RAUS AUS DER DOPAMIN FALLE VON KLAUS GROCHOWIAK EMINA MUSOVIC 1 Inhaltsverzeichnis Einleitungsvortrag 3 Typische Aussagen auf Entzug: „Junkie Talk“ 6 Inszenierung von Ablehnungserfahrungen und Ambivalenzerfahrungen 7 Selbstablehnung des Körpers; Bedürfnisse 8 Was sind Spiele? 9 Der Beginn eines Spiels: Das Ausblenden 9 Der Köder 10 Die Eskalation des Spiels: Härtegrad 1 - 3 12 Das Aufmerksamkeitsspiel 13 „Jetzt habe ich dich, du Schwein“ (Märtyrerrolle) 13 Das Nähe-Distanz-Spiel 14 Sieh bloß, was du angerichtet hast (Schuld) 15 Liebesentzug/Sexentzug 16 „Ich armer Teufel“ und „Ich bin behindert“ 18 „Ich bin überarbeitet“ 19 Selbstsabotage in Beruf und Fortbildung 20 Aufmerksamkeitsspiele: „Alarm schlagen“ 21 Ablehnung und Sex 22 Selbstbild - Entscheidung - Glaubenssätze und Wahrnehmungsfilter 23 Wie unterbricht man Spiele? 24 Die Lösung: Der Weg des Entzugs 25 Anhang I: Motivation 26 Anhang II: Dramadreieck 33 Anhang III: Dopaminerge Bahnen im Gehirn 37 2 Einleitung Die meisten von uns kennen Situationen, in denen wir unbewusst etwas dafür tun, dass wir Ablehnung oder Misserfolg erleben. Wir gehen in die Therapie oder ins Coaching, um die unbewussten Gründe für dieses selbstzerstörerische bzw. selbstverletzende Verhalten zu bearbeiten. Wir arbeiten an den traumatischen Erfahrungen, an den systemischen Verstrickungen und an den Entscheidungen und Glaubenssätzen, die sich auf der Basis dieser Erfahrungen gebildet haben. Und vieles verbessert sich oder hört ganz auf, aber oft bleibt ein Kern übrig, der uns zwanghaft, so als wenn wir geradezu süchtig danach wären, zu den immer gleichen Verhaltensweisen treibt, von denen wir wissen, dass sie uns nicht gut tun. Freud sprach in diesem Zusammenhang vom Wiederholungszwang. Und ich kenne keinen Kollegen, der nicht schon daran verzweifelt wäre, dass er mit bestimmten Klienten an diesem Punkt einfach nicht weitergekommen ist. Neuere Forschungen im Rahmen der Neurophysiologie geben uns einen Hinweis darauf, dass es sich hier tatsächlich um eine Art Sucht handelt – Sucht nach der Dopamin-Belohnung für ein Verhalten, dass dafür sorgt, dass wir einen ganz spezifischen Schmerz immer und immer wiederholen. Normalerweise dient Dopamin dazu Mensch und Tier dazu zu motivieren, Situationen zu suchen, die eine Belohnung oder eine positive Erfahrung versprechen. Neuere Forschungen zeigen, dass das Dopamin auch die Wirkung haben kann, im Nukleus Accumbens Verhaltensweisen anzuregen, die uns Situationen aufsuchen lassen, vor denen wir eigentlich Angst haben. Kent Berridge, PhD, und seine Kollegen von der University of Michigan fanden heraus, dass die beiden Regionen im Nukleus Accumbens, die für Belohnung und Furcht zuständig sind, nur wenige Millimeter auseinander liegen. Dopamin spielt hier als Neurotransmitter eine hervorragende Rolle. Durch Injektionen konnte bei Ratten gezeigt werden, dass je nachdem, in welche der beiden 3 Regionen injiziert wurde, die Tiere entweder dreimal mehr aßen als normal oder sich so verhielten, als sei ein Raubtier anwesend. Berridge nimmt an, dass Dopamin Fehlfunktionen in diesem Areal sowohl für exzessives Suchtverhalten als auch für krankhafte Angst zuständig sind. Gleichzeitig beeinflussen die Dopamin-Rezeptoren unser Lernen aus Fehlern. Der Austausch einer Base innerhalb des Gens für den Dopamin-D2-Rezeptor gibt Hinweise darauf, wie Menschen aus positiven oder negativen Rückmeldungen lernen. Das hat ein Team um Markus Ullsperger vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig herausgefunden. MPI-Forscher haben mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) die neuronale Aktivität untersucht, die dem Fehlerlernen zugrunde liegt. © MPI Positive oder negative Rückmeldungen bestärken uns in einem bestimmten Verhalten oder veranlassen uns, fehlerhaftes Verhalten zu vermeiden. Die Fähigkeit, aus Erfolgen bzw. Fehlern zu lernen, variiert aber zwischen Individuen. Ein wichtiger Faktor scheint dabei Dopamin im Gehirn zu sein. Die Dichte der Rezeptoren für diesen Botenstoff hängt von der genetischen Variante des entsprechenden Rezeptorgens ab - die Variante A1 bedingt eine Reduktion der Rezeptordichte. Und das könnte auch zu einem Defizit in der Fähigkeit führen, aus Fehlern zu lernen. Die geringere Empfindlichkeit bei reduzierter Dopamin-D2-Rezeptordichte gegenüber negativen Handlungskonsequenzen liefert somit erste Hinweise auf einen möglichen neurobiologischen Mechanismus, der die Entwicklung von Sucht und selbstschädigendem Verhalten begünstigen könnte. Wenn wir diesen Gedanken weiter denken, dann ist der Schritt zu folgender Einsicht nicht weit. Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein Kleinkind sucht die Nähe der Mutter. Wenn dies gelingt, gibt es Dopamin als Verstärker, der das Kind immer wieder motiviert, dieses Verhalten zu zeigen. Was passiert aber, wenn die Mutter sich ablehnend verhält? Es gibt einen emotionalen Schmerz und es entsteht die Angst, dass die nächste Annäherung wieder auf eine Ablehnung stoßen könnte. Dem ambivalenten Verhalten der Mutter entspricht jetzt eine ambivalente Motivationslage des Kindes. Es will hin und hat gleichzeitig Angst davor. Da das Kind aber zur Mutter muss, das Bedürfnis ist viel zu stark, entsteht eine Konditionierung, bei der Dopamin ausgeschüttet wird, 4 wenn das Kind die Angst überwindet. So entsteht ein ambivalenter Bindungsstil und der Glaubenssatz: Liebe ist ambivalent – und wenn es nicht ambivalent ist, dann ist es keine Liebe oder langweilig. Oder stellen wir uns vor, ein Junge hat einen Vater, der nur dann Interesse an seinem Sohn zeigt, wenn er mit ihm Sport macht. In diesem Zusammenhang wiederholt sich folgende Situation jedes Mal von Neuem: Der Junge ist erschöpft und kann nicht mehr, aber der Vater fordert ihn auf, seinen „inneren Schweinhund“ zu überwinden und noch weiter zu machen. Nur wenn der Junge das auch tatsächlich tut, erlebt er Anerkennung und Zuwendung von seinem Vater. Die Folge ist, dass er darauf konditioniert ist, seine Erschöpfungsgrenze ständig zu überschreiten und sich gerade dadurch gut zu fühlen. Als Erwachsenen haben wir dann einen Manager, der wegen eines akuten Burnouts zu uns kommt und lächelt, während er uns darüber erzählt, dass er ständig über seine Grenzen geht und Erschöpfung gar nicht mehr richtig wahrnehmen kann. Die Hoffnung vieler Psychotherapeuten war es nun, dass durch die Arbeit an diesen traumatischen Erfahrungen (unterbrochene Hinbewegung) sich dieses Verhalten auflösen würde. Leider ist das meist nicht der Fall. Der Grund scheint ganz naheliegend: Die Interventionen erreichen zwar den präfrontalen Kortex, aber nicht die Ebene des Nukleus Accumbens, des ventralen tementalen Areals (VTA) und anderer subkortikaler Strukturen. D. h. die Ebene, auf der die Sucht nach einem „negativen“ Dopamin-Kick gespeichert ist, wird nicht automatisch reorganisiert, wenn wir mit den üblichen kognitivemotionalen Techniken arbeiten. Klienten erleben diese Situation ganz ähnlich wie andere Süchte auch. Wenn es z. B. in einer Liebesbeziehung zu lange keine Ablehnungserfahrung gab, dann erleben sie eine unspezifische Erregung, die sie dazu treibt, etwas zu tun, was mit Sicherheit zu einer solchen führt. Und schon die Partnerwahl ist durch diesen unbewussten Mechanismus beeinflusst; wir suchen unbewusst jemanden, mit dem wir diese Ambivalenz erneut erleben können. Diese Sucht führt dann natürlich zu einem entsprechenden Selbstbild, zu entsprechenden Glaubenssätzen über Männer, Frauen, Beziehungen usw. Es entstehen passende Wahrnehmungsfilter und Partnerauswahl-Strategien. All dies stabilisiert die Sucht. Kurz gesagt: Die betreffende Person entwickelt Interaktionsspiele, die es ihr gestatten, die Erfahrung von Ablehnung, Ambivalenz, Misserfolg und Schmerz immer wieder zu reinszenieren. Zusätzlich führt diese Dopamin-Fehlfunktion auch dazu, dass bestimmte neuronale Bahnen in den präfrontalen Kortex blockiert werden, so dass aus positiven Gegenbeispielen nichts gelernt werden kann. 5 Typische Aussagen auf Entzug: „Junkie Talk“ Für selbstreflexive Wesen wie uns Menschen ist es unmöglich, unser zwanghaftes Verhalten nicht irgendwie zu rationalisieren. Wir leiden darunter, wir wissen, dass es unproduktiv ist und wir können es scheinbar nicht abstellen – also müssen wir es rechtfertigen. Diese Rationalisierungen nennen wir „Junkie Talk“. Hier ein Beispiel: Ein Klient, der seit 27 Jahren glücklich verheiratet ist, kam zu Klaus, da er sich, wie er sagte, mit seiner Frau wegen jeder Kleinigkeit heftig stritt und diese Situation gerne beenden möchte. Die Darstellung typischer Streitereien sah so aus, als sei es immer seine Frau, die den Streit beginnen würde. In Zuge des Einleitungsinterviews sagte er: „Ich hatte früher auch sehr harmonische Beziehungen, aber die wurden mir nach kurzer Zeit langweilig.“ Daraufhin sagte ich zu ihm: „D. h., du möchtest, dass ich dir helfe, dass deine jetzige Beziehung auch langweilig wird?“ Er sah mich sehr verwirrt an und sagte dann: „Nein, das ist doch Quatsch.“ „Ja, die Vorstellung, dass Harmonie gleichbedeutend mit Langeweile sein muss, ist in der Tat Quatsch!“ Damit war die erste Rationalisierung geplatzt. Als nächstes sagte er: „Meine Frau und ich sagen uns immer, dass unsere Streitereien immerhin dafür sorgen, dass wir nichts Wichtiges unter den Teppich kehren.“ Klaus: „Du sagtest doch gerade, dass ihr euch wegen Kleinigkeiten streitet. Und außerdem gehst du von der Vorannahme aus, dass Streit die einzige und beste Form ist, um Wichtiges nicht unter den Teppich zu kehren.“ Klient: „Ja, das stimmt, das ist auch Quatsch.“ Klaus: „Stimmt!“ Die zweite Rationalisierung war geplatzt und wir begannen mit einer Familienaufstellung. Die beiden oben erwähnten Rationalisierungen sind ein schönes Beispiel für Junkie Talk. Kurz nach der Aufstellung teilte er mit, dass ihm gerade eine Erinnerung hochkam. Er saß vor dem Computer, und parallel zur Arbeit bereitete sich ein Teil von ihm auf den nächsten Streit mit seiner Frau vor. Es wurde ihm klar, dass seine bisherige Einschätzung, dass seine Frau die Streitereien begann, selbst eine heftige Verzerrung war. 6 Inszenierung von Ablehnungs- und Ambivalenzerfahrungen Wie oben schon erwähnt ist ein ambivalenter Bindungsstil in der Regel das Resultat einer ambivalenten Beziehung der Mutter zum Kind. Hat sich dieser Bindungsstil erst einmal etabliert und der dazu passende Glaubenssatz „Liebe ist ambivalent“ gebildet, beginnt der Wiederholungszwang. Am besten man stellt schon bei der Partnerwahl sicher, dass die Liebe bzw. die Beziehung mit einem „Ja, aber ...