Neurosenlehre - Klinische und Gesundheitspsychologie

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Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
1. Sitzung
Reise in die Welt der
neurotischen und
psychosomatischen
Störungen und der
schweren
Persönlichkeitsstörungen
„
Der Horizont wird auf der
einen Seite begrenzt durch
den Bereich der psychischen
Gesundheit / Normalität
…… (vgl. Kernberg, 2006, S. 166)
„
… auf der anderen Seite
durch den Bereich der
Psychosen, einschließlich der
Schizophrenien und
schizophreniformen
Störungen.
1
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Neurosenlehre
„ 1.
Sitzung
Vorbemerkung:
„
„ Symptomatische
Verhaltensweisen
unterscheiden sich
oftmals gar nicht so
kategorial von unserem
alltäglichen Verhalten,
sondern nur graduell.
2
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Neurosenlehre
„ 1.
Sitzung
Vorbemerkung:
„
„ Konsequenzen einer
dimensionalen
Betrachtungsweise:
„ Anregung zur
Selbstreflexion
„ Gewisser Schutz vor
Diskriminierung
3
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Neurosenlehre
„
„
1. Sitzung :
Überblick :
„ Akzentuierung der
psychoanalytischen
Neurosenlehre, aber auch
Berücksichtigung von
lerntheoretischen,
mitunter auch
systemischen
ätiologischen Konzepten.
4
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Überblick :
„
Andere Modelle der
Psychotherapie, wie z. B. die
Gestalttherapie, die
Gesprächspsychotherapie, das
Psychodrama, haben bislang
keine annähernd so
differenzierten Konzepte zur
Ätiologie psychischer
Störungen vorlegen können.
5
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Überblick :
„
Die Verhaltenstherapie hat
ursprünglich bekannte
Veränderungsmechanismen,
wie z. B. Konditionierungen
oder Imitationslernen, als
Ursachen für auffälliges
Erleben und Verhalten
angenommen.
6
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Überblick :
„
In der Verhaltenstherapie ist
zunächst das frühere S-O-RSchema erweitert worden um
zwei weitere Aspekte:
S-O-R-K-C, wobei (K) die
Kontingenz, mit der nachfolgende, verstärkende oder bestrafende Konsequenzen (C) einem
Verhalten (R) folgen, bezeichnet.
7
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Überblick :
„
Diese „Verhaltensgleichung“
forderte die
Verhaltenstherapeuten auf,
systematisch zwischen
Entstehungs- und
aufrechterhaltenden
Bedingungen bei dem
Problemverhalten zu
unterscheiden.
8
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Überblick :
„
„Die wichtigsten
Weiterentwicklungen der
Verhaltenstherapie resultieren
aus dem Versuch, … auch
Kognitionen als
verhaltenssteuernde Variablen
zu betrachten.“ (D. Schulte,
1999, S. 54)
9
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Überblick :
„
D. Schulte (1999, S. 54) stellt
fest: „Er (der praktisch tätige
Therapeut) soll nicht erklären,
sondern Veränderungen in
Gang setzen - … . Erklärung
ist nur insoweit erforderlich
und gerechtfertigt (!), als sie
für die Therapieplanung und
–durchführung hilfreich ist.“
10
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Überblick :
„
In jüngster Zeit hat die moderne
Verhaltenstherapie die ursprünglich linearen Verhaltensgleichungen dynamisiert, hat Rückkopplungsschleifen einbezogen und es
ist eine prozeßorientierte Betrachtungsweise mit mehrfachen
Interdependenzen an die Stelle der
früheren linearen Verhaltensgleichungen getreten. (vgl. Reinecker,
1999, S. 108 ff)
11
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Überblick :
12
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Neurosenlehre
„
„
1. Sitzung :
„
Freuds Entdeckung, daß „normale
wie pathologische Vorgänge
denselben Regeln folgen“ (Freud,
1913a, GW VIII, S. 392)
„
Der Übergang von
psychischer Gesundheit zu
psychischer Krankheit ist
fließend.
Definitionen:
13
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Neurosenlehre
„
„
1. Sitzung :
„
Definitionen:
„
Die Abgrenzung zwischen
psychischer Gesundheit und
Krankheit kann prekär werden
in Grenzbereichen.
Neben dem Symptomverhalten muß der situative
Kontext, in dem dieses
Verhalten auftritt,
berücksichtigt werden.
14
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Neurosenlehre
„
„
1. Sitzung :
Neben dem situativen
Kontext sind
Definitionen: selbstverständlich der
spezifische kulturelle und evtl.
subkulturelle Hintergrund
und – darüber hinaus – der
historisch-gesellschaftliche
Kontext von eminenter
Bedeutung.
„
15
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Neurosenlehre
„
„
1. Sitzung :
Da jede Bestimmung dessen,
was in einer Sozietät als
Definitionen: psychische Störung gilt, auf mehr oder weniger bewußten
– gesellschaftlichen
Wertungen beruht, kann es
keine wertfreie, neutrale,
theoriefreie Definition von
Neurose geben.
„
16
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Neurosenlehre
„
„
1. Sitzung :
„
Definitionen:
„
„Neurosen sind mißlungene
Verarbeitungs- und Lösungsversuche unbewußter, in ihrer
Genese infantiler Konflikte, die
durch eine auslösende Situation
reaktiviert wurden.“
„Neurosen sind Lösungsversuche
von unbewußten TriebimpulsAbwehr-Konflikten mit
intraindividuell unteroptimalem
Ausgang.“
17
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Neurosenlehre
„
„
1. Sitzung :
Definitionen:
„
„Neurotisches Verhalten ist ( a )
erlernt und ( b )fehlangepaßt. Die
Ausbildung bedingter Reflexe ist
an der Entstehung der
überwiegenden Mehrheit
neurotischer Erscheinungen
beteiligt.“
18
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Neurosenlehre
„
„
1. Sitzung :
Definitionen:
„
Abgrenzung zu den somatischen
und psychosomatischen
Störungen: Es handelt sich bei
Neurosen um psychische
Störungen der Erlebnisverarbeitung bzw. einer erlernten
Fehlanpassung, die keine
nachweisbaren organischsomatischen Ursachen haben.
19
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Neurosenlehre
„
„
1. Sitzung :
Definitionen:
„
Im Unterschied zu den
Psychosen – dies wäre ein
weiteres allgemeines
Definitionsmerkmal – ist bei den
neurotischen Störungen die
Realitätsprüfung voll intakt und
die neurotisch kranken Menschen
verfügen in der Regel über eine
erhebliche Einsichtsfähigkeit.
20
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Neurosenlehre
„
„
„
1. Sitzung :
„
Definitionen:
Übereinstimmende
Elemente in
der Neurosendefinition
„
„Neurosen sind überwiegend
psychogen und nur zu einem
geringeren Teil somatogen
bedingt.
Die pathologische Abweichung
von der Norm läßt sich eher als
quantitative, denn als qualitative
beschreiben.
21
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Neurosenlehre
„
„
„
1. Sitzung :
„
Definitionen:
Übereinstimmende
Elemente in
der Neurosendefinition
„
In der Regel ist die soziale
Einordnung erhalten und der
Verlauf nicht so destruierend wie
bei den Psychosen.
Die gegenwärtigen Störungen
stehen mit dem gestörten
Entwicklungs- und
Lernprozessen der
Lebensgeschichte in einem
kausalen Zusammenhang.“ H.H.
22
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Modelle zur
Pathogenese von
neurotischer
Symptomatik:
„
Das Modell
des
aktualisierten
Entwicklungs
konflikts
„
„
Auslösende Situation (Freud:
„Versuchungs- und Versagungssituation“)
⇒ aktueller Konflikt
⇒
Angst
(oder andere unlustvolle Affekte)
⇒
Regression ⇒
Reaktualisierung
von infantilen Konflikten
⇒
Verstärkung der Konfliktspannung
(Angst) ⇒
Abwehr
⇒
Mißlingen der Verdrängung ⇒
Kompromißbildung zwischen den
einzelnen Konfliktanteilen
⇒
Symptombildung
23
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Modelle zur
Pathogenese von
neurotischer
Symptomatik:
„
Das Modell
des
aktualisierten
Entwicklungs
konflikts
„
Das Symptom stellt einerseits eine in
jeder Hinsicht unzureichende
Lösung dar, andererseits „die jeweils
beste Organisationsform eines
psychischen Konfliktes“, „die dem
Kranken zu einem bestimmten
Zeitpunkt unter seinen gegebenen
inneren und äußeren Bedingungen
möglich ist“.
24
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Modelle zur
Pathogenese von
neurotischer
Symptomatik:
„
Das Trauma Modell
„
Als Entwicklungstrauma bezeichnen wir
eine schwere und massiv belastende, in der
Regel soziale Einwirkung. In der Praxis
handelt es sich meist um realen sexuellen
Missbrauch (…) oder um aggressive
Misshandlung (oder Vernachlässigung).
Gesamtpopulation einer
psychosomatischen Klinik (n=407): 10 %
sexueller Missbrauch, 25% aggressive
Misshandlung; fast alle Betroffenen hätten
zusätzlich eine gestörte emotionale
Beziehung zu beiden Eltern beschrieben.
25
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Modelle zur
Pathogenese von
neurotischer
Symptomatik:
„
Das Trauma Modell
„
„
„
Worin liegt die eigentlich pathogene
Wirkung solcher traumatischer Ereignisse?
1. „sich wiederholendes Ausgeliefertsein an
einen Zustand gewaltsam erzwungener
Ohnmacht, in dem es keine Hoffnung auf
Entrinnen oder auf nicht stattfindende
Wiederholung gibt.“
2. „die traumatisierende Bedeutung der
verführerischen Überstimulierung
(„overstimulation“, Shengold). Diese führt
durch die nicht kontrollierbare, überflutende Sexualisierung im Kind zu einem
massiven Erlebnis von Überwältigung,
26
…“.
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Modelle zur
Pathogenese von
neurotischer
Symptomatik:
„
Das Trauma Modell
„
„
„
Worin liegt die eigentlich pathogene
Wirkung solcher traumatischer Ereignisse?
3. „regelhafte Kombination mehrerer
belastender Bedingungen“, wodurch die
Chancen für gleichzeitige kompensierende
(protektive) Faktoren, welche die
Erlebnisverarbeitung verbessern könnten,
sinken.
4. Zusätzlich kann sich „das
Zusammenwirken von kindlichen
Phantasien und deren Realisierung durch
grenzenverletzende Handlungen anderer“
pathogen auswirken.
27
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Modelle zur
Pathogenese von
neurotischer
Symptomatik:
„
Das Trauma Modell
„
„
„
Worin liegt die eigentlich pathogene
Wirkung solcher traumatischer Ereignisse?
5. „anhaltende Schuldgefühle, die dem
Opfer des Traumas im Erwachsenenalter
Verursachung oder Mitverursachung
seines Schicksals vorwerfen
(Identifizierung mit dem Aggressor)“
6. „die Verwirrung des Wirklichkeitssinnes
(Ist das wirklich passiert oder habe ich es
mir nur eingebildet, wie die anderen
sagen?)“
(aus: Hoffmann, Hochapfel, 2004, S. 64 – 67)
28
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Modelle zur
Pathogenese von
neurotischer
Symptomatik:
„
Das Modell
der verfehlten
Lernvorgänge
„
Hoffman u. Hochapfel betonen, „daß die
Gesetzmäßigkeiten des Lernens sich
besonders zur Beschreibung der Erhaltung
von Symptomen eignen. ... Was oben als
sekundärer Krankheitsgewinn beschrieben
wurde, wird ausgezeichnet mit dem
Prinzip der sozialen Verstärkung erfaßt
(social reinforcement). ... Man wird die
Chronifizierung mancher Neurosen auf
diese Weise zufriedenstellend“ erklären
können. (S. 68) (aus: Hoffmann, Hochapfel, 2004,
S. 64 – 67)
29
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Neurosenlehre
„
1. Sitzung :
„
Modelle zur
Pathogenese von
neurotischer
Symptomatik:
„
Das Modell
der verfehlten
Lernvorgänge
„
„
„
Nicht selten kommt es also dazu, „daß ein
Symptom sich im Laufe der Zeit
gegenüber den ursprünglich
hervorbringenden Konfliktbedingungen
verselbständigt, sich von ihnen gleichsam
abkoppelt. ... Zur Konfliktgeschichte tritt
eine Lerngeschichte hinzu.“
Kurzformel:
Lerngeschichte
⇒
verfehlte
Lernvorgänge
⇒
Symptom (⇒
symptomerhaltende Lernvorgänge
⇒
Symptomchronifizierung)
30
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Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
Neuere
theoretische
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
„
Freud stellte 1923 fest:
„Wir erkennen, daß das
Ubw nicht mit dem
Verdrängten zusammen
fällt; es bleibt wichtig, daß
alles Verdrängte ubw ist,
aber nicht alles Ubw ist
verdrängt.“
31
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Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
„
Das Unbewußte aus der Sicht der
Objektbeziehungstheorien:
„
Neuere
theoretische
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
„Aus den verdrängten Triebwünschen,
die in Freuds (1923) Strukturtheorie im
Es lokalisiert wurden, werden bei
Kernberg Objektbeziehungsrepräsentanzen, die mit Affekten einhergehen.
Der unbewußte innerpsychische
Konflikt geschieht jetzt nicht mehr
zwischen Triebimpulsen und
Abwehrmaßnahmen, sondern zwischen
Beziehungserfahrungen (…).“ (Mertens,
2008, S. 124)
32
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Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
„
„
Neuere
theoretische
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
Das Unbewußte aus der Sicht der
Objektbeziehungstheorien:
„Triebwünsche werden von Kernberg als
affektive Motivationen betrachtet; die in den
Beziehungserfahrungen gespeicherten
affektiven Erinnerungen (z.B. das Erleben von
Lust, Wohlgefühl, Vitalisierung, Neugier im
Fall von befriedigenden Objektbeziehungen)
sind die treibende Kraft, nach ähnlichen
Erfahrungen in der Gegenwart zu suchen.
Triebe manifestieren sich somit als libidinöse
oder aggressive Affekte.“ (Mertens, 2008, S. 124)
33
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Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
„
„
Neuere
theoretische
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
Das Unbewußte aus der Sicht der
Objektbeziehungstheorien:
„Das Unbewußte wird aus all den
Objektbeziehungserfahrungen gebildet, welche
nicht bewußt werden durften, weil die
elterlichen Reaktionen auf diese Erfahrungen
zu starke Unlust und Angst erzeugt haben. …
Im Unbewußten sind auf jeden Fall diese
Selbst-Objekt-Beziehungsrepräsentanzen
gespeichert und die unbefriedigenden
traumatischen Erfahrungen üben einen
dynamischen Einfluß auf die Wahrnehmung
und Gestaltung gegenwärtiger Beziehungen
aus.“ (Mertens, 2008, S. 124)
34
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Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
„
Neuere
theoretische „
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
Die Unterscheidung von
Vergangenheitsunbewußtem und
Gegenwartsunbewußtem (1):
„Während das Vergangenheits-Unbewußte
durch eine tiefe, bereits in der Kindheit
grundgelegte Verdrängungsschranke vom
Bewußtsein abgetrennt ist, verhindern Schamund Schuldgefühle, die in der Hier-und-JetztInteraktion mit dem Analytiker entstehen, das
Bewußtwerden von Inhalten des GegenwartsUnbewußten, das eher aus Phantasien des
Adoleszenten und des Erwachsenen gebildet
wird.“ (Mertens, 2008, S. 125)
35
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
„
Neuere
theoretische „
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
Die Unterscheidung von
Vergangenheitsunbewußtem und
Gegenwartsunbewußtem (2):
Nach Sandler und Sandler (1984)
besteht das VergangenheitsUnbewußte „zum größten Teil aus
nichtdeklarativen, impliziten Wissensund Fühlelementen, die so etwas wie
eine nichtbewußte Schablone für alle
späteren Gedächtnisinhalte bilden (…).
(Mertens, 2008, S. 125)
36
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
„
Neuere
theoretische „
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
Die Unterscheidung von
Vergangenheits-Unbewußtem und
Gegenwarts-Unbewußtem (3):
Das Gegenwarts-Unbewußte, das
überwiegend von deklarativen
autobiographischen Gedächtniselementen
gebildet wird, konstituiert sich im Hier
und Jetzt einer Interaktion und
Kommunikation immer wieder aufs Neue,
wobei es aber einen Teil seiner
Sozialisierung aus dem VergangenheitsUnbewußten erfährt (Mertens, 2008, S. 125)
37
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
Neuere
theoretische
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
„
Die Unterscheidung von VergangenheitsUnbewußtem und Gegenwarts-Unbewußtem (4):
„
„Verdrängte Wünsche und Phantasien eines
erwachsenen Menschen werden also nicht im
Vergangenheits-Unbewußten in unveränderter
Form aufbewahrt (…), sondern entstehen im
Gegenwarts-Unbewußten, sind aber dennoch in
ihren intrapsychischen und interaktionellen
Eigentümlichkeiten von den im VergangenheitsUnbewußten grundgelegten Erfahrungsmustern
abhängig. Unbewußte konflikthafte Phantasien,
…“ (Mertens, 2008, S. 125)
38
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
Neuere
theoretische
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
„
Die Unterscheidung von VergangenheitsUnbewußtem und Gegenwarts-Unbewußtem (5):
„
„Unbewusste konflikthafte Phantasien, die von Klinikern
erschlossen und rekonstruiert werden, sind demnach im
Gegenwarts-Unbewussten anzunehmen. Diese
unbewussten Phantasien des Gegenwarts-Unbewussten
sind mit den unbewussten subjektiven Repräsentationen
der gegenwärtigen Personen – in der analytischen
Situation mit der Person des Analytikers – eng verbunden
und funktionieren auf einem höheren Level unbewusst
kognitiv-emotionaler Abläufe und in einem anderen
Gedächtnissystem als das Vergangenheits-Unbewusste.
Dieses kann allerdings mehr oder weniger stark das
Gegenwarts-Unbewusste steuern.“ (Mertens, 2008, S. 125)
39
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
Neuere
theoretische
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
„
Die Unterscheidung von VergangenheitsUnbewußtem und Gegenwarts-Unbewußtem (6):
„
„Der ganze Bereich der
Abwehrmechanismen findet ebenfalls im
Gegenwarts-Unbewussten seinen Einsatz,
sowie alle Arten kompensatorischer und
adaptiver Mechanismen und daraus
resultierender Kompromissbildungen.
Deren Ziel besteht in der
Aufrechterhaltung eines inneren
Gleichgewichts, von Gefühlen der
Sicherheit und der Integrität des Selbst.“
(Mertens, 2008, S. 125)
40
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
„
Mertens: Merkmale unbewusster Prozesse in
verschiedenen psychoanalytischen Denkrichtungen
Neuere
theoretische
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
41
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
„
Mertens: Bewusste und unbewusste Vorgänge aus der Sicht
verschiedener methodischer und konzeptueller Zugänge
Neuere
theoretische
Erwägungen
zum Begriff
des
Unbewußten
42
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
Definitionen und Grundannahmen
„
4. Psychische Konflikte sind allgegenwärtig und unvermeidlich
und gehen einher mit Unlust bzw. einem Gefühl mangelnder
Sicherheit. Frühe Überlastungen des Kindes, z.B. durch
Traumata, durch Mißhandlung, Mißbrauch oder chronische
Vernachlässigung lassen in der Regel (vgl. den Ansatz der
Salutogenese bei Antonowski) eine Disposition dafür entstehen,
daß die Betroffenen von später auftauchenden Konflikten
überwältigt werden.
43
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
Definitionen und Grundannahmen
„
5. „Das Kind ist prädisponiert, unbewußte Wünsche, die dem
bewußten Denken unakzeptabel erscheinen, durch eine
entwicklungsabhängige Hierarchie von Abwehrmechanismen zu
modifizieren, die ihm dabei helfen, Unlusterfahrungen zu
vermeiden. Diese Hierarchie spiegelt später den Grad der
individuellen Pathologie wider; ein dominierender Einsatz früher
Abwehrmechanismen hängt normalerweise mit gravierenden
Störungen zusammen.“
44
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
Definitionen und Grundannahmen
„
6. Weitere Kernannahmen betreffen das Wesen psychoanalytisch orientierter
Therapien. Sie heben hervor, daß die multiplen Bedeutungen der Symptome
sich in der Regel für den Therapeuten wie für den Patienten im Zuge der
psychoanalytischen Behandlung erschließen. Was zuvor lediglich als
irrationales und störendes Erleben anmutete, erscheint nach Einbeziehung
unbewußter Dimensionen als subjektiv sinnvoll.* Als ein wesentliches
Hilfsmittel zum Erkennen von nicht anerkannten, also unbewußt gewordenen
Aspekten früherer Beziehungen gilt die Analyse von Übertragungen, die sich
im assoziativen Verlauf oder – oft noch deutlicher – in Reinszenierungen
manifestieren.
45
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Definitionen und Grundannahmen
„
7. Schließlich reklamieren Fonagy und Target für die moderne Psychoanalyse, daß
sie nicht nur den internalisierten Beziehungen aus der Kindheit, sondern auch
den gegenwärtigen Beziehungen des Patienten besondere Beachtung schenkt.
Für die positive Veränderung und psychische Weiterentwicklung des
Patienten kämen – über Deutung und Einsicht hinaus – der realen Beziehung
zum Analytiker besonderer Wert zu. Voraussetzung sei, daß es gelinge, eine
intensive und möglichst sichere, haltende Beziehung mit dem Patienten
herzustellen, die es ihm erlaube, sich einigermaßen vertrauensvoll zu öffnen
und dann günstigere Lösungen für seine Konflikte zu finden.
46
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Definitionen und Grundannahmen
„
Nachdem ich nun wichtige Grundannahmen der
Psychoanalyse dargestellt habe, über die in der
psychoanalytischen Fachgemeinschaft heute
weitgehender Konsens bestehen dürfte, will ich Ihnen
nun die wichtigsten Merkmale der gegenwärtigen
psychoanalytischen Hauptströmung erläutern.
47
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Die Hauptmerkmale der zeitgenössischen psychoanalytischen Hauptströmung
(Mainstream) (vgl Kernberg, 2002)
„
„
„
„
Vorbemerkung: „Die Psychoanalyse gibt es schon lange nicht mehr.“
(Mertens, 1997a, S. 15))
„Frühe und systematische Deutung der Übertragung. ... .
Zentrale Bedeutung der Gegenübertragungsanalyse und ihrer
Verwendung in der Deutung der Übertragung als konsistenter
Bestandteil der psychoanalytischen Arbeit, ... .
Systematische Charakteranalyse, ... . Die Analyse der
Übertragungswiderstände als im Charakter ver-wurzelte
Abwehrbewegungen, die eine dazugehörige unbewußte
Objektbeziehung widerspiegeln, spielt in der Ich-Psychologie ...
ebenso wie bei den Kleinianern als Analyse der „pathologischen
Organisation“ und bei den Independents als pathologisches
Beziehungsmuster eine Rolle.
48
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Die Hauptmerkmale der zeitgenössischen psychoanalytischen Hauptströmung
(Mainstream) (vgl Kernberg, 2002)
„
Verschärfte Aufmerksamkeit für unbewußte „Inszenierungen“ der
Übertragungs- und Gegenübertragungsentwicklungen mit Betonung
der unbewußten Bedeutungen im „Hier und Jetzt“ als Teil der
Übertragungsanalyse von der Oberfläche zur Tiefe hin in der IchPsychologie. Widerstände sind als Objektbeziehungen und nicht
einfach als unpersönliche Mechanismen konzipiert. ...
„
Zentralität der Vorherrschaft der Affektivität.
