Tierexperimentelle Studien

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Dasenbrock, Lerchl: Tierexperimentelle Studien - Krebs
Tierexperimentelle Studien - Krebs
Gutachter:
Prof. Dr. Clemens Dasenbrock1
Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin,
Nikolai-Fuchs-Straße 1
30625 Hannover
Prof. Dr. Alexander Lerchl
International University Bremen
School of Engineering and Science
P.O. Box 750 561
28725 Bremen
1
Seit Sommer 2004: Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & CoKG, Biberach an der Riss.
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Dasenbrock, Lerchl: Tierexperimentelle Studien - Krebs
Inhaltsverzeichnis
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Zielstellung
Auswahl der berücksichtigten Studien
Mehrstufenmodell der Krebsentstehung
Darstellung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes
Gesamtbewertung für das Themenfeld
Literaturverzeichnis
Abkürzungen
Tabelle: Übersicht zu den berücksichtigten Studien
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1 Zielstellung
Dieses Gutachten soll eine Literaturbewertung neuerer Publikationen liefern. Es werden tierexperimentelle Studien bewertet, die den Endpunkt Tumor nach einer mehrmonatigen bis zweijährigen Exposition der Tiere gegenüber Mobilfunkfeldern untersuchen.
2 Auswahl der berücksichtigten Studien
Es wurden nach Vorgabe des Auftraggebers tierexperimentelle Studien ausgewählt,
die folgende Kriterien erfüllten:
• Krebsförderung (Tumorpromotion / Co-Cancerogenese) und/oder Krebserzeugung (Tumorinitiation) durch ein Mobilfunksignal ist Untersuchungsziel,
• Mehrmonatige bis zweijährige (werk-)täglich mehrstündige Exposition der Versuchstiere gegenüber einem für den Mobilfunk relevanten Signal,
• Wissenschaftliche Publikation der Studie(n) ab dem Jahr 2000 in einer Zeitschrift
mit Peer Review Verfahren.
Mittels eigener Literaturlisten und einer Überprüfung in der Datenbank PubMed wurden zehn (9 + 1) Publikationen ausgewählt, die den o.g. Kriterien entsprachen. Eine
der zehn Studien erfüllte aufgrund der untersuchten Ultraweitbandsignale nicht alle
der o.g. Kriterien.
Bei der nachfolgenden Bewertung wird auf die Fragestellung sowie methodisch saubere Durchführung der Studien ein besonderes Augenmerk gelegt. Da das Gutachten vom FZ Jülich für den Risikodialog Mobilfunk bestimmt ist, werden ergänzend
und sofern angegeben, die Sponsoren der Untersuchungen bzw. die Beteiligung von
Firmenvertretern genannt.
3 Mehrstufenmodell der Krebsentstehung
Beim Dreistufen-Modell der Kanzerogenese mit den Phasen Initiation, Promotion und
Progression führt nach einer Latenzzeit von Jahren bis Jahrzehnten die initiale
Transformation der Normalzelle zu einem klinisch manifesten Tumor. Zu Beginn dieser Entwicklung wird die irreversibel geschädigte Zelle noch vom Normalgewebe
kontrolliert, doch bereits in der Promotionsphase erfolgt der Proliferationsstimulus zur
klonalen Vermehrung transformierter Zellen, und es entstehen zunächst sogenannte
gutartige Geschwülste. Als Progressionsphase wird die weiter fortschreitende Umwandlung der gutartigen (benignen) Tumore in bösartige (maligne) Geschwülste bezeichnet, die sich u.a. durch fortschreitende Autonomie und erhöhtes Metastasierungspotential charakterisieren lassen.
Obwohl das Dreistufenmodell für die chronologische Beschreibung des klinischen
Krebswachstums geeignet ist, vermag es oft nicht das mehrstufige Geschehen mit
initialem DNA-Schaden und den folgenden (nicht-genotoxischen) Promotions- und
Progressionsphasen hinreichend wiederzugeben. Heutzutage geht man eher von
einem Mehrstufenprozess aus, der bei einigen menschlichen Tumoren bis zu 10 Mutationen umfasst. Diese Mutationen müssen aber nicht zwingend direkt genotoxisch
sein, da es zahlreiche Agentien gibt, die ohne direkte DNA-Schädigung die Krebsentstehung fördern.
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Da die Kanzerogenese ein sehr komplexer und erst in kleinen Bereichen verstandener Prozess ist, vermeiden inzwischen einige Autoren bewusst die Begriffe „Promotion“ und „Progression“. Sie verwenden lieber den Terminus „Co-Carcinogenese“, um
z.B. mögliche, mechanistisch unbekannte krebsfördernde Effekte bei niederfrequenten elektromagnetischen Feldern zu beschreiben (Juutilainen et al., 2000).
4 Darstellung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes
Die zehn ausgewählten Publikationen werden in alphabetischer Reihenfolge beschrieben und bewertet.
Adey et al. (2000): Spontaneous and nitrosourea-induced primary tumors of the
central nervous system in Fischer 344 rats exposed to frequency-modulated
microwave fields.
Adey et al. (2000) untersuchten den Einfluss einer zweijährigen Befeldung durch ein
836.55 MHz (± 12.5 kHz kHz) frequenzmoduliertes Signal (FM) auf spontane oder
am Tag 18 p.c. transplazentar durch Ethylnitrosoharnstoff (ENU) induzierte Hirntumoren an den Nachkommen von F344-Ratten. Die Tiere wurden ab Tag 19 der
Trächtigkeit (in utero) bis zum Absetzen (Tag 21) und nach ihrer Geburt bis zum 21.
Tag EMF-exponiert (Fernfeld). Anschließend, von Tag 33 an, wurden die Tiere für
weitere 22.5 Monate täglich für zwei Stunden und an vier Tagen pro Woche röhrenfixiert befeldet (Nahfeld). Die spezifischen Absorptionsraten (Gehirn) des Nahfeldes
wurden von den Autoren mit 1.0 W/kg (Weibchen, mittleres Körpergewicht 236 g)
bzw. 1.2 W/kg (Männchen, mittleres Körpergewicht 450 g) angegeben.