“ beginnt. Z. B.: „Ja, ich liebe dich, aber ich bin über meine erste große Liebe noch nicht hinweg.“ „Ja, ich liebe dich, aber du bist mir zu alt.“ „Ja, ich liebe dich, aber eigentlich bist du mir zu klein.“ Oft ist das aber der jeweiligen Person selbst nicht bewusst. Bei Vater-Töchtern erleben wir es immer wieder, dass sie seelisch so fest mit ihrem Vater verbunden sind, dass kein anderer Mann jemals die Nummer 1 in ihrem Herzen sein kann. Dasselbe gilt natürlich auch für die so genannten Mutter-Söhnchen. Oder jemand konnte seine erste Liebe nicht haben, weil der Mann im Krieg gefallen ist, oder die gesellschaftlichen Vorurteile eine Heirat verhindert haben. Dies führt oft dazu, dass man an diesen Menschen seelisch gebunden bleibt und irgendjemanden heiratet, da man nicht alleine bleiben möchte. Für jemanden mit dem Glaubenssatz, dass er sowieso nicht voll und ganz gemeint und geliebt sein wird, ist ein zweiter Platz genau das, was er erwartet. D. h. die Startbedingungen der Beziehung sind schon von einer Grundambivalenz geprägt, die dann die Atmosphäre der Beziehung dominiert. Natürlich kann es selbst einem Menschen mit diesem Glaubenssatz passieren, dass sich jemand in ihn/sie verliebt und ihn wirklich meint. Diese „Gefahr“ kann man aber leicht dadurch begegnen, dass man irrational eifersüchtig wird, wegen jeder Kleinigkeit so tut, als ob der/die andere in Wirklichkeit mit der Beziehung unzufrieden ist. So kann man z. B. leicht aus der Tatsache, dass der andere gerade keine Lust auf Sex hat, ableiten, dass man nicht mehr begehrt wird. Das Unbewusste ist aber noch viel raffinierter. Man stelle sich vor, dass der Mann aus seiner Unsicherheit heraus oft Sex will, obwohl er selbst gar nicht besonders erregt ist, da der Sex für ihn eine Art Test ist, ob seine Frau ihn noch „wirklich“ will. Die Frau spürt natürlich diese Absicht und den Zustand, in dem der Mann ist, und fühlt sich manipuliert und missbraucht, was ihre Lust auf Sex nicht gerade anstachelt. Was dem Mann „beweist“, dass seine Befürchtung 7 begründet war. Wir sprechen hier von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung, deren innere Dynamik dem Mann allerdings verborgen bleibt. Nach diesem Muster kann man unendliche viele Variationen bilden, um sich seinen Glaubenssatz und seine Sucht nach Ablehnung sicher zu stellen. Selbstablehnung des Körpers; Bedürfnisse Die Möglichkeiten, Ablehnungs- und Ambivalenzerfahrungen zu inszenieren, bedürfen immer bestimmter Situationen und eines Gegenübers. Es gibt allerdings noch eine verschärfte Form, Ablehnung möglich zu machen, nämlich seinen eignen Körper und seine eigenen Bedürfnisse abzulehnen. Mehr noch, die Kontrolle darüber zu haben, wann und wie man seinen eigenen Körper und seine Gesundheit sabotiert. Damit ist gewährleistet, dass diese Form von Ablehnung zu jeder Zeit möglich ist und keine äußere Situation braucht oder einen entsprechenden Gegenüber. Im Fall einer jungen Frau gab es eine frühe Ablehnungserfahrung in der Kindheit, sowohl von der Mutter als auch vom Vater. Die Folge war eine ständige Erschaffung von Situationen, in denen gewährleistet war, dass das Ergebnis eine Ablehnungserfahrung war. Man könnte sagen, Personen und Ereignisse wurden magnetisch angezogen oder auch Ereignisse künstlich erschaffen. Daraus erfolgte ein immer größer werdendes Misstrauen Menschen gegenüber und ein Einsamkeitsgefühl. Nach etlichen Reinszenierungen dieser Ablehnungserfahrung traf die Klientin eine Entscheidung, und zwar: „Ich bleibe lieber ein ganzes Leben allein, als mich so behandeln zu lassen. Und niemand kann mich so ablehnen und mir weh tun wie ich mir selbst!“ Das führte natürlich nicht zum vollständigen Abbruch der Ablehnungserfahrungen, aber zur rechtzeitigen Entdeckung und damit zur Beendigung der Situation. Gleichzeitig hatte die getroffene Entscheidung fatale Folgen für die Klientin. Die Aussage: „Niemand kann mich so ablehnen und mir weh tun, wie ich mir selbst“, führte zu einem inneren Sabotageprogramm gegen den eignen Körper und Organismus. Sporteinheiten wurden bis zum Stadium der Erschöpfung getrieben, Essen wurde akribisch kontrolliert und Schmerzen als Lebensgrundgefühl etabliert. Und wenn der Körper es wagte, durch eine Erkältung Fieber zu bekommen, gab es eine Sporteinheit zusätzlich mit der Kampfansage: „Du kriegst mich nicht klein, ich zeige dir jetzt mal, wer hier der Boss ist“. Alle natürlichen Bedürfnisse wie Ruhe, Entspannung und sogar regelmäßiger Schlaf wurden getilgt. Der innere Zerstörungsdialog sorgte für einen ständigen Kampfgeist gegen den Körper bis zum völligen Erschöpfungszustand. Und wenn der eintrat, setzte wieder der Zerstörungsdialog ein: „Du bist halt zu schwach“. Diese Form der Ablehnung lebt vom ständigen Armdrücken mit sich selbst, indem man sich in seinem Größenwahn fühlt als sei man der Sieger über den Körper bei gleichzeitigem Verlust natürlicher Körperempfindungen. Aus anfänglichen Wehwehchen werden dann chronische 8 Erkrankungen, die wiederum verhindern, voll und ganz auf seine Ressourcen zurückzugreifen, und schaffen die Ausrede: „Ich habe keine Kraft, mich diesen Aufgaben zu stellen.“ Somit haben wir ein inneres Ablehnungsprogramm des Körpers, seiner Bedürfnissem mit der Garantie auf vollständige Sabotage seiner Lebensmöglichkeiten, ohne Einwirken von außen. Bei gleichzeitiger Überzeugung: „Ich kann ja nichts dafür, mein Körper macht schlapp“, entsteht eine Abkopplung von Geist und Körper, die auf einer tiefen Selbstverachtung und Selbstablehnung basiert. Ein würdeloses Gefühl, deren Fratze so grausam ist, das man alles möglich macht, um dieses Gefühl nicht spüren zu müssen. Wer dieses Spiel zum Lebensmodell gemacht hat, bezahlt den Preis, als stolzer lebender Toter gebrechlich sterben zu dürfen. Die kommunikative Oberfläche der Dopamin-Falle ist immer ein Spiel im Sinne der Transaktionsanalyse. Wir werden uns daher im Folgenden mit der Struktur von Spielen näher beschäftigen. Was sind Spiele? Einen besonderen Stellenwert haben in der TA die so genannten Spiele, die von Berne in seinem Werk "Spiele der Erwachsenen" erstmals untersucht wurden. Mit Spielen werden in der TA komplexe Transaktionen bezeichnet, die immer wiederkehrende Muster aufweisen und zum Schluss meist mit unguten Gefühlen ausgehen. Im Gegensatz zu dem, was üblicherweise unter Spiel verstanden wird, definiert Berne den Begriff wie folgt: Ein Spiel besteht aus einer fortlaufenden Folge verdeckter Komplementär-Transaktionen, die zu einem ganz bestimmten, voraussagbaren Ereignis führen. Charakteristisch ist dabei, dass der Zweck des Spiels die Befriedigung eines psychischen Bedürfnisses ist, das nur wenig mit dem zu tun haben muss, was vordergründig im Mittelpunkt des Gespräches steht. Die Struktur der Spiele1 Der Beginn eines Spiels: Das Ausblenden Ein Spiel kann nur beginnen, wenn der Spieler ganz am Anfang etwas Wesentliches ausblendet. Dieses Ausblenden ist fast immer unbewusst. Der Spieler blendet etwas bei sich selbst aus. Der Spieler blendet etwas aus, was seinen Kommunikationspartner betrifft. Der Spieler blendet etwas aus, was die Realität betrifft. 1 Die Struktur der Spiele orientiert sich an der Darstellung von Renate und Ulrich Dehner: Schluss mit diesen Spielchen, Campus Verlag 9 Dieses Ausblenden können wir auch als eine Form der Verzerrung der Wirklichkeit verstehen. Sagt z. B. ein Kranker: „Ich muss trotzdem zur Arbeit gehen, da die anderen Kollegen nicht wissen, wie es geht, und es eilt sehr.“ Fragt man ihn nun, ob das bedeutet, dass die Firma dicht machen müsste, wenn er für längere Zeit ins Krankenhaus kommt, dann wird schnell klar, dass er seine Bedeutung extrem verzerrt hat. Spielangebote sind auch leicht dadurch zu erkennen, dass der Sprecher Universalquantifikatoren nutzt: „Du hörst mir nie zu. Immer muss ich alles alleine machen“, usw. Man kann ein Spiel aber auch damit beginnen, dass man bei einem vorhandenen Problem etwas ausblendet: Man missachtet die Existenz des Problems. Man missachtet die Bedeutsamkeit des Problems. Man missachtet die Lösbarkeit des Problems. Man missachtet die eigene Fähigkeit, das Problem zu lösen. Der Köder Anschließend wirft er einen Köder aus, der den Partner, wenn er anbeißt, mit in das Spiel zieht. Der geübte Spieler weiß intuitiv, dass er dem anderen das Richtige anbieten muss, damit wirklich ein Spiel zustande kommt. Das kann ein Reizthema sein, eine Bemerkung, die der andere einfach nicht unkommentiert stehen lassen kann, es ist ein Wert involviert, der dem anderen sehr wichtig ist usw. Im Zweifelsfalle werden gleich mehrere Köder ausgeworfen, so dass ganz sicher ist, dass der andere anbeißt. Ein Köder wird nur dann geschluckt, wenn er auf einen wunden Punkt des anderen trifft. Sagt man z. B. zu jemandem, für den Loyalität sehr wichtig ist: „Ich fühle mich von dir im Stich gelassen!“, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass der andere nicht einfach mit den Schultern zuckt, sondern versucht, sich zu rechtfertigen – und schon ist er im Spiel. Bei einem anderen reicht vielleicht schon ein leidendes Gesicht oder der Satz: „Mir geht es gar nicht gut.“ Wenn ihr eure eigenen wunden Punkte kennen lernen wollt, fragt euch ganz ehrlich: Wo fühle ich mich schnell angegriffen? Worauf muss ich einfach reagieren? Welche Behauptungen oder Unterstellungen zwingen mich dazu, mich zu verteidigen? Wo entsteht ein innerer Druck für mich zu handeln? Spiele dienen in der Regel dazu, die eigene Lebensposition und das 10 Bild, welches wir von anderen bzw. uns selbst haben, zu bestätigen. Ein typisches Spiel wird z. B. aus der Opferposition heraus begonnen, etwa mit dem „Ruf nach Hilfe“. Beteiligte können in dieses Spiel einsteigen und Vorschläge zur Lösung anbieten („Warum machst du nicht …?