Das neue Berlin und seine Architektur (1)

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Das neue Berlin und seine Architektur (1)
Hintergrund
Nach der Wiedervereinigung (1990) wurde die deutsche Hauptstadt zu einem der größten
Bauplätze Europas. Die städtebaulichen Erwartungen waren sehr hoch und deshalb mag die
Bilanz des Wiederaufbaus einer jahrzehntelang geteilten Stadt ernüchternd ausfallen. Doch
nach dem Bauboom ist trotzdem eine Stadt zum Vorschein gekommen, die vielfältige neue
Architektur bieten kann.
Beim Wiederaufbau nach der Wende verfolgte man in Berlin die Strategie der ”kritischen
Rekonstruktion”. Der historische Grundriss sollte dort wiederhergestellt werden, wo es aus
heutiger Sicht noch sinnvoll wäre. Das war der Fall zum Beispiel am Pariser Platz.
”Der Grundriss, die Straßen und die Plätze sind das Gedächtnis der Stadt. … Es geht um die
Wiederbewusstmachung der historischen Strukturen und um die Verdichtung des städtischen
Raums.” So der Berliner Senatsbaudirektor Hans Stimman, dessen kritische Rekonstruktion aber
von vielen Architekten der Moderne kritisiert wurde.
Der Pariser Platz
Nach der Eroberung Berlins durch die Rote Armee 1945 verblieben am Pariser Platz nur Ruinen.
Die Gebäude wurden später abgerissen und nach dem Mauerbau (1961) war der Pariser Platz
Teil des Grenzstreifens und zugänglich nur für die DDR-Grenzsoldaten. Das Brandenburger Tor
lag allein in der Sperrzone und die Mauer verlief westlich des Tores. Nach der
Wiedervereinigung wurden alle Baulücken durch Neubauten geschlossen. Mit dem Ziel eines
harmonischen Stadtbildes sollten alle Neubauten Stein- oder Putzfassaden mit höchstens 50
Prozent Glasanteil haben und eine einheitliche Traufhöhe einhalten.
Die wichtigsten Bauten im Uhrzeigersinn vom Brandenburger Tor aus sind das MaxLiebermann-Haus, die Dresdner Band und die Französische Botschaft (rechts).
Max Liebermann wohnte hier bis zu seinem Tord 1935. Er war der Wegbereiter
impressionistischer Malerei in Deutschland und der langjährige Präsident der Preußischen
Akademie der Künste. Das Max-Liebermann-Haus war (neben dem Haus der Commerzbank
südlich des Brandenburger Tores) der erste Bau nach dem Mauerfall begonnene Bau am Pariser
Platz. Der Architekt Josef Paul Kleihuis baute mit ihnen Beispiele der ”kritischen
Rekonstruktion”. Er bezog sich auf die Vorgängerbauten, aber schuf trotzdem moderne Häuser.
Das Interieur der Häuser hat keinen Bezug zum Vorgängerbau. Die hell und modern gestalteten
Säle bilden einen guten Rahmen für Ausstellungen und Veranstaltungen.
Die Französische Botschaft hat 2002 dasselbe Grundstück bezogen, das bereits seit 1860 ihr
Standort war. Das alte Palais wurde im Krieg zerstört. Das Gebäude des Pariser Architeken
Christian de Portzamparc zeigt eine klassische Dreiteilung (massiver Sockel, hohe Beletage und
Attika), aber in den Details schuf er ein modernes Gebäude.
Das Hotel Adlon wurde im August 1997 eröffnet. Es erinnert an das alte im Krieg größtenteils
zerstörte Hotel, so dass manche es für einen Altbau halten. Das sechsgeschossige klassisch
traditionelle Bau orientiert sich am Vorgängerbau, aber die Fassade an der Straße Unter den
Linden nimmt etwa die doppelte Länge ein. Und der Neubau hat bei gleicher Traufhöhe eine
zusätzliche Etage.
Die wichtigsten Bauten südlich des Brandenburger Tores sind die Akademie der Künste, die DZBank und die US-Botschaft.
Verglichen mit allen anderen Bauten am Pariser Platz ist die Akademie der Künste etwas
überraschend. Denn die monumentale Glaswand des Gebäudes entspricht nicht den
Bauvorschriften des Berliner Senats. Der Streit dauerte mehrere Jahre, aber 2005 konnte die
Akademie eröffnet werden. Von 1937 bis zum Kriegsende wurde der Vorgängerbau vom
Generalbauinspektor Albert Speer für seine Behörde beansprucht.
Der amerikanische Architekt Frank Gehry ist bekannt für Entwürfe, die Aufsehen erregen. Am
Pariser Platz muss das Gebäude der DZ-Bank, das den Bauvorschiften folgt, jeden Gehry-Kenner
überraschen. Wenn man aber die Vorhalle betritt, blickt man am Ende des Innenhofs eine
Raumhülle, die an einen gestrandeten Wal erinnern mag. Darin befindet sich ein
Konferenzraum mit bis zu 100 Plätzen. Der Gehry-Kenner kommt zufrieden auf den Pariser Platz
zurück.
Die USA konnten 2008 mit einem Neubau an den
historischen Standort ihrer Berliner Botschaft zurückkehren.
Die US-Botschaft wurde als letztes Gebäude am Pariser Platz
fertiggestellt. Der Bau dauerte lange, weil man jahrelange
über das Sicherheitskonzept verhandeln musste. Der Bau
wendet dem historischen Platz nur eine kurze Fassade. Die
längeren Seiten befinden sich an der Ebert- und
Behrenstraße.
Heute zeigt sich der Pariser Platz am westlichen Anfang der Straße Unter den Linden wieder fast
quadratisch wie im 18. Jahrhundert.
Beantworten Sie die folgenden Fragen.
1. Was versteht man unter ”kritische Rekonstruktion”?
2. Wie haben einige Architekten die Strategie der kritischen Rekonstruktion
aufgefasst?
3. Welche Bauvorschriften gab es beim Wiederaufbau am Pariser Platz?
4. Wie zeigt sich die kritische Rekonstruktion am Max-Liebermann-Haus?
5. Wie unterscheidet sich das heutige Hotel Adlon von seinem Vorgängerbau?
6. Wie unterscheidet sich die Akademie der Künste von allen anderen Bauten
am Pariser Platz?
7. Warum überrascht die DZ-Bank manchen Gehry-Kenner?
8. Warum konnte die Botschaft der USA erst 2008 bezogen werden?
Sprechen Sie zu zweit.
Erwähnen Sie ein paar Sachen über die Geschichte des Pariser Platzes.
Was für Gebäude hat man heute am Pariser Platz?
Kommentieren Sie die “kritische Rekonstruktion” am Pariser Platz.
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