Die Autoren nennen vier Untersuchungsziele:
• Ändern lebenslange Expositionen gegenüber frequenzmodulierten (FM) Signalen
die spontane Tumorinzidenz an Hirntumoren bei Ratten?
• Beeinflusst der Stress einer Röhrenfixation die ZNS-Tumorinzidenz?
• Ist eine einmalige in-utero-Gabe von ENU als Positivkontrolle zur Hirntumorinduktion geeignet?
• Führt nach ENU-Induktion die zweijährige FM-Signalexpostion zur Tumorpromotion oder -progression?
Alle vier Ziele wurden in der Studie ausreichend adressiert. Lediglich zur Tumorprogression gab es keine Aussage. Zusammenfassend wurden zwischen den befeldeten und den Kontrollgruppen (n= 90 / Gruppe) sowie zwischen den Geschlechtern
keine Unterschiede hinsichtlich Zahl, Inzidenz und histologischem Typ der primären
Hirntumoren ermittelt. Somit gab es weder in den unbehandelten Gruppen noch bei
den ENU-initiierten Nachkommen einen Hinweis auf einen (Hirntumor) initiierenden
bzw. promovierenden Effekt der FM-Exposition.
Die tierexperimentelle Durchführung sowie die histopathologische Untersuchung des
Zentralnervensystems (ZNS), d.h. Gehirn und Rückenmark, sind detailliert beschrieben. Die standardisierten 20 bis 25 Serienschnitte vom ZNS pro Tier ergeben ein
belastbares Untersuchungsergebnis, da insbesondere im Gehirn alle Läsionen im
Abstand ≤ 1mm erfasst wurden.
Sponsoren: Dr. Q. Balzano, Motorola Corp., war an den Untersuchungen maßgeblich beteiligt.
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Anane et al. (2003): Effects of GSM-900 microwaves on DMBA-induced mammary gland tumors in female Sprague-Dawley rats.
Die Experimentatoren aus Bordeaux untersuchten im klassischen DMBAMammatumormodell, ob bei Sprague-Dawley-Weibchen durch eine 9-wöchige Befeldung gegenüber einem GSM-900-Signal
• ein krebsfördernder Effekt sowie möglicherweise
• ein Schwellenwert im SAR-Bereich von 0.1 bis 3.5 W/kg ermittelt werden kann.
Zur Mammatumorinduktion erhielten weibliche Sprague-Dawley-Auszuchtratten
(Ico:OFA-SD) zunächst am 55. Lebenstag je 10 mg pro Tier an 7,12Dimethylbenz[a]anthrazen (DMBA) per Schlundsonde verabreicht. Zehn Tage später
wurden diese Tiere über einen Zeitraum von 9 Wochen für werktäglich (5 Tage/Woche) 2 Stunden in engen Käfigen (Längsausrichtung der Tiere) gegenüber einem GSM-Basissignal exponiert. Je 4 Gruppen mit je 16 Weibchen wurden im ersten
Teilexperiment bei Ganzkörper-SAR-Werten von 0, 1.4, 2.2, 3.5 W/kg, im zweiten
Teil mit 0, 0.1, 0.7, 1.4 W/kg SAR befeldet. Nach weiteren 3 Wochen ohne Mobilfunksignalexposition wurden die Tiere schmerzlos getötet und alle 12 Mammakomplexe je Weibchen histopathologisch untersucht.
Die Parameter Latenzzeit (Auftreten der ersten Tumore), Inzidenz, Multiplizität und
Tumorvolumen waren bei den scheinexponierten (0 W/kg) Weibchen der beiden
Teilexperimente ähnlich. Die beiden 1.4 W/kg –Gruppen der beiden Teilstudien unterschieden sich diesbezüglich jedoch erheblich. Die Inzidenz der zumeist malignen
Mammatumoren war in der ersten Teilstudie bei 1.4 W/kg und 2.2 W/kg SAR erhöht,
aber bei 3.5 W/kg ähnlich zur scheinexponierten Gruppe; in der zweiten Teilstudie
wurde bei 1.4 W/kg SAR im Vergleich zur schein- sowie zu den 0.1 und 0.7 W/kg
exponierten Gruppen eine niedrigere Inzidenz ermittelt. Das Gesamtergebnis hinsichtlich Mammatumor-Latenz, -Multiplizität und -Volumen wurde als „negativ“ bezeichnet.
Die experimentelle Durchführung ist ausreichend genau beschrieben, die Unterschiede bei den beiden Teilstudien-Gruppen mit dem mittleren Expositionslevel (1.4
W/kg SAR) lassen eigentlich nur eine begrenzte Aussagekraft der Publikation zu.
Ursache können jahreszeitliche Unterschiede (Exp. 1 von Mai-Juli, Exp. 2 von September), möglicherweise aber auch methodische Schwierigkeiten (4 Todesfälle als
Spätfolge der DMBA-Applikation!) sein. Von den Autoren selbst wurde die relativ hohe (ca. 70 %) DMBA-induzierte Tumorrate bei diesem spezifischen Rattenstamm als
stark limitierend hinsichtlich des Erkennens eines Mobilfunk-promovierenden Effekts
genannt. Somit war die Gruppengröße von n = 16 für dieses Experiment eindeutig zu
gering.
Die Publikation belegt außerdem, dass sich die Sprague-Dawley-Ratten verschiedener Linien / Züchter erheblich in der Mammatumorantwort auf eine vergleichbare
DMBA-Dosis unterscheiden.
Sponsoren:
CNRS, France Telecom Recherche & Développement, Aquitaine Research Council.
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Bartsch et al. (2002): Chronic exposure to a GSM-like signal (mobile phone)
does not stimulate the development of DMBA-induced mammary tumors in
rats: results of three consecutive studies.
Als Ziel dieser Tübinger Studie wurde die
• Untersuchung des Einflusses eines Mobilfunk-Fernfeldes auf DMBA-induzierte
Mammatumoren der Ratte genannt.