“). Das Opfer hält aber seine Position aufrecht, indem es die Vorschläge abwertet („Ja, aber …“). Die Überzeugung „Ich bin hilflos“ wird durch dieses Spiel aufrechterhalten und bestätigt. Das Dramadreieck von Stephen Karpman hilft bei der Klärung solch unproduktiver Kommunikationsabläufe. Im Anhang findet ihr einen Text zum Thema Dramadreieck. In besonderen Situationen, z. B. bei verbalem Flirten, können von den Transaktionspartnern auch Spiele im Sinne der Transaktionsanalyse entwickelt werden, die von den Beteiligten als angenehm und reizvoll empfunden werden. Spiele sind immer Ausdruck eines Sekundärgefühls und dienen dazu, andere Menschen in die Aufrechterhaltung eigener ungelöster Konflikte einzubinden. Da diese Absicht mit den geltenden moralischen und ethischen Standards unvereinbar ist, darf, kann und will der Spieler sich diese Motive nicht bewusst machen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass sie ihm völlig unbewusst sind. Daraus entsteht ein vorbewusstes Dilemma, welches das Selbstwertgefühl der Person untergräbt. Dies führt dann wiederum oft dazu, dass man sich, um sein schlechtes Gewissen irgendwie ausdrücken zu können, ein Minderwertigkeitsgefühl zulegt, was sozusagen bewusstseinsfähig ist. Man hält sich für nicht attraktiv, intelligent, kreativ usw., um sich nicht eingestehen zu müssen, dass das eigentliche Problem das würdelose Verhalten ist, dass sich in jedem Spiel äußert. Gleichzeitig ist es ein wesentliches Merkmal der Spiele, dass man nicht die Verantwortung dafür übernimmt, sondern diese auf die Mitspieler schiebt. Sicherlich haben diese ihre Verantwortung für ihr Mitspielen, aber das entlastet denjenigen, der das Spiel inszeniert, in keiner Weise. Dabei ist zu beachten, dass Menschen in der Regel sofort ein Störgefühl bekommen, wenn jemand ihnen gegenüber ein Spiel beginnt. Das Unterbrechen des Spielangebots ist darum so schwierig, weil eine Unterbrechung fast immer im Gegensatz zu den üblichen Höflichkeitsregeln steht. Der Spieler nutzt also die Höflichkeitserziehung seines Gegenübers aus, um ihn zum Mitspielen zu erpressen. Da die Spiele für den Spieler selbst letztlich unbefriedigend bleiben, bestrafen sie sowohl die Mitspieler, aber natürlich besonders die, die nicht mitspielen, mit ihrer Verachtung. 11 Spiele sind absolut notwendig, um Selbstsabotage und Selbstschädigung realisieren zu können. Sie garantieren ein akzeptables Selbst- und Fremdbild. Ich kann weder mir noch dem anderen eingestehen: „Ich bin süchtig nach Ablehnungserfahrungen, und darum manipuliere ich unsere Kommunikation so lange, bis ich bekomme, was ich will. Anschließend gebe ich dir die Schuld dafür, dass ich mich schlecht fühle.“ Und die jeweiligen Spiele haben die Funktion, diese entwürdigenden Strategien zu verschleiern. Die Konfrontation mit diesen unappetitlichen Aspekten unseres Verhaltens ist eine wesentliche Voraussetzung für den Ausstieg aus der Dopamin-Falle und dem Wiederholungszwang. Die Eskalation des Spiels: Härtgrad 1 - 3 Jedes Spiel beginnt normalerweise auf dem Härtegrad 1, d. h. hier geht es um die kommunikative Ebene. Es geht um Aufmerksamkeit, darum, dass man sich bestimmte Glaubenssätze über sich und die Welt immer wieder bestätigt. Wenn die Umgebung aber auf diese Ebene nicht oder nicht genug eingeht, dann hat der Spieler die Option, den Härtegrad des Spiels zu verschärfen. Jetzt kann er seine materielle Sicherheit, seine Gesundheit oder seinen sozialen Status als Erpressungsmittel einsetzen: „Wenn du mir nicht hilfst, schaffe ich mein Abitur nicht.“ „Wenn du mich nicht liebst, werde ich krank.“ „Wenn du meine Schulden nicht bezahlst, muss ich einen Offenbarungseid ablegen.“ Wenn das auch noch nichts hilft, dann gibt es immer noch die Möglichkeit, sein Leben einzusetzen: „Wenn du mir nicht hilfst, bringe ich mich um.“ „Wenn du mich nicht liebst, saufe ich mich zu Tode.“ „Sie sind als Therapeut, Arzt usw. meine letzte Hoffnung, wenn Sie mir nicht helfen können, dann hat das Leben keinen Sinn mehr für mich.“ Ob ein Spieler so weit geht, dass er das Spiel auf Härtegrad 2 oder 3 eskaliert, ist nie ganz sicher. Allerdings bedeutet das nur, dass er dann den Spielpartner wechselt. Wenn ein Spiel einfach nicht funktioniert, führt das immer dazu, dass der Spieler oder sein möglicher Partner die Transaktion abbricht. 12 Beispiele für Spiele „Das Aufmerksamkeitsspiel“ Jeder Mensch und natürlich jedes Kind braucht Aufmerksamkeit, um sich gesehen und wertgeschätzt zu fühlen. Wenn ein Kind ein Aufmerksamkeitsdefizit hat, dann versucht es alle möglichen Varianten, um doch noch die Aufmerksamkeit zu bekommen, die es braucht. Es wird vorlaut, krank, aggressiv, es versucht über Leistung, Hilfsbereitschaft, Nettsein usw., Aufmerksamkeit zu bekommen. Je nachdem, welche der Strategien in der Kindheit gut funktioniert hat, werden diese Strategien auch als Erwachsener genutzt. So haben wie den Seminarteilnehmer, der über Fragen und Bemerkungen Aufmerksamkeit erzwingt, wir haben Menschen, die über ihre Probleme und Krankheiten Aufmerksamkeit zu erzwingen versuchen, wir haben Menschen, die über flirtives Verhalten versuchen, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Die Wirkung bei den Spielpartnern ist über kurz oder lang immer dieselbe – man ist genervt. Und nur der jeweilige wunde Punkt zwingt uns dazu, zumindest für eine Weile, mitzuspielen. „Jetzt habe ich dich, du Schwein“ (Märtyrerrolle) „Jetzt habe ich dich, du Schwein“ ist eines der weitest verbreiteten Spiele, das auf einem Ur-Misstrauen Menschen gegenüber basiert. Die Kernüberzeugung bzw. der Kernglaubenssatz lautet: „Du kannst niemanden vertrauen“, und ich setzte alles daran den Anderen und mich selbst davon zu überzeugen. Das Gegenüber wird voller Misstrauen beobachtet, es wird auf Situationen gewartet und es werden Situationen geschaffen, um das Verhalten immer wieder aufs Neue zu testen. Es entsteht eine Rechtfertigungsschleife, deren Rollenverteilung klar nach Opfer und Aggressor unterscheidet. Ein typisches Beispiel auf der Beziehungsebene wäre der eifersüchtige Partner. Alle Überzeugungsversuche, dass die Liebe auf absoluter Treue basiert, werden getilgt. Das kann folgendermaßen aussehen: Ein Paar sitzt im Restaurant beim Essen. Am Nebentisch sitzen zwei attraktive Frauen. Die Partnerin hat die Frauen sofort bemerkt und beobachtet nun ihrem Partner ganz akribisch. Als er dann gleichzeitig mit der Frau am Nachbartisch auf die Toilette geht und sie als Erste vorbeilässt, ist das Drama entfacht. Seine Partnerin konfrontiert ihn nun damit, dass er die Frau lüstern angesehen hat. Er beginnt sofort, sich zu rechtfertigen, worauf sie kontert: „Ich habe es doch ganz genau gesehen, wie du sie angesehen hast. Von wegen, ich bin die Einzige für dich.“ Was sie genau genommen sagt, ist aber „Ich wusste doch, dass man dir nicht vertrauen kann, und jetzt habe ich dich, du Schwein.“ Das Spiel lebt 13 davon, dass das Gegenüber nicht gewinnen kann und der Spieler mit allen Mitteln seinen Partner davon überzeugen will, dass er nicht liebenswert ist oder ein hoffnungsloser Fall. Der Anteil, der dieses Spiel spielt, lässt sich immer neue Tests einfallen, und dabei gibt es kein Spielende. Streng genommen bedeutet das, dass das Gegenüber über kurz oder lang das Handtuch wirft. Und damit kommen wir zur nächsten Ebene des Spiels: Was nun folgt ist, dass sich die verlassene Partnerin nun bestätigen kann: „Ich wusste doch, dass ich niemanden trauen kann, er sagte, er liebt mich, und hat mich dann verlassen. Wenn er mich wirklich geliebt hätte, wäre er geblieben“. Nun schwelgt sie im bittersüßen Schmerz der abermals unerfüllten Liebe und sagt sich: „Wirklich erfüllte Liebe gibt es nicht.“ Gleichzeitig fühlt sie sich in diesem bittersüßen Schmerz groß und mächtig, da sie in der Lage ist, diese Enttäuschung zu tragen, somit haben wir den klassischen Märtyrer! Der Preis dieses Spiels ist die Isolation vom Leben, der Liebe und Glück. Der Ursprungskernglaubenssatz und das daran gekoppelte Gefühl ist: „Ich bin nicht liebenswert“, und beruht auf einer tiefen Ablehnungserfahrung aus der frühen Kindheit, z. B. der unterbrochenen Hin-zu-Bewegung zur Mutter. Und damit kommen wir gleich zu einem weiteren Spiel: „Das Nähe-Distanz Spiel“. „Das Nähe-Distanz-Spiel“ Wie eben erwähnt beruht das „Nähe-Distanz-Spiel“ auf einer tiefen Ablehnungserfahrung in der Kindheit, deren Ursprung in der MutterKind-Beziehung liegt. Man kann sich das wie folgt vorstellen: Eine Mutter, die aus ihrer eigenen Prägung heraus keinen freien Zugang zu ihren Gefühlen hat, bekommt eigene Kinder. Nun spürt sie die Liebe zu ihrem Kind und nimmt es auch in den Arm, aber ab einem gewissen Punkt wird ihr die Nähe zu viel, und sie stößt das Kind von sich. Das macht sie nun immer wieder. Die Bedürfnisse des Kindes werden nicht berücksichtigt und in den Vordergrund gestellt. Das Kind lernt nun auf der emotional-körperlichen Ebene, dass es zwar Liebe und Nähe erhält, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt, und dann werden die Bedürfnisse abgelehnt. Wenn sich diese Erfahrung mehrmals wiederholt hat, manifestiert sich diese Erfahrung und damit die Erkenntnis „Ich bin zu viel“, „Ich bin nicht o. k.“, „Meine Bedürfnisse sind nicht wichtig“. Auf der Verhaltensebene bedeutet dies, dass das Kind im Erwachsenenalter, vor allem auf der MannFrau-Ebene, Nähe zulässt und ab einem bestimmten Punkt zurückschreckt und das Gegenüber wegstößt/ablehnt. Dies ist eine Vermeidungsstrategie des Kindes, da es durch die Mutterbindung gelernt hat, dass die Nähe ab einem bestimmten Zeitpunkt aufhört, sorgt es dafür, diese Ablehnungserfahrung nicht zu erleben und bricht damit den Nähe-Kontakt ab. Das wäre die emotionalkörperliche Ebene. 14 Im „Nähe-Distanz-Spiel“ wird ein Partner gewählt wird, der gewährleistet, dass man die Macht hat, ihn anzuziehen und wegzudrücken. Im Grunde genommen bedeutet das: „Nur wenn ich bestimmen kann, wie nah es wird, behalte ich die Kontrolle und fühle mich sicher“, und im umgekehrten Fall: „Nur wenn ich abgelehnt werde, werde ich geliebt.“ Beliebte Aussagen sind noch: „Ich brauche meine Freiheit“, „Ich mag es nicht, wenn jemand so an mir klebt“, „Klammern in der Beziehung nimmt mir die Luft zum Atmen.