FURCIFER ANCELI TERRARIEN Ein seltenes Chamäleon aus Madagaskar Furcifer angeli, Männchen mit charakteristischer karminroter Grund- >? J £ -. ^ Jim Von mancher der auf Madagaskar lebende Chamäleonarten ist immer noch nicht viel mehr bekannt, als dass es sie gibt. Eine von ihnen, Furcifer angeli wird hier- erstmals mit Farbfotos - vorgestellt. Von Frank Glaw und Miguel Vences Unten: Furcifer angeli, Männchen, Kopf von oben. Rechts: Furcifer-pardalis-Weibchen (hier ein Tier aus Nosy Be) fehlt der Schnauzenfortsatz völlig. 7/2001 • Datz. • 54. Jahrgang K napp die Hälfte der rund 150 bekannten Chamäleonarten ist in Madagaskar zu Hause. Neben den Erdchamäleons (Gattung Brookesia) leben dort die beiden „echten" Baumchamäleon-Gattungen Calumma und Furcifer. Während Calumma hauptsächlich Regenwald- und Hochgebirgs- formen umfasst und in trockenen Gebieten weitgehend fehlt, besiedelt die Gattung Furcifer flächendeckend alle Klimazonen (Glaw & Vences 1994). Einige Furcifer-Arten leben in den feuchten Regenwäldern im Osten, andere haben sich an das raue Klima in den zentralen Hoch- ge rirgen angepasst. Die weitaus meisten Ar en kommen jedoch in den ariden Gebieten im Westen und Süden Madagaskars vor, und ge.'ade einige dieser Trockengebiets-Formen sü d bislang weitgehend unbekannt gebliebe 1. Das gilt vor allem für Furcifer tuzetae, E belalandaensis und F. angeli, die alle erst vo' ungefähr 30 Jahren beschrieben wurden uni der Wissenschaft bis heute lediglich vo 1 einzelnen Exemplaren und Fundorten be rannt sind. Typisch für die Weibchen von F. angeli ist der sehr kleine, kaum erkennbare Schnauzenfortsatz. Bourgat, R. (1971): Donnees nouvelles sur Chamaeleo angeli Brygoo et Domergue, 1968. Bull. Soc. Zool. France 96 (1): 235-246. Furcifer angeli, Weibchen; die Färbung erinnert an manche Furcifer-pardalis-Weibchen. furcifer angeli wurde von Brygoo & Domf rgue (1968) erstmals auf der Grundlage eiLes Männchens aus dem Wald von Anka afantsika in Nordwest-Madagaskar besc irieben (ein zweites Männchen war den Fo •schern entkommen). Unter drei weiteren M. nnchen, die wenig später in der gleichen Rt ^ion gefangen wurden, befand sich das bi; 1er größte Exemplar von 325 Millimeter Ge ;amtlänge (Brygoo 1971). Kurz darauf fand Bourgat (1971) an einem zweiten Fundort, ungefähr 180 Kilometer westlich von Ankarafantsika, weitere fünf Männchen sowie erstmals auch zwei Weibchen und lieferte eine ausführliche Beschreibung der Tiere. Seine Männchen hatten Gesamtlängen von 232 bis 285 Millimetern, während die Weibchen 132 und 150 Millimeter maßen. Bourgat (1971) präsentierte auch das erste Schwarzweiß-Foto eines Männchens. Seit Brygoo, E. R. (1971): Reptiles sauriens Chamaeleonidae - genre Chamaeleo. Faune de Madagascar 33: 1-318. - & C. A. Domergue (1968): Les cameleons a rostre impair et rigide de l'ouest de Madagascar. Mein. Mus. nat. Hist. nat. serie A 52 (2): 71-110. Glaw, F., & M. Vences (1994): A fieldguide to the amphibians and reptiles of Madagascar. Köln. Links: Furcifer-pardalis-Wannchen aus der Gegend von Maroantsetra können wie die von F. angeli eine rötliche Grundfärbung aufweisen (Foto: F. Glaw & M. Vences). Unten: Furcifer-pardalis-Männchen aus Nosy Be sind hingegen türkisgrün. 54. Jahrgang • Datz. • 7/2001 17 TERRARIEN FURCIFER ANCELI Furcifer-rhinoceratus-JAännchen (hier ein Tier aus Ankarafantsika) haben einen sehr großen Schnauzenfortsatz und einen niedrigen Helm (Foto: M. Vences). Die Verwandtschaftsverhältnisse müssen noch geklärt werden • dieser Arbeit wurden anscheinend keine neuen Befunde über die Art veröffentlicht. Verwandtschaft Im Jahre 1995 hatten wir die Gelegenheit, ein Pärchen von Furcifer angeli zu fotografieren, allerdings nicht im Freiland, sondern in Marozevo, in einer Anlage rund 70 Kilometer östlich der Hauptstadt Antananarivo, in der madagassische Amphibien- und Reptilienarten gehalten werden. Die Herkunft der Tiere ließ sich nicht klären; aber es dürfte ziemlich sicher sein, dass sie ebenfalls aus Nordwest-Madagaskar stammten. Beide Tiere wiesen die für F. angeli typischen Merkmale auf (Brygoo & Domergue 1968; Bourgat 1971): Das karminrote Männchen (ZFMK 59781} zeigte unregelmäßige, graue Querbänder, ein schmales weißes Band auf den Flanken, weiße Lippen und Augenlider mit dunklen