Gefleratiofleflwechsel afl der Pariser Oper

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Generationenwechsel an der Pariser Oper
Generationenwechsel an der Pariser Oper
Rudolf Nurejews „Nussknacker“ in neuen Besetzungen
Veröffentlicht am 13.12.2014, von Julia Bührle
Paris - „Nussknacker“ ist seit jeher ein problematisches Werk aus der Sicht des Ballettliebhabers. Schon die Kritiker der
Uraufführung beklagten die langwierige Pantomime im ersten Akt, die wenigen Tanzpassagen und das Fehlen interessanter
Solistenrollen. Die meisten Partien, einschließlich die von Clara, Fritz und dem Nussknacker, wurden damals von Kindern
verkörpert, und erst ganz am Schluss traten die Solisten – Antonietta dell’Era als Zuckerfee und Pavel Gerdt als Prinz Coqueluche –
zum Grand Pas auf die Bühne. Es ist nicht zuletzt Tschaikowskys märchenhafter Partitur zu verdanken, dass sich das Ballett bis
heute auf den Spielplänen der meisten großen Ballettkompanien hält, als Weihnachtsballett par excellence.
Auch das Ballett der Pariser Oper zeigt in dieser letzten von der langjährigen, vor anderthalb Monaten aus ihrem Posten
geschiedenen Direktorin Brigitte Lefèvre geplanten Spielzeit (sie wurde am 1. November vom erst 37-jährigen Benjamin Millepied
ersetzt) seinen „Nussknacker“ – und wie die meisten Pariser Klassiker stammt die Version von Rudolf Nurejew. Dieser liebt es,
seine Märchen in einen freudianisch-psychologisierenden Mantel zu kleiden, und hier kann er sich in der Tat darauf berufen, dass
Freud in „Das Unheimliche“ ausgiebig auf E.T.A. Hoffmann verweist. Dieser schrieb die ursprüngliche Fassung von „Nussknacker
und der Mäusekönig“, auf der Nurejews Ballett basiert. Der russische Choreograf macht das ganze Geschehen zu einem Traum
Claras, in dem – wie in seinem Don Quichotte – spukhafte, fledermausartige Figuren auftauchen, die hier in verzerrter Form die
Züge von Claras Familie tragen. Aus Claras hinkendem, weißhaarigen Onkel Drosselmeyer wird in ihrer Traumphantasie ein
attraktiver Prinz – auch hier scheint Freud Pate gestanden zu haben. Doch bei aller Umdeutung verleiht Nurejew den Figuren kaum
psychologische Tiefe. Der erste Akt besteht auch hier aus nicht enden wollenden Familien- und Kindertänzen, kurz unterbrochen
von den Soli der als Spielzeugfiguren verkleideten Geschwister Clara, Fritz (Daniel Stokes als übersprudelnder Lausbub) und Luisa
(Caroline Robert). Nach einem hübsch choreografierten Gefecht zwischen Ratten und Husaren endet der Akt im
Schneeflockenwalzer, wobei die mit rüstungsartigen Tutus und helmähnlichen Kopfbedeckungen bewehrten Schneeflocken wirken,
als wollten sie sich selbst gleich ins Kampfgetümmel stürzen. Noch unglücklicher ist das Los der Corps de Ballet-Damen im
goldüberfluteten Ball im zweiten Akt: diese werden von ihren Kavalieren wie störrische Ponys (mit Perücke und Feder auf dem
Kopf) kreuz und quer über die Bühne geschoben, gerade noch rechtzeitig, um den Blick auf das nun endlich zum tänzerischen
Feuerwerk ansetzende Hauptpaar freizugeben.
Wie so oft am Jahresende, an dem in Paris stets zwei große Ballette auf dem Spielplan stehen und die Tänzer für den jährlichen
„Concours“ (Wettbewerb, um in der fünfstufigen Hierarchie aufzusteigen) trainieren, geriet die Direktion in Besetzungsnöte, nicht
zuletzt, da sich Ausfälle und Verletzungen häufen. So hat derzeit eine Vielzahl zum Teil sehr junger Tänzer die Gelegenheit, sich
an Nurejews anspruchsvoller Choreografie zu erproben. Allein in den ersten drei Besetzungen wurden die Hauptrollen von drei
Coryphées bestritten, der zweitunterste Rang der Pariser Hierarchie (alle drei wurden beim diesjährigen „Concours“ vor ein paar
Tagen in den Rang des „Sujet“ befördert). Der jüngste von ihnen war der gerade zwanzigjährige Hugo Marchand, ein groß
gewachsener blonder Tänzer, der bisher in keiner einzigen Solorolle auf der Opernbühne zu sehen war (jedoch gewann er
dieses Jahr Bronze in Varna). Er tanzte anstelle des ursprünglich vorgesehenen Stéphane Bullion den Prinzen an der Seite der
erfahrenen Solistin Mélanie Hurel, und das ungleiche Paar gab eine erstaunliche Darbietung. Hurel zeichnete sich trotz einiger
Ermüdung am Ende durch eine solide Technik aus und überzeugte durch ihr nuanciertes, nicht übertriebenes Spiel. Marchand
erwies sich abgesehen von kleinen Unsicherheiten als aufmerksamer Partner und bewies bemerkenswertes tänzerisches Potential.
Er kämpfte sich heldenhaft durch die mit Nurejewschen Fußfallen gespickte Choreografie und brillierte vor allem in seiner
exzellenten Variation. Besonderes Lob gebührt ihm allerdings dafür, die Schlusspose des Pas de deux – der Prinz wuchtet die
Ballerina geradezu waagrecht in die Höhe und hebt gleichzeitig das hintere Bein – durch die Eleganz seiner Arabesque (die
eines seiner Markenzeichen zu werden verspricht) und seine Standfestigkeit beinahe der Peinlichkeit entrissen zu haben.
So erobert die neue Generation – nicht so vertraut mit Nurejews Stil wie ihre Vorgänger – das klassische Repertoire mit frischem
Elan, und man kann sich angesichts dieser gelungenen Anfänge darauf freuen, sie unter ihrem jungen Direktor weiter in dieses
hineinwachsen zu sehen.
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Generationenwechsel an der Pariser Oper
Nurejews "Nussknacker" an der Pariser Oper: Dorothée
Gilbert als Clara
© Sébastien Mathé/ Opéra national de Paris
Nurejews "Nussknacker" an der Pariser Oper
© Sébastien Mathé/ Opéra national de Paris
Nurejews "Nussknacker" an der Pariser Oper
© Sébastien Mathé/ Opéra national de Paris
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