“ Somit werden Ablehnung und Liebe in Zusammenhang gebracht. Gleichzeitig werden Menschen, die nicht auf dieses Spiel reagieren und einen wirklich meinen, als „Staatsfeind Nummer Eins“ betrachtet. Es ist die tiefe Sehnsucht nach Liebe bei gleichzeitiger Ablehnung seiner selbst, die dieses Spiel am Leben hält. Nur in der Ambivalenz wird ein Gefühl von Liebe zugänglich bei gleichzeitiger Vermeidung wahrer Begegnungen und Nähe. „Sieh bloß, was du angerichtet hast“ (Schuld) Bei dem Spiel „Sieh bloß, was du angerichtet hast“ geht es darum, nicht die Verantwortung für sich zu übernehmen, und darum dem Spielpartner die Schuld in die Schuhe zu schieben. Eine Variante dieses Spiels besteht darin, dass sich z. B. der Vater auf der Basis seiner Unzufriedenheit mit der Ehe- bzw. Lebenssituation oft zurückzieht und bei jeder „Störung“ so tut, als ob diese dafür verantwortlich ist, dass er irgendeinen Lapsus gemacht hat. Dies gibt ihm dann den Vorwand, seiner Unzufriedenheit in Form von Vorwürfen Luft zu machen. Dies führt sehr schnell dazu, dass keiner mehr wagt, ihn zu unterbrechen, und er in seiner selbst gewählten Isolation bleibt. Er übernimmt nicht die Verantwortung für seine Unzufriedenheit. Eine andere Variante könnte darin bestehen, dass der Mann die Verantwortung für das Haushaltsgeld und/oder die Erziehung der Kinder der Frau überlässt, um ihr dann Vorwürfe machen zu können. Dieses Spiel kann man natürlich auch im Beruf spielen, indem man „ganz demokratisch“ die Mitarbeiter um Vorschläge bittet. Wenn sich diese dann nicht als erfolgreich erweisen, kann man die Verantwortung auf die Mitarbeiter abwälzen. Der Chef „vergisst“ dabei, dass er die alleinige Verantwortung dafür trägt, welche Vorschläge er annimmt und welche nicht. Solche Spiele mitzumachen setzt natürlich voraus, dass man ein entsprechendes komplementär Programm hat, z. B.: „Ich wollte ja nur helfen,“ oder „Wenn ich dem anderen nicht alles abnehme, was er nicht gerne macht, dann kann ich auch nicht erwarten, dass er mich liebt.“ Alle komplementären Programme sind letztlich Ausdruck eines eigenen Minderwertigkeitsgefühls, man glaubt, kein Recht zu haben, sich gegen diese Schuldzuweisungen und gegen das 15 dahinter liegende Spiel zu wehren. Je anfälliger jemand für Schuldzuschreibungen ist, weil er damit aufgewachsen ist und sowieso glaubt „Ich bin an allem Schuld!“, desto einfacher ist es natürlich, ihn in ein solches Spiel hineinzuziehen. Die einzige Möglichkeit, dieses Spiel zu unterbrechen, besteht darin, die Verantwortung ganz bei dem anderen zu lassen und keine gut gemeinten Ratschläge zu geben. Eine besonders perfide Variante dieses Spiels besteht darin, aus Angst vor Nähe oder Intimität „rechtzeitig“ eine Situation zu kreieren, die dem anderen die Schuld dafür in die Schuhe schiebt, das die schöne Stimmung wieder mal im Eimer ist. Liebesentzug/Sexentzug Eines der Standardspiele und gleichzeitig eines der Standard-Racheprogamme auf der Mann-Frau-Ebene ist das Liebesentzugs- bzw. Sexentzugspiel. Bevorzugt wird das Spiel von Frauen gespielt. Historisch gesehen wurden Frauen durch die Geschichte hindurch benachteiligt und unterdrückt. Da wir hier von einer faktischen ökonomischen, gesellschaftlichen, religiösen und körperlichen Unterlegenheit ausgehen müssen, ist das Verbrechen an den Frauen über alle Maßen grausam. In der Moderne und den daraus entstandenen Rechten der Frauen wurde zumindest eine rechtliche Ebene auf Augenhöhe geschaffen. Die moderne Frau ist weder finanziell noch emotional-kognitiv abhängig vom Mann. Gleichzeitig ist die Rede von „der Rache der Frauen an den Männern“. Die psychosexuelle Entwicklung des Mannes und der Frau verläuft auf folgende unterschiedliche Weise ab. Der Mann wird schon sehr früh in seiner psychosexuellen Entwicklung mit dem hormonellen Druck auf Samenentleerung konfrontiert. Jegliche Unterdrückung dieses Impulses sorgt in den Nächten für feuchte Träume, damit nimmt der natürliche Zyklus den Samenstau in die Hand und sorgt für Entleerung. Dieser natürliche Ejakulationsreflex macht es für Männer generell viel schwieriger als für Frauen, ihre sexuellen Impulse zu unterdrücken. Was nicht bedeutet, dass es nicht möglich ist, doch dieser Unterdrückungsmechanismus muss sich schon in der frühen Kindheit des Mannes gefestigt haben. Bei Frauen ist das nicht der Fall, sie werden nicht von feuchten Träumen heimgesucht und können den Sexualreiz viel besser unterdrücken bzw. kontrollieren. Nehmen wir ein Paar, das in einer festen Beziehung lebt. Der Sex war zwischen beiden nie ein Thema, ganz im Gegenteil, das Begehren wurde ausgiebig miteinander ausgelebt. Nach einigen Jahren Beziehung findet die Frau heraus, dass ihr Partner sie betrogen hat. Und er streitet es nicht ab und bittet um Verzeihung. Nach einiger Zeit verzeiht sie ihm den Seitensprung - mit einer kleinen Einschränkung -, die spricht sie natürlich nicht aus, aber 16 denkt sich: „Wenn du denkst, dass ein „Es-tut-mir-leid“ ausreicht, und dann ist alles wieder beim Alten, dann irrst du dich!“ Der Partner spürt natürlich die Distanz und versteht, dass es Zeit braucht, bis die Annäherung wieder möglich wird. Er bemüht sich, schenkt ihr Blumen, führt sie regelmäßig zum Essen aus und denkt sich innerlich: „Wenn ich mich nur genug bemühe und ihr meine Reue zeige, dann wird alles so wie früher.“ Das beteuert seine Frau auch und weist daraufhin, dass Wunden und Verletzungen Zeit brauchen, bis sie heilen. Nur eine wichtige Botschaft äußert sie nicht, und zwar: „Das wirst du mir büßen!“ Sie lächelt und ist gewillt, an der Beziehung zu arbeiten und das verloren gegangene Vertrauen wiederzuerlangen. Die Tage vergehen und sie fällt abends völlig erschöpft ins Bett, da der Arbeitsalltag so schwer war. In den darauf folgenden Nächten hat sie schwäre Migräne und am Ende ist sein Schnarchen so laut, dass sie lieber im Gästezimmer übernachtet. Der Mann kommt sich langsam wie ein Lüstling vor, da alle seine Annäherungsangebote abgelehnt werden, und er spricht sie darauf an mit den Worten: „Ich habe den Eindruck, du magst nicht mehr mit mir schlafen, bin ich nicht mehr begehrenswert?“ Die Frau versteht gar nicht, was er meint, und entgegnet: „Nein, mein Schatz, wie kommst du denn darauf, ich bin in letzter Zeit so erschöpft, und dann immer diese Migräne, so dass ich zu nichts zu gebrauchen bin. Das hat doch nichts mit dir zu tun.“ Nun hätten wir das Racheprogramm der Frau, das verpackt im Engelsgesicht und liebevollen Worten eigentlich meint: „Dir werde ich es zeigen, wen du betrügen kannst.“ Gleichzeitig erpresst sie durch die vorgeschobenen Begründungen ein emotionales Verständnis des Partners. Dieser hat durch seinen Seitensprung solch ein schlechtes Gewissen, dass er gar nicht wagt, sein Störgefühl wahrzunehmen oder zu äußern. Nach langem Sexentzug beginnt der Mann erneut eine Affäre und die Partnerin kommt erneut dahinter. Jetzt ist das Drama perfekt, und sie entgegnet ihm: „Von wegen, es tut dir leid und es kommt nie wieder vor, ich habe dir eine zweite Chance gegeben, und du hintergehst mich wieder. Jetzt habe ich dich, du Schwein!“ Wie kommt es, dass sie sich nicht gleich von ihm getrennt hat und stattdessen dieses Racheprogramm bevorzugt? Eine These könnte sein, dass ihre Mutter mit einem Mann, ihrem Vater, verheiratet war, der sie ständig betrogen hat. Und statt ihn zu verlassen, wurden Ausreden vorgeschoben, z. B.: „Wegen euch Kindern bin ich mit ihm zusammengeblieben“ oder „Ich habe ihn doch geliebt.“ Was weiß das Kind nun? Mutti handelt aus Liebe zu ihren Kindern oder aus Liebe zu ihrem Mann oder eben beides. Und gleichzeitig leidet sie furchtbar darunter. Nun sucht sich das Kind im Erwachsenenalter Männer, die untreu sind, da der Glaubenssatz ist: „Wahre Liebe und Treue gibt es gar nicht. Und für mich ist das nicht vorgesehen.“ Aber es gibt noch eine wichtige Ebene, und zwar die Rache des Kindes an den Männern für die Mutter! Da das Kind mit der Traurigkeit der 17 Mutter aufgewachsenen ist, hervorgerufen durch die Seitensprünge des Vaters, gab es auch eine Art Solidarisierung des Kindes mit der Mutter. Und so fasst die Tochter den Entschluss: „Mutti, für dich räche ich mich an den Männern!“ „Ich armer Teufel“ und „ Ich bin behindert“ Beide Spiele rechnet man in der TA zu den so genannten DoktorSpielen. Die harte Variante dieses Spiels sind Menschen, die seit Jahren arbeitslos sind, von der Sozialhilfe leben und alle Versuche, sie zu qualifizieren und wieder in die Berufswelt zu integrieren, scheitern bei ihnen. Das sind die so genannten schweren Fälle oder „die armen Teufel“. Ihre Spielpartner sind häufig Sozialarbeiter, die ihr Leben mit dem Spiel verbringen: „Ich will dir ja nur helfen.“ Aber auch außerhalb dieses Kontextes finden wir Menschen, die ihre Zukunft aufs Spiel setzen, weil sie einfach nicht die nötigen Schritte unternehmen, um aus der kindlichen Abhängigkeit von den Eltern, der begüterten Oma usw., herauszukommen. Sie sind ständig dabei, irgendwelche Projekte zu starten, bei denen aber von vornherein klar ist, dass sie scheitern werden oder nicht das finanzielle Potenzial haben, den Betreffenden zu ernähren. Ironisch wird es dann, wenn z. B. ein Arbeitsloser unbedingt Verkäufer werden will, aber sehr stark stottert und deswegen eine Sozialphobie hat. Er hat sich mit diesem „Traumjob“ einen gesucht, bei dem die Gefahr, dass er ihn findet, bei Null liegt. Dieses Spiel stellt den Versuch dar, andere Menschen in die Position zu bringen, dass sie sich für das materielle und/oder psychische Wohlergehen verantwortlich fühlen. Hier helfen nur das klare Aussprechen des Spiels und die Verweigerung jeglicher weiterer Unterstützung. Oft ist dieses Spiel die Fortführung eines Erpressungsspiels des Kindes, das versucht hat, über diese Schiene die Aufmerksamkeit der Mutter oder des Vaters zu erpressen. Aber auch der Künstler, der längst nicht so begabt ist, wie er selbst glaubt, und es immer wieder fertig bringt, Frauen in die Rolle zu manipulieren die Verantwortung für sein materielles Überleben zu übernehmen, gehört in diese Kategorie. Eine verschärfte Variante dieses Spiels ist das Spiel mit einer tatsächlichen Behinderung (Stottern, Amputation, Blindheit usw.) oder einer vorgeschobenen (sozialer Stress, ständige Kopfschmerzen, der unerträgliche Konkurrenzkampf in unserer 18 Gesellschaft usw.). Der Spieler macht eine tatsächliche oder vermeintliche Behinderung zum Vorwand dafür, dass man an ihn keine normalen Erwartungen haben darf, also ihn schonen muss: „Was erwarten Sie eigentlich von einem Mann mit Holzbein?