„
Vorherrschen der Modelle der internalisierten Objektbeziehungen. ... .*
49
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Die Hauptmerkmale der zeitgenössischen psychoanalytischen Hauptströmung
(Mainstream) (vgl Kernberg, 2002)
„
„
„
Technische Neutralität: ... Dieses „Drei-Personen-Modell“ betont die
Doppelfunktion des Analytikers, indem er einerseits in eine
Übertragungs- Gegenübertragungsbeziehung eintaucht und
andererseits eine objektive Distanz aufrechterhält, aus der die
Beobachtung und die Deutung der Inszenierungen der inneren
Objektbeziehungen des Patienten möglich werden. ... .
Ausdrückliche Hervorhebung der Vielfältigkeit der „Königswege“ zum
Unbewußten: ... .
Sorgfältige Vermeidung von „Indoktrinierung“ durch kategorische
Deutungsstile und Betonung der aktiven Arbeit des Patienten im
Aufdecken von unbewußten Bedeutungen mit Hilfe der
Deutungsversuche des Analytikers.
50
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Die Hauptmerkmale der zeitgenössischen psychoanalytischen Hauptströmung
(Mainstream) (vgl Kernberg, 2002)
„
Eine zunehmende Skepsis gegenüber linearen Entwicklungsmodellen.
Die Verdichtung der Erfahrungen aus multiplen Entwicklungsebenen
erweisen sich nämlich als verdichtete Erfahrungs- und
Verhaltensmatrices, die erst nach und nach in verschiedene historische
Ereignisse entwirrt werden können.“ (Kernberg, 2002, S. 12 f)
„
51
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Psychoanalytische Definitionen von Neurose
„
„
„Neurosen sind mißlungene Verarbeitungs- und
Lösungs-versuche unbewußter, in ihrer Genese
infantiler Konflikte, die durch eine auslösende
Situation reaktiviert wurden.“
„Neurosen sind Lösungsversuche von
unbewußten Triebimpuls-Abwehr-Konflikten mit
intraindividuell unteroptimalem Ausgang.“
52
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
Exkurs:
„
Internationale
Bemühungen um eine
Vereinheitlichung der
psychiatrischen
Klassifikation und der
Kampf um den Begriff der
Neurose
53
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
2. Sitzung :
„
Exkurs:
Internationale
„
Bemühungen um
eine
Vereinheitlichung
der psychiatrischen
Klassifikation und
der Kampf um den
Begriff der Neurose
Ein erstes einheitliches
Klassifikationsschema in
Wien 1889 erstellt
„Bis zum Ende des zweiten
Weltkrieges blieben fast alle
nationalen wie internationalen
Versuche, zu einer einheitlichen
Klassifikation psychischer
Störungen zu gelangen,
weitgehend erfolglos.“
54
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
2. Sitzung :
„
Exkurs:
Internationale
Bemühungen um
eine
Vereinheitlichung
der psychiatrischen
Klassifikation und
der Kampf um den „
Bis zum Vorliegen der 9.
Fassung des ICD wurde
massive Kritik geäußert an
den jeweiligen
vorausgehenden
Systematisierungsversuchen
Kritikpunkte waren:
Begriff der Neurose
55
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
2. Sitzung :
Exkurs:
„
„
Internationale
„
Bemühungen um
eine
Vereinheitlichung
„
der psychiatrischen
Klassifikation und
der Kampf um den
Begriff der Neurose „
die antipsychiatrische Position von
Szasz (1960)
die geringe Zuverlässigkeit
psychiatrischer Diagnosen
die soziale Stigmatisierungswirkung
von psychiatrischen Diagnosen
die kategoriale Klassifikation,
stattdessen Plädoyer für eine typologische und dimensionale Systematik
ein Ethnozentrismus: einseitig würden
die amerikanischen und westeuropäischen kulturellen Standards
56
dominieren
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
2. Sitzung :
„
Exkurs:
Internationale
„
Bemühungen um
eine
Vereinheitlichung
der psychiatrischen
Klassifikation und
„
der Kampf um den
Begriff der Neurose
Das bis zum Jahr 1999 noch offiziell
gültige ICD 9 hat sich als
internationales Klassifikationssystem
schon beachtlich durchsetzen können.
In den Formulierungen fand vor allem
der Einfluß biologisch und
psychoanalytisch orientierter
Psychiater seinen Niederschlag.
Das ICD 9 blieb noch dem medizinischen Krankheitsmodell verpflichtet
(Ätiologie, Pathogenese, Symptom,
Diagnose, Prognose, Therapie).
57
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
2. Sitzung :
Exkurs:
„
Neue Klassifikationssysteme:
„
Das DSM IV: Diagnostic and Statistic
Manual of Mental Disorders. (2000)
(American Psychiatric Association,
APA)
Das ICD 10, Kapitel V, (F):
Internationale Klassifikation
psychischer Störungen (International
Classification of Diseases, Chapter V
(F): Mental and behavioural Disorders)
(Dilling et al., 1991. 1993)
Internationale
Bemühungen um
eine
„
Vereinheitlichung
der psychiatrischen
Klassifikation und
der Kampf um den
Begriff der Neurose
58
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
2. Sitzung :
„
Exkurs:
Internationale
Bemühungen um
eine
Vereinheitlichung
der psychiatrischen
Klassifikation und
der Kampf um den
Begriff der Neurose
„
„
Das DSM IV: Seit 2003 liegt das DSM IV in der
Fassung als Textrevision (TR) , die von Saß,
Wittchen, Zaudig und Houben besorgt wurde,
vor.
Fast alle Störungen, die in den Katalog der ICD
10 aufgenommen worden sind, sind auch im
DSM IV - TR aufgeführt.
Für die DSM IV besitzen forschungsorientierte
Gesichtspunkte stärkeres Gewicht, was sich u.
a. darin ausdrückt, daß die beschreibenden
Texte in der ICD 10 „kürzer und weniger
kategorisch sind“. An die Stelle von Formulierungen
in der ICD 10 wie …normalerweise … oder: … sollten
vorhanden sein … treten in dem DSM IV: … müssen …
oder … sind erforderlich …
59
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
2. Sitzung :
Exkurs:
Internationale
Bemühungen um
eine
Vereinheitlichung
der psychiatrischen
Klassifikation und
der Kampf um den
Begriff der Neurose
„
Beide Systeme – das DSM IV und
das aktuell gültige ICD 10 –
„vermeintlich atheoretische
Klassifikationen psychischer
Störungen“ (Kernberg) –
möchten sich an rein
phänomenologischen Kriterien
orientieren, frei von
ätiopathogenetischen
Implikationen.
60
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
2. Sitzung :
„
Exkurs:
Internationale
Bemühungen um
„
eine
Vereinheitlichung
der psychiatrischen
Klassifikation und
der Kampf um den
Es gibt weltweit eine Tendenz, die
„Neurose“ nicht mehr als eine quasi
nosologische Entität zu behandeln,
sondern in verschiedene
Verhaltensdimensionen aufzulösen.
Ein solches Vorgehen ist weder
theoretisch noch therapeutisch neutral,
es hat zahlreiche Konsequenzen,
sowohl positive wie negative.
Begriff der Neurose
61
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
2. Sitzung :
„
Exkurs:
Internationale
Bemühungen um
„
eine
Vereinheitlichung
der psychiatrischen
Klassifikation und
der Kampf um den
Begriff der Neurose
Die präzisere Beschreibung der
psychischen Störungen hat die
Diagnostik verläßlicher gemacht und
zu bedeutenden Fortschritten in der
Forschung beigetragen.
Die Akzentuierung des Deskriptiven
bringt die Gefahr mit sich, die Frage zu
vernachlässigen, worunter der Patient
wirklich leidet bzw. welche
psychischen Probleme evtl. hinter der
vom Patienten geklagten Symptomatik
noch stehen könnten.
62
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
2. Sitzung :
Exkurs:
Internationale
Bemühungen um
eine
Vereinheitlichung
der psychiatrischen
Klassifikation und
der Kampf um den
Begriff der Neurose
„
Es ist den Herausgebern der deutschen
Textrevision des DSM IV allerdings zugute zu
halten, daß sie selbstkritisch die „Konzentration auf einen deskriptiven, verhaltensorientierten Ansatz“ problematisieren, „der weitgehend stark interpretationsbedürftige und
theoriebezogene Begrifflichkeiten in der
Definition von Zeichen und Symptomen
vermeidet“ (DSM IV – TR, S. XXI) Es sei zwar
davon auszugehen, daß bei diesem Vorgehen
„zunächst die klinische Beurteilerreliabilität“
sich erhöhe, doch gehe damit auch einher die
Gefahr einer Hypostasierung von beobachtbare
Zeichen und der Unterschätzung des
Empfindens der zu beurteilenden Person.
63
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
2. Sitzung :
„
Exkurs:
Internationale
Bemühungen um
eine
Vereinheitlichung
der psychiatrischen
Klassifikation und
der Kampf um den
Begriff der Neurose
„
Unklar und ungeregelt bleibe, „wie der Kliniker
zu seiner Beurteilung kommt. Welches Gewicht
gibt er der subjektiv-verbalen Ebene (d.h.
subjektiven Erlebnissymptomen)? Welche
dieser Erlebnissymptome übernimmt er direkt,
welche filtert er aufgrund bestimmter Kriterien?
Diese Fragen betreffen direkt Validitätsaspekte
sowohl hinsichtlich einzelner Symptome wie
auch der Ableitung einer Diagnose vor allem
bei Störungen, deren Symptomatik wesentlich
im subjektiven Bereich bleibt.
Im übrigen bringt in vielen Fällen die
zusätzliche Forschung mit verhaltensorientierten desriptiven Kriterien kaum noch
Erkenntnisgewinn, …“. (a.a.O., S. XXI)
64
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
2. Sitzung :
„
„
„
„
Exkurs:
Internationale
Bemühungen um
eine
Vereinheitlichung
der psychiatrischen
Klassifikation und
der Kampf um den
„
Begriff der Neurose
„
„
„
Das multiaxiale System des DSM IV
Achse I enthält Klinische Störungen, Entwicklungsstörungen und andere klinisch relevante
Probleme.
Achse II soll Geistige Behinderungen und
Persönlichkeitsstörungen abbilden.
Auf Achse III werden medizinische
Krankheiten aus anderen Kapiteln der ICD-10
codiert.
Auf Achse IV werden psychosoziale und
Umgebungsprobleme berücksichtigt.
Auf Achse V soll eine Gesamtbeurteilung des
psychosozialen Funktionsniveaus auf einer
GAF-Skala, die jetzt bis 100 reicht,
vorgenommen werden. (a.a.O., S. XIII)
65
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
2. Sitzung :
Allgemeine
Einteilung
nach
Hoffmann /
Hochapfel
(2004):
„
„
„
„
Psychogene Störungen mit
körperlicher Symptomatik
Psychogene Störungen mit
(vorwiegend) psychischer
Symptomatik
Charakterneurosen und
Persönlichkeitsstörungen
Konfliktreaktionen
66
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
2. Sitzung :
„
Allgemeine
Einteilung:
„
Psychogene
Störungen mit
körperlicher
Symptomatik
„
„
„
„
Es werden 3 Untergruppen
unterschieden:
Psychosomatischer Erkrankungen im
engeren Sinne (G. Engel: Psychosomatosen; heute genannt: „Organkrankheiten
mit psychosozialer Komponente“)
Funktionelle Störungen (heute
genannt: „somatoforme autonome
Funktionsstörungen) und
Konversionsstörungen/dissoziative
Störungen der Bewegung und der
Sinnesempfindungen
67
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
2. Sitzung :
„
Allgemeine
Einteilung:
„
Psychogene
Störungen mit
körperlicher
Symptomatik
„
Die Psychosomatosen werden von
Uexküll definiert als Folgezustände
langandauernder vegetativer
Spannungen. In der Folge ständiger
„Als-ob-Reaktionen“ (Furcht,
Aggression) – Uexküll redet deshalb
treffend von
„Bereitstellungserkrankungen“ –
kommt es zu organpathologischen
bzw. –destruktiven Veränderungen.
68
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
„
2. Sitzung :
Allgemeine
Einteilung:
Psychogene
Störungen mit
körperlicher
Symptomatik
Die Psychosomatosen
„
Die sogenannten „holy seven“:
„
Asthma bronchiale,
Ulcus pepticum ventriculi et duodeni,
Colitis ulcerosa,
essentielle Hypertonie,
rheumatoide Arthritis (primär
„
„
„
„
„
„
chronische Polyarthritis),
das atopische Exzem (Neurodermitis)
und die Hyperthyreose.
69
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
2. Sitzung :
„
Allgemeine
Einteilung:
„
Psychogene
Störungen mit
körperlicher
Symptomatik
Die Psychosomatosen
„
„
Nach Auffassung von Hoffmann und
Hochapfel (2004) müßten den „holy
seven“ weitere Erkrankungen an die
Seite gestellt werden, die ähnliche
seelisch-körperliche Wechselwirkungen
aufweisen, z. B.:
„
Die koronaren Herzerkrankungen
Chronische Entzündungskrankheiten,
wie
„
„
„
„
die Multiple Sklerose,
Morbus Crohn und
abakterielle Prostatitis
70
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
„
2. Sitzung :
Allgemeine
Einteilung:
Psychogene
Störungen mit
körperlicher
Symptomatik
Die
funktionellen
Störungen
„
Die funktionellen Störungen
betreffen:
„
das Herz-Kreislaufsystem (z. B.
Tachykardie)
das Atmungssystem (z. B.
Hyperventilation),
den Magen-Darm-Trakt (z. B.
Obstipation),
die Harn- und Geschlechtsorgane (z. B.
die sog. sexuellen Funktionsstörungen)
„
„
„
71
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
2. Sitzung :
„
Allgemeine
Einteilung:
„
Psychogene
Störungen mit
körperlicher
Symptomatik
Die
Konversionsneurosen
„
„
Konversionsneurosen bringen
neurotische Konflikte auf
somatischer Ebene zum
Ausdruck.
„
Die Symptome beziehen sich dabei vor
allem auf sensorische oder motorische
Störungen (psychogene Blindheit oder
Taubheit, Lähmungen, Mißempfindungen, Schmerzen), die einen direkt
symbolischen Ausdrucksgehalt haben,
also sekundäre Somatisierungen sind.
72
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
3. Sitzung :
Allgemeine
Einteilung:
Psychogene
Störungen mit
vorwiegend
psychischer
Symptomatik
„
Die Psychoneurosen
„
Die Hysterie
Die Phobien
Die Zwangsneurosen
Die neurotische Depression
Die Angstneurose
Das Depersonalisations- und
Derealisationssyndrom
„
„
„
„
„
73
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
3. Sitzung :
Allgemeine
Einteilung:
Psychogene
Störungen mit
vorwiegend
psychischer
Symptomatik
„
Die „ich-strukturellen
Störungen“ (Fürstenau)
(unscharfe Kategorie)
„
Süchte
Perversionen
Delinquenz
Schwere Persönlichkeitsstörungen
„
„
„
74
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
3. Sitzung :
Allgemeine
Einteilung:
Psychogene
Störungen mit
vorwiegend
psychischer
Symptomatik
„
Die Persönlichkeitsstörungen
einschl. der
Charakterneurosen
„
Frühere nosologische Beschreibungen
betrafen:
Den hysterischen Charakter
Den zwanghaften Charakter
Den depressiven Charakter
Den schizoiden Charakter
„
„
„
„
75
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
3. Sitzung :
Allgemeine
Einteilung:
Psychogene
Störungen mit
vorwiegend
psychischer
Symptomatik
„
Die Persönlichkeitsstörungen
einschl. der
Charakterneurosen
„
Heute ist die Kategorie der Charakterneurosen weitgehend ersetzt durch die
der Persönlichkeitsstörungen, z. B:
Die histrionische
Persönlichkeitsstörung
Die anankastische
Persönlichkeitsstörung
Die depressiv-masochistische
76
Persönlichkeitsstörung
„
„
„
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
3. Sitzung :
Allgemeine
Einteilung:
Psychogene
Störungen mit
vorwiegend
psychischer
Symptomatik
„
Die Persönlichkeitsstörungen
einschl. der
Charakterneurosen
„
Darüber hinaus gehört hierzu das
große Gebiet der sog. schweren
Persönlichkeitsstörungen, die u. a.
die narzißtische
Persönlichkeitsstörung,
die Borderline-Störung,
die schizoide Persönlichkeitsstörung
umfaßt.
„
„
„
77
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
3. Sitzung :
„
Allgemeine
Einteilung:
„
Konfliktreaktionen
„
„
Es handelt sich um erlebnisreaktive
Störungen mit psychischer und
körperlicher Symptomatik.
Zu den Symptomen der
„posttraumatischen Belastungsstörung“ gehören das wiederholte
Erleben des Traumas in sich
aufdrängenden Erinnerungen
(„flashbacks“ bzw. Nachhallerinnerungen), Albträume, emotionale
Stumpfheit, vegetative Übererregtheit
mit Vigilanzsteigerung usw.
78
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
3. Sitzung :
„
Allgemeine
Einteilung:
„
Konfliktreaktionen
„
Die Art der jeweiligen
Reaktion auf die
Traumatisierung kann zwar
durch eine neurotische
Struktur mit beeinflußt
werden, diese ist jedoch
weder nötig noch ausreichend, um das Auftreten
der Störung zu erklären.
79
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
3. Sitzung :
„
Allgemeine
Einteilung:
„
Konfliktreaktionen
„
In leichten Fällen kann die
differentialdiagnostische
Abgrenzung gegenüber der
normalen Trauerreaktion
schwierig sein, in schweren
Fällen ist die Unterscheidung
von der Neurose und der
Persönlichkeitsstörung nicht
einfach.
80
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
3. Sitzung :
Vom Sinn
der
Symptome
„
Nach psychoanalytischer
Auffassung verweist das
Symptom auf den gesamten
Lebenszusammenhang,
Krankheits- und
Lebensgeschichte sind nicht
isoliert voneinander, sondern
nur in ihrer wechselseitigen
Verschränkung zu verstehen.
81
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
3. Sitzung :
Vom Sinn
der
Symptome
„
„
Die Neurose ist demnach ein
mißlingender Versuch der Bewältigung
bestimmter, nämlich phasen- bzw.
entwicklungsspezifischer Konflikte.
Die neurotische Störung eines
Menschen sagt etwas aus über die
Gesamtentwicklung eines Menschen,
in jedes Symptom ist gewissermaßen
eine ganze, hochkomplexe
Beziehungs-, Geschlechts- und
Triebgeschichte eingelassen.
82
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
„
A) In seiner ersten Arbeit über die
Hysterie lehnte sich Freud noch
stark an die Heriditätsauffassung
von Charcot an und wies
Traumen, Kummer, Gemütsbewegungen nur den Rang von
„Gelegenheitsursachen“ zu,
durch die eine bisher unbemerkte
psychische Disposition geweckt
werden könnte.
83
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
„
B) In Freud´s weiteren
Arbeiten aus den Jahren 1892
/ 93 und 1895 (Studien über
Hysterie) tritt die Bedeutung
krankhafter Erbfaktoren
zurück gegenüber der Präponderanz von psychischen
Belastungen für „die Erwerbung von Neuropathien“.
84
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
„
C) Breuer´s Konzept der
Hypnoid-Hysterie: Die
hypnoiden Zustände der
Anna O. hätten den „Boden
geschaffen“, auf dem sich die
traumatischen Erfahrungen,
„der Angst- und Erwartungsaffect sich festsetzte“.
(Studien über Hysterie, S. 33)
85
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
„
C) Breuers Erklärungsmodell der
Hypnoidhysterie bedeutete, daß
der Entstehung dieser Art von
Störungen ein hypnoseähnlicher
Zustand zugrunde liegt. Ein
solcher Gemütszustand ist
sozusagen der Boden, auf den
bestimmte traumatische
Erfahrungen fallen.
86
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
„
„
D) Freud´s Konzept der
Abwehrhysterie:
Nicht der hypnoide Zustand
verursache die Dissoziation von
Erinnerungen an ein traumatisches
Ereignis, sondern „weil es sich um
Dinge handelte, die der Kranke
vergessen wollte, die er darum
absichtlich aus seinem bewussten
Denken verdrängte, hemmte und
unterdrückte.“
87
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
„
D) Freud´s Konzept der
Abwehrhysterie:
Theoriegeschichtliche „ In zunehmender Abgrenzung zu
Entwicklung
Breuer entwickelte Freud eine
von Freud´s
mehr und mehr psychologische
NeuroseTheorie, eine Verdrängungs- und
verständnis
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
Abwehrtheorie der Hysterie und
später der Neurose überhaupt.
88
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
„
„
D) Freud´s Konzept der
Abwehrhysterie:
Die Konzepte der „peinlichen
Kontrastvorstellung“ und des
„Gegenwillens“, mit denen Freud auch
in Fällen aus den „Studien über
Hysterie“ (Emmy v. N. und Elisabeth
v. R.) gearbeitet hat, gelten als Vorstufe
der späteren Verdrängungstheorie.
89
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
„
„
„
D) Freud´s Konzept der
Abwehrhysterie:
Denn der ätiologische Grundgedanke
ist der einer Verdrängung unliebsamer
und konflikthaft erlebter Vorstellungen.
Hier sind die Grundlagen für die
Konzeptionalisierung des unbewußten
Konflikts, wenn nicht für das
Unbewußte überhaupt gelegt worden.
90
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
„
E) Die Verführungstheorie:
„
Von 1895 – 1897 vertretene Annahme,
dass der Hysterie, aber wohl nicht nur
den Hysterien, eine kindliche sexuelle
Verführungssituation zugrunde liege.
Traumatisch wirke jedoch nicht die
frühkindliche Erfahrung als solche,
sondern ihr Wiederaufleben als
unbewußte Erinnerung, nachdem der
Betroffene die sexuelle Reife erlangt
habe.
91
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
„
E) Die Verführungstheorie:
„
Die spezifische Ursache der Hysterie
sei daher die aktuell wirksame, aber
unbewußte Vorstellung passiv erlebter
Verführung.
Die „Verführungstheorie“ bedeutete
gegenüber den damals geläufigen
Hysterie-Dispositions-Konzepten einen
wesentlichen Fortschritt, weil sie die
Symptomentstehung kausal erklärt.
„
92
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
E) Die Verführungstheorie:
„
Theorie„ Aufgrund der „Einsicht, daß es
geschichtliche
im Unbewußten ein
Entwicklung
Realitätszeichen nicht gibt, so
von Freud´s
daß man die Wahrheit und die
Neurosemit Affekt besetzte Fiktion nicht
verständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
unterscheiden kann“, spricht
Freud seit 1897 der Phantasie
neben der realen Verführung eine
wichtige Rolle in der
Neuroseentstehung zu.
93
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
„
E) Die Verführungstheorie:
„
Sie besagt im wesentlichen, daß die
passive sexuelle Verführung eines
unschuldigen Kindes in der Kindheit
als „unbewußte Erinnerung“ im
Seelenleben zurückbleibt. Werde diese
Erinnerung nach Eintreten der
sexuellen Reife wiederbelebt, so
gelange sie zu traumatischer
Wirksamkeit und werde zur
spezifischen Ursache der Hysterie.
94
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
E) Die Verführungstheorie:
„
Theorie„ Traumatisch wirke also nicht die
geschichtliche
frühkindliche Erfahrung als
Entwicklung
solche, sondern ihr
von Freud´s
Wiederaufleben als unbewußte
NeuroseErinnerung, nachdem der
verständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
Betroffene die sexuelle Reife
erlangt habe.
95
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
„
Theorie„
geschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
E) Die Verführungstheorie:
Besonders der letzte Punkt
ist von entscheidender
Bedeutung für die gesamte
Neurosen- und Abwehrlehre
der Psychoanalyse und wird
mit dem Begriff der
Nachträglichkeit
umschrieben.
96
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
E) Die Verführungstheorie:
„
Theorie„ Freud hat die
geschichtliche
„Verführungstheorie“ niemals
Entwicklung
endgültig aufgegeben.
von Freud´s
„ Was sich jedoch herausstellte,
Neuroseverständnis
war, daß sie in ihrer
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
ursprünglichen Breite und
Absolutheit sowie Universalität
nicht mehr zu halten war.