• Die Experimente wurden als Modellstudie für die Interaktion von EMF mit biologischen Systemen deklariert.
In drei identischen Teilstudien wurden je 120 weiblichen Sprague-Dawley-Ratten
(Crl:CD) am 51. Lebenstag 8,75 mg DMBA /100 g KGW per Magensonde zur Tumorinduktion verabreicht. Am selben Tag begann abends die täglich ca. 23-stündige
Scheinexposition bzw. Fernfeld-Exposition gegenüber einem GSM-Basissignal (900
MHz, gepulst bei 217 Hz). Pro Teilstudie wurden je 60 Weibchen (12 Tiere pro 0.4 m²
-Käfig) exponiert und scheinexponiert. Die kalkulierten Ganzkörper-SAR-Werte betrugen zu Beginn des Experiments 32.5 – 130 mW/kg bei 150 g schweren Tieren,
gegen Ende der Studie 15 – 60 mW/kg bei den 400g schweren Weibchen. Alle Tiere
wurden solange exponiert bis die Mammatumore 1-2 cm im Durchmesser erreichten
und anschließend schmerzlos getötet. Dadurch waren Teilexperimente I und III nach
11-monatiger Expositionsdauer beendet, das zweite bereits nach 8.5 Monaten.
Die histopathologische Untersuchung der Gesäugeleisten aller Tiere erfolgte blind.
Obwohl die drei Teilexperimente an demselben Tag von drei aufeinanderfolgenden
Jahren begonnen wurden, traten im zweiten Teilexperiment (II) die ersten Tumore
erheblich früher auf als in den beiden Teilstudien I und III; außerdem wurden in Studie II deutlich weniger gutartige Mammatumore diagnostiziert.
Verantwortlich für die Unterschiede zwischen I, II und III werden die unterschiedlichen Akklimatisierungszeiten für die Weibchen vor Beginn der Experimente (13, 8
und 17 Tage) gemacht. Mittels einer Stresshormonfreisetzungs-Hypothese (kurze
Akklimatisierung = höherer Stress = höhere Ausschüttung von Glucocorticoiden und
Prolactin führt zu beschleunigtem Tumorwachstum) wird das frühe Tumorwachstum
in Teilexperiment II erklärt.
Als Gesamtergebnis der Experimente fassen die Autoren zusammen, dass durch die
Mobilfunkexposition im Vergleich zur Scheinexposition kein statistisch signifikanter
Effekt bezüglich Tumorlatenz und kumulativer Tumorinzidenz zu Versuchsende gefunden wurde.
Nur die soliden Tumoren betrachtend, weisen die Autoren in der Diskussion sogar
auf einen möglicherweise (noch nicht) erklärbaren „krebsvorbeugenden“ Effekt hin.
Auch dieses Experiment ist detailliert beschrieben, die Gruppengrößen ausreichend,
jedoch wurde nur eine Expositions“dosis“ geprüft. Besonders hervorzuheben ist die
(selbst)kritische SAR-Kalkulation verschieden alter/großer Ratten. Durch ihre Stresshormonfreisetzungs-Hypothese geben die Autoren eine plausible Erklärung für die
unterschiedliche Mammatumorantwort bei den - bis auf die Akklimatisierungsdauer identischen Studien. Die Äußerung hinsichtlich des krebsvorbeugenden Effekts durch
Mobilfunkexposition wird als spekulativ gewertet.
Sponsor: Deutsche Telekom AG
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Heikkinen et al. (2003): Effects of mobile phone radiation on UV-induced skin
tumourigenesis in ornithine decarboxylase transgenic and non-transgenic mice.
Die Arbeitsgruppe aus Kuopio bestimmte in transgenen und Wildtyp-Mäusen nach
einer
• Hauttumorinduktion durch UV-Bestrahlung die
• möglichen (co-carcinogenen) Effekte einer zusätzlichen Mobilfunkexposition auf
die Hauttumoren.
Weibliche transgene Mäuse (tg) der Linie K2, die 24 Kopien des humanen ODCGens tragen, sowie deren nicht-transgene Wurfgeschwister (wt) wurden für die Untersuchungen verwendet. Je 45-49 Weibchen pro Gruppe wurden 3x pro Woche auf
der rasierten Rückenhaut UV-bestrahlt und 5 x pro Woche für 1.5 Stunden über 52
Wochen gegenüber dem nordamerikanischen DAMPS- bzw. dem europäischen
GSM-Signal ausgesetzt.
In sog. „waveguide chambers“ wurden die Mäuse in adjustierbaren Röhren in Längsrichtung zum elektrischen Feld ausgerichtet. Insgesamt wurden eine Käfigkontrolle
(n=12tg+8wt) ohne jegliche UV und Mobilfunkexposition, eine Scheinexpositionsgruppe (n=19tg+26wt, nur UV), eine DAMPS-Gruppe (n=20tg+26wt, UV + 0,5 W/kg
SAR) und eine GSM-Gruppe (n=22tg+27wt, UV + 0,5 W/kg SAR) untersucht. Das
(UV-exponierte) Rückenhautareal aller Tiere wurde wöchentlich auf Tumoren untersucht und nach der Sektion der Tiere histopathologisch befundet. In der Epidermis
führte die UV-Bestrahlung bei fast allen Tieren (tg + wt) zu einer Hyperplasie, bei
durchschnittlich 80 % nichttransgenen (wt) bzw. 100 % transgenen (tg) Mäusen zur
Dysplasie und schließlich bei 12 % bzw. 32 % zu Plattenepithelkarzinomen. Die zusätzliche Mobilfunksignal-Exposition führte zu keiner (statistisch signifikant) erhöhten
Hauttumorinzidenz. Allerdings stellten die Autoren einen Trend zu beschleunigtem
Tumorwachstum in beiden Mobilfunksignal-Expositionsgruppen fest. Hinsichtlich der
Tumormultiplizität wurden keine Unterschiede berechnet. Ergänzende Bestimmungen von Melatonin (hier 6-OHMS im Urin), Polyaminen (Putrescin, Spermidin und
Spermin in der Haut) und Organgewichten ergaben ebenfalls keine Unterschiede
zwischen den schein- und exponierten Gruppen.