“ Diese Menschen sind natürlich für alle, die das Spiel „Ich will dir ja nur helfen“, spielen, ein gefundenes Fressen. In diesen Fällen haben weder der Klient noch die co-abhängigen Familienangehörigen ein echtes Interesse an Besserung. Um sich die tatsächliche Dynamik dieses Spiels klar zu machen, muss man sich nur für einen Augenblick vergegenwärtigen, dass es sehr viele Menschen gibt, die trotz ihrer Behinderung außergewöhnliches leisten. Milton Erickson oder Wolfgang Schäuble waren/sind trotz ihrer Abhängigkeit vom Rollstuhl sehr produktiv. Es gibt stotternde Trainer, die ihre Sache sehr gut machen, blinde Anwälte und Menschen, die tatsächlich ein Holzbein haben und trotzdem mit ihrer Frau zum Tanzen gehen. Jede tatsächliche oder vermeintliche Behinderung kann zum Vorwand werden, die Verantwortung für das eigene Leben auf andere abzuschieben. Häufig verhalten sich diese Bedürftigen ihren Helfern gegenüber sehr ungnädig. „Ich bin überarbeitet“ „Ich bin überarbeitet“ gehört zu den Erschöpfungs-Spielarten. Der Klassiker ist der berufstätige Mann, der spät von der Arbeit kommt und so erschöpft ist, dass er nicht am familiären Leben teilnehmen kann. Die Wahrheit ist aber, dass er dem familiären Treiben aus dem Weg gehen möchte und dafür eine passende Ausrede hat: „Ich bin erschöpft“, und er möchte bedauert werden, dass er sich so aufopfert für seine Familie. Die Standardaussagen sind: „Ich mache das doch für euch.“ „Wenn ich könnte, würde ich viel lieber Zeit mit euch verbringen.“ Das Spiel lebt sozusagen von dem Verständnis der Ehefrau und seiner Kinder bei gleichzeitigem Vorwurf, der sagt: „Wenn ihr nicht wärt, dann müsste ich nicht so viel arbeiten und wäre somit auch nicht ständig erschöpft.“ Das sorgt beim Gegenüber für ein schlechtes Gewissen, was wiederum dafür sorgt, dass der Partner/die Partnerin seine/ihre Bedürfnisse nach familiärem Kontakt unterdrückt. Mehr noch, in diesem bestimmten Fall kann man davon ausgehen, dass der Mann sein Wunschbild der Mutter geheiratet hat. Damit ist gemeint, dass Mutti die Person war, die alle Bedürfnisse zur Seite gelegt hat, um für die Familie da zu sein, während der Ehemann gearbeitet hat. Somit wäre die Idealpartnerin des Kindes eine wie Mutti. Eine, die sich aufopfernd um Heim und Kinder kümmert. Um 19 das aber nicht äußern zu müssen, ist das Zurückgreifen auf eine passable Ausrede wie „Ich bin erschöpft und überarbeitet“ das Mittel der Wahl. Der Kernglaubenssatz solcher Spieler wäre dann: „Die ganze Welt dreht sich nur um mich und meine Bedürfnisse“, und um das nicht zugeben zu müssen, wird ein schlüssiges Ausredemodell geschaffen, dem das Gegenüber nichts entgegensetzten kann: „Schließlich macht er das ja für uns.“ Man könnte sagen, der Spieler erpresst sich so ein Verständnis und ein Bedauern von der Partnerin. Gleichzeitig gibt es noch eine Ebene, die wichtig wäre zu erwähnen. Wenn dieses Spiel nun greift und der Spieler sein Verständnis und Bedauern erhält, kann er sich gleichzeitig in der Erschöpfung groß und heroisch fühlen, da er sich augenscheinlich für das Wohl der Familie aufopfert. Ein weiteres Beispiel und meiner Meinung nach sehr häufig gewählter Kontext, ist: „Ich bin zu erschöpft, um mich jetzt darauf zu konzentrieren.“ Nehmen wir die Seminarsituation z. B. in der Ausbildung zum NLPPractitioner. Jetzt haben wir einen augenscheinlich sehr motivierten Teilnehmer, der sich schon darauf freut, die mitgelieferte Literatur zu studieren. Nun ist es Samstag früh, und er hat sich ganz fest vorgenommen zu lesen, da bemerkt er, wie ihn eine Müdigkeit überkommt, die er gleich auf seinen harten Job zurückführt, und legt sich hin. Der Arbeitsalltag beginnt Montag früh, und er nimmt sich gedanklich vor, nach der Arbeit zu lesen. Nun arbeitet er viel zu lange, so dass er völlig erschöpft ins Bett fällt. Das Muster wiederholt sich täglich, und an den Tagen, an denen er früher Schluss macht, rennt er zum Einkaufen, muss die Wohnung putzen und alles erledigen, was liegengeblieben ist. Er schläft unter dem Stress nicht mehr gut und isst unregelmäßig, der Körper brütet wieder mal eine Erkältung aus, und er muss kapitulierend sagen: „Ich bin zu erschöpft, um mich auf NLP zu konzentrieren.“ Wenn nun das Gegenüber ein Tabu aus seiner Familie aufrechterhält, z. B. die Mutter hat Krankheit als Ausrede benutzt, um die Hilfe des Kindes zu erpressen, und das Ganze mit dem Tabu unterlegt: „Sprich niemals das schmerzhaft Offensichtliche an und teile meine Illusion“, dann haben wir den Spielgewinn des Spielers. Er äußert, dass er erschöpft und kränklich ist und deshalb nicht weiterkommt. Der Appell an den anderen ist: „Habe Verständnis, teile meine Illusion, sei verständnisvoll und, im härtesten Fall: rette mich!“ Selbstsabotage in Beruf und Fortbildung Selbstsabotage meint hier ein sich wiederholendes Muster, mit dem eine Person die bewusst angesteuerten Ziele unbewusst vereitelt. Dies kann im Einzelnen wie folgt aussehen: 20 Ein Verkäufer, der natürlich gerne viel Umsatz machen möchte, bekommt immer gerade dann ein Motivationsloch, wenn es besonders gut läuft. Ein Angestellter, der gerne Geschäftsführer werden möchte, bricht völlig unnötig einen Streit mit dem Inhaber vom Zaun, wenn seine Beförderung zum Greifen nahe ist. Ein Teilnehmer an einer selbst gewählten Weiterbildung erlebt immer dann, wenn er sich zum Lernen aufraffen will, lähmende Müdigkeit. Diese Beispiele ließen sich beliebig vermehren. Allen gemeinsam ist, dass ein unbewusster Persönlichkeitsanteil eine ambivalente SkriptBotschaft realisiert: „Junge, mach was aus dir, aber ...!“ Was nach dem „Aber“ kommt, kann sehr unterschiedlich sein, z. B. „Werde nicht erfolgreicher als dein Vater, letztlich wirst du es sowieso nicht schaffen, du gehörst nur zu uns, wenn du auch arm und erfolglos bleibst, warum soll es dir besser gehen als mir/uns“, usw. Was auffällt: Wenn Menschen über dieses Muster reden, pflegen sie auf eine eigentümliche Art zu lächeln. Das ist das Lächeln des kleinen Kindes, das Mutti oder Vati anlächelt und denkt: „Na, mache ich es nicht gut für euch?“ Dieses Lächeln deutet unserer Meinung nach auch darauf hin, dass mit diesem „Versagen“ ein Dopamin-Kick verbunden ist. Unser Gehirn belohnt uns auf der Basis früherer Konditionierungen für diese Selbstsabotage mit Dopamin: Mach’s noch einmal, Sam! Aufmerksamkeitsspiele: „Alarm schlagen“ Im Coaching wird man häufig mit dem Spiel „Alarm schlagen“ konfrontiert. In Seminaren kann man es auch immer wieder beobachten, wie bestimmte Teilnehmer gerne auf das Spiel zurückgreifen, das wie folgt abläuft. Wir nehmen einen Teilnehmer, der vordergründig immer beteuert er, würde alles tun und jede Hilfe annehmen, um sich aus seinen Problemschleifen zu befreien. Dabei setzt er immer den gleichen leidenden Gesichtsausdruck auf, und die weinerliche, verzweifelte Stimme summt leise: „Hilf mir“! Gut, das tut man dann auch, der Therapeut legt sich ins Zeug und legt ein sehr tiefgehendes Coaching ab. Jetzt müsste man meinen, dass der Teilnehmer, zwar noch etwas aufgewühlt, aber erleichtert, froh ist über die neu gewonnen Erkenntnisse und die Auflösung. Aber Folgendes ist der Fall: Der Teilnehmer sieht aus, als wäre er gezwungen worden, in der Hölle mit dem Teufel um sein Leben zu pokern. Sein leidender Gesichtsausdruck verändert sich zu einem Ausdruck des Entsetzens. Auch hier läuft das Aufmerksamkeitspiel weiter. Was vor der Intervention noch „Mir geht es so schlecht, bitte hilf mir“ hieß, heißt jetzt „Sieh, wie schlecht es mir geht, und bedaure mich dafür.“ 21 Beim nächsten Mal kommt der Teilnehmer zum Seminar und sieht wesentlich entspannter aus, sodass man davon ausgehen kann, dass es ihm viel besser gehen muss. Er lacht und hat offensichtlich Spaß. Nun kommen andere an die Reihe und es folgen Coachings. Das nimmt dieser Teilnehmer wahr, und langsam aber stetig verändert sich sein Gesichtsausdruck von freudig lächelnd in leidend weinerlich. Jetzt ist es soweit, Bühne frei für den 2. Akt. Er schlägt Alarm! Nur niemand reagiert erst mal auf ihn, somit nimmt er sofort Kontakt zum Seminarleiter auf, um ihn darüber in Kenntnis zu setzten, wie bei ihm ein tiefes Gefühl der Verzweiflung und Traurigkeit angetriggert wurde, bei der letzten Demo. Dabei bekommt er fast keine Luft mehr und wirkt wie ein Häufchen Elend, und damit wären wir wieder bei dem Appell „Hilf mir, mir geht es so schlecht“! Nun, der Seminarleiter, reagiert auf sein Genervtheitsgefühl, was das Indiz für ein Sekundärgefühl ist, und winkt freundlich ab und rät ihm, ein Einzelcoaching zu buchen. Und auch der Rest der Gruppe hat das Spiel durchschaut und geht nicht auf die Appell-Ebene ein. Was passiert jetzt? Der Teilnehmer geht frustriert nach Hause und sagt sich unbefriedigt: „Keiner liebt mich, ich bin niemandem wichtig“. Auch das ebbt ab, und er kommt zur nächsten Erkenntnis: „Ich brauche niemanden, die können mich mal alle, und die werden schon sehen, was sie davon haben“. Somit beginnt das Racheprogramm durch trotziges Verhalten mit gleichzeitigem Appell: „Ich bin ganz allein und zornig, und jetzt müsst ihr euch schon anstrengen mit eurer Aufmerksamkeit, damit ich euch verzeihe.“ Damit erpresst er das Gegenüber mit einer Art Liebes- bzw. Aufmerksamkeitsentzug, um die ihm aus seiner Sicht zustehende Aufmerksamkeit zu erhalten. Hier reden wir von einer unangemessenen Erwartungshaltung an Gott und die Welt und streng genommen an Mutti, die heißt: „Lieb mich, auch wenn ich schrecklich bin.