97
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
E) Die Verführungstheorie:
„
„ Zusammenfassung:
Theoriegeschichtliche „ Freud erkannte etwa seit 1897 die
Entwicklung
Phantasie als weiteren Faktor in
von Freud´s
der Hysterieentstehung und
Neurosebegann an der von seinen
verständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
Patienten erzählten und an den
von ihm geschlußfolgerten
Verführungsszenen zu zweifeln.
(vgl. Brief an Fliess v. 21.9.1897).
98
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
F) Die Konflikttheorie:
„
Theorie„ Mit der Berücksichtigung der
geschichtliche
Phantasie in der
Entwicklung
Neurosenätiologie war ein
von Freud´s
entscheidender Schritt zu einer
NeuroseWeiterentwicklung sowohl der
verständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
Behandlungstechnik als auch der
Konzeption des Triebes und der
(infantilen) psychosexuellen
Entwicklung getan.
99
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
„
F) Die Konflikttheorie:
„
Nur mit der Relativierung der
Verführungsannahme konnten
Konzepte wie das der „unbewußten
Phantasien“, von „Trauma und
Konflikt“ und der „psychischen
Realität“ sowie schließlich das der
frühkindlichen Sexualität in den
Mittelpunkt rücken.
100
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
„
F) Die Konflikttheorie:
Theorie„ Psychoanalyse ist immer eine
geschichtliche
Konfliktpsychologie.
Entwicklung
„ Die neurotischen Symptome verweisen
von Freud´s
auf verinnerlichte Konflikte (die nicht
Neurosemit äußeren Konflikten zu verwechseln
verständnis
sind) und stellen einen Kompromiß dar
Von der
zwischen den daran beteiligten
Hereditätsgegensätzlichen seelischen Kräften:
auffassung zur
Grundannahme
Impuls bzw. Trieb und Abwehr.
des psychischen
Konflikts
101
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
F) Die Konflikttheorie:
„
Theorie„ Dieses etwas simpel anmutende
geschichtliche
quasi-„hydraulische“
Entwicklung
Pathogenesemodell wird später
von Freud´s
von Freud differenziert. Dabei
Neurosewird die Angst als wichtiger
verständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
Zwischenschritt eingeführt: Jeder
Triebabkömmling, der dem Ich
gefährlich wird, erzeugt Angst.
102
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
„
F) Die Konflikttheorie:
„
Theorie„ Um diese Angst zu beseitigen
geschichtliche
oder zu verringern, werden vom
Entwicklung
Subjekt Anstrengungen untervon Freud´s
nommen, diese Abkömmlinge
Neurosedes Triebes abzuwehren. Durch
verständnis
„
Von der
Hereditätsauffassung zur
Grundannahme
des psychischen
Konflikts
den Kompromiß zwischen Impuls
und Abwehr wird die Angst
reduziert bzw. im Symptom
gebunden.
103
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
„
Theoriegeschichtliche
„
Entwicklung
von Freud´s
Neurose„
verständnis
Psychoanalytische „
Auffassungen zur
„
Ätiologie von
Neurosen
M. Heine
G) Die sog. Struktur- bzw.
Instanzentheorie
Ö die Unterscheidung
zwischen
Es,
Ich und
Über-Ich
104
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
„
M. Heine
G) Die sog. Struktur- bzw.
Instanzentheorie
„
Das ES - dieses Konstrukt meint
alles, was die Triebe psychisch
repräsentiert. Freud, 1933a, S.80: „Wir
stellen uns vor, es sei am Ende gegen
das Somatische offen, nehme die Triebbedürfnisse in sich auf, die in ihm ihren
psychischen Ausdruck finden, wir können aber nicht sagen, in welchem
Substrat.“ Auch das dynamisch
Unbewußte wird dem ES zugerechnet.
105
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
„
M. Heine
G) Die sog. Struktur- bzw.
Instanzentheorie
„
Das ÜBERICH verdankt sich
der Verinnerlichung von versagenden
bzw. verbietenden Beziehungsepisoden
und bildet sich aus deren psychischen
Repräsentanzen heraus. Es ist die
gebietende, verbietende, billigende
oder mißbilligende Instanz.
106
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
„
M. Heine
G) Die sog. Struktur- bzw.
Instanzentheorie
„
Das ICHIDEAL - wird als eine
Substruktur des ÜBERICH verstanden.
Es gibt auch für das Überich die angestrebten Ideale vor und an ihm
orientiert und mißt sich auch das ICH.
Die Inhalte des Ichideals werden in
hohem Maße durch die vom Kind
aufgenommenen Ideale der Großeltern
und Eltern geprägt, die das Kind per
Identifikation übernimmt.
107
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
G) Die sog. Struktur- bzw.
Instanzentheorie
Theoriegeschichtliche „ Das ICH
gilt als die
Entwicklung
Steuerungszentrale im
von Freud´s
psychischen System. Es umfaßt
Neurose„alle organisierenden,
verständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
integrativen und synthetischen
Funktionen der menschlichen
Psyche“ (Müller-Pozzi).
108
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
„
M. Heine
G) Die sog. Struktur- bzw.
Instanzentheorie
„
Nach Freud, 1940a, S. 68, hat das ICH
„
die Verfügung über die willkürlichen
Bewegungen;
die Aufgabe der Selbstbehauptung, die es
erfüllt, indem es
nach außen die Reize kennen lernt,
Erfahrungen über sie aufspeichert (im
Gedächtnis),
überstarke Reize vermeidet (durch Flucht).
mäßigen Reizen begegnet ( durch Anpassung)
„
„
„
„
„
109
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
„
M. Heine
G) Die sog. Struktur- bzw.
Instanzentheorie
„
„
„
„
Nach Freud, 1940a, hat das ICH die Aufgabe
der Selbstbehauptung, die es erfüllt, indem es
lernt, die Außenwelt in zweckmäßiger Weise
zu seinem Vorteil zu verändern (Aktivität);
gegenüber dem Es entscheidet, ob bestimmte
Triebbedürfnisse zur Befriedigung zugelassen
werden oder nicht (Ich als Cerberus oder als
Schaltzentrale);
oder ob es die Befriedigung auf die in der
Außenwelt günstigeren Zeiten und Umstände
verschiebt
110
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
„
M. Heine
G) Die sog. Struktur- bzw.
Instanzentheorie
„
„
„
„
… oder ihre Erregung überhaupt unterdrückt,
abhängig von der in ihm vorhandenen oder
induzierten Reizspannung (Affektlage), die es
ständig zu beachten hat.
„Das Ich strebt nach Lust, will der Unlust
ausweichen.“
„Eine erwartete, vorausgesehene Unluststeigerung wird mit einem Angstsignal
beantwortet, ihr Anlaß, ob er von außen oder
von innen droht, heißt Gefahr.“ (S. 68)
111
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
G) Die sog. Struktur- bzw.
Instanzentheorie
Theoriegeschichtliche „ - Jegliche Abwehrtätigkeit geht
Entwicklung
vom Ich aus.
von Freud´s
„ - Das Ich kann durch
Neuroseverständnis
Amalgamierung von libidinösen
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
mit aggressiven Strebungen für
eine Neutralisierung von
Triebimpulsen sorgen
112
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
G) Die sog. Struktur- bzw.
Instanzentheorie
Theoriegeschichtliche „ Das dynamisch Unbewußte:
Entwicklung
„ Irgendwelche Reize, auf die das Ich
von Freud´s
mit einer (reiferen) Abwehrtätigkeit,
Neurosedie der Gruppe der Verdrängung
verständnis
zuzurechnen ist, reagiert, werden in
Psychoanalytische
den Bereich des dynamisch UnbeAuffassungen zur
wußten verbannt und sind damit
Ätiologie von
auch nicht mehr ohne weiteres dem
Neurosen
Bewußtsein zugänglich.
113
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
„
M. Heine
G) Die sog. Struktur- bzw.
Instanzentheorie
„
Psychoanalytische
Auffassungen zur
„
Ätiologie von
Neurosen
Neurotische Symptome entstehen
dadurch, daß das Ich eine im Es
mächtige Triebregung nicht aufnehmen
und nicht zur motorischen Erledigung
befördern will oder ihr das Objekt
bestreitet, auf das sie zielt.
Im Dienste des Über-Ich und der Realität
ist das Ich in einen Konflikt mit dem Es
geraten. Dies sei der Sachverhalt bei allen
Übertragungsneurosen.
114
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
„
M. Heine
I) Freud´s Klassifikation der
Neurosen
„
„
„
Freud unterscheidet zwischen den
Aktualneurosen
und den Psychoneurosen
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
115
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
„
M. Heine
I) Freud´s Klassifikation der
Neurosen: Die Aktualneurosen
„
Der Ursprung der Aktualneurosen ist
nach Freud nicht in den infantilen
Konflikten zu suchen, sondern in der
Gegenwart. Die Symptome sind hier
nicht symbolischer Ausdruck und
überdeterminiert, sondern resultieren
direkt aus einer fehlenden
(Neurasthenie) oder inadäquaten
sexuellen Befriedigung.
116
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
I) Freud´s Klassifikation der
Neurosen: Die Aktualneurosen
Theoriegeschichtliche „ Zu den Aktualneurosen hat Freud
Entwicklung
zunächst die Angstneurose und
von Freud´s
die Neurasthenie gezählt und
Neurosespäter vorgeschlagen, die
verständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
Hypochondrie ebenfalls dort
einzuordnen.
117
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
I) Freud´s Klassifikation der
Neurosen: Die Psychoneurosen
Theoriegeschichtliche „ Innerhalb dieser Gruppe werden
Entwicklung
a) die Übertragungsneurosen und
von Freud´s
b) die narzißtischen Neurosen
Neuroseunterschieden. Gemeinsam ist
verständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
beiden, daß ihnen ein
unbewußter psychischer Konflikt
zugrunde liegt.
118
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
I) Freud´s Klassifikation der
Neurosen: Die Psychoneurosen
Theoriegeschichtliche „ Zu den Übertragungsneurosen
Entwicklung
zählen die „Angsthysterie“
von Freud´s
(Phobie), die Hysterie und die
NeuroseZwangsneurosen. Bei diesen
verständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
Störungen ist die Übertragungsfähigkeit in der analytischen
Behandlungssituation gegeben.
119
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
I) Freud´s Klassifikation der
Neurosen: Die Psychoneurosen
Theoriegeschichtliche „ Die
Entwicklung
ÜBERTRAGUNGSNEUROSEN
von Freud´s
„ Heute würden wir sagen, daß es
Neuroseverständnis
sich um „reife Neurosen“
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
handelt, bei denen von einem gut
integrierten Ich mit vorwiegend
ungelösten ödipal-libidinösen
Konflikten auszugehen ist.
120
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
„
„
„
M. Heine
I) Freud´s Klassifikation der
Neurosen: Die Psychoneurosen
Die narzißtischen Neurosen
Die narzißtischen Neurosen - ein
Begriff, der aktuell kaum noch
verwendet wird – stehen in der
Gruppe der Psychoneurosen den
Übertragungsneurosen
gegenüber.
121
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
„
„
„
M. Heine
I) Freud´s Klassifikation der
Neurosen: Die Psychoneurosen
Die narzißtischen Neurosen
Diese Gegenüberstellung hat
theoretische und
behandlungstechnische Gründe.
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
122
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
„
„
„
M. Heine
I) Freud´s Klassifikation der
Neurosen: Die Psychoneurosen
Die narzißtischen Neurosen
Freud ging davon aus, daß bei
den narzißtischen Neurosen die
Libido von den Objekten (fast)
vollständig abgezogen und auf
das Ich (das Selbst)
zurückgezogen werde.
123
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
Theoriegeschichtliche
Entwicklung
von Freud´s
Neuroseverständnis
Psychoanalytische
Auffassungen zur
Ätiologie von
Neurosen
„
„
„
M. Heine
I) Freud´s Klassifikation der
Neurosen: Die Psychoneurosen
Die narzißtischen Neurosen
Infolgedessen seien Patienten mit
narzißtischen Neurosen nicht in
der Lage, die libidinösen
Übertragungen zu entwickeln, die
sonst gerade den Hauptgegenstand der Analyse bilden würden.
124
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
4. Sitzung :
„
I) Freud´s Klassifikation der
Neurosen: Die Psychoneurosen
Theoriegeschichtliche „ Die narzißtischen Neurosen
Entwicklung
„ Zunächst hat Freud den narzißtischen
von Freud´s
Neurosen die Psychosen und die
Neuroseschweren Melancholien zugeordnet.
verständnis
Psychoanalytische „ In einer späteren Arbeit („Neurose und
Psychose“) hat er nur noch die
Auffassungen zur
Ätiologie von
Affektionen vom melancholischen Typ
Neurosen
unter diese Kategorie subsumiert.
M. Heine
125
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanaly„
tische
Auffassungen
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der Neurosen aus
ich-psychologischer Sicht:
In der psychoanalytischen IchPsychologie werden die neurotischen
Konflikte als Konflikte zwischen den
Instanzen Es, Ich und Überich, d.h. als
intersystemische Konflikte,
konzeptualisiert oder als
intrasystemische Konflikte, die z.B. auf
konträre Inhalte des Überichs bzw.
Ichideals zuzuführen sein können.
126
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanaly„
tische
Auffassungen
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der Neurosen aus
ich-psychologischer Sicht:
Nach Fonagy (2003) ist die moderne
Ich-Psychologie „eine Konflikttheorie,
nach der alle psychischen Inhalte,
Gedanken, Handlungen, Pläne,
Phantasien und Symptome als
Kompromissbildungen betrachtet
werden, als durch viele Faktoren
bestimmte Konfliktkomponenten. …
127
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
4. Sitzung :
Psycho
analytische
Auffassungen
zur Ätiologie
von Neurosen
„
M. Heine
Die Ätiologie der Neurosen aus
ich-psychologischer Sicht:
„
„
„
„
„
„… Der Kompromiß tritt auf zwischen vier
Konfliktelementen: das sind
1. intensive persönliche und einzigartige
Kindheitswünsche nach Befriedigung
(Triebabkömmlinge);
2. Angst oder depressiver Affekt und deren
Vorstellungsinhalt von Objektverlust,
Liebesverlust oder Kastration (Unlust);
3. psychische Operationen von variierender
Komplexität, die zur Verringerung von Unlust
eingesetzt werden (Abwehr); und
4. Schuld, Selbstbestrafung, Reue und Buße
sowie andere Manifestationen des Überich.“
128
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanaly„
tische
Auffassungen
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der Neurosen aus
ich-psychologischer Sicht:
„Die Repräsentationen des Selbst und
des Anderen gelten als Produkte des
Konflikts zwischen diesen Elementen,
auch als Kompromissbildungen. Es
wird allerdings akzeptiert, daß diese
Kompromissbildungen wiederum
weitere Kompromisse zwischen den
obigen Tendenzen beeinflussen und
deshalb die Konfliktergebnisse leicht
wie primäre Determinanten wirken.“
129
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
„
Auffassungen
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der
Selbstpsychologie:
H. Kohut und seine Anhänger sind den
Fragen nachgegangen, wie es dem
Individuum gelingt, ein Gefühl von
Selbstkohäsion aufrechtzuerhalten und
sein Selbstwertgefühl so zu regulieren,
daß es sich auch im Falle von
Enttäuschungen oder Kränkungen mit
Selbstachtung bzw. mit
Selbstakzeptanz begegnen kann.
130
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
„
Auffassungen
zur Ätiologie
von
„
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der
Selbstpsychologie:
Die Relevanz von Triebkonflikten tritt
in der Selbstpsychologie hinter den
Problemen mit der narzißtischen
Regulation zurück.
Angst vor dem Objektverlust vorrangig:
⇒ Kohut, 1973, S. 38: „...., die Angst
vor dem Objektverlust steht in Häufigkeit und Wichtigkeit an erster Stelle
und die Kastrationsangst an letzter.“
131
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
„
Auffassungen
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der
Selbstpsychologie:
Die Selbstpsychologie i. S. Kohut´s
betrachtet die narzißtischen Störungen
letztlich als Folge einer Blockade in der
Entwicklung des Narzißmus des
Kindes,- einer Blockade, die auf die
mangelnde Spiegelung des Kindes in
den ersten Lebensjahren durch die
Mutter zurückzuführen sei.
132
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
„
Auffassungen
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der
Selbstpsychologie:
Die Mütter dieser entwicklungsgestörten
Kinder seien oft selbst derart auf narzißtische
Zufuhr angewiesen, daß sie ihre Kinder selbst
als narzißtische Selbstobjekte benötigen
würden und deshalb nicht in der Lage seien,
sich gerade in der Phase besonderer
narzißtischer Bedürftigkeit, also zwischen dem
1. und dem 3. Lebensjahr, ihrem Kind als
narzißtisches „Selbstobjekt“ zur Verfügung
stellen zu können.
133
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
„
Auffassungen
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie:
Die Objektbeziehungstheoretiker, u.a.
Balint, Fairbairn, Gunthrip, Winnicott
und – später – Kernberg verlassen den
vergleichsweise monadologischen
Blick traditioneller Psychoanalytiker
auf die psychische Entwicklung, indem
sie für jegliche Entäußerung und
Modifikation von Triebhaftem die
Bezogenheit auf ein oder mehrere
Objekte als konstitutiv ansehen.
134
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
„
Auffassungen
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie:
Während in der traditionellen psa.
Theorie die Ausformungen des
ödipalen Konflikts im Zentrum des
Interesses standen, geraten nun sicherlich forciert durch Arbeiten von
Melanie Klein - prägenitale Konflikte
stärker ins Blickfeld.
135
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen
zur Ätiologie „
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der
psychoanalytischen
Objektbeziehungstheorie:
In diesem theoretischen Kontext wird
z. B. die höchst bedeutsame Frage
aufgeworfen, wie sich kohärente
Repräsentanzen von den Objekten und
vom eigenen Selbst herausbilden und
konturieren.
136
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
M. Heine
„
„
4. Sitzung :
Psychoanalytische
Auffassungen
zur Ätiologie
von
Neurosen
„
Die Ätiologie der psychischen Störungen aus der Sicht
der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie:
Graphik aus:
Fiedler,
Persönlichkeitsstörungen,4. Aufl.,
1998, S. 230
137
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen
zur Ätiologie „
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der
psychoanalytischen
Objektbeziehungstheorie:
Die vor allem von O.F. Kernberg in den
letzten 20 Jahren vorgelegten Befunde
und Annahmen haben außerordentlich
innovativ gewirkt für unser heutiges
Verständnis von der Ätiologie schwerer
Persönlichkeitsstörungen
138
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen
„
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der
psychoanalytischen
Objektbeziehungstheorie:
Die systematische Erforschung der Psychodynamik und der strukturellen Besonderheiten
bei Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen hat u. a. wichtige Erkenntnisse über
deren spezifische, die sog. unreife Abwehr
erbracht, hat die Diagnostik präzisiert und
neue Behandlungsmöglichkeiten für diese
Patienten eröffnet, die bislang als unbehandelbar oder prognostisch als extrem ungünstig
galten.
139
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen „
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004):
Fonagy hat - gemeinsam mit Target unter Einbeziehung neuester
empirischer Befunde aus der
Bindungstheorie, der Entwicklungspsychologie, den Kognitionswissenschaften, der Neurobiologie und der
Gedächtnisforschung das Konzept der
Mentalisierung entwickelt.
140
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen „
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004):
Zunächst hat sich Fonagy jahrelang
intensiv darum bemüht, eine fruchtbare
Auseinandersetzung zwischen den
theoretischen Positionen der
Bindungstheorie und der modernen
Psychoanalyse voranzutreiben.
(zusammenfassend: Fonagy, 2003)
141
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen „
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004):
Zu diesem Zweck haben Fonagy und
seine Mitarbeiter Unklarheiten und
Inkonsistenzen von Forschungsergebnissen der bisherigen
Bindungsforschung aufgegriffen und
haben unter dem bindungstheoretischen Paradigma weitere empirische
Untersuchungen durchgeführt.
142
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen „
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004):
In bindungstheoretischen
Untersuchungen hatte sich gezeigt,
daß die mütterliche Feinfühligkeit und
die elterlichen Bindungsrepräsentanzen
als determinierende Faktoren für das
Bindungsmuster des Kindes nicht
ausreichten. (vgl. Fonagy, 2003)
143
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen „
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004):
Die Ergebnisse ihrer empirischen
Untersuchungen (z. B. Fonagy et al., 1994)
brachten zutage, daß Mütter, obwohl sie einer
besonders stressbelasteten und
soziökonomisch benachteiligten Gruppe
zugehörten, sicher gebundene Kinder hatten,
wenn sie über die Fähigkeit zur Mentalisierung
verfügten.
144
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Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen „
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004):
Unter „Mentalisierung“ verstehen die Autoren
„die Fähigkeit, den anderen (und die eigene
Person) als Wesen mit geistig-seelischen
Zuständen zu betrachten“ (Dornes, 2004b, S.
176). Eigene Handlungen und die der anderen
werden dann nicht mehr nur funktional
teleologisch, sondern ca. von 1,5 Jahren an als
subjektiv intentional verstanden.
145
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Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
Die Ätiologie von bestimmten psychischen Störungen aus
der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004 und Fonagy u. Target (2006)):
Psychoanaly„ Entwicklungslinie der Mentalisierung
tische
vgl. L. Köhler (Forum der Psa., Bd. 20, Heft 2, 2004):
1. – 2. Lebensmonat: „Die Regulation des inneren
Auffassungen
physiologischen Milieus des Kindes wird auf die Interaktion
zwischen dem kindlichen Selbst und der Pflegeperson
zur Ätiologie
delegiert.“ d.i. „an das dyadische System >>delegierte<<
von
Homöostase. Wenn die Herstellung der Homöostase
systematisch scheitert, „besteht die Gefahr schwerer
Neurosen
dysphorischer Zustände. Winicott spricht von agonalen
„
Ängsten, affektive Zustände, die oftmals später unbedingt
gemieden, verhindert, abgewehrt werden müssen.
Eßstörungen, Sucht, fragiles Selbstwertgefühl, abgewehrter
Objekthunger a. a. können die Folge sein.
146
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Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
Die Ätiologie von bestimmten psychischen Störungen aus
der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004 und Fonagy u. Target (2006)):
Psychoanaly„ Entwicklungslinie der Mentalisierung
tische
vgl. L. Köhler (Forum der Psa., Bd. 20, Heft 2, 2004):
3. – 7. Lebensmonat: Lächelspiele. „Synchronie der
Auffassungen
aufsteigenden und abnehmenden Spannung – mit einer
subliminalen Zeitverschiebung. Dyadisches Beziehungszur Ätiologie
wissen wird erworben. „Beim geglückten Wechselspiel
von
macht das Kind die Erfahrung, daß eine andere Person sich
seinen Bedürfnissen, seinem Erleben, seinem Rhythmus
Neurosen
und Ausdruck angleicht.“ Regulation des autonomen
„
Nervensystems spielt sich ein.- Das Kind „lernt in den
frühen Interaktionen, wie es seine emotionalen Signale
einsetzen kann, um auf seine Umgebung einzuwirken. …
Die Effektanz, .. beeinflußt die positive oder negative
Tönung seines sich bildenden affektiven Kerns und formt
seinen sozialen Stil: seine Ausdauer im Verfolgen einer
147
Handlung und die Vielzahl der Mittel, die es dafür einsetzt.
“
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Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
Die Ätiologie von bestimmten psychischen Störungen aus
der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004 und Fonagy u. Target (2006)):
Psychoanaly„ Entwicklungslinie der Mentalisierung
tische
vgl. L. Köhler (Forum der Psa., Bd. 20, Heft 2, 2004):
3. – 7. Lebensmonat: Ereignisse von >>self-with-other-inAuffassungen
a-certain-way<< (Stern, 1998) werden gespeichert. „Die so
gebildeten frühesten Repräsentanzen sind vermutlich
zur Ätiologie
>>Ereignisrepräsentanzen<<, in denen Selbst, Objekt und
von
die Vice-versa-Interaktion als Ganzes aufbewahrt wird.