Zusammenfassend verstärkte die Mobilfunkexposition nicht die Hauttumorentwicklung.
Die Studie führte eine Arbeitshypothese nicht explizit an. Es handelt sich offensichtlich um eine Vergleichsstudie zur co-carcinogenen Wirkung von UV-Bestrahlung und
niederfrequenten EMF. Somit schien das Tiermodell bekannt und beherrschbar.
Die experimentelle Beschreibung ist bis auf die Histopathologie ausreichend detailliert. Die (ehrliche) Mitteilung über die vor Versuchsbeginn durchgeführte Parasitenbehandlung ist positiv hervorzuheben. Vermutlich aus Gründen der Verfügbarkeit der
transgenen ODC-Mäuselinie ist die Gruppengröße (zu) gering ausgefallen.
Ein erheblicher Kritikpunkt ist, dass insbesondere für Hautstudien die Nomenklatur
der Diagnosen Hyperplasie, Dysplasie, Papillom, Plattenepithelkarzinom und Melanom sowie deren Graduierung einschließlich fotografischer Dokumentation unab-
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dingbar sind. Dieser Mangel und die schwierig nachvollziehbare Beschreibung der
makroskopischen und histopathologischen Hautveränderungen im Ergebnis- und
Diskussionsteil „verwässert“ die Ergebnisse der Untersuchungen.
Sponsoren: TEKES-The National Technology Agency, Benefon Oyi, Elisa Communications Corp.,
Nokia Mobile Phones, and Sonera Corp.
Heikkinen et al. (2001): Effects of mobile phone radiation on X-ray-induced tumorigenesis in mice.
Nach entsprechender Induktion von Leukämie, Lymphomen und anderen Tumoren
der Maus durch ionisierende Strahlung sollte in dieser Studie ein
• möglicher tumorpromovierender Effekt der Mobilfunkexposition untersucht werden.
Insgesamt 150 (3 x 50) weibliche, 3 – 5 Wochen alte strahlensensitive CBA/S-Mäuse
wurden über drei Wochen mit insgesamt 4 Gy (3x 1.33 Gy) ganzkörperbestrahlt.
Weitere 50 Weibchen dienten als unbehandelte Käfigkontrolle.
Einen Tag nach der ersten Bestrahlung begann die 78-wöchige Expositionsphase
gegenüber zwei verschiedenen Mobilfunkfeldern mit je 1.5 h pro Tag, 5 Tage/Woche.
Je 50 Tiere pro Gruppe wurden in speziellen Röhren „locker“ längs zum E-Feld fixiert. Die erste Gruppe wurde scheinbefeldet, die zweite gegenüber einem freuenzmodulierten NMT-Signal mit 1.5 W/kg SAR, die dritte Gruppe gegenüber einem gepulsten (217 Hz) GSM-Signal (902.4 MHz) mit 0.35 W/kg SAR exponiert. Nach 78wöchiger Versuchsdauer wurden Blutproben gewonnen, die Tiere schmerzlos getötet
und seziert. Alle Organe und Gewebe wurden komplett histopathologisch befundet.
In einer studienunabhängigen PWG (Pathology Working Group) wurden alle Schnitte
von je 5 Tieren pro Gruppe (=10 %) „gegengelesen“.
Die schein- und exponierten (NMT, GSM) Tiere hatten eine ähnliche Körpergewichtsentwicklung, einen ähnlichen Futterverbrauch und eine identische Mortalität. Nach
78-wöchiger Studiendauer lebten noch 68 % der bestrahlten + (schein-)befeldeten
Tiere gegenüber 96 % bei der Käfigkontrolle, was somit eindeutig auf die 4 Gy –
Bestrahlung zurückzuführen ist.
Die ionisierende Strahlung induzierte erwartungsgemäß die Entwicklung von Neoplasien. So entwickelten z.B. 24 % der scheinexponierten Tiere gegenüber keinem der
Käfigkontrolltiere Lymphome. Die zusätzliche Exposition gegenüber den beiden Mobilfunksignalen erhöhte die Inzidenzen nicht; d.h. ein promovierender Effekt wurde
nicht nachgewiesen.
Die Studie hat die Arbeitshypothese „Tumorpromotion“ konsequent verfolgt, die experimentelle Durchführung, teilweise unter GLP-Bedingungen, ist detailliert beschrieben, die histopathologische Diagnostik hält der internationalen Nomenklatur stand,
und die Gruppengrößen waren mit n=50 ausreichend.
Sponsoren: TEKES-The National Technology Agency, FGF e.V., Benefon Oyi, The Finnish Work Environment Fund, Elisa Communications Corp., Nokia Mobile Phones, and Sonera Corp.
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Imaida (2001): Lack of promotion of 7,12-dimethylbenz[a]anthracene-initiated
mouse skin carcinogenesis by 1.5 GHz electromagnetic near fields.
In dieser Studie beschäftigen sich die Autoren in einem Mäusehautmodell mit einer
• möglichen Tumorpromotion durch ein 1.5 GHz TDMA / PDC –Signal.
Zur Tumorinitiation wurden 10 Wochen alte ICR-Weibchen einmalig mit DMBA auf
der rasierten Rückenhaut behandelt. Nach einer Woche wurde Gruppe 1 (EMF,
n=48) 19 Wochen lang an 5 Tagen / Woche über 1.5 Stunden gegenüber einem japanischen Mobilfunkstandardsignal in speziellen „Fixationsboxen“ von dorsal exponiert. Der lokale Haut-SAR-Wert betrug 2 W/kg, der Ganzkörper-SAR-Wert 0.084
W/kg. Die 2. Gruppe (Sham, n=48) wurde in identischen Boxen scheinexponiert, die
dritte
(TPA-Positivkontrollgruppe,
n=30)
erhielt
wöchentlich
12-OTetradecanoylphorbol-13-acetat zur Tumorpromotion, die vierte Gruppe (Control,
n=30) schließlich erhielt keine weitere Behandlung oder Befeldung. In der 20. Versuchswoche wurden alle Tiere nach Blutgewinnung schmerzlos getötet und seziert.