“ Ablehnung und Sex Da es sich bei der Sexualität immer auch um die Identität als Mann und Frau handelt, kommen wir hier zu einem Thema, das der Ablehnung die Krone aufsetzt. Es geht hierbei hauptsächlich um Erniedrigung, Selbstablehnung und vor allem um Selbstverachtung. Was ist damit gemeint? Wie schon bei dem „Nähe-Distanz-Spiel“ erwähnt, basiert die Ablehnung auf einer frühkindlichen Ablehnungserfahrung z. B. die unterbrochene Hin-zu-Bewegung zur Mutter. Der Erwachsene vermeidet nun eine bestimmte Nähe, um diese Ablehnungserfahrung nicht wieder erleben zu müssen. Gleichzeitig ist gerade dieses ambivalente Spiel zwischen abwechselnder Nähe und Distanz der eigentliche Reiz. Auf den Sex übertragen bedeutet das jetzt, dass ein sexueller Reiz nur dann entsteht, wenn die Ablehnungserfahrung gewährleistet ist. Das kann wie folgt aussehen: Die Frau nähert sich dem Mann, weil sie 22 das Begehren spürt und Nähe sucht und damit letztlich Sex. Der Mann reagiert darauf und sucht ebenso die Nähe, nun wird es ihm zu viel und er schreckt zurück, beziehungsweise er spürt nicht das gleiche Verlangen wie seine Partnerin. Die Frau fragt ihn nun, was denn nicht stimmen würde, und er antwortet: „Mir ist jetzt nicht wirklich danach“. Es entsteht nun eine Spannung und die Frau wendet sich ab, mit den Worten „Wenn du nicht willst, dann eben nicht“. Ein Streit entfacht und beide giften sich an, dabei fallen unappetitliche Zuschreibungen. Durch die abweisende Art der Frau entsteht nun beim Mann eine Erregung und er sucht wiederum ihre Nähe. Der Satz dazu wäre: „Ich weiß, dass ich eigentlich deiner nicht würdig bin, aber liebe mich trotzdem“. Nun beginnt das entwürdigende Spiel voller Selbstverachtung und Selbstablehnung, indem der Mann um die Gunst der Frau bettelt. Hier könnte man auch sagen: „Wie das Kind um die Aufmerksamkeit der Mutter bettelt“. Die eigene Demütigung und Unterwerfung wird integriert in das Selbstbild und wird damit zur Überzeugung, dass wahre Liebe nur in der Ablehnung möglich ist. Die Ablehnungserfahrung mit Mutti wird zur einzig praktizierbaren Sexualform und als einzig möglicher Sexualreiz verstanden und erlebt. Beliebte Sätze solcher Partner sind: „Wenn es harmonisch ist, dann langweile ich mich in der Beziehung“ oder „Leidenschaftlicher Sex ist ein Kampf.“ Mehr noch ist ihre psychosexuelle Entwicklung so konditioniert worden, dass jedes Abweichen von diesem Modells ein Verrat an der Mutterliebe darstellt. Und um die Demütigung und Selbstverachtung nicht spüren zu müssen, wird es als leidenschaftliches Bild einer Liebesbeziehung im Inneren manifestiert. Partner werden nach diesem Ablehnungsmuster ausgesucht, das natürlich ein komplementäres Programm des Gegenübers voraussetzt. Da es sich bei dem Sexualchakra und damit der Sexualität immer auch um den Energie- und Lebensmotor handelt, könnte man sagen, dass solche Partner ihre eigene Identität als Mann-/Frau-Selbst verachten und ablehnen. Nun ist es auch so, dass eine erfüllte Liebesbeziehung von vornherein ausgeschlossen wird. Denn die Vorrausetzung, diese Form von Sexualität leben zu können, ist, vom Gegenüber nicht gesehen zu werden. Selbstbild – Entscheidung - Glaubenssätze und Wahrnehmungsfilter Abschließend noch einiges Allgemeine zu den Auswirkungen der Dopamin-Sucht und den Spielen, die sich auf der Basis dieser Konditionierungen entwickeln. Wie haben schon darauf hingewiesen, dass, wie bei jeder Sucht und bei jedem Spiel, das Selbstbild in der Tiefe leidet. Man erlebt sich selbst als würdelos und ist gleichzeitig nicht in der Lage, sich diese Tatsache ganz ins Bewusstsein zu holen. Die Folge dieser Verdrängung sind dann Minderwertigkeitsgefühle, ein Gefühl der 23 Hoffnungslosigkeit und der Versuch, diese Situation zu überspielen bzw. sie wie bei den Spielen „Ich armer Teufel“ oder „Ich bin behindert“ auszubeuten, was aber die Würdelosigkeit nur noch vertieft. Dieser seelischen Dynamik liegen im Regelfall unbewusste Entscheidungen in der Kindheit zugrunde. Es geht dabei immer um die Frage: „Wie kommt einer wie ich durchs Leben?“ Dabei basieren diese Entscheidungen auf Glaubenssätzen, die das Kind auf der Basis seiner Erfahrungen in der Familie gebildet hat. Um diese Glaubenssätze und die entsprechenden Entscheidungen im Laufe des Lebens aufrechterhalten zu können, bedarf es verschiedenster Wahrnehmungsfilter, die alle Erfahrungen ausblenden bzw. verzerren, die gute Gegenbeispiele für die alte Glaubenssätze wären. So haben selbst Menschen, die glauben, dass sie nicht liebenswert sind, trotzdem die Erfahrung gemacht, dass sie später jemand wirklich gemeint und geliebt hat. Menschen, die sich selbst nichts zutrauen, haben trotzdem die Erfahrung gemacht, dass ihnen etwas sehr gut gelungen ist, usw. Wie wir wissen, führt gerade das Dopamin dazu, dass es, wenn es negativ konditioniert ist, verhindert, dass wir aus Fehlern lernen und neue positive Erfahrungen integrieren. Es scheint also, dass der Ausweg aus diesem Teufelskreis unter anderem die Dekonditionierung dieser Zwangs-Sucht-Schleife ist. Wie unterbricht man Spiele? Spiele bei sich und anderen zu erkennen ist eine Sache, sie zu unterbrechen eine andere. Wir werden im Folgenden fünf verschiedene Strategien zum unterbrechen von Spielen vorstellen. 1. Metakommunikation. Wir kommentieren dem anderen gegenüber, der uns das Spiel anbietet, was er gerade für ein Spiel anzettelt. 2. Mitteilung über das eigene Genervtsein. Genervtsein ist in der Regel ein Hinweis darauf, dass der andere gerade aus einem Sekundärgefühl heraus agiert. 3. Der Köder und der wunde Punkt werden benannt. Beispiel: „Möchtest du, dass ich mich schuldig fühle?“ 4. Provokationstherapie. Beispiel: „Natürlich habe ich sie lüstern angeschaut und mich gleich für morgen mit ihr für eine wilde Nacht verabredet. Sie hat übrigens versprochen, ihre Freundin mitzubringen. Wenn du Lust hast, kannst du gerne dabei sein.“ 5. Ignorieren. Nur auf die Fakten und nicht auf die Subbotschaft bzw. die Appell-Ebene eingehen. Beispiel: „Mir geht es gar nicht gut!“ „Ja, sehe ich.“ 24 25 Die Lösung, der Weg des Entzugs, besteht aus folgenden Schritten: 1. Dopamin-Aufstellung: Hier stellen wir den Klienten, das positive und das negative Dopamin-System sowie die Ablehnungserfahrung, und/oder die Eltern auf. Ziel ist es, die systemische Dynamik aufzudecken, die zur Konditionierung geführt hat. - Nähe Distanz - Doppelbotschaften - Bedingungen für die Zugehörigkeit - usw. 2. Bewusstmachen Konditionierung. des Selbstbildes auf der Basis dieser 3. Kontexte klären, in denen das Programm wirkt, Partnerwahl, Beruf, Weiterbildung etc. 4. Über Aufstellungen und Einzelcoachings werden die Spiele herausgearbeitet, die gespielt werden, um den Kick zu bekommen, sowie die Selbstsabotage-Programme, besonders im Rahmen von Liebesbeziehungen und Erfolg, herausgearbeitet. 5. Mit Hilfe der Techniken Anker verschmelzen und Anker verketten wird die alte Stimulus-Response-Kopplung geschwächt und eine neue Bahnung installiert. 6. Es werden die inneren Dialoge, die mit dieser Sucht einhergehen, aufgelöst und neue, hilfreiche Formen des Selbstgesprächs installiert. 7. Installation von sozialem Feedback. Wir berichten unseren Freunden, dass wir süchtig nach einer bestimmten Klasse negativer Erfahrungen sind, und dass wir uns gerade in einem Entzugsprozess befinden. Wir geben ihnen die Erlaubnis, uns Feedback zu geben, wenn sie bemerken, dass wir gerade dabei sind, in unser altes Muster zurückzufallen. 8. Installation der Haltung: Ich bin süchtig, und der Entzug wird viele Monate dauern. Der Erfolg wird auch davon abhängen, in wie weit ich bereit bin, mich den unappetitlichen Seiten meiner eigenen Spiele zu stellen, mit denen ich andere funktionalisiert habe. 9. Zielbild: Ein Leben ohne diese entwürdigende Sucht. Rückgewinnung der eigenen Würde. 10. Nutzung des homöopathischen Medikaments L-Dopa C 30. 26 Anhang I: Hier noch einige allgemeine Überlegungen zum Thema Motivation und Ambivalenz. Motivation Von den vielen Meta-Programmen nimmt der so genannte Richtungs-Sort Hin-zu und Weg-von eine besondere Stellung ein, da er etwas über unsere Motivation und damit gleichzeitig über eines der wichtigsten Bedürfnisse des Menschen, nämlich Lustgewinn und Unlustvermeidung, aussagt. Dabei zeichnen sich die Annäherungsziele dadurch aus, dass man leicht feststellen kann, ob man sich ihnen nähert und wann man sie erreicht hat. Bei Vermeidungszielen sieht die Situation ganz anders aus. Selbst wenn ich etwas Unangenehmes gerade vermieden habe, kann ich nicht sicher sein, ob ich es völlig vermieden habe oder ob es nicht doch wieder auf mich zukommen kann. Darüber hinaus kann in jedem Moment etwas Neues, was es zu vermeiden gilt, auftauchen. Daher erfordert ein generalisiertes Vermeidungsverhalten eine dauernde Kontrolle und eine verteilte statt fokussierte Aufmerksamkeit. Hat jemand z. B. das Ziel, um gar keinen Preis negativ aufzufallen oder unbedingt alles richtig zu machen, lebt er in ständiger Anspannung, da die Tatsache, dass er bisher sein Ziel erreicht hat, nicht bedeutet, dass es nicht im nächsten Moment schon ganz anders sein könnte. Die so gebundenen psychischen Energien fehlen bei dem Versuch, positive Ziele zu erreichen. Daher macht es durchaus Sinn, wenn wir im NLP bestrebt sind, Menschen darin zu unterstützen, primär einen Hin-zu-Stil zu entwickeln und Weg-von-Motivationen nur situativ zu nutzen. Warum dies manchmal alles andere als leicht ist, wird aus den folgenden Erläuterungen einsichtig. Hin-zu und Weg-von: Eine zu einfache Unterscheidung Die Behauptung, dass Menschen nach Lustgewinn streben und Unlusterfahrungen zu vermeiden suchen, scheint auf den ersten Blick den Erfahrungen jedes Therapeuten zu widersprechen. Klienten kommen doch meist deshalb in die Therapie, weil sie Dinge tun, die ihnen ganz offensichtlich nicht gut tun, und die sie trotzdem nicht abstellen können. Selbstschädigendes Verhalten ist alles andere als ungewöhnlich. Sicherlich sagen alle Menschen auf der bewussten Ebene, dass sie gesund, glücklich und erfolgreich sein wollen. Mir ist noch niemand begegnet, der sagte, dass es für ihn erstrebenswert ist, Aids zu haben, an einer tiefen Depression zu leiden und auf der Straße zu leben. 27 Oft sind es aber unbewusste Programme und Identifikationen mit Mitgliedern der eigenen Herkunftsfamilie, die einen viel stärkeren Einfluss auf das Erleben, Denken und Verhalten haben, als die bewusst geäußerten Lebensziele, die durchaus um das Thema „Steigerung des Wohlbefindens“ kreisen. Grawe schreibt dazu: „Es (das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung, K. G.) ist wohl von allen hier postulierten Grundbedürfnissen das pervasivste und das unserem Erleben am besten zugängliche. Kaum einer wird Widerspruch einlegen gegen die Behauptung, dass wir im Allgemeinen angenehme Zustände anstreben und unangenehme vermeiden. