zur Krankenhausentlassung
durchgeführt wird, und nicht 30 Tage postoperativ bzw. ein Jahr
bei Implantaten. Weiterhin kann ein Melde-Bias (fehlende Meldung bei Beginn bzw. Wechsel einer antimikrobiellen Substanz)
nicht ausgeschlossen werden, sodass die von uns ermittelten
Zahlen für NI möglicherweise nicht das ganze Ausmaß widerspiegeln.
Konsequenz für Klinik und Praxis
3Nosokomiale Infektionen führen zu zusätzlichem Leid für die
Patienten und deren Angehörigen, zusätzlichen Anstrengungen für das Personal und zusätzlichen Ausgaben für den
Krankenhausträger und die Solidargemeinschaft.
3Bei Anwendung der CDC-Definitionen wird ein substantieller
Anteil an nosokomialen Infektionen nicht erfasst – das reale
Problem der nosokomialen Infektionen wird demnach unterschätzt.
3Bei einem erheblichen Anteil nosokomialer Infektionen
kommt es zu einer Progression von einer lokalisierten Infektion zu einer schweren Sepsis bzw. septischen Schock
Förderung: Diese Arbeiten wurden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), FKZ: 01EO1002, gefördert.
Autorenerklärung: Die Autoren erklären, dass sie keine finanzielle Verbindung mit einer Firma haben, deren Produkt in diesem
Beitrag eine Rolle spielt (oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).
Institutsangaben
1Zentrum für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene,
Universitätsklinikum Jena
2Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum (IFB) Sepsis
und Sepsisfolgen (CSCC), Universitätsklinikum Jena
Unsere Ergebnisse zeigen weiterhin, dass ein großer Anteil nosokomialer Infektionen nicht erfasst wird, wenn man die CDCKriterien als Definition zu Grunde legt. In unserer Studie wurden 944 Infektionen diagnostiziert, bei denen die CDC-Kriterien
nicht erfüllt waren, jedoch im Rahmen der klinisch-infektiologischen Einschätzung eine NI vorlag. Dies entspricht 36 % aller erfassten NI, sodass vermutet werden kann, dass die bisherigen
Schätzung zum Vorkommen von NI das reale Problem unterschätzen. Ein Grund hierfür liegt in den teils sehr eng gefassten
CDC-Kriterien, bei denen eine NI nicht als solche gewertet werden kann, auch wenn die klinisch-infektiologische Einschätzung
zu einem anderen Ergebnis kommt (z. B. bei Fehlen der von der
CDC geforderten zweiten Röntgen-Thorax-Untersuchung zur
Bestätigung einer Pneumonie bei Patienten mit bekannter pulmonaler oder kardialer Grundkrankheit). Als weiterer wichtiger
Punkt in unserer Studie zeigt sich, dass ein großer Anteil der Patienten mit einer NI, zumindest mit einer postoperativen
3Klinik für Innere Medizin IV, Gastroenterologie, Hepatologie,
Infektiologie Universitätsklinikum Jena
4Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie,
Universitätsklinikum Jena
5Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie,
Universität Leipzig
6Institut für Hygiene und Umweltmedizin, Charité,
Universitätsmedizin Berlin
7Service Prévention et Contrôle de l`Infection, Hôpitaux
Universitaires de Genève, Genf
8Paul-Martini-Forschergruppe für Klinische Sepsisforschung,
Universitätsklinikum Jena
9Zentrum für Klinische Studien (ZKS), Universitätsklinikum Jena
Dtsch Med Wochenschr 2013; 138: 1717–1722 · S. Hagel et al., Nutzen eines krankenhausweiten …
Heruntergeladen von: Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena. Urheberrechtlich geschützt.
lenzrate für Universitätskliniken 6,0 % vs. 3,3 % für die repräsentative Stichprobe mit einer medianen Bettenzahl von 216 Betten) [1].
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Originalarbeit | Original article
Abstract
Effectiveness of a hospital-wide educational programme for infection control to reduce the rate of
health-care associated infections and related sepsis
(ALERTS) – methods and interim results
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Background and aim: Health care associated infections (HAIs)
are one of the most frequent complications of hospital care, associated with increased morbidity, mortality and considerable
extra costs for the health care system. The overarching objective
of the ALERTS study is to demonstrate the feasibility of a hospitalwide programme to reduce the burden of HAIs and related
sepsis of at least 20 %.
Methods: Prospective, quasi-experimental study covering all
acute care units (27 general wards, 4 ICUs, overall 809 beds) at
Jena University Hospital. Surveillance for HAIs is performed by
computerized antibiotic monitoring in patients with risk factors
for HAIs (i. e. intravenous and urinary catheters, surgery) on a
daily basis. Following the first surveillance period a multifaceted, pragmatic infection control programme, aimed at proper
hand hygiene and bundles for the prevention of the four most
common HAIs will be implemented. Subsequently, a second surveillance period lasting 18 months will be conducted to measure the effect of the infection control programme, starting in
May 2013.
Results: Interim results for the first surveillance period
(09/2011 to 08/2012) are presented. During this period, 30,631
patients were admitted to the participating departments. According to CDC definitions we identified 1,637 HAIs, resulting in
an overall incidence of 5.3 %. Based on clinical evaluation only,
irrespective of the CDC definitions, an additional 944 HAIs were
detected (overall HAI rate, 8.4 % [n =2581]). A substantial proportion of patients had HAI associated severe sepsis or septic
shock (lower respiratory tract infection, n = 279 [37 %]; surgical
site infection, n = 114 [25 %]; primary sepsis, n = 110 [32 %]; urinary tract infection, n = 46 [8 %]; other, n = 87 [22 %]).
Conclusion: Our numbers reveal that a high number of HAIs are
missed using CDC-definitions and therefore the magnitude of
the problem might be underestimated. Furthermore, a high percentage of HAIs progress from localized infection to severe sepsis or septic shock, requiring ICU treatment.
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