Die Körpergewichte der fixierten EMF- und Sham-Mäuse waren über die gesamte
Versuchsdauer niedriger als die der (Positiv-) Kontrollen. Die Melatonin-, Corticosteron- und ACTH-Serumwerte von lediglich 4 – 6 gemessenen Tieren pro Gruppe waren bei allen vier Gruppen statistisch nicht verschieden. Schließlich wurden nur in der
Positivkontrollgruppe Hauttumoren beobachtet, in der EMF- und Scheinexpositionsgruppe keine. Ergänzend wurden bei 4 - 16 % der Weibchen Lymphome/Leukämien
in Leber und/oder Nieren befundet.
Die Autoren schlussfolgern, dass die 1.5 GHz EMF-Exposition den DMBA-initiierten
Mäusehautkanzerogeneseprozeß nicht promoviert.
In dieser Studie ist die Arbeitshypothese nicht klar definiert. Die methodische Durchführung ist ausreichend genau beschrieben, die Begründung für die (willkürliche)
Lymphom/ Leukämie-Diagnostik in Leber und Niere fehlt schlicht. Die (möglicherweise zu) kurze Versuchsdauer von 19 Expositionswochen ist ebenfalls nicht begründet.
Sponsor: ARIB (Association of Radio Industries and Business, Japan)
Jauchem et al. (2001): Repeated exposure of C3H/HeJ mice to ultra-wideband
electromagnetic pulses: lack of effects on mammary tumors.
Diese Untersuchung an Mammatumor-prädisponierten C3H/HeJ-Mäusen wird der
Vollständigkeit halber erwähnt.
Die Untersuchung sollte der Sicherheitsabschätzung (für den Soldaten) beim Einsatz
von hochenergetischen UWB-elektromagnetischen Pulsen dienen. Die eingesetzten
UWB-Signale weisen keine Mobilfunkcharakteristika auf! Aufgrund vergleichbarer
Untersuchungen mit EMF (435 - 2450 MHz) wurde das C3H/He-MausMammatumormodell eingesetzt. Eine Arbeitshypothese wurde nicht formuliert.
Zwölf Wochen lang und 1x wöchentlich wurden 100, zu Versuchsbeginn 5-6 Wochen
alte C3H/HeJ-Weibchen für je 2 Minuten gegenüber UWB-Pulsen („rise time 176 ps,
fall time 3.5 ns, pulse width 1.9 ns, peak E-field 40 kV/m, repetition rate 1 kHz“) ex-
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poniert. 100 weitere Weibchen wurden unter identischen Randbedingungen scheinexponiert. Anschließend wurden die Tiere für weitere 64 Wochen beobachtet und 1x
wöchentlich gewogen und hinsichtlich Mammatumoren palpiert. Zu Versuchsende
wurden alle Tiere schmerzlos getötet, komplett seziert und alle Organe für die anschließende histopathologische Diagnostik formalinfixiert.
48 UWB-exponierte und 52 von 100 scheinexponierten Mäusen entwickelten Mammatumore. Die Inzidenzen der Tumore in anderen Organen waren deutlich niedriger
und zwischen schein- und exponierten Tieren ähnlich. Latenzzeit und Wachstum der
Mammatumore sowie die Überlebenszeit der Mäuse beider Gruppen waren ebenfalls
fast identisch.
Zusammenfassend wurde kein promovierender Effekt durch die UWB-Pulse auf die
genetisch bedingte Mammatumorentwicklung beobachtet.
Die experimentelle Durchführung ist detailliert beschrieben, die Ergebnisse sind umfangreich dargestellt und diskutiert.
Sponsor: Die Untersuchungen wurden von der US Air Force durchgeführt.
La Regina et al. (2003): The effect of chronic exposure to 835.62 MHz FDMA or
847.74 MHz CDMA radiofrequency radiation on the incidence of spontaneous
tumors in rats.
Untersuchungsziel war die Beantwortung der Frage,
• ob die chronische Mobillfunksignalexposition die Tumorinzidenz bei F344-Ratten
erhöht.
Dazu wurden 480 (240♂ + 240♀) F344-Ratten für 4 Stunden pro Tag, 5 Tage/Woche
über zwei Jahre röhrenfixiert in einem Expositionskarussell befeldet. Eine Gruppe
(n=80♂ + 80♀) wurde scheinexponiert, die zweite (n=80♂ + 80♀) gegenüber einem
FDMA-Signal (835.62 MHz) und die dritte Gruppe (n=80♂ + 80♀) wurde mit einem
CDMA-Signal (847.74 MHz) befeldet. Für die FDMA und CDMA-Gruppen betrug der
„nominell, über die Versuchsdauer gemittelte SAR-Wert für das Gehirn“ 1.3 ± 0.5
W/kg.
Alle Tiere wurden komplett seziert und die Hauptorgane histopathologisch befundet.
Vom Gehirn wurden jeweils 20-25 Schnitte untersucht. Die histopathologische Diagnostik sowie der Peer Review von 10 % aller Schnittpräparate erfolgte blind.
In allen untersuchten Organen gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den
(schein-)exponierten Gruppen bezüglich der Körpergewichtsentwicklung, der Überlebensraten sowie der Tumorinzidenzen. Insbesondere wurden zwischen den befeldeten und der Scheinexpositionsgruppen sowie zwischen den Geschlechtern keine Unterschiede hinsichtlich Zahl, Inzidenz und histologischem Typ der Hirntumoren ermittelt.
Das Untersuchungsziel „Tumorinzidenzerhöhung“ wurde ausreichend bearbeitet, die
experimentelle Durchführung gut und detailliert beschrieben, die Tierzahl pro Gruppe
ist ausreichend, eine Käfigkontrollgruppe fehlt leider, und die histopathologische
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Auswertung hält – im Gegensatz zu den meisten zuvor beschriebenen Studien - dem
heutigen internationalen Standard stand.