Diese präverbalen Er-Innerungen, die auch einen Teil des
Neurosen
prozeduralen Gedächtnisses ausmachen , können nicht in
„
Gestalt konkreter Vorfälle ins Gedächtnis zurückgerufen
werden, sondern drücken sich in gewissen Einstellungen
und Verhaltensweisen, unter anderem im Bindungs- oder
Trennungsverhalten aus.“ (Köhler, a.a.O., S. 165)
148
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Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
Die Ätiologie von bestimmten psychischen Störungen aus
der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004 und Fonagy u. Target (2006)):
Psychoanaly„ Entwicklungslinie der Mentalisierung
tische
vgl. L. Köhler (Forum der Psa., Bd. 20, Heft 2, 2004):
8. – 18. Lebensmonat: Erstes Aufdämmern von etwas
Auffassungen
Geistigem, Innerem, Mentalen, erkennbar durch >>affect
attunement<< der Mutter und >>joint attention<<.
zur Ätiologie
Beginn der Unterscheidung von Innen- und Außenwelt –
von
Beginn einer „theory of mind“. Beginn von
Intersubjektivität: „Das Empfinden des eigenen Selbst und
Neurosen
des anderen schließt nun , zusätzlich zum äußeren
„
Verhalten und den direkten Sensationen, auch innere oder
subjektive Erlebenszustände ein.“ (Köhler, a.a.O.)
149
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
Die Ätiologie von bestimmten psychischen Störungen aus
der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004 und Fonagy u. Target (2006)):
Psychoanaly„ Entwicklungslinie der Mentalisierung
tische
vgl. L. Köhler (Forum der Psa., Bd. 20, Heft 2, 2004):
8. – 18. Lebensmonat:
Auffassungen
Das Erleben von Subjektivität setzt die Affektabstimmung
zur Ätiologie
durch die Mutter voraus. Affektabstimmung besteht nicht
allein darin, daß die Mutter sich in die Affektlage des Kindes
von
einfühlt, „sie besteht vielmehr darin, daß die Mutter den
einer Handlung des Kindes zugrundeliegenden
Neurosen
Gefühlszustand erfaßt und in anderer Weise wiedergibt,“
„
„
z.B. in einer mimisch-semantischen Form. Dadurch erfährt
das Kind sich nicht nur von innen, also körperlich, sondern
auch von außen durch die spezifischen Reaktionen der
Mutter. „Es bildet nun eine sekundäre Re-Präsentanz seiner
selbst,“ indem der affektspiegelnde Ausdruck der Mutter
enkodiert wird.
150
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
Die Ätiologie von bestimmten psychischen Störungen aus
der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004 und Fonagy u. Target (2006)):
Psychoanaly„ Entwicklungslinie der Mentalisierung
tische
vgl. L. Köhler (Forum der Psa., Bd. 20, Heft 2, 2004):
8. – 18. Lebensmonat: Zwei Formen der Affektspiegelung:
Auffassungen
Kongruenz und Markierung
zur Ätiologie
„Kongruenz meint: Die Spiegelung ist dem inneren Zustand
des Kindes adäquat, d h. es bestehen ein zeitlicher Zusamvon
menhang und eine kreuzmodale (modusübergreifende)
Ähnlichkeit zwischen der Spiegelung und dem
Neurosen
Affektausdruck des Kindes.
„
„
„
„Markierung bedeutet, daß der Affektausdruck des Kindes
zwar kongruent, aber nicht identisch widergespiegelt wird.
… Es gibt aber auch die Möglichkeit, einen Affektausdruck
qualitativ wiederzuspiegeln, aber in veränderter Intensität,
so daß er sich deutlich vom Affektausdruck des Kindes
unterscheidet.
151
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen „
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004 und Fonagy und Target, (2006):
Unter Bezug auf entwicklungspsychologische
Untersuchungen stellen die Autoren fest, daß
sich die Fähigkeit zur Mentalisierung erweitert
und ca. im 4. Lbj. die Stufe der Metakognition
erreicht sei, die es dem Kind ermöglicht, über
die eigenen mentalen Zustände und die der
anderen nachzudenken. „Dann verfügt das
Kind nicht nur über ein mentales, sondern auch
über ein repräsentationales Weltbild, in dem es
den subjektiven Charakter seiner geistigen
Hervorbringungen durchschaut“ (Dornes, a.a.O.)152
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen „
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004, und Fonagy und Target (2006):
Anders als die traditionellen Vertreter der
„theory of mind“ gehen die Autoren nicht
davon aus, daß die Fähigkeit zur Mentalisierung bloß auf ein biologisches Programm
zurückzuführen sei, sondern daß die Herausbildung der Mentalisierung in hohem Maße
„von den frühen Bindungserfahrungen, also
von der affektiv-interaktiven Qualität der
Primärbeziehungen abhängig ist“. (Dornes,
a.a.O.)
153
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen „
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004):
Die in den letzten Jahren insbesondere im
Rahmen der Bindungsforschung durchgeführten Untersuchungen sprechen dafür, daß
die affektiv-interaktive Qualität der Primärbeziehungen wesentlichen Einfluß darauf ausübt,
ob und in welchem Maß ein Kind die Fähigkeit
gewinnt, die eigenen oder fremden Reaktionen
im Kontext bestimmter geistig-seelischer
Zustände adäquat zu interpretieren.
154
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen „
zur Ätiologie
von
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004):
Wenn die frühen Interaktionen mit den
primären Bezugspersonen defizitär sind, indem
es an der notwendigen Affektspiegelung, der
Markierung der Affekte, der Möglichkeit zum
Spiel mit der Realität mangelt, wie dies durch
Vernachlässigung, Gewalt, Mißbrauch,
chronisches Mißverstehen entstehen kann, wird
nach Fonagy et al. die Herausbildung der
Fähigkeit zur Mentalisierung wahrscheinlich
eingeschränkt.
155
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
Psychoanalytische
Auffassungen „
zur Ätiologie
„
von
„
Neurosen
M. Heine
Die Ätiologie der psychischen
Störungen aus der Sicht der Arbeitsgruppe um Fonagy (z. B. Fonagy et al.,
2004, und Fonagy und Target (2006):
Die Beeinträchtigung der Mentalisierung kann
zwei Ausprägungsformen aufweisen:
Die gehemmte Mentalisierung
Die überaktive Mentalisierung (vgl. Dornes, 2004,
Forum der Psychoanalyse, Bd. 20, S. 175 - 199
156
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
Therapie
„
„
M. Heine
Leichsenring hat 2002 eine Übersicht über
vorliegende Studien zur Wirksamkeit
psychodynamischer Therapie, die zwischen 1960
und 2001 veröffentlicht wurden, vorgelegt.
Die einbezogenen Studien mußten folgende
methodische Mindestanforderungen erfüllen:
„ Beschreibung der angewendeten Therapie
und der untersuchten Patienten
„ Verwendung reliabler und valider Erfolgsmaße
„ Uabhängige Rater bei Fremdbeurteilung des
Therapie-Erfolges
„ Ausreichende Stichprobengröße (sh. Gütekriterien
bei Ermann et al. (2001)
157
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
Therapie
M. Heine
„
Unterscheidung von kontrollierten
und naturalistischen Studien
„
In kontrollierten Studien werden die
Patienten den Behandlungen und den
Behandlern! zufällig zugewiesen und die
Therapien werden nach Manualen
durchgeführt. → „efficacy studies“
In naturalistischen Studien werden
Therapien untersucht, wie sie unter den
Bedingungen des psychotherapeutischen
Alltags durchgeführt werden. →
„effectiveness studies“ (vgl. Leichsenring, 2002,
„
S. 141)
158
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
Therapie
M. Heine
„
Die kontrollierten Studien sichern
vor allem die interne Validität, die
naturalistischen Studien die externe
Validität.
„
Leichsenring (2002) stellt die Forderung
nach randomisierten kontrollierten
Studien (RC Trials), wie sie die APA
erhoben habe, u. a. unter Berufung auf
den anerkannten Psychotherapieforscher
Seligman, in Frage, da „ihre Ergebnisse
… für die Praxis nur begrenzt
repräsentativ“ (S. 141) seien.
159
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
Therapie
„
M. Heine
Auch die unbedingte Forderung
nach einer unbehandelten Kontrolloder einer Placebogruppe“ stellt
nach Leichsenring „einen Fetisch
der Psychotherapieforschung dar.
Sie sind ethisch bedenklich und
wissenschaftlich überholt.“
Aufgrund der ermittelten Daten zu den
Effekten des Wartens seien „Lambert
und Bergin (1994) zu dem Schluß
gekommen, daß es Zeit ist, PlaceboKontrollen aufzugeben.“ (S. 141)
160
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
Therapie
„
M. Heine
Leichsenring vertritt die
Auffassung, daß „RC Trials
allenfalls für Kurztherapien
angemessen“ seien, „nicht jedoch
für Langzeittherapien: Über
mehrere Jahre hinweg sind
glaubhafte Vergleichsbedingungen
ebenso wenig möglich wie die
Durchführung von Therapien nach
Manualen.“ (S. 141)
161
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
Therapie
„
„
M. Heine
Leichsenring (2002): „Solange nur RCT´s
als Wirkungsnachweise zugelassen
werden, werden (psychodynamische)
Therapien längerer Dauer automatisch
von einer „empirischen Validierung“
ausgeschlossen. Das ist Politik, nicht
wissenschaftliche Forschung.“
Leichsenring plädiert dagegen für eine
Kombination von naturalistischen und
kontrollierten Studien.
162
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
Therapie
„
„
„
M. Heine
Zur Wirksamkeit von
psychodynamischen Kurztherapien:
Psychodynamischen Kurztherapien → in
der Regel Therapien von bis zu 30
Sitzungen
Leichsenring legt Wert darauf, die
vorhandenen Untersuchungsergebnisse
nach der methodischen Güte der
Untersuchung zu sichten.
163
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
KurzTherapie
„
„
M. Heine
Im Gegensatz zu Grawe et al. (1994),
Svartberg und Stiles (1991) und Anderson
und Lambert (1995) habe Crits-Cristoph
(1992) in seine Meta-Analyse nur
Untersuchungen einbezogen, die strenge
Auswahl-Kriterien erfüllen (TherapieManuale, erfahrene Therapeuten,
Mindestzahl von Sitzungen).
Ergebnis: PDKT führe im Vergleich mit
unbehandelten Wartelisten-Patienten zu
großen Therapie-Effekten (Verbesserungen) im Sinne von Cohen (1988).
164
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
KurzTherapie
„
„
M. Heine
„Crits-Christoph ermittelte Effektgrößen
von 1.10 für die Zielsymptomatik, 0.82 für
die allgemeine psychiatrische
Symptomatik und 0.81 für die soziale
Anpassung. Effekte ab 0.80 werden als
groß angesehen (Cohen, 1988).“ (S. 142)
Keine Unterschiede, wenn PDKT mit
anderen Therapie-Formen wie kognitivbehavioraler (CBT) oder medikamentöser
Behandlung verglichen wurde.
165
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
KurzTherapie
„
„
M. Heine
Studien zur Wirksamkeit der PDKT nach
Störungsbildern geordnet:
Wirksamkeit der PDKT bei Depression:
„
Unter Anwendung strenger Auswahlkriterien
erbrachte eine Meta-Analyse von Leichsenring
(2001) das Ergebnis, daß PDKT und kognitivbehaviorale Therapie (CBT) bei der Behandlung
von Depression gleich wirksam sind. → große
Effekte (Prä – Post) bei der Reduzierung der
depressiven Symptomatik (0.90 – 2.80) sowie bei
der allgemeinen psychiatrischen Symptomatik
(0.79 – 2.65)
166
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
KurzTherapie
„
„
M. Heine
Studien zur Wirksamkeit der PDKT nach
Störungsbildern geordnet:
Wirksamkeit der PDKT bei
Generalisierten Angststörungen (GAS):
„
Crits-Christoph et al. (1996) haben „signifikante
Verbesserungen bei Pat. mit GAS nach PDKT in
einer offenen manualgeleiteten Interventionsstudie
nachgewiesen. Die gefundenen Prä - Post –
Effektgrößen waren groß (Angst: 0.95 – 1.99) und
liegen in der Größenordnung, wie sie für kognitive
Therapien berichtet werden.“ Erfolgsquote hoch:
79 %. Bislang keine RCT´s.
167
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
KurzTherapie
„
„
M. Heine
Studien zur Wirksamkeit der PDKT nach
Störungsbildern geordnet:
Wirksamkeit der PDKT bei Panikstörung
und Agoraphobie:
„
„In einem RCT zur Panikstörung war PDKT
kombiniert mit Clomipramin einer
ausschließlichen Behandlung mit Clomipramin
signifikant überlegen im Hinblick auf die
Prophylaxe von Rückfällen (20% vs. 75%) …
Auch in einer offenen Interventionsstudie von
Milrod et al. (2000, 2001) erreichte PDKT bei
Panikstörungen signifikante Verbesserungen, im
Follow-up nach 40 Wochen stabil.“ Erfolgsraten
hoch: 93% bei Therapieende, 90% zur Katamnese.
168
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
KurzTherapie
„
„
„
M. Heine
Studien zur Wirksamkeit der PDKT nach
Störungsbildern geordnet:
Wirksamkeit der PDKT bei
Belastungsstörungen:
Signifikante Besserungen bei
Posttraumatischen Belastungsstörungen/
Anpassungsstörungen durch PDKT
wurden in verschiedenen Untersuchungen demonstriert. In dem RCT von Brom
et al. (1989)war die PDKT (nach Horowitz) ebenso wirksam wie die verhaltenstherapeutische Vergleichsbehandlung.
169
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
KurzTherapie
„
„
„
M. Heine
Studien zur Wirksamkeit der PDKT nach
Störungsbildern geordnet:
Wirksamkeit der PDKT bei
Somatoformen Störungen:
„In vier RCT´s wurde die Wirksamkeit
von PDKT bei somatoformen Störungen
gezeigt … PDKT war einer
Kontrollbedingung (treatment as usual,
TAU) signifikant überlegen.
Therapieergebnisse nach ein bis vier
Jahren stabil.
170
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
KurzTherapie
„
„
„
M. Heine
Studien zur Wirksamkeit der PDKT nach
Störungsbildern geordnet:
Wirksamkeit der PDKT bei Bulimie:
„Signifikante und stabile Besserungen durch
PDKT bei Bulimie wurden in mehreren
manualgeleiteten RCT´s nachgewiesen … In
zentralen bulimiespezifischen Maßen (Eßanfälle,
Erbrechen) war PDKT ebenso wirksam wie CBT.
In manchen Studien war CBT der PDKT in
einzelnen Maßen der Psychopathologie
überlegen.“ In einer späteren Follow-upUntersuchung erwiesen sich die beiden
Therapieformen als gleich wirksam.
171
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
KurzTherapie
„
„
„
M. Heine
Studien zur Wirksamkeit der PDKT nach
Störungsbildern geordnet:
Wirksamkeit der PDKT bei Anorexie:
„In einem RCT erreichte PDKT bei Anorexia
Nervosa im Einjahres-Follow-up signifikante
Besserungen und war im Hinblick auf
Gewichtszunahme ebenso wirksam wie eine DiätBeratung, sie war der Diät-Beratung in Maßen der
sozialen und sexuellen Anpassung jedoch
überlegen (Hall u. Crisp, 1987)“
172
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
KurzTherapie
„
„
„
M. Heine
Studien zur Wirksamkeit der PDKT nach
Störungsbildern geordnet:
Wirksamkeit der PDKT bei
Persönlichkeitsstörungen:
„Signifikante Effekte bei der Behandlung von
Persönlichkeitsstörungen mit PDKT wurden in
einer Reihe von Untersuchungen gefunden.“
Leichsenring hat die Effektgrößen dieser
Untersuchungen berechnet und meta-analytisch
zusammengefaßt. Danach betrage die mittlere
Effektgröße über die sieben Studien 1.13
(SD=0.42) für Selbstrating-Verfahren und 1.57
(SD=0.82) für Fremdrating-Verfahren. Große
Effekte. (S. 146)
173
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
psychodynamischer
KurzTherapie
„
„
„
M. Heine
Studien zur Wirksamkeit der PDKT nach
Störungsbildern geordnet:
Wirksamkeit der PDKT bei gemischten
Stichproben:
„In mehreren dieser Studien war PDKT einer
Wartelisten-Bedingung signifikant überlegen
(…). In dem RCT von Sloane et al. (1975, 1981)
erwies sich PDKT auch in der Langzeitwirkung
als ebenso wirksam wie CBT.“
174
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
tiefenpsychologisch
fundierter
und
analytischer
Therapie
M. Heine
„
Die Studie von Dührssen und Jorswieck (1965):
„
Zufallstichprobe von Patienten des Instituts für Psychogene
Erkrankungen (AOK) im Vergleich mit zufällig gezogener
Wartegruppe und zufällig gezogener Stichprobe aus der
allgemeinen Population
Analytische und psychodynamische Therapien mit einer
Dauer von 150 – maximal 200 Stunden, Frequenz 2 – 3
Sitzungen pro Woche.
Vergleich der Krankenhaustage 5 Jahre vor und 5 Jahre nach
der psychotherapeutischen Behandlung
Ergebnisse:
„
Signifikanter Rückgang der Krankenhaustage nach der
Behandlung
„
Weniger Krankenhaustage als die Stichprobe aus der
Allgemeinbevölkerung aufwies
„
Die Effektgröße (Krankenhaustage) beträgt nach
Leichsenring d=0.78 (großer Effekt)
„
„
„
175
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
tiefenpsychologisch
fundierter
und
analytischer
Therapie
M. Heine
„
Die Berliner Studie von Rudolf und Mitarbeitern
„
Drei Behandlungsgruppen nach gestellter Indikation:
„
„
„
„
analytische Psychotherapie, durchschnittlich 265 Sitzungen,
Frequenz 2 – 3 Sitzungen pro Woche
Psychodynamische Therapie, durchschnittlich 60 Sitzungen,
Stationäre Therapie, durchschnittliche Dauer: 2,6 Monate
Ergebnisse:
„
In der globalen Abschlußbeurteilung durch die Patienten
gaben 96% der ambulant behandelten Patienten an, daß
sich ihre Beschwerden gebessert hätten.
„
Wurde als Kriterium für den Therapie-Erfolg eine klinisch
signifikante Besserung in Selbstbeurteilungsmaßen
zugrunde gelegt, ergaben sich folgende Besserungsraten:
Analytische Psychotherapie 76%, psychodynamische
Therapie 55%, stationäre Therapie 50%.
„
Große Effekte (≥ 0.80) erzielte die analytische Psychotherapie gemäß der Selbstbeurteilung in den Bereichen
(körpernahe) Angst, Depression, Körpersymptomklagen,
176
Angst im Kontakt (Rudolf et al. 1994)
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
tiefenpsychologisch
fundierter
und
analytischer
Therapie
„
M. Heine
Die Praxisstudie analytische Langzeittherapie von
Rudolf, Grande und anderen (2004)
177
Praxisstudie analytische Langzeittherapie (PAL)
Materialien zur Präsentation anlässlich der Tagung
„Zur Wirksamkeit von Psychoanalysen und Psychotherapien“
am 17. und 18. Oktober in Heidelberg
178
Fragestellung der Studie
Die zentrale Fragestellung der Studie bezieht sich auf die Frage, ob und in welchem Umfang sich in unterschiedlich intensiven Psychotherapien Umstrukturierungen der Persönlichkeit jenseits der Symptomverbesserung erfassen lassen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass das so genannte DosisWirkungsmodell, wie es von Howard et al (1986) vorgelegt wurde, offenkundig ungeeignet ist, die spezifischen Wirkungen psychoanalytischer Behandlungen zu erfassen, weil die in der Psychotherapieforschung
üblichen Messinstrumente für Symptomveränderungen nur in der therapeutischen Anfangsphase, kaum
jedoch im späteren Verlauf deutliche Veränderungen abbilden. Die kurzschlüssige Konsequenz solcher
Untersuchungen lautete dann häufig: Man könne sich auf Kurztherapien beschränken, weil dadurch die
wesentlichen Effekte der Symptombesserung erzielt werden. Um die aus psychoanalytischer Sicht basalen Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur zu erfassen, wurde als spezielles Messinstrument die Heidelberger Umstrukturierungsskala entwickelt. (Grande et al 1997, Rudolf, Grande, Oberbracht 2000). In
der Studie sollten folgende Fragen beantwortet werden:
•
•
•
•
•
Welches Maß der Symptombesserung lässt sich im Verlauf von analytischen und psychotherapeutischen Behandlungen beobachten?
In welchem Umfang werden in beiden Therapieformen Verbesserungen des persönlichkeitsstrukturellen Verhaltens (Umstrukturierung) erzielt?
Wie verhalten sich symptomatische und strukturelle Veränderungen zueinander, d.h. wie wirken sich
die strukturellen Veränderungen im Unterschied zu den symptomatischen im Leben der Patienten
aus?
Wie stabil sind die Behandlungsergebnisse auf symptomatischer und struktureller Ebene im Zeitraum
nach Abschluss der Behandlung (1-Jahres-Katamnese, 3-Jahres-Katamnese)?
Welche ökonomischen Therapieeffekte lassen sich anhand von Krankenkassendaten (Krankschreibungen, Klinikaufenthalte) im Therapieverlauf und im Katamnesezeitraum ermitteln (Effizienz)?
179
Stichworte zum Design der Studie
Da für die Prüfung differenzieller Effekte in bezug auf die in vergleichbaren Studien regelmäßig verwendeten Instrumente zur Veränderungsmessung wie z.B. SCL-90R oder IIP sehr große Fallzahlen erforderlich sind, diese jedoch eine differenzierte Analyse des Materials wegen des enormen Aufwands praktisch
unmöglich machen, wurde in der vorliegenden Studie entschieden, die Untersuchung von Effekten in den
Mittelpunkt zu stellen, die psychoanalysespezifisch sind und mit dem Begriff der „Umstrukturierung“ bezeichnet werden. Dies geschieht mit Hilfe der bereits erwähnten Umstrukturierungsskala. Es wurde erwartet, dass diese Effekte deutlich genug sein würden, um eine statistisch verlässliche Differenzierung der
Behandlungsgruppen durch eine Untersuchung von 30 Psychoanalysepatienten und 30 Psychotherapiepatienten zu ermöglichen.
Da in psychotherapeutischen Langzeitstudien eine randomisierte Zuweisung nicht realisiert werden kann,
wird die Vergleichbarkeit der beiden Gruppen durch ein Matching-Verfahren sichergestellt. Die MatchingKriterien sind Alter, Geschlecht, Bildung und beruflicher Status. In beide Gruppen wurden nur Patienten
einbezogen, bei denen, gemessen an Symptombelastung und Persönlichkeitsproblematik, eine schwer
ausgeprägte Störung vorlag.
Aus den regionalen Einzugsgebieten Heidelberg und Berlin (und als Vergleichsgruppe Zürich) wurden die
Psychoanalytiker, die nach den Qualitätsstandards der Fachgesellschaft ausgebildet wurden, eingeladen,
an der Studie mitzuarbeiten. Sie sollten je einen Fall Psychoanalyse und Psychotherapie in die Studie
einbringen (letzteres konnte zum größeren Teil, aber nicht vollständig realisiert werden). Die Kriterien,
nach denen die Therapeuten ihre Patienten auswählten, wurden sorgfältig dokumentiert.
Als Messzeitpunkte wurden der Behandlungsbeginn, 3 Monate, 6 Monate, 12 Monate und fortan jedes
weitere halbe Jahr bis zur Beendigung der Therapie festgelegt, ferner eine 1-jahres- und eine 3jahreskatamnestische Nachuntersuchung. Das Design wird weiter unten in einer Abbildung graphisch
veranschaulicht.