Radialstrahlen. Es hatte einen feinen Rückenkamm, einen niedrigen Helm, keine Occipitallappen, deutliche Parietal- und Rostralleisten sowie einen harten, verknöcherten Schnauzenfortsatz, der die Schnauzenspitze deutlich überragte. Ein solcher Schnauzenfortsatz ist auch für die Männchen anderer westmadagassischer Arten wie Furcifer antimena, F. labordi und F. rhinoceratus typisch. Es lag daher nahe, in F. angeli einen nahen Verwandten dieser Arten zu 18 7/2001 • Datz. • 54. Jahrgang vermuten; daher stellten Brygoo (1971) und Glaw & Vences (1994) diese vier Spezies zusammen in eine Artengruppe. Die hier vorgestellten Lebendfotos offenbaren jedoch auch eine überraschend große Ähnlichkeit mit Furcifer pardalis, und zwar in beiden Geschlechtern. Die Weibchen von F. angeli sind von manchen F. -pardalis^Weibchen auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden, gäbe es da nicht einen kleinen, unscheinbaren Schnauzenfortsatz bei F. angeli, der F.-pardalis-'Weibchen völlig fehlt. Die Männchen beider Arten sind hingegen schon auf den ersten Blick auffällig verschieden: Der lange Schnauzenfortsatz, der offenbar aus den beiden fusionierten, über die Schnauzenspitze verlängerten Rostralleisten hervorgegangen ist, und die karminrote Grundfärbung von F. angeli sind unverwechselbar. Erst auf den zweiten Blick fallen auch hier bemerkenswerte Übereinstimmungen auf: Ansätze eines Schnauzenfortsatzes finden sich bei-P-j!>arcfa/zs-Männchen ebenfalls. Beide Arten haben einen feinen Rückenkamm und einen niedrigen Helm (wie auch F. rhinoceratus), Furcifer labordi, Weibchen. Furcifer labordi, Männchen; charakteristisch ist de • sehr hohe Helm, während F.-labordi- und F.-antimena-Wä.rm chen hohe Helme ausbilden. Übereinstimmungen zwischen F.-angeh und F-pardalis-Männchen finden sich auch in der Färbung: Dunkle Radialstreifen au: den Augen, weiße Lippen, eine dunkle Quer streifung und ein weißes Band auf den Flau ken kommen bei beiden Arten vor. Selbs: eine rötliche Grundfärbung lässt sich bei F.-pardalis-Männchen aus Maroantsetra in Nordost-Madagaskar finden. Insgesamt drängt sich im Vergleich de verschiedenen Arten der Eindruck auf, das ; F. angeli und F. pardalis relativ eng mitein Äff^ mm Furcifer-antimena-Wännchen (hier ein Tier aus Ifaty) erinnern in der Kopfform sehr an F. labordi. ander verwandt sind. Ob dieser Eindruck richtig ist, bedarf natürlich der wissenschaftlichen Überprüfung, zum Beispiel durch vergleichende DNA-Analysen oder die genaue Gegenüberstellung der Hemipenesund Chromosomenstrukturen. Biologie Über die Lebensweise und Fortpflanzung von F. angeli ist bisher kaum etwas bekannt. Der Lebensraum ist sicher trockener als der der meisten .F-^ardafc-Populationen; allerdings ist F. pardalis mittlerweile auch in trockeneren Bereichen Nordwest-Madagaskars ge- funden worden (etwa auf der SahamalazaHalbinsel bei Maromandia). Bourgat (1971) wies darauf hin, dass F. angeli von den Einheimischen „Tarondro n'ala" genannt wird, was „Chamäleon des Waldes" bedeutet und vermuten lässt, dass Furcifer diese Art im Gegensatz zu dem dort weit verbreiteten F. oustaleti anscheinend nicht im offenen Gelände zu finden ist. Das ist vermutlich auch ein wichtiger Unterschied zu der Art F. pardalis, die in Regionen mit Sekundärvegetation deutlich häufiger anzutreffen ist als im geschlossenen, ungestörten Regenwald. Klar ist auch, dass F. angeli am Typusfundort, dem Ankarafantsika-Wald, nur lokal anzutreffen ist. Während F. rhinoceratus dort ausgesprochen häufig vorkommt (etwa in der Umgebung der Forststation Ampijoroa), ließ sich F. angeli bei einer einwöchigen Untersuchung im Jahr 2001 nicht finden. In einem von madagassischen Wissenschaftlern erstellten, noch unveröffentlichten Inventar konnte die Art zwar nachgewiesen werden, doch nur in geringen Stückzahlen und auf nur einer von mehreren untersuchten Teilflächen. Über die Haltung von F. angeli im Terrarium ist ebenfalls nichts bekannt. Da bisher anscheinend nur wenige Tiere aus Madagaskar exportiert wurden und in naher Zukunft nicht mit Ausfuhren zu rechnen ist, wird sich daran sobald wohl nichts ändern. rhinoceratus, Weibchen aus Ankarafantsika (Foto: M. Vences). Furcifer antimena, Weibchen aus Ifaty (nördlich von Tulear). Fotos: F. Glaw 54. Jahrgang • Datz. • 7/2001 19