Dem von den Autoren erhobenen Anspruch eine NTP-ähnliche Kanzerogenitätsstudie durchgeführt zu haben, muss insofern widersprochen werden, als das beschriebene Experiment keine drei „Dosis“gruppen pro Expsitionssignal beinhaltet.
Sponsor: Motorola Corp.
Utteridge et al. (2002): Long-term exposure of Eµ-Pim1 transgenic mice to 898.4
MHz microwaves does not increase lymphoma incidence.
Die australische Forschergruppe wollte mit ihrer Studie untersuchen
• ob eine chronische Befeldung mit einem modulierten GSM-Signal bei Lymphomprädisponierten transgenen Eµ-Pim1 heterozygoten Mäusen die Tumorinzidenz
erhöht.
• Gleichzeitig sollten folgende Schwachpunkte
o sehr große Streuung der SAR-Werte (0.008 – 4.2 W/kg)
o nur 1 Expositionslevel („Dosis“)
o Nicht-Auswertung vorzeitig gestorbener Tiere
o kein Phantom-Ersatz für vorzeitig gestorbene Tiere (homogeneres EMF!)
der Studie von Repacholi et al. (1997) vermieden werden.
In von MOTOROLA entwickelten Expositionsrädern („ferris wheels“) wurden röhrenfixierte weibliche Mäuse 1 Stunde/Tag, 5 Tage/Woche bis zu 24 Monate lang gegenüber einem modulierten GSM-Signal (898.4 MHz, Pulsung: 217 Hz, 0.6 ms) im Fernfeld exponiert. Insgesamt vier Expositions- und eine Scheinexpositionsgruppe mit je
120 weiblichen Eµ-Pim1 heterozygoten [Pim1] und je 120 weiblichen WildtypMäusen [wt] wurden verwendet. Die mittleren Ganzkörper-Expositionslevel wurden
mit 0.25, 1.0, 2.0, 4.0 W/kg SAR angegeben. Weitere 120 / 120 weibliche Eµ-Pim1
heterozygote / Wildtyp-Mäuse dienten als unbehandelte (nicht täglich röhrenfixierte)
Käfigkontrolle. Schließlich wurden als Positivkontrolle 30 Eµ-Pim1 heterozygote und
30 Wildtyp-Weibchen einmalig mit 50 mg/kg Ethylnitrosoharnstoff (ENU) behandelt
und anschließend scheinexponiert.
Alle vorzeitig gestorbenen sowie sämtliche die 24 Monate Expositionsdauer überlebenden Tiere wurden seziert, die Hauptorgane (begrenztes Organspektrum) formalinfixiert und die histologischen Schnitte befundet, lymphatische Gewebe wurden immunhistochemisch gefärbt und ebenfalls histopathologisch befundet. Eine repräsentative Anzahl an Lymphomen wurde von externen Pathologen verifiziert.
Die Positivkontrolle bestätigte den Unterschied in der vom Genotyp abhängigen
ENU-induzierten Lymphominzidenz (56.6 % [Pim1] gegenüber 6.7 % [wt]).
Kein Unterschied in der Körpergewichtsentwicklung, der Überlebensrate und in der
Lymphom-Inzidenz wurde bei den jeweils getrennt betrachteten heterozygoten Pim1bzw. Wildtyp-Gruppen zwischen exponierten und scheinexponierten Tieren festgestellt.
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Die Fragestellung „Tumorinzidenzerhöhung“ wurde mit vier „Dosis“gruppen adäquat
adressiert und die experimentelle Durchführung ausreichend genau beschrieben.
Deutliche Schwachpunkte sind die fehlende Auswertung der Käfigkontrollen, die
(einseitige) Ausrichtung der histopathologischen Untersuchungen auf neoplastische,
lymphatische Veränderungen (kein komplettes Organspektrum!) sowie die Ergebnisdarstellung (z.B. falsche Überlebenszeitkurven in der Originalpublikation, Dosimetrie,
Präsentation der Tumorinzidenzen). Diese wurden von der Fachwelt kritisiert und von
den Autoren teilweise beantwortet (Utteridge et al., 2003).
Sponsor: NHMRC (National Health and Medical Research Council)
Zook & Simmens (2001): The effects of 860 MHz radiofrequency radiation on
the induction or promotion of brain tumors and other neoplasms in rats.
In dieser Untersuchungsserie sollte schließlich festgestellt werden ob
(a) ein gepulstes oder
(b) ein kontinuierliches 860 MHz-Feld
Hirntumoren oder andere Tumoren
• induziert oder promoviert.
Die Experimente umfassten 900 Nachkommen ENU-behandelter Muttertiere. Am 15.
Tag ihrer Gravidität wurden Sprague-Dawley-Weibchen i.v. mit 0, 2.5 oder 10 mg
ENU behandelt und so Hirntumoren in den Feten induziert. Die trächtigen KontrollWeibchen erhielten i.v. Phoshatpuffer. Die Jungtiere wurden auf insgesamt 15
Schein-/Expositions- und Käfigkontrollgruppen (n = 60 / Gruppe, je 30♂ + 30♀) verteilt. Im Alter von 7 Wochen wurden die Tiere in einem 1-wöchigen Training an die 6stündige Röhrenhaltung gewöhnt. Ab dem 2. Lebensmonat wurden die Jungtiere der
entsprechenden Gruppen in den Röhren scheinexponiert bzw. mit 860 MHz gepulst
(11.1 Hz, PRF-Gruppen) oder ungepulst (CWRF-Gruppen) befeldet. Dazu waren die
Tiere in Expositionskarussells radiär um eine zentrale Antenne ausgerichtet. Die Expositionsdauer betrug 6 Stunden/Tag, 5 Tage/Woche über bis zu 22 Monate. Als lokale Gehirn-SAR der befeldeten Gruppen wurde 1.0 W/kg genannt. Drei der o.g. 15
Gruppen waren reine Käfigkontrollen (mit den 0, 2.5, 10 mg/kg Nachkommen).