180
Beobachtungsebenen und Datenquellen
Die Daten werden aus vier Perspektiven (vgl. die Perspektiven in der Abbildung zum Studiendesign
unten) erhoben:
1. Patientenselbsteinschätzung: Anhand von international gebräuchlichen standardisierten
Instrumenten (SCL-90, IIP, PSKB-Se) werden Symptome und Persönlichkeitsmerkmale erfasst;
darüber hinaus Daten der soziodemographischen und sozialen Situation, Krankheitsverhalten und
Einschätzung der Lebensqualität (TPF).
2. Einschätzungen der Psychoanalytiker zu Behandlungsbeginn: Standardisierte Beschreibung der
Symptome, Konflikte, des Strukturniveaus, der Beeinträchtigungsschwere, der initialen
Arbeitsbeziehung und Gegenübertragung sowie der ICD-10-Diagnosen. Einschätzung der
Psychoanalytiker im Behandlungsverlauf: Standardisierte Einschätzung der therapeutischen
Arbeitsbeziehung, Gegenübertragung und Umstrukturierung im Problemfokus, jeweils vierteljährlich freier Bericht über Therapiesitzungen.
3. Einschätzungen der externen Untersucher zu Behandlungsbeginn: ICD-10-Diagnosen, OPDBefund, Fokusauswahl aus dem OPD-Befund. Einschätzung der externen Untersuchung im
Therapieverlauf auf der Grundlage eines jeweiligen Beziehungsepisoden-Interviews: OPD-Befund,
Fokus-Entwicklung, Einschätzung der Heidelberger Umstrukturierungsskala.
4. Krankenkassendaten: Erfassung von Krankheitstagen, Arbeitsunfähigkeit, medizinische
Inanspruchnahme je zwei Jahre vor Beginn und nach Abschluss der Therapie
181
Abschließende Bewertung des Studiendesigns
Im Sinne eines Bewertungskatalogs von Wallerstein (1999) zeigt die PAL-Studie folgende Charakteristika:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Eine prospektive systematische Studie zur psychoanalytischen Therapie bei klinisch indizierten Behandlungen, ausgeführt durch qualifizierte Therapeuten.
Eine signifikanten Fallzahl
Einen Vergleich von Psychoanalysen und Psychotherapien
Eine Erfassung von Prozess und Ergebnis gleichermaßen
Die Möglichkeit, an Einzelfällen Längsschnittstudien durchzuführen
Die Möglichkeit, gruppenstatistische Verfahren und Einzelfalldarstellungen zu kombinieren
Verwendung operationalisierter psychoanalytischer Begrifflichkeiten
Zugrundelegung einer gründlichen diagnostischen Beschreibung der Patienten bei Behandlungsbeginn
Berücksichtigung der nach Behandlungsende erreichten Wirkungen und der Entwicklung in der posttherapeutischen Phase
Möglichkeit, Prädiktoren der Prozesse und Ergebnisse zu identifizieren.
Damit soll ein verbessertes Verständnis der Wirkungsweisen der unterschiedlich intensiven Therapieverfahren, der von ihnen initiierten Prozessverläufe und der darin enthaltenen Chancen für ein Behandlungsergebnis, aber auch der Risiken von Stagnation und Scheitern ermöglicht werden.
182
Forschungsdesign
B. Perspektive des
Analytikers
tiefenpsych. fund.
Psychotherapie
1 Stunde/Woche
geplant: N = 30
Beginn 1/4
1/2
3/4
1 Jahr
Abschluss
Katamnese
3
Jahre
Analytische
Psychotherapie
3-4 Stunden/W.
geplant: N = 30
D.
Gesundheitspolitische
Perspektive
Beginn 1/4
1/2
1 Jahr
Abschluss
Katamnese
A. Perspektive des
Patienten
Forschungsinterviews
C. Perspektive des Beobachters
183
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien
zur
Wirksamkeit
tiefenpsychologisch
fundierter
und
analytischer
Therapie
M. Heine
Neurosenlehre
Die PAL - Studie von Rudolf, Grande et al.
„
„
Die PAL - Studie von Rudolf, Grande et al.
Die Heidelberger Umstrukturierungsskala
1. Nichtwahrnehmen des
Fokusproblems
1
1+
Völlige Abwehr bzw. Vermeidung des
Fokusbereichs, es gibt kein Problem
2. Ungewollte Beschäftigung mit dem Fokus
2–
2
2+
Symptomdruck, interpersonelle
Schwierigkeiten, Zumutungen, von
auß
außen kommend erlebt
Bewäl-
3. Vage Wahrnehmung
mit dem Fokus
33
3+
Passive Beschä
Beschäftigung mit dem Fokus,
Ahnung eigener Verantwortung
tigung
4. Anerkennung und
Erkundung des Fokus
4–
4
4+
Interessiertes Problemverstehen,
Arbeitsbeziehung, aktive Bewä
Bewältigung
5. Auflösung alter
Strukturen im
Fokusbereich
5–
5
5+
Abwehr wird brü
brüchig, Prozess wird zur
Passion, Trauer, Ausgeliefertsein,
Verwirrung
Strukturelle
6. Neutrukturierung im
Fokusbereich
6–
6
6+
Versö
Versöhnliches Erleben, neue ErlebensErlebensund Verhaltensmö
Verhaltensmöglichkeiten stellen
sich spontan ein
VerÄnderung
7. Auflösung des Fokus
7–
7
7+
Integration, Selbstü
Selbstübereinstimmung,
realitä
realitätsgerechtes Erleben,
Neugestaltungen
184
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
4. Sitzung :
„
„
M. Heine
Neurosenlehre
Die PAL - Studie von Rudolf, Grande et al.
Die PAL - Studie von Rudolf, Grande et al.
Ergebnisse:
„
„
Empirische
Studien
zur
Wirksamkeit
tiefenpsychologisch
fundierter
und
analytischer
Therapie
„
„
„
Signifikante und ähnlich deutliche Reduktion von
Symptomen sowie von interpersonellen Problemen
bei beiden Therapieformen
Behandlungen mit höherer Stundenzahl und frequenz zeigen tiefgreifendere und nachhaltigere
Wirkungen als niedriger frequente
tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapien.
Höherfrequente psa. Behandlungen erleichtern
aufgrund der intensiven Auseinandersetzung im
therapeutischen Prozeß eine Umstrukturierung im
eigentlichen Sinne.
Vorübergehende Verschlechterungen von der Stufe 5
der Umstrukturierungsskala auf frühere Stufen sind
dabei häufig. Diese werden als produktive therapeutische Krisen im Sinne einer regressiven Reaktion in
einem nicht-linearen Entwicklungsprozeß verstan
185
den.
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
„
M. Heine
Die Stockholmer Studie von Sandell und
Mitarbeitern (1999, 2001)
Empirische „ Zwei Behandlungsgruppen nach
gestellter Indikation:
Studien zur
„ analytische Psychotherapie, durchschnittlich
Wirksamkeit
642 Sitzungen, durchschnittliche
Behandlungsdauer 54 Monate, Frequenz 3 – 5
tiefenpsychoSitzungen pro Woche, N = 24
logisch
„ Psychodynamische Langzeittherapie,
fundierter
durchschnittlich 233 Sitzungen,
Behandlungsdauer: 43 Monate, N = 100
und
„ Vor der Therapie zwischen den
analytischer
Behandlungsgruppen bestehende
Therapie
Unterschiede wurden statistisch kontrolliert.
186
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
tiefenpsychologisch
fundierter
und
analytischer
Therapie
M. Heine
„
Die Stockholmer Studie von Sandell und
Mitarbeitern (1999, 2001)
„
Ergebnisse:
„
„
„
Die analytische Psychotherapie erreichte – bei
gleicher Ausgangslage – im Hinblick auf die
Symptombesserung (SCL-90 GSI) einen großen
Effekt von 1.55, die psychodynamische
Langzeittherapie einen Effekt von 0.60 (Sandell et
al. 2001).
Die analytische Psychotherapie verbesserte ihre
Effekte zwischen dem ersten und dem zweiten Jahr
um fast ein Drittel, bei der psychodynamischen
Therapie nahm der Effekt in diesem Zeitraum
geringfügig ab.
Die nachfolgenden Graphiken sind der Veröffentlichung
von Sandell et al., 2001, in Psyche 3/2001, S. 277 – 310
187
entnommen.
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
tiefenpsychologisch
fundierter
und
analytischer
Therapie
M. Heine
„
Die Stockholmer Studie von Sandell und
Mitarbeitern (1999, 2001)
„
Ergebnisse:
„
Sandell et al., 2001, in Psyche 3/2001, S. 277 – 310
„
Sandell-Studie_SCL-90 Graphik:
188
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
tiefenpsychologisch
fundierter
und
analytischer
Therapie
M. Heine
„
Die Stockholmer Studie von Sandell und
Mitarbeitern (1999, 2001)
„
Ergebnisse:
„
Sandell et al., 2001, in Psyche 3/2001, S. 277 – 310
„
Sandell-Studie_Sense of Coherence Scale:
189
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
4. Sitzung :
Empirische
Studien zur
Wirksamkeit
tiefenpsychologisch
fundierter
und
analytischer
Therapie
M. Heine
„
Die Stockholmer Studie von Sandell und
Mitarbeitern (1999, 2001)
„
Ergebnisse:
„
Sandell et al., 2001, in Psyche 3/2001, S. 277 – 310
„
Sandell-Studie_Social Adjustment Scale :
190
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
„
„
„
„
„
„
M. Heine
Symptomatik
Hinweise zur
Differentialdiagnostik
Häufigkeit und
Krankheitsverteilung
Psychogenese und Dynamik
Exemplarischer Fallbericht
Therapie
191
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Symptomatik
M. Heine
„
Konversionssymptomatik
„
Anfälle
Ausfälle und Dysfunktionen
der Motorik
Ausfälle und Dysfunktionen
des Sensoriums
Darstellung multipler
Krankheiten und
Körperzustände
„
„
„
192
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Symptomatik
M. Heine
„
Konversionssymptomatik
„
Anfälle
„
„
„
„
„
Klassisch: großer hysterischer
Anfall
Absencen
psychomotorische Anfälle
ticartige motorische Entladungen
Hyperventilationstetanie: massiv
verstärkte Atmung, sekundäre
Alkalose des Blutes, tetaniforme
Krämpfe
193
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Symptomatik
M. Heine
„
Konversionssymptomatik
„
Ausfälle und Dysfunktionen der
Motorik
„ schlaffe Lähmungen:
„ Hinken,
„ akute Dysbasie,
„ Abasie,
„ Schiefhals u.a.
„ spastische Störungen
194
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Symptomatik
M. Heine
„
Konversionssymptomatik
„
Ausfälle und Dysfunktionen des
Sensoriums
„
psychogene Blindheit und
Taubheit; Skotomisierung
„
sensible Dysfunktionen:
„
„
„
Parästhesien (Mißempfindungen)
Hypästhesien (herabgesetzte
Sensibilität)
Hemianästhesie
195
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Symptomatik
M. Heine
„
Konversionssymptomatik
„
Darstellung multipelster
Krankheiten und Körperzustände
„
„
Die Neurose kann jede
Erkrankung darstellen oder
imitieren.
Gehäuft treten auf:
die Scheinschwangerschaft,
Kloßgefühl im Hals (Globus
hystericus) u.a.
196
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Symptomatik
M. Heine
„
Hysterische Phänomene
„
Bewusstseinsstörungen
Gedächtnisstörungen und
Angstphänomene
Sexuelle Störungen
„
„
197
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Symptomatik
M. Heine
„
Hysterische Phänomene
„
Bewusstseinsstörungen
„
Deskriptive Ebene:
„ Dämmerzustände
„
Traumzustände
„
Trancen
„
„Ohnmachten“
„ Unwirklichkeitserlebnisse bis zu
Depersonalisation und Derealisation
„ Pseudodemenz
198
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Symptomatik
M. Heine
„
Hysterische Phänomene
„
Bewusstseinsstörungen
„
Dynamisch geht es um den Versuch der
Vermeidung einer unerträglichen
Wirklichkeit. Es wird versucht, das
Problem durch Nichtwissen zu lösen...So
erlebt der hysterische Neurotiker quasi
eine Pseudo-Demenz, um sich etwa von
den Schuldgefühlen, von den inneren
Richtern zu befreien oder die
Versuchungssituationen in der Außenwelt,
die ihn quälen, nicht wahrzunehmen.
199
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Symptomatik
M. Heine
„
Hysterische Phänomene
„
Gedächtnisstörungen und
Angstphänomene
„ Hysterische Amnesie
„ psychogene Fehlhandlungen
„
Angstphänomene und Phobien
„
Im Rahmen des hysterischen Syndroms
sind oft Angstphänomene nachweisbar.
Differentialdiagnostik erforderlich
200
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Symptomatik
M. Heine
„
Konversionsneurotische und
hysterische Phänomene
„
Sexuelle Störungen
„
„
„
„
„
„
Anorgasmie aller Stadien, von Frigidität
bis zu sexueller Inappetenz
Verstärktes sexuelles Agieren: PanSexualisierung, Hypersexualität,
Nymphomanie, Erotomanie
Verbindung von sexueller Lust mit starken
aggressiven und Angstaffekten
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
(Dyspareunie)
Menstruationsstörungen
Differentialdiagnose beachten!
201
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Epidemiologie
„
„
„
„
„
M. Heine
Häufigkeit und Krankheitsverteilung:
Die Konversionssyndrome finden sich
in allen Kulturen, Schichten, Altersgruppen.
Auftretenshäufigkeit nicht gesichert.
Pseudoneurologische, monosymptomatische Konversionserscheinungen
machen wahrscheinlich unter 10%
aller psychogenen Körpersymptome,
polysymptomatische Phänomene der
Somatisierungsstörung ein Mehrfaches davon aus.
Diagnose wird häufiger bei Frauen
202
gestellt als bei Männern.
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Psychodynamik
M. Heine
„
Psychodynamik
„
1. A) Im Zentrum der hysterischen
Dynamik stehen unbewußte
Vorstellungen und Phantasien....
Häufig handelt es sich um sexuelle
Inhalte. Bei keiner anderen Neurose
haben sexuelle Konflikte eine so
weitreichende Bedeutung wie bei den
Hysterien und Phobien. Oft
dahinterliegende ödipale Problematik.
203
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Psychodynamik
M. Heine
„
Psychodynamik
„
1. B) Aber: Während früher die sexuellen
Konflikte ganz im Zentrum des Verständnisses der hysterischen Störungen
standen, geht man heute davon aus,
dass auch frühinfantile nicht bewältigte
Konflikte in dieser sexualisierten Form
erscheinen können. So steht bei
Störungen der frühen Triangulation
nicht die Beziehung des Mädchens zum
Vater im Vordergrund, sondern die
beginnende Autonomie und Loslösung
von der Mutter. (vgl. Schampera, 1997 und 2003)
204
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Psychodynamik
M. Heine
„
Psychodynamik
„
Rupprecht-Schampera (1997 und 2003) postuliert,
daß „das Kind, das später eine hysterische Entwicklung
nehmen wird, in einer bereits stark konflikthaften, von
Angst, Depressivität oder Hass geprägten frühen MutterKind-Beziehung den Vater in seiner triangulären
Hilfsfunktion nicht ausreichend zur Verfügung hat oder ihn
als nicht ausreichend verfügbar erlebt und daß es deshalb
versucht, den als abwesend oder distant erlebten Vater aktiv
auf sich aufmerksam zu machen, um ihn in seiner
triangulären Hilfsfunktion für sich zu gewinnen“. Wenn es z.
B. dem kleinen Mädchen gelingt, „als erotisch attraktives
weibliches kleines Wesen für den zunächst desinteressierten
Vater interessant zu werden“, verwendet es „die ödipale
Triangulierung, um die präödipale (frühe) Triangulierung
und damit die Separation von der Mutter zu erreichen.“
(2003, S. 72)
205
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Psychodynamik
M. Heine
„
Psychodynamik
„
2. Die Hauptabwehrmechanismen der hysterischen Neurose
sind:
„
„
„
„
„
„
Verdrängung,
Verleugnung,
Identifikation,
Verschiebung (insbesondere im
Bereich der Affekte: sog.
Affektvertauschung),
Projektion,
Agieren.
206
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Psychodynamik
M. Heine
„
Psychodynamik
„
3. Hysteriker haben eine profuse
Identifizierungsneigung.
Durch
Identifizierung
können
auch
unterschiedliche
Krankheitsbilder
perfekt übernommen werden. Auf der
Identifizierungsneigung beruht auch
die Suggestibilität des hysterischen
Pat. und - sekundär - das Bild von
Inauthentizität,
Unzuverlässigkeit,
Unschärfe, Flatterhaftigkeit.
207
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
5. Sitzung :
„
„
„
-
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Psychodynamik
M. Heine
Psychodynamik
4. Die Rolle der Hyperemotionalität zur Abwehr
von nicht akzeptablen Umwelteindrücken und
Schuldgefühlen ist von größter Wichtigkeit. Bei
der hyperemotionalen "Szene", dem affektiven
Durchbruch, dem "Anfall", dem "Nervenzusammenbruch", versucht sich der hysterische
Pat. auf eine spezifische Art und Weise mit
seinem "inneren Beobachter" (Gewissen) und
seinem "äußeren Beobachter" (soziales
Gegenüber) auseinanderzusetzen. Weil er sich
so erregt, weil er so betroffen ist, weil ihn alles
so sehr mitnimmt, weil alles so fürchterlich
anstrengend ist, hofft der Hysteriker von innen
und außen Vergebung zu erfahren und erreicht
jedoch damit oft das Gegenteil.
208
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Psychodynamik
M. Heine
„
Psychodynamik
„
5. Die hysterische Neurose dient unbewußt - der Veränderung des
Selbstbildes. Der Pat. verändert sein
Selbsterleben auf eine Weise, daß ein
günstigeres (in Bezug auf den aktuellen
inneren Konflikt) Bild von sich selbst
entsteht. Meist erfolgt eine regressive
Veränderung des Selbstbildes. Z.B.:
"Ich bin klein, hilflos, armselig, auf
euch angewiesen u.s.w. …
209
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Psychodynamik
M. Heine
„
Psychodynamik
„
… Unbewußt wird zugleich versucht,
auch die Außenwelt von dem
veränderten Selbstbild durch u.U.
dramatische
Demonstrationen
zu
überzeugen. Wenn dies gelingt, kann
dies noch einmal rückwirkend zur
Entlastung des Überichs beitragen.
210
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Psychodynamik
M. Heine
„
Psychodynamik
„
6. Die Frage, wie es zur Konversion ins
Körperliche kommt, ist noch nicht
hinlänglich geklärt. (s. Kap. 3.1.3.
Psychosomatische
Modelle)
Die
Hypothese
ist
wahrscheinlich
geworden, daß jeder Konflikt auf jeder
Entwicklungsstufe auch ins Körperliche
konvertiert werden kann.
211
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
M. Heine
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
212
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
M. Heine
„
Therapie
„
Analytische orientierte
Behandlung
„
Die Bewusstmachung der verdrängten
Anteile des intrapsychischen Konflikts.
Die gefühlsmäßige Wiederbelebung in
der Übertragungssituation.
Dadurch die Ermöglichung einer freien
Fortentwicklung und Nachreifung der
bis dahin vom Konflikt beeinflussten
und behinderten Persönlichkeitsanteile.
„
„
213
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Angsterkrankungen
M. Heine
„
Klassifikation von Angststörungen
„
F 40 Phobische Störung
„
F 40.0 Agoraphobie
„
„
„
„
„
„
F40.00 Agoraphobie ohne Panikstörung
F 40.01 Agoraphobie mit Panikstörung
F 40.1 Soziale Phobien
F 40.2 Spezifische (isolierte) Phobien
F 40.8 andere Angststörungen
F 40.9 nicht näher bezeichnete
Angststörungen
„
„
Dazu: - nicht näher bezeichnete Phobie
Nicht näher bezeichneter phobischer Zustand
214
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Angsterkrankungen
M. Heine
„
Klassifikation von Angststörungen
„
F 41 Andere Angststörungen
„
„
„
„
„
„
F 41.0 Panikstörung (episodisch
paroxysmale Angst)
F 41.1 Generalisierte Angststörung
F 41.2 Angst und depressive Störung,
gemischt
F 41.3 andere gemischte Angststörungen
F 41.8 andere spezifische Angststörungen
(Angsthysterie)
F 41.9 nicht näher bezeichnete
Angststörung
215
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Angsterkrankungen
„
M. Heine
F 40 Phobische Störung / Diagnostische
Kriterien (1)
„
„
„
„
Störungen, bei denen Angst ausschließlich oder vorwiegend durch eindeutig definierte, im allgemeinen
ungefährliche Situationen oder Objekte hervorgerufen
wird.
Diese werden entweder gemieden oder voller Angst
ertragen.
Die phobischen Objekte oder Situationen liegen
außerhalb der betreffenden Person.
Phobische Angst ist subjektiv, physiologisch und reicht
vom Unbehagen bis zu panischer Angst.
216
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Angsterkrankungen
„
M. Heine
F 40 Phobische Störung / Diagnostische
Kriterien (2)
„
„
„
Befürchtungen des Betreffenden können sich auf
Einzelsymptome wie Herzklopfen oder Schwächeanfälle richten, treten häufig zusammen auf mit
sekundären Ängsten vor dem Sterben, vor
Kontrollverlust oder dem Gefühl, wahnsinnig zu
werden.
„Die Angst wird nicht durch die Erkenntnis
gemildert, daß andere Menschen die fragliche
Situation nicht als gefährlich oder bedrohlich
betrachten.“ (Dilling et al., S. 143)
Erwartungsangst: „Allein die Vorstellung, daß die
phobische Situation eintreten könnte, erzeugt
gewöhnlich schon Erwartungsangst.“
217
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Angsterkrankungen
„
M. Heine
F 40 Phobische Störung /
Differentialdiagnostik
„
„
F 45.2 Hypochondrische Störung: „Ängste, die
sich auf (das Entstehen und) das Vorliegen einer
Krankheit oder auf eine körperliche Entstellung
beziehen“ (a.a.O.)
Phobische Störung < –– > Panikattacke (F 41.0)
Eine Panikattacke, die in einer schon
bestehenden phobischen Situation auftritt, wird
als Ausdruck für den Schweregrad der Phobie
gewertet, … . Eine eigentliche Panikstörung soll
nur bei Fehlen der unter F 40 angeführten
Phobien diagnostiziert werden.
218
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Angsterkrankungen
M. Heine
„
F 40.0 Agoraphobie:
„
Ängste vor offenen Plätzen oder vor
Menschenmengen
Angst vor der Schwierigkeit, sich wieder sofort
und leicht an einen sicheren Ort, im
allgemeinen nach Hause zurückziehen zu
können. Entsprechend können die Ängste sich
auch darauf beziehen, allein in Zügen, Bussen
oder Flugzeugen zu reisen (Achtung: DD
Klaustrophobie)
Angst vor dem Fehlen eines sofort nutzbaren
Fluchtweges
Angst bei der Vorstellung zu kollabieren,
ohnmächtig zu werden und hilflos in der
Öffentlichkeit liegen zu bleiben.
„
„
„
219
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
M. Heine
„
F 40.0 Agoraphobie / Epidemiologie:
„
Lebenszeitprävalenz in klinischen Stichproben: 3,4
% - 10,9 % (vgl. Michael et al. in Reinecker, 2003)
Auftretenswahrscheinlichkeit bei Frauen ca. 2 bis 3
x größer als bei Männern, früher 4 x größer.
„Innerhalb der phobischen Störungen machen
Agoraphobien in der klinischen Praxis ca. 50 bis
55% der Fälle aus.“ (Reinecker, 2003)
In nicht-klinischen Populationen: „Wittchen (1986)
fand Angstanfälle bei 9,3 % in einer repräsentativen
Bevölkerungsstichprobe. Fragebogen-Reihenuntersuchungen an großen studentischen Populationen
in USA und BRD zeigten Ein-Jahres-Prävalenzen
von über 30 %, wenn situativ ausgelöste
Angstanfälle berücksichtigt wurden.