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch gerade dieses besonders offensichtliche Bedürfnis als besonders komplex heraus und gibt zu Fragen Anlass, die über die Lust/Unlustregulation hinausführen."2 Auf den ersten Blick und auch bei genauerer faktorenanalytischer Untersuchung stellen wir fest, dass Menschen sowohl in Beziehung zu Dingen und Ereignissen als auch zu Menschen, als Erstes eine automatische Bewertung in Sinne von gut/schlecht oder angenehm/unangenehm vornehmen. Untersuchungen haben gezeigt, dass beim Erkennen z. B. von Gemüse beide Gehirnhälften gleichmäßig beteiligt sind. Sollte beurteilt werden, ob das jeweilige Gemüse gut schmeckt oder nicht, war die rechte Gehirnhälfte stärker involviert. „Diese Lateralisierung der bewertungsmäßigen Reizverarbeitung ist unabhängig davon, ob es sich um positive oder aversive Reize handelt. Die emotionale Bewertung von Reizen erfolgt, ebenso wie die Identifikation und Diskriminierung, automatisch und ist kein bewusster Vorgang."3 Ob ein Reiz positiv oder negativ bewertet wird, hängt allerdings nur bedingt vom Reiz ab. Kontextbedingungen können die Bewertung stark beeinflussen, ja sogar umkehren. Je nachdem, was wir vor dem entsprechenden Reiz erlebt haben, bewerten wir ihn unterschiedlich. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von emotionalem Priming.4 In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass das emotionale Priming entweder das Vermeidungsverhalten oder das Annäherungsverhalten fördert. Wird in der Therapie zu viel und zu lange über die Probleme des Klienten geredet, wird dadurch automatisch das Vermeidungsverhalten gefördert. Im Gegensatz dazu führt die Ressourcenorientierung eher zur Stärkung des 2 3 4 NPT, S. 261 NPT, S. 262 Vgl. Kapitel 5.5.12. Priming und Seeding 28 Annäherungsverhaltens und damit zu besseren und schnelleren Veränderungen auf Seiten des Klienten. Die Bewertung nach Lust-Unlustqualitäten von Wahrnehmungen und Tätigkeiten, ist durchaus nicht auf körperliche Erfahrungen beschränkt. Auch geistige Erfahrungen fallen dieser automatisierten Bewertung anheim. Für einige Menschen ist z. B. das Lösen von Rätseln oder das Knobeln an kniffligen logischen Problemen mit starken Lustgefühlen verbunden; andere bekommen allein schon bei dem Gedanken, sich damit beschäftigen zu sollen, starke Aversionsgefühle. In vielen Lebenssituationen erleben wir gleichzeitig entgegengesetzte Motivationsimpulse. So wird ein Langstreckenläufer nach einigen Kilometern vielleicht über Atemnot und Muskelschmerzen klagen. Er könnte diese unangenehmen Körperempfindungen sofort beenden, wenn er das Rennen abbricht. Gleichzeitig hat er aber den Ehrgeiz, den Lauf zu beenden, vielleicht will er sich auch nicht vor den anderen blamieren. Wie auch immer, die zweite Motivationslage fordert ihn auf weiterzumachen. Er erlebt also gleichzeitig zwei widersprüchliche motivationale Impulse: hin zum Ziel und weg von den Schmerzen. Je nachdem, welcher Impuls stärker ist, rennt er entweder weiter oder gibt auf. Es kommt aber auch vor, dass sich ehemals positive Ziele in Aversionsziele verwandeln. Wenn z. B. ein junger Mann die Hin-zuMotivation verspürt, ein Mädchen oder eine junge Frau kennenzulernen, dabei aber immer wieder negative Erfahrungen macht (Unlustgefühle), dann wird aus der ehemals positiven Motivation eine negative. Er will das unangenehme Gefühl der Zurückweisung nur noch vermeiden. Erlebt ein Mensch solche Zurückweisungserfahrungen noch früher, z. B. in der Beziehung zur Mutter, wird dies zu einem Vermeidungsverhalten bezüglich intimer Beziehungen führen. Daraus entstehen dann die berühmt-berüchtigten Nähe-Distanz-Spiele. Einerseits ist das ursprüngliche Bedürfnis nach Nähe immer noch da, aber gleichzeitig ist die Angst vor neuerlicher Zurückweisung zu groß, um das Risiko echter Nähe eingehen zu können. Hat sich ein derartiger vermeidender Bindungsstil erst einmal entwickelt, wird weder das Nähebedürfnis noch die Angst vor Zurückweisung bewusst erlebt. Sind die ersten Erfahrungen mit der Mutter ambivalent - mal ist sie emotional erreichbar und mal nicht -, entsteht beim Kind ein übermäßig starkes Kontroll-Bedürfnis. Da es faktisch erlebt, dass es keine Kontrolle über die Zuwendung der Mutter hat, versucht es alles Mögliche, um doch Kontrolle zu bekommen. Es klammert, es produziert „Probleme“, um die Zuwendung der Mutter zu erzwingen usw. Dieser Beziehungsstil wird später auf alle intimen Beziehungen generalisiert. 29 Annäherung und Vermeidung als zwei unabhängige Motivationssysteme „Sowohl von neurowissenschaftlichen, als auch von psychologischen Autoren werden das Annäherungs- und das Vermeidungsverhalten als zwei getrennte Motivationssysteme konzipiert. Sie interagieren zwar mit der Tendenz zur wechselseitigen Hemmung und beruhen auf jeweils eigenen neuronalen Substraten und Mechanismen. Diese Unabhängigkeit und die Tatsache, dass gut und schlecht subjektiv als Gegensätze empfunden werden, scheinen im Widerspruch miteinander zu stehen. Wir empfinden aber auch kalt und warm als gegensätzlich, obwohl Kälte- und Wärmeempfindungen eine unterschiedliche neurophysiologische Grundlage haben. (...) Der dorsale PFC ist maßgeblich an der Repräsentation von Annäherungs- (linker PFC) bzw. Vermeidungszielen (rechter PFC) beteiligt, der ventromediale PFC an der Generierung von positiven (links) und negativen (rechts)."5 Zusätzlich zu dieser neurophysiologischen Differenzierung gibt es auch starke Hinweise, dass genetische Faktoren die Neigung entweder zu Annäherungs- oder Vermeidungsverhalten begünstigen. Diese Dispositionen sind allerdings in ihrer Ausprägung sehr stark von Umweltfaktoren, namentlich den frühkindlichen Erfahrungen, überformbar. Die Ausprägung des Meta-Programms Richtungs-Sort oder, wie wir auch sagen können, der motivationalen Schemata, hängt also von genetischen Faktoren und den frühkindlichen Erfahrungen, namentlich mit der Mutter, zusammen. Spätere Erfahrungen in Beruf und Partnerschaft, aber auch therapeutische Erfahrungen, können dieses emotionale Priming beeinflussen, aber kaum umdrehen. Der Regulatorische Fokus Bei der Frage nach der Entstehung einer Hin-zu- bzw. Weg-vonPräferenz als Ausdruck des Meta-Programms Richtungs-Sort bietet die klassische Differentielle Psychologie (Persönlichkeitspsychologie) einige Hinweise. Der amerikanische Psychologie-Professor E. Tory Higgins postuliert mit seiner Forschungsgruppe die Existenz eines relativ stabilen Persönlichkeitsmerkmals, des sogenannten Regulatorischen Fokus. Während spätestens seit Freud klar ist, dass Menschen danach streben, angenehme (lustvolle) Situationen zu erleben und unangenehme (unlustvolle) Situationen zu vermeiden, lassen sich 5 NPT, S. 268-269 30 laut Higgins, Roney & Crowe (1994) Menschen weiterhin in zwei Gruppen einteilen: Personen mit einem sogenannten Promotions-Fokus sind besonders sensitiv für positive Zielzustände und versuchen stetig, sich auf diese zuzubewegen. Sie suchen demnach gewinnbringende Situationen auf und riskieren gleichermaßen das Nichtgewinnen in eben solchen Augenblicken. Man könnte also sagen, dass sie darauf gepolt sind, sich auf lustvolle Situationen zuzubewegen, während die Vermeidung von unangenehmen Situationen für sie keine starke motivierende Wirkung hat. Für Personen mit einem sogenannten Preventions-Fokus ist hingegen eine Vermeidungsstrategie das Medium der Zielerreichung, denn sie sind besonders sensitiv für negative Zielzustände. Folgerichtig konzentrieren sie sich vor allem auf die Vermeidung von Verlusten. Wiederum könnte man sagen, dass sie darauf gepolt sind, sich von ungewünschten Zuständen fortzubewegen, während das Erreichen von positiven Zielen sie nicht besonders anregt. Higgins (1987) versteht diese beiden Strategien als komplementäre Wege zur Erreichung des gleichen Ziels: Sie dienen zur Verminderung der sogenannten Selbst-Diskrepanz. Hiermit ist gemeint, dass Menschen laufend (unbewusst) ihr aktuelles Selbst mit jenem Selbst vergleichen, was sie entweder sein könnten (= das ideale Selbst, im Engl.: ideal self) oder sein sollten (das „gesollte“ oder verpflichtende Selbst, im Engl.: ought self). Die unterschiedlichen Strategien sind nun Ausdruck der Tatsache, dass Promotion-Typen vor allem ihr ideales Selbst erreichen möchten, während die Prevention-Typen vor allem ihr verpflichtendes Selbst anstreben. Was in der bisherigen Beschreibung noch sehr abstrakt anmutet, hat allerdings sehr reale Auswirkungen auf das In-der-Welt-Sein und das Handeln der beiden unterschiedlichen Typen. Experimente zeigen, dass Promotions-Typen z. B. größeres Durchhaltevermögen bei der Bearbeitung von kniffligen Aufgaben zeigen und mehr und außerdem kreativere Einfälle haben, wenn sie diese in einer Testsituation produzieren sollen. Sie treffen in der Regel risikoreichere Anlageentscheidungen und fällen schneller Entscheidungen unter Unsicherheit. Während diese Auflistung möglicherweise dazu verleitet anzunehmen, dass Promotions-Typen die besseren Eigenschaften haben, sind beide Typen in Wirklichkeit natürlich gleichwertig bzw. haben ihre guten und schlechten Seiten. Aus der Sicht eines Personalchefs zum Beispiel wäre es sehr wünschenswert, auf der Stelle des Vertriebsleiters einen Promotions-Typen zu haben, während ein solcher als Sicherheitschef in einem Atomkraftwerk 31 völlig fehl am Platz wäre. Dieser und viele andere Jobs, bei denen es um Genauigkeit und das Einhalten von strengen Regularien geht, sind viel stärker die Domäne der Preventions-Typen. Zur Erklärung, was den einen Menschen eher zum „Hasenfuß“, den anderen wiederum zum „Draufgänger“ macht, dürften mindestens drei Faktoren beitragen: Laut Higgins und Silberman (1998) werden die Grundlagen für den späteren Fokus in der kindlichen Interaktion mit den Eltern, später auch im Umgang mit Erziehern und Lehrern geprägt. So bildet sich beim Kind ein Promotions-Fokus heraus, wenn es häufig mit herausfordernden Situationen konfrontiert wird und für die Erreichung eines Zieles positive Verstärkung, z. B. Lob oder eine Umarmung