Im Alter von 24 Monaten wurden die überlebenden Tiere schmerzlos getötet und seziert, ausgewählte Hauptorgane sowie Serienschnitte (18-26) des Gehirns histopathologisch befundet (einschließlich Peer Review!).
Die Inzidenz der Hirntumoren war ausschließlich von der ENU-Dosis abhängig, ein
Hirntumor-initiierender oder promovierender Effekt konnte durch keine der beiden
Befeldungsmuster nachgewiesen werden. Auch das sonstige (untersuchte) Tumorspektrum wurde durch die EMF-Exposition nicht beeinflusst.
B-14
Dasenbrock, Lerchl: Tierexperimentelle Studien - Krebs
Diese umfangreiche Studie bearbeitet klar die Arbeitshypothese, dass Hirntumoren in
höherer Inzidenz nach Mobilfunkfeldexposition entstehen. Die langjährige und sequentielle experimentelle Durchführung mit allen praktischen Überlegungen und Problemen ist detailliert beschrieben, die histopathologische Diagnostik (Peer Review!)
valide. Anzumerken bleibt, dass nur eine Expositions“dosis“ von 1 W/kg SAR und
dass nur ein unvollständiges Organspektrum untersucht wurde.
Sponsor: Motorola Corp. (teilweise)
5 Gesamtbewertung für das Themenfeld
Keine der bewerteten Langzeitstudien ergab in den beschriebenen Tiermodellen
einen (experimentell abgesicherten) krebsfördernden oder krebserzeugenden
Effekt durch die gewählten mobilfunkrelevanten Expositionsbedingungen.
Einige generelle Kritikpunkte* an der Mehrzahl der 10 dargestellten Studien:
• nur 1 „Dosis“ (Expositionslevel);
• Dosimetrieangaben (bei wachsenden / schwerer werdenden Tieren) ungenau;
• zu geringe Gruppengröße;
• häufig keine Angaben zur mikrobiologischen Tiergesundheit (gemäß FELASA,
2002; o.ä. Vorgaben in nichteuropäischen Ländern);
• keine standardisierte Tumor-Nomenklatur (IARC, 1992-1997; WHO, 2001);
• kein Peer Review bzw. PWG bezüglich der histopathologischen Befunde;
• das mehrfach verwendete DMBA-Mammatumormodell ist sehr artefiziell und
scheint zwischen verschiedenen Labors nicht standardisierbar.
*Anm.: Den Verfassern dieses Gutachtens ist der Kostenaspekt, beispielsweise bei der Gruppengröße, durchaus bewusst.
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass in diesem Gutachten bewusst keine
Bewertung der Expositionsbedingungen erfolgte. Diese Materie überschreitet die
Fachkompetenz der Gutachter. Die einschlägigen Anforderungen aus ingenieurwissenschaftlicher Sicht werden beispielsweise von Streckert (2003) beschrieben.
B-15
Dasenbrock, Lerchl: Tierexperimentelle Studien - Krebs
6 Literaturverzeichnis
Liste der 10 bewerteten Studien:
(1) Adey WR, Byus CV, Cain CD, Higgins RJ, Jones RA, Kean CJ, Kuster N, MacMurray A, Stagg RB, Zimmerman G (2000): Spontaneous and nitrosourea-induced
primary tumors of the central nervous system in Fischer 344 rats exposed to frequency-modulated microwave fields. Cancer Res 60: 1857-1863.
(2) Anane R, Dulou PE, Taxile M, Geffard M, Crespeau FL, Veyret B (2003): Effects
of GSM-900 microwaves on DMBA-induced mammary gland tumors in female Sprague-Dawley rats. Radiat Res 160: 492-497.
(3) Bartsch H, Bartsch C, Seebald E, Deerberg F, Dietz K, Vollrath L, Mecke D
(2002): Chronic exposure to a GSM-like signal (mobile phone) does notstimulate the
development of DMBA-induced mammary tumors in rats: results of three consecutive
studies. Radiat Res 157: 183-190.
(4) Heikkinen P, Kosma VM, Alhonen L, Huuskonen H, Komulainen H, Kumlin T, Laitinen JT, Lang S, Puranen L, Juutilainen J (2003): Effects of mobile phone radiation
on UV-induced skin tumourigenesis in ornithine decarboxylase transgenic and nontransgenic mice. Int J Radiat Biol 79: 221-233.
(5) Heikkinen P, Kosma VM, Hongisto T, Huuskonen H, Hyysalo P, Komulainen H,
Kumlin T, Lahtinen T, Lang S, Puranen L, Juutilainen J (2001): Effects of mobile
phone radiation on X-ray-induced tumorigenesis in mice. Radiat Res 156: 775-785.
(6) Imaida K, Kuzutani K, Wang J, Fujiwara O, Ogiso T, Kato K, Shirai T (2001): Lack
of promotion of 7,12-dimethylbenz[a]anthracene-initiated mouse skin carcinogenesis
by 1.5 GHz electromagnetic near fields. Carcinogenesis 22: 1837-1841.
(7) Jauchem JR, Ryan KL, Frei MR, Dusch SJ, Lehnert HM, Kovatch RM (2001): Repeated exposure of C3H/HeJ mice to ultra-wideband electromagnetic pulses: lack of
effects on mammary tumors. Radiat Res 155: 369-377.
(8) La Regina M, Moros EG, Pickard WF, Straube WL, Baty J, Roti Roti JL (2003):
The effect of chronic exposure to 835.62 MHz FDMA or 847.74 MHz CDMA radiofrequency radiation on the incidence of spontaneous tumors in rats. Radiat Res 160:
143-151.
(9) Utteridge TD, Gebski V, Finnie JW, Vernon-Roberts B, Kuchel TR (2002): Longterm exposure of E-mu-Pim1 transgenic mice to 898.4 MHz microwaves does not
increase lymphoma incidence. Radiat Res 158: 357-364.
(10) Zook BC, Simmens SJ (2001): The effects of 860 MHz radiofrequency radiation
on the induction or promotion of brain tumors and other neoplasms in rats. Radiat
Res 155: 572-583.