Spezielle
„
Neurosen„
lehre:
Angst„
erkrankungen
220
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Angsterkrankungen
M. Heine
„
F 40.0 Agoraphobie / Verlauf:
„
Agoraphobien und Angstanfälle setzen in der
Regel im frühen Erwachsenalter ein zwischen
20 und 35 Jahren. Beginn vor dem 16. und nach
dem 40. Lbj. selten.
Beginn meist mit einem Angstanfall an einem
öffentlichen Ort, schleichender Beginn selten.
Michael, Ehlers und Margraf (2003) berichten
von starken Fluktuationen der Symptomatik mit
gelegentlichen beschwerdefreien Phasen. Insgesamt wird aber von einem langfristig ungünstigen Verlauf ausgegangen. Die Prognose sei
ungünstiger als für schwere Depressionen.
Nur 14 % der Patienten mit Panikstörungen und
19 % der Agoraphobiker erreichen nach
Wittchen (1991) eine volle Remission.
221
„
„
„
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
M. Heine
„
F 40.0 Agoraphobie / Psychodynamik und
Pathogenese:
„
K. König geht davon aus, daß allen Angstpatienten eine
Unfähigkeit zur Selbststeuerung, insbesondere bezüglich
der Impulskontrolle gemeinsam sei. Deshalb würden
viele Phobiker dazu neigen, die Bestimmung über sich
selbst an sog. schützende, steuernde Objekte abzutreten.
Ein Teil der Agoraphobiker weist im Hintergrund eine
ängstliche, selbstunsichere oder eine abhängige
Persönlichkeit auf, mitunter findet sich eine zwanghafte
Persönlichkeit (hier Ängste, jmd. zu verletzen oder zu
gefährden.)
Nur bei einer kleineren Gruppe der Phobiker sind konkrete negative Erfahrungen mit dem angstauslösenden
Objekt zu explorieren.
Spezielle
Neurosenlehre:
„
Angsterkrankungen
„
222
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
M. Heine
„
F 40.0 Agoraphobie / Psychodynamik und
Pathogenese:
„
Aus psychodynamischer Sicht liegen den meisten Phobien
abgewehrte, unbewußte Vorstellungen zugrunde.
Dieser unbewußte Vorstellungsinhalt wird in einer bestimmten Situation aktiviert, löst dadurch im Ich Angst aus,
das sich nun damit behilft, die Quelle der Angst nach
außen zu verlagern. Dieser Abwehrvorgang wird als „Verschiebung“ bezeichnet. Die intrapsychische Bedrohung
wird also durch eine außen erlebte Gefahr ersetzt.
Das nach außen verschobene Angstobjekt kann nun
vermieden werden, was zur situativen Angstentlastung
führt. Dieser Vermeidungsvorgang kann durch
Lernprozesse (operante Konditionierung) sich verfestigen,
auf diese Weise chronifizieren und sich auf assoziativ
benachbarte Situationen ausweiten (generalisieren).
Spezielle
Neurosen- „
lehre:
Angster„
krankungen
223
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
M. Heine
„
F 40.0 Agoraphobie / Psychodynamik und
Pathogenese (2):
„
Früher ist man davon ausgegangen, daß den phobischen
Reaktionen unbewußte sexuelle oder aggressive Konflikte
zugrunde lägen. Heute finden sich nach H. H. zunehmend
„Ängste vor starker Exposition, Ängste vor Beschämung,
oder auch Befürchtungen, sich zu verlieren, Trennungsund Verlustängste“ hinter der phobischen Symptomatik.
Annahme von Bowlby, daß die Gruppe der eigentlichen
Phobien, bei denen der Patient die Präsenz einer Situation
oder eines Gegenstandes fürchtet und die er dann zu
vermeiden sucht, eher klein sei. Größer sei die Zahl der
sog. Pseudophobien, denen Bowlby auch die Agoraphobie
zurechnet. Bei der Pseudophobie leide der Patient unter
der Abwesenheit oder dem Verlust einer Bindungsfigur
oder einer sicheren Basis, auf die er sich normalerweise
zubewegen würde. In der Agoraphobie vermisse der
224
Patient eine Sicherheit spendende Beziehungsperson.
Spezielle
Neurosenlehre:
Angst„
erkrankungen
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
„
Spezielle
Neurosenlehre:
Angsterkrankungen
„
„
„
M. Heine
F 40.00 Agoraphobie ohne
Panikstörung:
F 40.01 Agoraphobie mit Panikstörung:
Dazugehöriger Begriff: Panikstörung
mit Agoraphobie
Achtung DD: Panikstörung (episodisch
paroxysmale Angst) Æ unerwartet, nicht an
Situationen gebunden, nicht vorhersehbar
225
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
M. Heine
„
F 40.1 Soziale Phobie / Symptomatik:
„
Furcht vor prüfender Betrachtung durch andere
Menschen in verhältnismäßig kleinen Gruppen (nicht
dagegen in Menschenmengen), in der Regel verbunden
mit einem niedrigen Selbstwertgefühl und Furcht vor
Kritik
Die phobischen Reaktionen können sich äußern in
Erröten, Vermeiden von Blickkontakt, Händezittern,
Übelkeit, Harndrang o.ä.
In der Folge kann es dazu kommen, daß soziale
Situationen gemieden werden, in Extremfällen kann das
Vermeidungsverhalten zu vollstän-diger sozialer
Isolation führen. Cave: DD Agoraphobie
Soziale Phobien können klar abgegrenzt sein, z. B. auf
Essen oder Sprechen in der Öffentlichkeit, oder sie sind
unbestimmt und treten in fast allen sozialen Situationen
außerhalb des Familienkreises auf.
Spezielle
Neurosenlehre:
„
Angst„
erkrankungen
„
226
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
„
„
Spezielle
Neurosen„
lehre:
Angsterkrankungen
M. Heine
F 40.1 Soziale Phobie / Epidemiologie:
In klinischen Stichproben von Phobikern
schildern nach Reinecker 25 % der
Patienten soziale Phobien.
Die Lebenszeitprävalenz liegt nach
verschiedenen Studien für Frauen bei 9%
bis 13% und für Männer bei 5% bis 10%.
Entgegen Reinecker nehmen Hoffmann /
Hochapfel an, daß die soziale Phobie die
häufigste Angststörung sei und nach der
Depression und der Alkoholabhängigkeit
die dritthäufigste psychische Störung
überhaupt.
227
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
„
Spezielle
„
Neurosen„
lehre:
„
Angsterkrankungen „
M. Heine
F 40.1 Soziale Phobie /
Beginn und Verlauf:
Beginn oft schon in der Kindheit, spätestens in der
Jugend, ausgesprochen selten nach dem 25. Lbj.
Der Verlauf ist ausgesprochen chronifizierend.
In der Folge der sozialen Phobie kommt es häufig
zum sozialen Rückzug, entweder auf wenige
vertraute Personen wie die Familie oder Freunde
oder in die vollständige Isolierung.
Die Unsicherheit der sozialen Phobiker läßt sie in
der Öffentlichkeit nicht selten entweder als linkisch
erscheinen oder als arrogant verkannt werden.
228
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
„
„
Spezielle
Neurosen„
lehre:
Angsterkrankungen „
M. Heine
F 40.1 Soziale Phobie /
Erklärungsmodelle (1)
Konstitutioneller Faktor: „Soziale Gehemmtheit“
nach dem Entwicklungspsychologen J. Kagan
Wahrscheinlich kommt den frühen sozialen
Interaktionen im Kindergarten, in der Schule und
anderen sozialen Feldern Bedeutung für die
Verstärkung und für die Bewältigung von sozialen
Ängsten zu. (Noch nicht genügend erforscht.)
Verhaltenstheoretiker gehen davon aus, daß 58%
der Sozialphobiker auf ungünstige
Konditionierungserfahrungen zurückgehen, ca.
13% auf Faktoren des Modelllernens
229
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
M. Heine
„
F 40.1 Soziale Phobie/Erklärungsmodelle (2)
„
Das kognitionstheoretische Pathogenese-Modell von
Clark und Wells (1995):
1. Ausgeprägtes Sicherheitsverhalten mit dem Ziel,
vermeintliche Blamagen zu vermeiden und
Angstsymptome zu reduzieren.
2. Verschiebung der Aufmerksamkeit weg von den
externalen hin zu den internalen Vorgängen
3. Verzerrte Konstruktionen des sozialen Selbst aus
der Betrachterperspektive, die immer als kritisch und
abwertend vorausgesetzt wird.
4. Antizipatorische, vor den Ereignissen die Qual vorwegnehmende und nachträgliche, das Erlebnis der
Erniedrigung bestätigende gedankliche Verarbeitung; regelhafte Fehleinschätzung der soz. Situation.
Spezielle
„
Neurosenlehre:
„
Angst„
erkrankungen
„
230
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
M. Heine
„
F 40.1 Soziale Phobie/Erklärungsmodelle (3)
„
Das psychodynamische Pathogenese-Modell von S.O.
Hoffmann (2003):
1. „Die defizitäre Konzeption des des eigenen Selbst
führt unmittelbar zu einer ausgeprägten
Selbstunsicherheit, mittelbar stößt sie aber
ungeeignete Kompensationsversuche an.“ (H.H., S. 106)
2. Der nachteiligste Kompensationsversuch: eine
unbewußte Überhöhung der Selbstsicht, die nach
außen projiziert wird. Die soziale Umwelt stellt nun
vermeintlich höchste Ansprüche an ihn.
3. Entscheidende Bedeutung kommt dem Affekt der
Scham zu. Alle sozialphobischen Vermeidungen
seien von der Scham motiviert.
4. Wurde wenig Bindungssicherheit gewonnen, so
231
muß notwendig auch die soziale Sicherheit beein
ä hi
i
Spezielle
„
Neurosenlehre:
Angst„
erkrankungen
„
„
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
„
„
Spezielle
Neurosen- „
lehre:
Angsterkrankungen
M. Heine
F 40.2 Spezifische (isolierte) Phobien
/Symptomatik
Alle auf eine konkrete Auslösesituation oder ein
umschriebenes Auslöseobjekt gerichteten Ängste.
Die häufigsten phobischen Angstauslöser sind:
„
„
„
„
„
Ängste vor Tieren, gehäuft vor Spinnen, Schlangen etc.
Ängste vor Naturerscheinungen wie Höhensituationen,
Dunkelheit und Gewitter, Feuer
Ängste vor der Schule, vor Prüfungen, vor
geschlossenen Räumen, vor dem Fliegen
Ängste vor Arztbesuchen, vor Spritzen, vor Blut, vor
Ansteckung
Ängste vor Krankheiten, vor allem Krebs, Hirntumoren,
Aids, BSE, Multipler Sklerose
232
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
M. Heine
„
F 40.2 Spezifische (isolierte) Phobien
/Epidemiologie
„
Nach H.H. liegt die Lebenszeitprävalenz bei über 10%
In den USA wurde eine 6-Monats-Prävalenzrate von 4,5%
bis 11,8% für spezifische Phobien ermittelt.
Traditionell überwiegen Frauen.
Spezielle
„
Neurosen„
lehre:
„
Angsterkrankungen
„
Beginn der spezifischen Phobien:
„
„
„
Beginn von Tierphobien und von Dunkelängsten meist
im Kindesalter, ebenso Ängste vor Ärzten, Zahnärzten
Beginn der Schulängste naturgemäß im Schulalter.
Ansonsten variiert das Ersterkrankungsalter.
Verlauf der Störung:
„
Alle Spezifischen Phobien haben, wenn sie das Erwachsenenalter erreichen, eine ausgeprägte Tendenz zur
Persistenz.
233
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
„
„
Spezielle
„
Neurosenlehre:
Angst„
erkrankungen
M. Heine
F 40.2 Spezifische (isolierte) Phobien
/Psychodynamik und Pathogenese
Vgl. die Ausführungen zur Agoraphobie
„Für die Entstehung verschiedner Angststörungen ist
gesichert, daß ängstliche Eltern die
Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Ängsten bei
ihrem Nachwuchs erhöhen.“
Bei den Spezifischen Phobien sind eine Reihe von
Angstauslösern natürlich bzw. evolutionär
begründbar. Dazu gehören die Ängste vor
Dunkelheit, oder vor der Höhe oder Ängste vor
unbekannten, möglicherweise gefährlichen Tieren. …
Offenbar sind bestimmte Reize sehr viel geeigneter
als andere , die phobische Dynamik in Gang zu
setzen.
234
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
M. Heine
„
F 40.2 Spezifische (isolierte) Phobien
/Psychodynamik und Pathogenese (2)
„
Bei der Mehrzahl der Arzt-, Blut- oder Ansteckungsphobien handelt es sich nach H.H. um die Angst, sterben
zu müssen, nicht notwendig um Konditionierungen in der
Kindheit. Bei den Krankheitsphobikern wird die Angst vor
dem Tod unablässig antizipiert.
Hinter der manifesten Schulphobie findet sich eine sehr
unterschiedliche Psychodynamik:
Spezielle
Neurosenlehre:
„
Angsterkrankungen
„
„
A) Der Schulphobiker fürchtet nicht eigentlich die Schule,
sondern hat Angst, das Elternhaus, die Mutter zu verlassen; er
hat also mehr eine Trennungsphobie (vgl. Bowlby)
B) Die Schulverweigerer haben hingegen mehr Ängste vor der
Schule, die aber oft hinter mangelnder Motivation verborgen
werden, was weniger beschämend ist.
235
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
6. Sitzung :
„
„
„
„
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Angststörungen
M. Heine
Klassifikation lt. ICD 10:
F 41: Andere Angststörungen
„
„
„
F 41.0: Panikstörung (episodisch
paroxysmale Angst)
F 41.1: generalisierte Angststörung
F 41.2: Angst und depressive Störung,
gemischt
„ Dazugehöriger Begriff: leichte oder nicht
anhaltende ängstliche Depression
„
„
F 41.3: Andere gemischte Angststörungen
F 41.8: Andere spezifische Angststörungen
„
„
Dazugehöriger Begriff: Angsthysterie
F 41.9: nicht näher bezeichnete
Angststörung
„
Dazugehöriger Begriff: nicht näher bezeichnete236
Angst
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
„
„
Spezielle
„
Neurosenlehre:
„
Angsterkrankungen
„
„
M. Heine
F 41 Andere Angststörungen
F 41.0 Panikstörung (episodisch
paroxysmale Angst) – Symptomatik nach ICD 10
Wiederkehrende schwere Angstattacken (Panik), die sich
nicht auf eine spezifische Situation oder besondere Umstände beschränken und deshalb nicht vorhersehbar sind.
Typisch ist ein plötzlicher Beginn mit Herzklopfen,
Brustschmerz, Erstickungsgefühlen, Schwindel und
Entfremdungsgefühlen. Häufig sekundär dann die Angst
zu sterben, vor Kontrollverlust oder die Angst, wahnsinnig
zu werden. Die Anfälle dauern meist nur Minuten.
Die Patienten erleben meist ein Crescendo der Ängste und
vegetativen Symptome. Sekundär können sich gerichtete
Ängste vor dem Alleinsein oder Agoraphobien
herausbilden.
Einer Panikattacke folgt meist die ständige Furcht vor
237
einer erneuten Attacke (Erwartungsangst).
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
„
Spezielle
Neurosen- „
„
lehre:
Angst„
erkrankungen
M. Heine
F 41.0 Panikstörung (episodisch
paroxysmale Angst) –
Epidemiologie und Verlauf
Die Prävalenz liegt bei 1% bis 3% der Bevölkerung.
H:H. sprechen von einer „gewissen spontanen
Remissionsrate“, wenn mit dem ersten Angstanfall
einigermaßen gelassen umgegangen werden konnte.
„Je stärker die >Angst vor der Angst< das Leben der
Patienten beherrscht, desto eher neigen sie zu
Chronifizierungen und zum Übergang in phobische,
vor allem agoraphobische Krankheitsbilder.“ (H.H.,
S. 89)
238
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
„
Spezielle
Neurosen- „
„
lehre:
Angsterkrankungen
„
M. Heine
F 41.0 Panikstörung (episodisch
paroxysmale Angst) –
Psychodynamik und Pathogenese
Die Angst wird erst einmal als grundlos erlebt.
Bei kooperativen Patienten wird jedoch ausnahmslos
ein Auslöser der Angstattacke objektivierbar. Meist
handelt es sich um flüchtige Impulse, Affekte (Ärger,
Wut), Ideen, die wegen der subjektiven Bedrohlichkeit rasch unterdrückt werden. Von der Psa.
beobachteter Zusammenhang von unterdrückten
aggressiven Impulsen und Entstehen von Angstsymptomatik
Im Sinne des Konfliktmodells hätte dann der Pat.
lieber Angst als einen Konflikt mit seinem Gewissen,
mit einem anderen Bild von sich oder mit äußerer
239
Autorität.
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
„
„
Spezielle
„
Neurosen- „
lehre:
Angst„
erkrankungen
„
M. Heine
F 41 Andere Angststörungen
F 41.1 Generalisierte Angststörung –
Symptomatik nach ICD 10
Generalisierte und anhaltende, frei flottierende Angst.
Symptome unterschiedlich, aber meist einhergehend mit
ständiger Nervosität, Zittern, Muskelspannung Schwitzen,
Benommenheit, Herzklopfen, Schwindelgefühle oder
Oberbauchbeschwerden.
Häufig Befürchtungen, ein Angehöriger könnte erkranken
oder verunglücken, oder gehäuft andere Sorgen und
Vorahnungen
Diese Störung ist häufiger bei Frauen anzutreffen, oft im
Zusammenhang mit lang andauernden Belastungen durch
äußere Umstände.
240
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
„
„
Spezielle
Neurosen- „
lehre:
„
Angst„
er„
krankungen „
„
M. Heine
F 41 Andere Angststörungen
F 41.1 Generalisierte Angststörung –
Epidemiologie und Verlauf
Die Prävalenz der Generalisierten Angststörung liegt
bei 2,5% bis 5% der Bevölkerung.
Spontane Remissionsrate geringer als bei der
Panikstörung
Frauen überwiegen deutlich
Beginn eher schleichend
Krankheitsbild nicht so dramatisch, aber dennoch
schwer und meist chronisch verlaufend
Im Alter oftmals eine spontane Milderung der
Symptomatik
241
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
5. Sitzung :
M. Heine
„
F 41.1 Generalisierte Angststörung –
Psychodynamik und Pathogenese
„
Aus psychodynamischer Sicht liegt der Generalisierten
Angststörung eine psychische Schädigung des Patienten in
seiner Entwicklung zugrunde und evtl. zusätzlich eine
neurophysiologische Vulnerabilität aufgrund einer
angeborenen neurophysiologischen Erregbarkeit.
Im Sinne des Defizitmodells erlaubten die Entwicklungsbedingungen dem Patienten nicht, eine hinreichend stabile
Persönlichkeit mit wirksamen Angsbewältigungsmechanismen herauszubilden.
Stattdessen erlebt der Pat. immer wieder seine innere
„Brüchigkeit“, seine Ich-Schwäche als bedrohlich und
ängstigend. Da die Angst nur unzureichend abgewehrt
werden kann – eben wegen der vorhandenen Ich-Schwäche
– kommt es zum mehr oder weniger starken Durchbruch
der Angst als Symptom.
Spezielle
Neurosenlehre:
„
Angsterkrankungen „
242
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Definitionen:
Der psychiatrische Begriff „Zwang“ ist
erstmals 1877 von Westphal eingeführt
worden mit der Definition „Formaler
Denkzwang, dessen Inhalt oder
Gegenstand als widersinnig vom
Patienten erkannt werden muß“.
243
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Definitionen:
Nach K. Schneider kann von einem
Zwang gesprochen werden, wenn der
Betroffene sich von einem
„Bewußtseinsinhalt nicht lösen kann,
obschon er ihn gleichzeitig als
inhaltlich unsinnig oder wenigstens
ohne Grund beherrschend oder
beharrlich beurteilt“. Das subjektiv
erlebte Zwangsgefühl ist also trotz
voller Einsicht in seine Unsinnigkeit
nicht unterdrückbar.
244
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Definitionen:
Zwang kann unter den verschiedensten
Verhältnissen auftreten, in der Neurose
wie in der Psychose, in funktionellen
wie in hirnorganischen Zuständen, in
der Schizophrenie wie in der
endogenen Depression. Hier soll es
zentral um den Zwang als im Kranken
vorherrschendes neurotisches
Symptom gehen, also um die
Zwangsneurose.
245
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
„
M. Heine
Definitionen:
Für eine Definition der Zwangsneurose
lassen sich 5 Aspekte anführen (Stekel
1930):
Der Zwangskranke wird von
Vorstellungen verfolgt, die ihm fremd
erscheinen; er wird von einer inneren
Stimme zu Handlungen gezwungen,
die er als unsinnig (alogisch) beurteilt.
Er empfindet eine Art Spaltung seiner
Persönlichkeit, den Kampf zwischen
„Ich“ und „Gegen-Ich“.
246
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
„
M. Heine
Definitionen:
Zwangshandlungen werden durch die
„Todes- und Unheilsklausel“
durchgesetzt. Die Unterlassung der
Zwangshandlung führt den Tod, die
Erkrankung oder den Unfall eines dem
Kranken nahestehenden Objekts
herbei.
Der Kranke hat den direkten Glauben
an die Allmacht seiner Gedanken.
247
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
„
M. Heine
Definitionen:
Die Zwangshandlungen sind zu einem
System ausgebaut.
Neben dem Zwang besteht ein
mächtiger Affekt des Zweifels, der sich
auf die Ausführung der
Zwangshandlung bezieht. Jeder Zwang
ist mit einem Gegenzwang verbunden.
248
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
„
„
M. Heine
Epidemiologie:
Der Anteil in der
psychotherapeutischen Praxis liegt bei
unter 5 %.
Die Gesamtmorbidität in der
Bevölkerung ist sogar mit nur 0,05 %
hochgerechnet worden.
Zwangshandlungen und
Zwangsgedanken treten in den meisten
Fällen gemeinsam auf. In 25% der Fälle
klagen die Patienten allein über
Zwangsgedanken. (Vgl. Reinecker, 2003)
249
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
„
„
M. Heine
Epidemiologie:
Während man früher davon ausging,
daß Männer häufiger betroffen sind
(Hysterie bei Frauen; Zwang bei
Männern), zeigen neuere Arbeiten, daß
der Zwang bei Männern und Frauen
gleich verteilt ist.
Dabei fällt jedoch auf, daß Frauen eher
an Waschzwängen und Männer an
Kontrollzwängen erkranken.
Bei Männern beginnt die Symptomatik
durchschnittlich mit 20 Jahren, bei
250
Frauen mit etwa 25 Jahren.
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
M. Heine
„
Symptomatik:
„
1. Denkstörungen - formal und inhaltlich:
unablässiges Grübeln, ständiges Wiederholen
der gleichen Abläufe, Weitschweifigkeit,
Verlust des Blicks für das Wesentliche,
Verschiebung aufs Kleinste. Inhaltlich stehen
starke Zweifel im Vordergrund und/oder eine
Idee bildet das Zentrum des Denkens. Das
Denken ist oft auf einer magischen Ebene
angesiedelt. Den Gedanken wird eine magische
Allmacht zugesprochen: ein falscher Gedanke
kann töten, der Gedanke steht vielleicht schon
für die Tat.
251
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Symptomatik:
2. Zwangsantriebe, Zwangsimpulse,
Zwangseinfälle:
einschießende
Vorstellungen meist aggressiven oder
sexuellen Inhalts. Es sind dies als
dranghaft erlebte Gedanken und
Gefühle, einen anderen angreifen,
verletzen,
ermorden,
anspucken,
anurinieren, ansprechen, anschreien,
anstarren,
unsittlich
anfassen,
vergewaltigen usw. zu müssen.