erhält. Ein Preventions-Fokus hingegen wird induziert, wenn das Kind hauptsächlich mittels Tadel und Bestrafung für das Nichteinhalten von gegebenen Verhaltensrichtlinien erzogen wird. Neben der individuellen Kind-Eltern-Interaktion scheint die Entwicklung des Regulatorischen Fokus außerdem von globaleren kulturellen Einflüssen abzuhängen. Lee, Aaker und Gardner (2000) haben nachgewiesen, dass die Ausprägung des Fokus maßgeblich davon abhängt, ob in einem Kulturkreis ein independentes oder ein interdependentes Selbstbild angestrebt wird. In typisch okzidentalen Kulturen wie den USA oder Deutschland wird ein independentes Selbstbild favorisiert. Ein Mensch identifiziert sich dort vor allem über seine Individualität, über all jenes, was ihn von seinen Mitmenschen unterscheidet. Dies fördert wiederum die Ausformung eines Promotions-Fokus. Im Gegensatz hierzu definieren sich Menschen in typisch orientalischen Kulturen wie China oder Japan stärker über ihre Zugehörigkeit zu den verschiedensten Gruppen. Komplementär scheint dies die Formung eines Preventions-Fokus zu begünstigen. Schließlich dürften auch genetische Faktoren6 die Ausprägung des Regulatorischen Fokus beeinflussen. So könnte z. B. die von Person zu Person variierende Ausprägung der Empfänglichkeit der Dopamin-Rezeptoren mit darüber entscheiden, welchen Typus ein Mensch im Laufe seines Heranwachsens entwickelt. Abschließend ist anzumerken, dass es neben dem Regulatorischen Fokus als Persönlichkeitseigenschaft (= chronischer Fokus) auch den sogenannten situationalen Fokus gibt. D. h. es ist z. B. durch semantisches Priming möglich, bei einer Person kurzeitig einen Fokus in der gewünschten Richtung zu induzieren, z. B., indem man sie Text lesen lässt, welcher von Menschen handelt, die ihre Ziele im Leben erreicht haben, bzw. von Menschen, die immer vorbildlich ihren Pflichten nachkommen. Die Person kehrt jedoch nach Ablauf 6 vgl. Kapitel 4.2.1. Affektiver Stil 32 der Priming-Situation relativ schnell wieder zu ihrem chronischen Fokus zurück. Literatur Higgins, E. T. (1987). Self-discrepancy: A theory relating self and affect. Psychological Review, 94 (3), 319 – 340. Higgins, E. T., Roney, C. J. R. & Crowe, E. (1994). Ideal Versus Ought Predilections for Approach and Avoidance: Distinct SelfRegulatory Systems. Journal of Personality and Social Psychology, 66 (2), 276 – 286. Higgins, E. T. & Silberman, I. (1998). Development of regulatory focus: Promotion and prevention as ways of living. In: Heckhausen, J. & Dweck, C. S. (Eds). Motivation and self-regulation across the life span, 78 – 113. New York, NY: Cambridge University Press. Lee, A. Y., Aaker, J. L. & Gardner, W. L. (2000). The Pleasures and Pains of Distinct Self–Construals: The Role of Interdependence in Regulatory Focus. Journal of Personality and Social Psychology, 78 (6), 1122 – 1134. 33 Anhang II: Dramadreieck Das Dramadreieck beschreibt ein Beziehungsmuster zwischen drei Personen, die darin die drei Rollen des Opfers, des Täters beziehungsweise Verfolgers und des Retters einnehmen. Im Modell des Dramadreiecks wird der Zusammenhang dieser Rollen beschrieben, und wie sie oft reihum gewechselt werden. Verfolger, Opfer und Retter Das Dramadreieck beschreibt ein Beziehungsmuster zwischen mindestens zwei Personen, die darin die drei Rollen einnehmen: Opfer Verfolger Retter Zwischen den Spielern gelten „Regeln“ der Rollenerwartung, die durch die Wahl einer Rolle vom Rollenträger unwillkürlich befolgt werden. Dabei übernehmen die Beteiligten diese Rollen aus der inneren Notwendigkeit des Musters heraus, sie „spielen“ diese Rollen (sie „sind“ nicht die Rollen). Die Muster des Dramadreieckes paaren sich oder konkurrieren gleichzeitig mit persönlichen Mustern der Beteiligten. Die Muster können teilweise (zumindest in gewissem Maße) auch gezielt manipulativ „eingesetzt“ werden (zum Beispiel in der Politik, der Werbung und in Familienfehden). 34 Rollenwechsel im Dreieck Im Dramadreieck gibt es keinen festen Anfang oder Einstieg und auch kein feststehendes Ende. Ebenso schnell können sich die eingenommenen Positionen wieder verändern. Im Laufe dieses Musters kann es zu plötzlichen Rollenwechseln kommen: Wenn beispielsweise zwei Menschen sich prügeln und einer unterliegt, also „Opfer“ ist, dann kann der andere als „Täter“ betrachtet werden. Ein Nachbar kann als „Retter“ dem vermeintlichen Opfer zu Hilfe kommen und sich gegen den Täter wenden. Wenn sich beispielsweise das "Opfer“ mit dem ursprünglichen „Täter“ (wieder) solidarisiert und behauptet, das sei alles nur „Spaß“ gewesen und der Nachbar hätte sich unerwünscht eingemischt und sei sogar schuldig an der Eskalation, kann der „Retter“ nun zum „Täter“ werden und der ursprüngliche „Täter“ wird zum „Opfer“. Die Positionen werden dadurch getauscht: Das ehemalige Opfer wird jetzt zusammen mit dem ehemaligen Täter zum „Täter“ gegen den Nachbarn, der sich nun in der Opferrolle wiederfindet. Meist wird er das nicht auf sich sitzen lassen wollen und seinerseits zum „Täter“ werden – und sei es, dass er zuhause den Hund anbrüllt. Die Beteiligten Meistens sind die drei Rollen auf drei Personen verteilt. Aber auch zwei Personen können die drei Rollen abwechselnd untereinander verteilen. Das Dramadreieck lässt sich auch alleine spielen. Dann übernehmen einzelne Persönlichkeitsaspekte in einem inneren Dialog die drei Rollen. Auch ganze Nationen oder Völker können miteinander das Dramadreieck spielen. Bedeutung des Dramadreiecks Das Dramadreieck beschreibt ein Grundmuster menschlicher Aktion/Reaktion und die damit verknüpften Verhaltensweisen. Es dient der Regulierung von Nähe und Distanz. Das gilt im Großen (Krieg und Frieden) wie im Kleinen (Kinderspiel und Alltagsbeziehung). Als Retter und Opfer ist man sich oft nah, vom Täter hält man sich fern, und ist ihm in anderer Weise gleichzeitig sehr nah. Für dieses Muster gibt es auch analytische, suchttheoretische, verhaltenstheoretische, systemische und entwicklungspsychologische Erklärungsansätze. Das Dramadreieck kann notwendiges Lernfeld sein, genauso wie ein unreifes dysfunktionales Beziehungsmuster mit weitreichenden Folgen. Verwicklungen aufgrund dieser unbewussten Strategien können sich über Generationen erstrecken. Es gibt historische und aktuelle Beispiele für die bis heute dauernde Wirkung solcher Dramen. 35 Auswirkungen Besonders dramatische Auswirkungen finden sich, wenn die Rollen des Dramadreiecks in gerichtlichen oder politischen Situationen mit Verurteilung oder Todesfolge „gespielt“ werden. Auch in Missbrauchs-Situationen (Machtmissbrauch, sexueller Missbrauch) und deren Aufarbeitung spielt das Dramadreieck oft eine eigenständige Rolle. Auch in der großen Politik gibt es dramatische Beispiele, z. B. die Stellvertreterkriege im „Kalten Krieg“ zwischen Ost und West oder die Auseinandersetzungen im Nahen Osten, wo die Sowjetunion und die USA mit den arabischen Völkern jahrzehntelang die Rollen von Täter, Opfer und Retter wechselten. Positives Verhalten Das Bewusstsein für diese Verhaltensmuster ist ein wichtiger Beitrag zur positiven Verhaltensveränderung im Sinne des Ausstiegs aus diesem automatisch ablaufenden Kreislauf. Nach der Theorie kann ein beginnendes Dramadreieck nur durch das entgegengesetzte Verhalten gestoppt werden: Das Opfer soll lernen, mit Täterenergie gegen den Täter vorzugehen und z. B. entsprechend laut und vernehmlich „Stopp“ zu sagen. Der Täter wird somit quasi zum "Opfer". Bei einer kritischen Betrachtung kann auch das Verhalten eines Helfers "zu viel" sein, wenn dem Opfer mehr Unterstützung gegeben wird als es wirklich braucht, oder sich Helfer manchmal geradezu aufdrängen. Gemäß der Dramadreieck-Theorie sollte das vermeintliche Opfer dem Helfer dessen eigene Helfer-"Energie" spiegeln, z. B. durch die Gegenfrage: "Und wie geht es denn überhaupt dir (Helfer) persönlich?" Ein wirksamer Helfer, im Sinne eines reifen und partnerschaftlichen Verhaltens, wird dem Opfer "nur" zur Selbsthilfe verhelfen. Falls notwendig wird er das Opfer auch aus der „Schusslinie“ nehmen, aber ihm immer nur soweit Hilfe geben, bis die Person sich wieder selbst helfen kann. Zu einer erfolgreichen Bewältigung einer realen Täter-OpferErfahrung gehört, dass der Täter seine Tat bereut und sühnt, das Opfer dem Täter verzeiht und sowohl Täter als auch Opfer dem Retter danken. Erst dadurch befreien sich alle Beteiligten wirksam aus ihren Rollen. Siehe auch: Psychotraumatologie. Dramadreieck als Übung Diese Rollen können auch bewusst als Übung zur Selbsterfahrung gespielt werden, um beispielsweise mehr über gegenseitige Abhängigkeiten und das eigene Verhalten in solchen Rollen und Mustern zu lernen. Aus dem Verfahren Psychodrama können Techniken wie Doppeln, Rollentausch, Rollenwechsel oder Spiegeln 36 verwendet werden. Teilnehmer können im Konfliktmanagement Rückschlüsse über vergangenes Verhalten in Konfliktsituationen ziehen und gegebenenfalls neue Handlungsoptionen erarbeiten. So können auch Menschen mit einer verfestigten Opferhaltung erkennen, welche Anteile ihres Verhaltens in der Vergangenheit dazu geführt haben, dass sie in der Opferposition verbleiben, und was sie tun können, um zu verhindern, erneut Opfer (oder Täter, oder „hilflose Helfer“) zu werden. Gleichzeitig können professionelle Helfer ihr eigenes Helfersyndrom reflektieren. In der Ausbildung von Pädagogen oder Therapeuten und in der Supervision kann in der konkreten Fallarbeit das gespielte Dramadreieck eingesetzt werden, um offenzulegen, an welchen Stellen Helfer ihre Klienten unmündig halten oder Gefahr laufen, in entsprechende Täter-Opfer-Helfer-Strukturen eingebunden zu werden. 37 Anhang III: Dopaminerge Bahnen im Gehirn Die dopaminergen Nervenbahnen des menschlichen Gehirns. Die Zellkörper vieler dopaminerger Neurone liegen in einem kleinen Kerngebiet des Hirnstamms, den man wegen seiner dunklen Pigmentierung (mit Melanin) als Substantia nigra bezeichnet. Eine starke dopaminerge Nervenbahn führt von dort zum Corpus striatum, einer Gehirnregion, die für den flüssigen Ablauf von Bewegungen verantwortlich ist. Bei der Parkinson-Krankheit degeneriert diese "nigrostriatale" Verbindung. Aus: S. H. Snyder, Chemie der Psyche, Spektrum Verlag Heidelberg (1988) 38