B-16
Dasenbrock, Lerchl: Tierexperimentelle Studien - Krebs
b) Sonstige:
FELASA – Federation of European Laboratory Animal Science Association (2002):
Recommendations for the heath monitoring of rodent and rabbit colonies in breeding
and experimental units. Laboratory Animals 36: 20-42.
IARC / WHO (1992-1997): International Classification of Rodent Tumours, Part I: The
Rat; ed U Mohr. IARC Sci Publ no. 122, Lyon.
Juuitilainen J, Lang S, Rytömaa T (2000): Possible cocarcinogenic effects of ELF
electromagnetic fields may require repeated long.term interaction with known carcinogenic factors. Bioelectromagnetics 21: 122-128.
Repacholi MH, Basten A, Gebski V, Noonan D, Finnie J, Harris AW (1997): Lymphomas in Eµ-Pim1 transgenic mice exposed to pulsed 900 MHz electromagnetic
fields. Radiat Res 147: 631-640.
Streckert J (2003): Anforderungen an technische Einrichtungen zur Untersuchung
der Wirkung hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf biologische Systeme.
Edition Wissenschaft Nr. 18, Mai 2003, Forschungsgemeinschaft Funk e.V., Bonn.
Utteridge TD, Gebski V, Finiie JW, Vernon-Roberts B, Kuchel TR (2003): Response
to the letters to the Editor sent by (1) Kundi, (2) Goldstei/Kheifets/van Deventer/Repacholi, and (3) Lerchl. Radiat Res 159: 276-278.
WHO (World Health Organization), IARC International Agency for Research on Cancer (2001): International classification of rodent tumors, The Mouse, Mohr, U (Ed).
Springer Verlag, Heidelberg, Berlin, New York.
B-17
Dasenbrock, Lerchl: Tierexperimentelle Studien - Krebs
7 Abkürzungen
6-OHMS
ACTH
CDMA
CW(RF)
DAMPS
DCS
DMBA
DNA
ELF
EMF
ENU
FDMA
FM
GLP
GSM
Gy
h
HF
Hz
IARC
i.v.
KGW
kV
MHz
NADC
NMT
ns
NTP
ODC
PRF
ps
PW
PWG
PDC
RF
SAR
TDMA
tg
TPA
UV
UWB
W
wt
ZNS
6-Hydroxymelatoninsulfat
Adrenocorticotropes Hormon
Code Division Multiple Access
Continuous wave (radiofrequency)
Digital Advanced Mobile Phone Systems
Digital Personal Communications System; europäischer Standard für
digitale Mobilfunktechnologie bei 1800 MHz
7,12-Dimethylbenz[a]anthrazen
Desoxyribonukleinsäure
Extremly low frequency (<3 kHz)
Elektromagnetisches Feld
Ethylnitrosoharnstoff
Frequency Division Multiple Access
Frequenzmodulation
Gute Laborpraxis gemäß ChemG und anderen nationalen bzw. OECD-Regeln
Global System for Mobile Communication; europäischer Standard für
zelluläre Mobilfunksysteme
Gray
Stunde(n)
High frequency
Hertz
International Agency for Research on Cancer
Intravenös
Körpergewicht
KiloVolt (1.000 V)
Megahertz
North American Digital Cellular
Nordic Mobile Telephones
Nanosekunde (10-9 s)
National Toxicology Program
Ornithindecarboxylase
Pulsed radiofrequency
Picosekunde (10-12 s)
Pulsed wave
Pathology Working Group
Personal Digital Cellular (Japanischer Standard, 800 bzw. 1500 MHz)
Radiofrequency
Spezifische Absorptions-Rate
Time Division Multiple Access
Transgen(e)
12-O-Tetradecanoylphorbol-13-acetat
UltraviolettUltraweitband
Watt
Wildtyp
Zentralnervensystem
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Dasenbrock, Lerchl: Tierexperimentelle Studien - Krebs
8 Tabelle: Übersicht zu den berücksichtigten Studien
species frequency
modulation /
pulse
SAR (W / kg) Exposure per
per day week
duration restrained blinded power
n sufficient endpoints
analysis
result sponsor
1
rats
836.55 MHz ± 12.5
kHz
FM
1
3x2 h
7d
734 d
+
+
+
+
s, bt, cns
-
Motorola
2
rats
900 MHz
GSM
0.1 - 3.5
2h
5d
9 wks
+
-
-
-
s, mt
in
France Telecom
3
rats
900 MHz
GSM
0.017 - 0.07 24 h
7d
300+ d
-
-
-
(+)
s, mt
-
Telekom
4
mice
849 MHz / 902.4 MHz DAMPS/GSM
0.5
1.5 h
5d
52 wks
+
-
-
-
s, c, st, m
in
Nokia
5
mice
902 MHz
GSM / NMT
0.35 / 1.5
1.5 h
5d
78 wks
+
-
-
+
s, h, vt
-
Nokia
6
mice
1.5 GHz
TDMA
2 / 0.084
90 min
5d
19 wks
+
-
-
+
st, ho
in
ARIB
7
mice
Ultrawideband
0.01
2 min
1d
12 wks
-
-
-
+
s, mt, vt
-
US-Gov.
8
rats
835 MHz / 847 MHz
FDMA / CDMA
1.3
4h
5d
730 d
+
-
-
+
s, vt
-
Motorola
9
mice
898.4 MHz
GSM
0.25 - 4
60 min
5d
104 wks +
+
-
+
s, l
-
Motorola
10
rats
860 MHz
CW / Pulse
1
6h
5d
22 mo
-
-
+
s, bt, cns, vt -
Motorola
study
+
in = inconclusive
(+) = ok for parametric comparison, not sufficient for survival analysis
Endpoints (excluding weights of whole animals and organs): s = survival time; bt =brain tumors; vt= various tumors; mt = mammary tumors;
c = various chemical compounds; st = skin tumors; m = melatonin; h = hematology; ho = hormones; l = lymphoma
B-19
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