252
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Symptomatik:
3.
Zwangshandlungen:
Magische
Rituale sollen das Böse bannen.
Kontrollzwänge
sollen
Gefahren,
schlimme Geschehnisse verhindern.
Ordnungszwänge sollen äußerlich dem
befürchteten
(inneren)
Chaos
entgegenwirken.
253
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Symptomatik:
Charakteristisch für die Zwangsneurose ist, daß der Zwangsneurotiker
sich intensiv, aber vergeblich gegen die
einschießenden Gedanken, Phantasien,
Impulse, Handlungen zur Wehr setzt;
sie als ich-dyston, gleichwohl zur
eigenen Person gehörig erlebt.
254
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Symptomatik:
Die Klassifizierung der Zwangsstörung
in der ICD 10:
„
„
„
„
„
F 42.0 vorwiegend Zwangsgedanken oder
Grübelzwang
F 42.1 vorwiegend Zwangshandlungen
(Zwangsrituale)
F 42.2 Zwangsgedanken und Zwangshandlungen, gemischt
F 42.8 andere Zwangsstörungen
F 42.9 nicht
näher
bezeichnete
Zwangsstörung
255
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
M. Heine
Psychodynamik und Pathogenese:
Genetische Faktoren:
Familiäre Häufungen und
Zwillingsstudien sprechen dafür, daß
genetische Faktoren eine Rolle spielen.
256
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
M. Heine
Psychodynamik und Pathogenese:
Somatische Faktoren:
Für die Beteiligung von somatischen
Faktoren „sprechen höhere Raten von
Zwangsstörungen bei einer Subgruppe
von Patienten, die an einem
rheumatischen Fieber oder an einer
Sydenham-Chorea erkrankten. Bei
dieser Subgruppe von Zwangsstörungen wird im Kindesalter eine
immunologische Genese angenommen.
257
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
M. Heine
Psychodynamik und Pathogenese:
Somatische Faktoren:
„Für einen neurobiologischen Kofaktor
im Erwachsenenalter spricht die
Tatsache, daß insbesondere
Schwangerschaft und Geburt häufige
Auslösefaktoren von Zwangsstörungen
sind. Anatomische Veränderungen im
Bereich kortikostriataler Hirnregionen
weisen auf mögliche neuroanatomische
Faktoren hin.“ (H.H., S. 156)
258
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
M. Heine
Psychodynamik und Pathogenese:
Somatische Faktoren:
Außerdem „müssen auch Störungen im
Bereich verschiedener Neurotransmittersysteme (insbesondere des
Serotoninstoffwechsels) angenommen
werden, wofür auch die Wirksamkeit
der selektiven SerotoninWiederaufnahmehemmer spricht.“
(H.H., S. 156)
259
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
M. Heine
Psychodynamik und Psychogenese:
Die Zwangssymptomatik entwickelt
sich meist aus Konflikten, die
innerpsychisch durch die Virulenz
anal-erotischer und anal-sadistischer
(antisoziale, motorisch-destruktive)
Wünsche entstehen. Mitunter sind
auch - vermischt - genitale Strebungen
beteiligt. Die spezifische Dynamik wird
als ein regressives Ausweichen vor den
ödipalen Konflikten aufgefaßt.
260
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Psychodynamik und Psychogenese:
Tendenziell: Im Gegensatz zur
hysterischen Neurose ist der Kern des
zwangsneurotischen Symptoms die auf
einen Triebimpuls zurückgehende
bewußte Zwangsvorstellung.
261
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Psychodynamik und Psychogenese:
Der Zwangsneurotiker weist regelhaft
ein sehr strenges Über-Ich auf. Den als
antisozial erlebten Triebwünschen
steht die Hypermoralität des Gewissens
gegenüber. Die kreativen Möglichkeiten des Ichs zur Konfliktlösung sind
eingeschränkt. Es ist so, als würden
Es- und Über-Ich-Inhalte quasi
kurzgeschlossen.
262
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Psychodynamik und Psychogenese:
Vorherrschende Abwehrmechanismen
sind: Reaktionsbildung, Regression,
Isolierung, Ungeschehen-machen,
Intellektualisierung. Affektiv erlebt der
Zwangsneurotiker meist Ambivalenz,
wodurch der Zugang, der Übergang
zum Handeln oft verstellt ist.
Außerdem vermag das Ich nicht sicher
genug zu unterscheiden zwischen
Vorstellung und Handlung (vgl.
magisches Denken).
263
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Zur Psychogenese:
Im Familienmilieu Häufung von
zwanghaften Personen. "Insgesamt
bestehen strenge, rigide legalistische,
sachbezogene, teilweise aggressive
oder auch willkürliche Entwicklungsbedingungen. Spontaneität, Eigenwille,
lebhafte Motorik und Aggressivität
müssen früh unterdrückt und mit
Angst- und Schamgefühlen abgewehrt
werden.
264
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
„
M. Heine
Zur Psychogenese:
Der äußere Zwang wird so zu einem
inneren. Statt einem Autonomiegefühl
entstehen im Kind Scham und Zweifel
(Erikson)." Quint: "Beim Zwangsneurotiker fehlt eine ausreichend
positive Beurteilung des
ausprobierenden Handels".
Eine biogenetisch mitbedingte
Verursachung der Zwangsneurose ist
wahrscheinlich. Ergänzungsreihe.
265
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Zugrunde liegende Persönlichkeit:
Häufig der sog. Zwangscharakter, der
sich durch Pedanterie, Rigidität und
Enge im Denken auszeichnet. Starkes
Bedürfnis nach Ordnung und
Sauberkeit, auch im moralischen
Bereich.
266
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
M. Heine
Zugrunde liegende Persönlichkeit:
Als weitere Persönlichkeitszüge
imponieren oft: Ängstlichkeit,
Unzulänglichkeitsgefühle,
Skrupulösität, Entschlußunfähigkeit,
peinliche Genauigkeit und
Gewissenhaftigkeit, Unfähigkeit, das
Unwesentliche zu vernachlässigen,
latent aggressive, evtl. "stänkernde",
querulatorische Haltung.
267
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
6. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die Zwangsneurose
„
„
„
„
„
M. Heine
Zugrunde liegende Persönlichkeit:
Die dynamische Struktur des Zwangscharakters (in Anlehnung an Shapiro):
Emotionale Autarkie: "Ich brauche
niemanden".
Vermeidung echt autonomer
Handlungen, um Fehler zu vermeiden.
Gefühl des Getriebenseins: Dem
Zwanghaften sitzt immer ein imaginärer Aufpasser im Nacken. Hoher
Leistungsdruck - geringes Maß an
Lustgefühlen.
268
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
„
M. Heine
7. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Die
Depression
269
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Neurosenlehre
M. Heine
Gliederung
„
Spezielle
Neurosenlehre:
„
„
„
„
„
Die
Depression
„
„
„
Historisches
Diagnostische
Merkmale
Klassifikation
Fallbeispiel
Psychodynamik
Behandlung
Diskussion
270
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Historisches
„
Bedeutung in Antike
und Mittelalter:
Depression =
Melancholie
„
Seit Anfang des 20.
Jahrhunderts:
Bemühung um
Systematisierung
und Klassifikation,
Definitionswandel
271
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
M. Heine
Historisches
„
1916
Erstveröffentlichung
des Freud´schen
Aufsatzes mit dem
Titel: „Trauer und
Melancholie“.
„
Hier wird der nicht
krankhafte Zustand der
Trauer dem Zustand der
Melancholie
gegenübergestellt.
272
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
M. Heine
Historisches
„
„Die Melancholie ist seelisch ausgezeichnet durch
eine tief schmerzliche Verstimmung, eine Aufhebung
des Interesses für die Außenwelt, durch den Verlust
der Liebesfähigkeit, durch die Hemmung jeder
Leistung und die Herabsetzung des Selbstwertgefühls,
die sich in Selbstvorwürfen und Selbstbeschimpfungen
äußert und bis zur wahnhaften Erwartung von Strafe
steigert. Dies Bild wird unserem Verständnis näher
gerückt, wenn wir erwägen, daß die Trauer dieselben
Züge aufweist, bis auf einen einzigen; die Störung des
Selbstwertgefühls fällt bei ihr weg. Sonst aber ist es
dasselbe.“ (Freud, S., 1916, GW VIII, S. 429)
273
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Definition von „Depression“
gemäß Dorsch (1998) (modifiziert):
Komplexer Begriff für
vielfältige Symptomatik,
die sich
• emotional
• kognitiv
• motorisch
• motivational und
• vegetativ / somatisch
äußert.
274
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Diagnostische Merkmale der
„Depression“
gemäß WILL (1998 / 2000):
Äußerer Eindruck:
Depressive wirken bedrückt, niedergeschlagen, traurig,
resigniert; sprechen meist mit leiser, monotoner Stimme,
das Gesicht ist oft verhärmt, „die niedergezogenen
Mundwinkel und die reduzierte Mimik und Gestik
bezeugen den Verlust an Vitalität und Lebensfreude“. Sie
erscheinen oft vorgealtert; Körperhaltung gebeugt und
kraftlos, Schultern hochgezogen, der Gang schwer, die
Haut blaß und welk, die Augen dunkel umrandet, der Blick
verschleiert und müde. Die Körperbewegungen oft
gehemmt und reduziert. Ihrer Umgebung gegenüber
zeigen sie sich gleichgültig, teilnahmslos, mitunter
verhalten sie sich aber auch mißmutig und gereizt.
275
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Diagnostische Merkmale der
„Depression“
gemäß WILL (1998 / 2000):
Psychische Symptomatik:
Leitsymptom ist die traurige Verstimmung, verbunden mit
Niedergeschlagenheit, Bedrücktheit, gelegentlich stillem
Vor-sich-hin-Weinen und einer Verzweiflung, die
untröstbar ist. Manche schwer Depressive zeigen eine
emotionale Versteinerung und Erstarrung, in der sie auch
nicht weinen können.
„Losigkeits-Symptome“: Freudlosigkeit, Lustlosigkeit,
Energielosigkeit, Interesselosigkeit, Passivität und
Apathie, mitunter auch innere Erregung und psychomotorische Unruhe. Mutlosigkeit, Verzagtheit, Resignation und
Pessimismus sind sehr häufig anzutreffen.
276
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Diagnostische Merkmale der
„Depression“
gemäß WILL (1998 / 2000):
Psychische Symptomatik (Fortsetzung):
Konzentrationsstörungen mit Verlangsamung, Hemmung
des Denkens, „Leere im Kopf“, Tendenz zum zirkulären,
unproduktiven Grübeln. „Sie neigen dazu, Probleme
überzubewerten und die eigene Person, die umgebende
Welt und die Zukunft nur noch negativ zu sehen.“ (Will)
Daraus resultieren nicht selten die depressive Entscheidungsunfähigkeit und Entschlußlosigkeit.
Störungen des Selbstwertgefühls und Minderwertigkeitsgefühle, negative Selbsteinschätzung bis hin zum
Kleinheits- oder Schuldwahn.
Angstempfindungen in Form von Verlust-, VersagensVerarmungs-, Scham- und Schuldängsten treten häufig
277
auf
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Diagnostische Merkmale der
„Depression“
gemäß WILL (1998 / 2000):
Psychische Symptomatik (Fortsetzung):
In den Beziehungen zu anderen Menschen ziehen sich
die Depressiven meist zurück oder verhalten sich außerordentlich anklammernd, was oft weitere Enttäuschungen
verursacht. Ihre Gefühlsverarmung und die Konzentration
auf die eigene Befindlichkeit beeinträchtigt den Kontakt,
ebenso der drängende Wunsch nach Zuwendung, Fürsorge und liebevoller Bestätigung. Bewußte Schuldgefühle
sind häufig und nur schwer korrigierbar, auch wenn sie für
einen äußeren Beobachter nicht begründet erscheinen.
Bei schweren Depressionen können die Patienten auch
von Wahnideen und paranoiden Fehldeutungen erfaßt
oder von hypochondrischen Überzeugungen beherrscht
278
sein.
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Diagnostische Merkmale der
„Depression“
gemäß WILL (1998 / 2000):
Körperliche Symptomatik:
Die Beschwerden werden oft diffus und wenig konkret
geschildert.
Vegetative Störungen und Mißempfindungen:
Kopfschmerzen, z. T. beschrieben als Helm- und Reifengefühl. Unspezifische Störungen des Sehens, Globusoder Würgegefühl im Hals, Druckgefühl auf den Ohren
oder Ohrgeräusche, Verminderung des Hörvermögens
oder Geräuschempfindlichkeit.
Enge im Brustkorb (Reifengefühl), Atemenge, flache und
unregelmäßige Atmung, Nicht-durch-atmen-Können,
Schmerzen in der Herzgegend, Herzjagen oder
„Herzstolpern“, Kreislaufregulationsstörungen,
279
Blutdruckschwankungen.
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Diagnostische Merkmale der
„Depression“
gemäß WILL (1998 / 2000):
Körperliche Symptomatik (Fortsetzung):
Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden mit Übelkeit,
Megendruck, Blähungen, Durchfall oder Verstopfung;
Störungen der Blasenfunktion mit Mißempfindungen,
Schmerzen und häufigem Harndrang. Häufig sind
Muskelverspannungen im Schulter-Nacken-Armbereich,
Rücken- und Nackenschmerzen, diffuse Gelenk- und
Muskelschmerzen (evtl. larvierte Depression!). Störungen
der Haut und der Schleimhäute: Zungenbrennen, trockene
Schleimhäute in Nase und Mund, diffuser Juckreiz,
trockene, blasse, eingefallene Haut, müder
Gesichtsausdruck, tiefliegende verschattete Augen,
glanzloses Haar bis hin zum Haarausfall.
280
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Diagnostische Merkmale der
„Depression“
gemäß WILL (1998 / 2000):
Körperliche Symptomatik (Fortsetzung):
Depressive klagen häufig über Ein- und Durchschlafstörungen, über Appetitverlust und in der Folge Gewichtsverlust. Das sexuelle Verlangen läßt meist nach, die
Potenz vermindert sich und es kann zu Menstruationsstörungen und Schmerzen beim Verkehr kommen.
Weitere vegetative Funktionsstörungen: Hitzewallungen,
Kälteschauer, Zittern und erhöhte Temperaturempfindlichkeit.
281
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Neurosenlehre
Nosologische Einordnung
„
„
Die
Depression
M. Heine
„
Somatogene Depressionen
„ organische Depression
„ symptomatische Depression
Endogene Depressionen
„ schizophrene Depression
„ zyklische Depression
„ periodische Depression
„ Spätdepression
Psychogene Depressionen
„ neurotische Depression
„ Erschöpfungsdepression
„ Reaktive Depression
282
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Klassifikation nach ICD 10:
„
Affektive Störungen
„F
30 manische Episode
„ F 31 bipolare affektive
Störung
„ F32 depressive Episode
„ F33 rezidivierende
depressive Störungen
„ F34 anhaltende affektive
Störung
„ F38 sonstige affektive
Störungen
283
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
M. Heine
Klassifikation nach ICD 10:
„
F32:
F33
einmalige depressive Episode
rezidiv. depressive Phasen; keine
manischen Phasen; zwischen den
Episoden i.d.R. vollständige Remission;
mehrere Monate ohne eindeutig affektive
Symptomatik
„
F34:
Dysthymia
„
zusammenhängende Perioden mit gutem
Befinden, dann monatelange Müdigkeit;
Alltag wird bewältigt
Zyklothymia
„ andauernde Instabilität der Stimmung,
zahlreiche Perioden mit leichter Depression
und leicht gehobener Stimmung
„
„
284
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Diagnostik nach ICD 10:
Mindestdauer zwei Wochen
„ mind. zwei Leitsymptome:
„ depressive/ gedrückte
Stimmung
„ Verlust von Interesse/ Freude
„ erhöhte Ermüdbarkeit
„ mind. 2-3 der weiteren
Symptome:
„
285
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Neurosenlehre
Diagnostik nach ICD 10:
„
mind. 2-3 der weiteren Symptome:
„
„
„
„
Die
Depression
M. Heine
„
„
„
„
verminderte Konzentration/ Aufmerksamkeit
vermindertes Selbstwertgefühl und
Selbstvertrauen
Schuldgefühle/ Gefühle von Wertlosigkeit
negative/ pessimistische
Zukunftsperspektiven
Suizidgedanken, Selbstverletzung,
Suizidhandlung
Schlafstörungen
verminderter Appetit
zirkadiane Schwankungen
286
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
M. Heine
Psychotische vs. Neurotische Depr.
„
Verdachtsmomente für eine
psychotische Depression
„ wahnhaftes
Die
Depression
Erleben
„ starke Vitalisierung
„ Tages- und Jahresrhythmen
„ häufig plötzlicher Beginn
„ rezidivierende Phasen
„ familiäre Häufung
287
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
M. Heine
Psychotische vs. Neurotische Depr.
„
Verdachtsmomente für eine
neurotische Depression
„ schwache
Die
Depression
Vitalisierung
„ gewöhnlich kein zyklischer Verlauf
„ schleichender Beginn
„ keine klaren Phasen
„ keine auffällige familiäre Häufung
288
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
M. Heine
Prävalenz (Vorkommen)
„
Lebenszeitprävalenz: 12-17%
„
Punktprävalenz in Bezug auf
die Weltbevölkerung: 2-7%
„
Prävalenz der
Altersdepression (> 65 J.):
15-25%
289
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
7. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
M. Heine
Prävalenz (Vorkommen)
„
„
Die
Depression
„
Depressionen = 10 -20% der
neurotischen Erkrankungen
(„neurotische“ Depression v.a. im
dritten und vierten Lebensjahrzehnt;
„psychotische“ Depression v.a. im
fünften und sechsten Lebensjahrzehnt)
Frauen häufiger von Depressionen
betroffen als Männer
290
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Ätiologie und Psychogenese
„
„
Die
Depression
M. Heine
„
Sigmund FREUD (1916): früher Objektverlust, Introjektion des ambivalent besetzten
Liebesobjekts, Selbstgefühlsminderung
Karl ABRAHAM (1924): das Modell der
„bösen Mutter“: schwere Liebesenttäuschung
an der Mutter, kindliche Urverstimmung,
Wiederbeleben der Urverstimmung in der
Erwachsenendepression
E. BIBRING (1954): Selbstwertverlust
nicht nur durch Frustration bzw.
Objektverlust, sondern auch Enttäuschung
narzißtischer Bedürfnisse (anale, phallische) 291
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Ätiologie und Psychogenese
- E. JACOBSON (1953/1971):
Selbstwertgefühlsverlust erklärt sich durch
bestimmte Energieverteilungs- und
insbesondere strukturelle Störungen der
Selbstrepräsentanz bzw. des Über-Ich
(archaisch) und des Ich-Ideals (zu hoch).
„ M. KLEIN: (Depressive Position (als
universales Stadium bzw. Zustand).
Melancholie: keine gelungene Internalisation
des guten Objekts. Aggressionshemmung
(Angst, das gute Objekt zu verlieren).
292
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Ätiologie und Psychogenese
„
Die
Depression
M. Heine
„
„
H. KOHUT: Mangelhafte Spiegelung, keine
bejahende freudige Reaktion auf die Existenz
des Kindes = „leere“ Depression.
Mangelhafte Teilhabe an Ruhe und
Sicherheit eines idealisierten Erwachsenen =
Schulddepression.
A. Green (1983): das Modell der „toten“
Mutter
St. Mentzos: das 3-Säulen-Modell
293
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
M. Heine
Ätiologie und Psychogenese
„
Lerntheoretische ätiologische Modelle
„
M. SELIGMAN: erlernte Hilflosigkeit
„
A. BECK: kognitive, pessimistische
Grundkonzepte, depressiver Affekt
sekundär, Therapie durch kognitive
Korrektur
294
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
M. Heine
Psychodynamik bei Depressiven
„
Psychodynamik nach E. Bibring (1952):
„
Voraussetzung:
„ erhöhte Verletzbarkeit des Selbstwertgefühls
„
auslösende Situation:
„ narzißtische Kränkung
„
Bedingungen:
„ Ich-Hemmung
„ Absinken der Selbstachtung
„ Hilflosigkeit
295
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
M. Heine
Psychodynamik bei Depressiven
„
Psychodynamik nach E. Bibring:
„
Hilflosigkeit entsteht durch Versagung gegenüber
den „Urwünschen“:
„ Wunsch/ Bedürfnis geliebt zu werden (emotionale
Annahme)
„ Wunsch, stark zu sein (narzißtische Annahme)
„ Wunsch, gut zu sein (moralische Annahme)
„
aus der Kluft zwischen Wünschen/ Ansprüchen und
Selbsteinschätzung entsteht depressive
Verstimmung
296
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Psychodynamik bei Depressiven
„
Psychodynamik nach E. Bibring:
„
Interaktion der psychodynamischen
Elemente:
„
Die
Depression
M. Heine
„
„
„
„
„
„
Unbewußte Verlustphantasien
Ausgeprägte Abhängigkeitsbeziehungen
Unbewußte Größenphantasien
Entstehung aggressiver Affekte
Rigide Gewissensbildung
Wendung der Aggression gegen das Selbst
Erhöhte Verletzbarkeit des Selbstwertgefühls
297
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
M. Heine
Psychodynamik bei Depressiven
„
Der depressive Grundkonflikt basiert
nach Will (2000) auf der
„
Unverträglichkeit zweier Wünsche:
einerseits dem Liebesobjekt nah sein
wollen bis zur Verschmelzung,
„ andererseits eine Wut (und eine Gier)
ausleben zu wollen, die bis zur
Zerstörung des Objekts oder seiner
selbst gehen könnte. (a.a.O., S. 88)
„
Die
Depression
298
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Psychodynamik bei Depressiven
„
Als Ursache und zugleich Folge dieses depressiven
Grundkonflikts treten in Erscheinung:
„
Die
Depression
M. Heine
Orale Konflikte und Regressionen:
Orale Wünsche nach Versorgung und Geborgenheit führen zu
starker Abhängigkeit der Depressiven vom Objekt. Die oralen
Wünsche sind dabei voller Gier (versteckt oder offen), übermäßig
und unerfüllbar, da sie die die ursprünglich erlebte Leere und den
Mangel überdecken müssen.“ (S. 89)
„
Selbstwertkonflikte: chronische Differenz zwischen
einem überhöhten Ich-Ideal und einem entwerteten Selbstbild
„
Überich- und Schuldkonflkte: „Die überaus
strengen Forderungen, Gebote und Verbote des depressiven
Gewissens äußern sich in einer Selbstkritik, die sich mit Härte
299
gegen das Ich entfaltet.
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Psychodynamik bei Depressiven
„
Psychodynamik nach S. Mentzos:
„
Die
Depression
M. Heine
Herabsetzung des Selbstwertgefühls
nimmt zentrale Stellung in den
Theorien zur Psychodynamik der
Depression ein => Theorie zur
Regulation des Selbstwertgefühls
(„Dreifuß-/ Dreisäulenmodell“)
300
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„ 8. Sitzung :
M. Heine
Neurosenlehre
Externe Stärkung
durch
Anerkennung
Stärkung
durch
Identifikation
I. Säule
II. Säule
Die
Depression
Psychodynamik bei Depressiven
Selbstwertregulation
III. Säule
Spezielle
Neuro
senLehre
nach
Mentzos
Externe Stärkung
durch
Spiegelung
301
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Reifes
Idealobjekt
Archaisches
Überich
Externe Stärkung
durch
Anerkennung
Leitbilder
Frühe
Elternimagines
Reifes
IdealSelbst
Symbiose
Stärkung
durch
Identifikation
Größenphantasien
GrößenSelbst
I. Säule
Reifes
Gewissen
Ödipales
Überich
Die
Depression
M. Heine
Psychodynamik bei Depressiven
Selbstwertregulation
II. Säule
Spezielle
Neuro
senLehre
III. Säule
„
nach
Mentzos,
1995
Externe Stärkung
durch
Spiegelung
302
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
M. Heine
Psychodynamik bei Depressiven
„
Psychodynamik nach S. Mentzos:
„ Beeinträchtigung der
Selbstwertregulation:
„ Säule
Die
Depression
1: narzißtische Zufuhr von einem
realen Objekt wird verringert oder entfällt
„ Säule 2: Objektverlust, Trennung,
Enttäuschung über das idealisierte
Objekt
„ Säule 3: Verunsicherung durch Kritik/
Strafe wegen nicht erbrachter Leistungen
303
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
M. Heine
Psychodynamik bei Depressiven
„
Psychodynamik nach S. Mentzos:
„ Regressive Aktivierung hat zur Folge
bei
„ Säule
1: Manie
„ Säule 2: Abhängigkeitsdepression
„ Säule 3: Schulddepression
„ Säule
1/2/3: „leere Depression“
304
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Psychodynamik bei Depressiven
„
Psychodynamik nach S. Mentzos:
„
Depressiver Affekt
„
Die
Depression
M. Heine
„
Ursachen:
„ schwerer realer Verlust oder Kränkung
„ unlösbar erscheinende Konflikte
„ psychophysische Erschöpfung
„ reale Hilfs- und Ausweglosigkeit
Wichtig: depressiver Affekt entspricht nicht der
klinischen Depression; entwickelt sich erst bei
längerem Anhalten und zusätzlich auftretenden
Mechanismen (häufig in Form von circuli vitiosi) zur
305
Depression
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Psychodynamik bei Depressiven
„
Psychodynamik nach S. Mentzos:
„
Drei psychische circuli vitiosi
„
Die
Depression
M. Heine
„
regressiver Rückzug von der äußeren Welt/
Realität -> Fehlen der narzißtischen Zufuhr > Auswirkung auf Säule 1 -> Überzeugung,
nicht geliebt zu werden, verstärkt sich, da
Korrektur von außen fehlt
Objektverlust/ Trennung: es findet eine
Introjektion des ambivalent besetzten
Objekts statt -> Erhöhung des
306
Konfliktpotentials -> Blockierung
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Psychodynamik bei Depressiven
„
Psychodynamik nach S. Mentzos:
„
Drei psychische circuli vitiosi
„
Die
Depression
M. Heine
Rigides Über-Ich -> Hemmung der
Frustrationsaggression -> ersatzlose
Verdrängung oder Autoaggression ->
verstärkt auftretende aggressive Regungen
-> immer größere Selbstunterwerfung und bestrafung
307
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
„
Neurosenlehre
M. Heine
Behandlungsansätze bei Depressiven
Antidepressiva
Psychotherapie
Physiotherapie
Die
Depression
Lithium
Depression
Schlafentzug
Elektrokrampftherapie
308
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Die
Depression
Neurosenlehre
M. Heine
Psychotherapie bei Depressiven
Analyse
neurotische Depression, Konflikteinsicht durch
Entfaltung der Übertragung, Analyse der
Übertragungs- und Gegenübertragungsmanifestationen, Aufdecken auch des Gegenwartsund des Vergangenheits-Unbewußten, Ziel:
psychische Umstrukturierung
Interpersonelle Therapie
konkrete Beziehungsschwierigkeiten, Psychodynamik,Übertragung/Gegenübertragung,
Bearbeitung der Vergangenheit nicht im
Mittelpunkt
309
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
8. Sitzung :
Neurosenlehre
M. Heine
Spezielle
NeurosenLehre
Psychotherapie bei Depressiven
Die
Depression
Kognitive Therapie
Verhaltenstherapie
welche Verhaltensweisen beeinflussen Stimmung
negativ, welche Aktivitäten können nicht mehr
erfolgen
Wahrnehmung, Veränderung depressiver
Kognitionen
Soziotherapie
Umfeld, Rehabilitation, Wiedereingliederung
310
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
„
Neurosenlehre
8. Sitzung :
Spezielle
NeurosenLehre
Kognitive Psychotherapie bei Depressiven
-
Die
Depression
M. Heine
-
Aufbau einer tragfähigen Beziehung
kurzfristige, entlastende Maßnahmen
Aufbau angenehmer, entlastender Aktivitäten
Abbau von belastenden Aktivitäten und
Strukturen
Aufbau von sozialer Fertigkeit und Kontakten
Veränderung einseitiger Wahrnehmung und
Bewertungsmuster sowie Korrektur
absolutistischer Grundüberzeugungen
Hautzinger, 1989
311
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Die Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen im Rahmen der ICD 10:
F 60 Spezif. Persönlichkeitsstörungen
F 61 kombinierte und andere
Persönlichkeitsstörungen
F 60.0
paranoide Persönlichkeitsstörung
F
61.0
kombinierte Persönlichkeitsstörungen
F 60.1
schizoide Persönlichkeitsstörung
F 60.2
dissoziale Persönlichkeitsstörung
F
61.1
störende Persönlichkeitsänderungen,
nicht klassifizierbar in F 60 oder F 62
F 60.3
emotional instabile
Persönlichkeitsstörung
F 60.30
impulsiver Typus
F 60.31
Borderline-Typus
F 60.4
histrionische Persönlichkeitsstörung
F 60.5
anankastische Persönlichkeitsstörung
F 60.6
ängstliche (vermeidende)
Persönlichkeitsstörung
F 60.7
abhängige Persönlichkeitsstörung
F 60.8
andere spezifische
Persönlichkeitsstörungen
F 60.9
nicht näher bezeichnete
Persönlichkeitsstörung
F 62 Andauernde
Persönlichkeitsänderung,
nicht Folge einer Schädigung
oder Erkrankung des Gehirns
F
62.0
Andauernde Persönlichkeitsänderung
nach Extrembelastung
F
62.1
Andauernde Persönlichkeitsänderung
nach psychischer Erkrankung
312
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Die Klassifikation von Persönlichkeitsstörungen im Rahmen der ICD 10:
F 60.3
F
60.30
emotional instabile Persönlichkeitsstörung
impulsiver Typus
Ö wesentliche
Charakterzüge:
emotionale Instabilität
und mangelnde
Impulskontrolle,
insbesondere aggressive
Durchbrüche häufig
F
Borderline-Typus
60.31 Ö einige Kennzeichen
emotionaler Instabilität,
oft das Selbstbild und die
„inneren Präferenzen“ unklar
und gestört;
Neigung zu intensiven, aber
unbeständigen Beziehungen;
rezid. Krisen, u. U. mit
Suiziddrohungen oder
anderen autoaggressiven
Impulshandlungen
einhergehend.
313
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
M. Heine
Borderline-Störungen
Deskriptive Analyse
Strukturelle Analyse
Psychodynamik
Ätiologie
Therapeutische Ansätze
Die folgenden Folien enthalten Exzerpte und Zusammenfassungen aus:
Kernberg O. F., 1978, 1988; Kernberg u.a. 1993, Clarkin et al., 2001, RhodeDachser, 1982; Volkan, 1992 und aus weiterer angegebener Literatur
314
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
M. Heine
Borderline-Störungen
• Der Diagnostizierung
einer BorderlinePersönlichkeit liegen
zugrunde:
• A) bestimmte typische
Symptomkomplexe
• B) eine typische
Konstellation von
Abwehrmechanismen
• C) typische Störungen im
Bereich der inneren
Objektbeziehungen
• D) charakteristische
genetisch-dynamische
Besonderheiten
M. Heine
315
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen
• Zur
• A) eine
Diagnostizierung
deskriptive
einer BorderlineAnalyse
Persönlichkeit ist • B) eine
es erforderlich:
strukturelle
Analyse
des Patienten
vorzunehmen
M. Heine
316
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen
• Im Rahmen der • die diagnostischen
Verdachtsmomente
deskriptiven
anhand der
Analyse einer
vorhandenen
BorderlineSymptomatik zu
Persönlichkeit
erfassen
gilt es:
M. Heine
317
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, deskriptive Analyse
Der Nachweis von
2 – 3 der aufgeführten
Symptome gilt als
gewichtiger Hinweis
auf eine
möglicherweise
zugrundeliegende
Borderline-Persönlichkeit:
Symptome:
1. Angst (chronisch, diffus,
frei flottierend)
2. Polysymptomatische
Neurosen
3. Polymorph-perverse
Tendenzen im
Sexualverhalten
4. Impulsneurosen und
Süchte
5. Primitive
Selbstdestruktivität
M. Heine
318
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, deskriptive Analyse
Ad 2:
Polysymptomatische
Neurosen
a) Polyphobien
b) Zwangssymptome
c) Konversionsymptome
(multiple, besonders
ausgestaltete, bizarre K.s.)
d) Dissoziative Reaktionen,
insbesondere hysterische
Dämmerzustände und
Fuguezustände sowie
Amnesien in Verbindung mit
Bewußtseinsstörungen.
e) Hypochondrie
f) Paranoide und
hypochondrische Züge
M. Heine
319
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, deskriptive Analyse
Ad 3:
PolymorphPerverse
Tendenzen im
Sexualverhalten:
„Patienten mit einer manifesten
sexuellen Deviation, in der sich
verschiedenartige perverse Tendenzen kombinieren.“... Je chaotischer
und vielgestaltiger die perversen
Phantasien und Handlungen und je
labiler die mit solchen Interaktionen
verbundenen Objektbeziehungen
sind, desto eher ist eine BorderlinePersönlichkeitsstruktur zu erwägen.
Bizarre Perversionsformen, besonders
wenn sie mit primitiven Aggressionsäußerungen oder auch mit einer
Ersetzung genitaler durch urethrale
und anale Triebziele (Urinieren,
Defäzieren) einhergehen, erwecken
ebenfalls den Verdacht auf das
Vorliegen einer Borderline-Persönlichkeitsstruktur.“ (Kernberg, 1978, S. 28)
M. Heine
320
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, deskriptive Analyse
Ad 4:
Impulsneurosen
und
Süchte:
Hiermit sind „bestimmte Formen von
schweren Charakterstörungen“
gemeint, „bei denen es chronisch
immer wieder zu Impulsdurchbrüchen
mit Befriedigung von Triebbedürfnissen kommt, und zwar mit der
Besonderheit, daß diese Arten von
Triebbefriedigung außerhalb der
„triebhaften“ Episoden ich-dyston,
während dieser Episoden aber ichsynton und sogar hochgradig lustvoll
erlebt wird. Der Alkoholismus und
andere Süchte, aber auch bestimmte
Formen psychogener Fettsucht und
Kleptomanie sind hierfür typische
Beispiele (Kernberg, 1978, S. 29)
M. Heine
321
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, deskriptive Analyse
Ad 5:
Primitive
Selbstdestruktivität:
„Zu dieser Gruppe gehören unter
anderem Patienten mit ausgeprägten
selbstdestruktiven Zügen (die auch
kein gut integriertes Über-Ich haben
und auffallend wenig in der Lage sind,
Schuldgefühle zu empfinden). Als
typisches Beispiel hierfür sind
Patienten anzuführen, die im Sinne
einer unspezifischen Entlastung von
Angst- und Spannungsgefühlen sich
selbst Schnittwunden oder sonstige
Verletzungen zufügen oder die in
einer Stimmung von großer Wut, aber
ohne eigentliche Depression, impulshafte Suizidversuche unternehmen
(Kernberg, 1978, S. 38)
M. Heine
322
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, strukturelle Analyse
Die
strukturelle
Analyse:
Die strukturelle Analyse basiert
auf der Abklärung, inwiefern
a) unspezifische Anzeichen von
Ich-Schwäche
b) primärprozeßhafte
Denkformen
c) spezifische Anzeichen von
Ich-Schwäche (wie sie durch
das Überwiegen von primitiven
Abwehrmechanismen
repräsentiert werden)
d) eine spezifische Störung der
verinnerlichten Objektbeziehungen vorliegen.
(vgl. Kernberg, 1978, S. 41)
323
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, strukturelle Analyse
Ad a):
Unspezifische
Anzeichen von
Ich-Schwäche
1. Mangelhafte
Angsttoleranz
2. Mangelhafte
Impulskontrolle
3. Mangelhaft entwickelte
Sublimierungen
4. mangelhafte
Differenzierung
zwischen Selbst- und
Objektrepräsentanzen
(vgl. Kernberg, 1978, S. 41)
M. Heine
324
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, strukturelle Analyse
Ad a):
Unspezifische
Anzeichen von
Ich-Schwäche
1. Mangelhafte
Angsttoleranz
„Eine mangelhafte Angsttoleranz läßt sich daran
ermessen, inwieweit jede
Steigerung von Angst über das
gewohnte Maß hinaus zu
weiterer Symptombildung,
alloplastischen Verhaltensweisen oder tieferer IchRegression führt. Ich möchte
betonen, daß es hier nicht auf
das Ausmaß der Angst an sich
ankommt, sondern darauf, wie
das Ich auf jede zusätzliche
Angstbelastung reagiert.“ M. Heine
325
(vgl. Kernberg, 1978, S. 41)
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, strukturelle Analyse
Ad a):
Unspezifische
Anzeichen von
Ich-Schwäche
2. Mangelhafte
Impulskontrolle
„Charakterstörungen vom Typ des
sog. >>triebhaften Charakters<< sind
ein Beispiel für eine mangelhafte
Impulskontrolle. Man muß hier
jedoch unterscheiden zwischen einer
unspezifischen, globalen Form und
andererseits einem ganz
umschriebenen und hochspezifischen
>>Mangel an Impulskontrolle<<, wie
er im Rahmen bestimmter
charakterlicher Abwehrformationen
vorkommt. ….
(vgl. Kernberg, 1978, S. 41)
M. Heine
326
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, strukturelle Analyse
Ad a):
Unspezifische
Anzeichen von
Ich-Schwäche
2. Mangelhafte
Impulskontrolle
.... In solchen Fällen zeigt sich das
Spezifische dieser Form von
>>mangelhafter Impulskontrolle<<
typischerweise an der Ichsynchronizität
des betreffenden Triebimpulses im
Moment des impulsiven Verhaltens, an der
stereotypen Wiederkehr solcher
episodischen Impulsdurchbrüche, am
fehlenden emotionalen Kontakt zwischen
dem impulsiven Persönlichkeitsanteil und
dem sonstigen Selbsterleben des Patienten und schließlich an der blanden Verleugnung, mit der solche dissoziierten
>>Durchbrüche<< nachher abgewehrt
werden.
(vgl. Kernberg, 1978, S. 42)
M. Heine
327
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, strukturelle Analyse
Ad a):
Unspezifische
Anzeichen von
Ich-Schwäche
2. Mangelhafte
Impulskontrolle
„Etwas ganz anderes ist die
unspezifische, globale Form
mangelhafter Impulskontrolle,
wie man sie typischerweise bei
infantilen Persönlichkeiten
findet. Sie erscheint hier in
Form einer unberechenbaren,
sprunghaften Impulsivität als
unspezifische Reaktion auf
jeden stärkeren Anstieg von
Angst oder Triebspannungen
gleich welcher Art.“ (Kernberg, 1978, S.
42)
M. Heine
328
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, strukturelle Analyse
Ad a):
Unspezifische
Anzeichen von
Ich-Schwäche
3. Mangelhaft entwickelte
Sublimierungen
„Die mangelhafte Ausbildung von
Sublimierungen ist wiederum
schwer zu beurteilen, denn man muß
hierzu unter anderem konstitutionell
bedingte Fähigkeiten wie z. B. das
Intelligenzniveau und besondere
Fertigkeiten abschätzen und
Begabungen gegen tatsächliche
Leistungen abwägen. Auch die soziale
Umwelt des Patienten ist in Rechnung
zu stellen. (Kernberg, 1978, S. 42)
M. Heine
329
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, strukturelle Analyse
Ad a):
Unspezifische
Anzeichen von
Ich-Schwäche
3. Mangelhaft entwickelte
Sublimierungen
„Kreative Genußfähigkeit und
kreative Leistungsfähigkeit sind die
beiden wichtigsten Aspekte der
Sublimierungsfähigkeit: sie sind
auch vielleicht die besten
Indikatoren dafür, in welchem
Ausmaß der Patient über eine
konfliktfreie Ichsphäre verfügt, und
daher ist umgekehrt ihr Fehlen ein
wichtiger Indikator für eine
Ichschwäche.“ (Kernberg, 1978, S. 43)
M. Heine
330
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, strukturelle Analyse
Ad b):
Primärprozeßhafte
Denkformen
Primärprozeßhafte Denkabläufe bei
Borderline-Patienten zeigen sich
seltener in Form von formalen
Denkstörungen, sondern eher in Form
von
1. Primitiven Phantasien
2. einer verminderten Fähigkeit
zur Berücksichtigung der
formalen Gegebenheiten des
Testmaterials
3. der Verwendung formal
auffälliger Formulierungen (vgl.
Kernberg, 1978, S. 44)
M. Heine
331
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, strukturelle Analyse
Ad c):
Spezifische
Anzeichen
von IchSchwäche
Spezifische Abwehrmechanismen auf
dem Niveau der BorderlinePersönlichkeitsorganisation:
Abwehr durch Teilung des Ichs
– wobei ein Zustand, der ursprünglich
schlicht Ausdruck mangelhafter
Integration war, nun aktiv zu
bestimmten Zwecken herbeigeführt
wird -.
1. Mechanismus der Spaltung
2. Frühformen der Projektion,
insbesondere die projektive
Identifizierung.
3. Primitive Idealisierung
4. Grobe Verleugnung
5. Omnipotenz und Entwertung
(vgl. Kernberg, 1978, S. 45)
332
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, strukturelle Analyse
Ad d):
Die spezifische
Pathologie
der verinnerlichten Objektbeziehungen
-
-
-
Unfähigkeit zur Synthese der
>>guten<< und der >>bösen /
schlechten<< Introjektionen und
Identifizierungen.
Konsequenzen: a) mangelhafte
Legierung libidinöser mit aggressiven
Triebabkömmlingen, dadurch werden
die Modulierung und Differenzierung
der Affektdispositionen des Ichs
erheblich beeinträchtigt. Daraus folgen:
dauernde Neigung zu primitiven
Affektausbrüchen und häufig eine
mangelnde Fähigkeit zu echten
Schuldgefühlen und tiefer Anteilnahme.
b) „schwerwiegendes Hindernis für die
Überich-Integration.
c) auch die Zusammensetzung des IchIdeals behindert die ÜberichIntegration.
(vgl. Kernberg, 1978, S. 55)
M. Heine
333
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Ätiologie
•
Gespaltene Partial-Selbst- und Partial-Objekt-Repräsentanzen
Part.-Selbst-Repr. -
Part.-Objekt-Repr. -
Part.-Objekt-Repr.-
Part.-Selbst-Repr. -
Part.-Selbst-Repr.+
Part.-Objekt-Repr. +
Part.-Objekt-Repr.+
Part.-Selbst-Repr. +
M. Heine
334
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Ätiologie
• Gespaltene Partial-Selbst- und Partial-Objekt-Repräsentanzen,
• bei Dominanz negativ valenter Partial-Repräsentanzen
Part.-Selbst-Repr. Part.-Selbst-Repr.+
Part.-Objekt-Repr. Part.-Objekt-Repr. +
Part.-Objekt-Repr.Part.-Objekt-Repr.+
Part.-Selbst-Repr. -
Part.-Selbst-Repr. +
M. Heine
335
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Ätiologie
•
Normale Organisation
Part.-Objekt-Repr. +
+
Part.-Objekt-Repr. -
Part.-Objekt-Repr. +
+
Part.-Objekt-Repr. -
Part.-Objekt-Repr. +
+
Part.-Objekt-Repr. -
Part.-Objekt-Repr. +
+
Part.-Objekt-Repr. -
Part.-Selbst-Repr.+
+
Part.-Selbst-Repr.-
Part.-Objekt-Repr. +
+
Part.-Objekt-Repr. -
Part.-Objekt-Repr. +
+
Part.-Objekt-Repr. -
Part.-Objekt-Repr. +
+
Part.-Objekt-Repr. -
M. Heine
336
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Ätiologie
- ein Übermaß an primärer
Aggression
Der
- oder auch an sekundärer,
wichtigsten
frustrationsbedingter
Aggression ;
ätiologischen - weitere pathogene
Faktoren sind vermutlich
Faktoren
auch bestimmte
Entwicklungsdefekte der
primären Ich-Apparate
und eine mangelhafte
Angsttoleranz
(vgl. Kernberg, 1978, S. 57)
M. Heine
337
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Ätiologie
Konsequenzen:
-
Erstens wird durch die
mangelhafte Legierung
libidinöser mit aggressiven
Triebabkömmlingen die
normalerweise stattfindende
Modulierung und Differenzierung
der Affektdispositionen des Ichs
erheblich beeinträchtigt, so daß
eine dauernde Neigung zu
primitiven Affektausbrüchen
bestehen bleibt.
(vgl. Kernberg, 1978, S. 57)
M. Heine
338
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Ätiologie
Konsequenzen:
-
Weiterhin kann auch die
besondere Affektdisposition, die
etwas mit der Ichfähigkeit,
Depression, Anteilnahme, und
Schuldgefühl zu empfinden, zu
tun hat, gar nicht erlangt werden,
solange positive und negative
Introjektionen noch nicht
zusammengekommen sind. ...
Borderline–Patienten mangelt es
oft an der Fähigkeit zu echten
Schuldgefühlen und tiefer
Anteilnahme gegenüber anderen
Menschen.
(vgl. Kernberg, 1978, S. 57)
M. Heine
339
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Ätiologie
Alternative ätiologische
Annahmen:
-
These von Abend et al.:
-
-
Kritik von Wurmser:
-
-
Die Spaltung im Erleben des Kleinkindes sei nicht Ausdruck der normalen Entwicklung, sondern stelle
sich bereits als Folge einer pathologischen frühen Entwicklung dar.
Mit der Akzentuierung des ichstrukturellen Defizits gehe die Gefahr
einher, die Konflikthaftigkeit der
Innenwelt von Borderline–Patienten
nicht genau genug wahrzunehmen.
Kritik und These von Fonagy, Target,
Gergely und Jurist:
-
Die Disposition zur Herausbildung
einer Borderline-Störung gehe darauf
zurück, daß der Patient nicht die
Möglichkeit hatte, sich hinreichend
die Fähigkeit zur Mentalisierung
anzueignen, sondern auf den sog.
Äquivalenzmodus fixiert blieb.
M. Heine
340
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Charakterzüge
Typische
Charakterzüge
der Patienten mit
BorderlinePersönlichkeits-
-
„Sobald sich eine Situation
ergibt, aus der normalerweise eine tiefere zwischenmenschliche Beziehung
entstehen könnte, zeigt sich
die Unfähigkeit dieser
Patienten zu wirklicher
Einfühlung und echtem
Mitgefühl, ihre unrealistisch
verzerrte Wahrnehmung
anderer Personen und die
dem Selbstschutz dienende
Flachheit ihrer emotionalen
Beziehungen.“
-
(Kernberg, 1978, S. 58)
struktur :
M. Heine
341
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Charakterzüge
Typische
Charakterzüge
der Patienten mit
BorderlinePersönlichkeits
-
„Ein weiterer Wesenszug dieser
Patienten betrifft die insgesamt
stark mit Aggression durchsetzten
prägenitalen und genitalen
Triebziele, die in ihrem Verhalten
mehr oder weniger subtil oder
auch in primitiverer, direkterer
Form zum Ausdruck kommen.
Unverhüllte ausbeuterische
Tendenzen, eine maßlose
Ansprüchlichkeit und die
rücksichtslose und taktlose
Manipulation anderer Menschen
sind nur einige der Züge, die sich
leicht feststellen lassen. Die
schon erwähnte Tendenz zur
Entwertung der Objekte gehört
ebenfalls dazu.“
-
(Kernberg, 1978, S. 59f)
struktur :
M. Heine
342
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Entwicklung
psychotherapeutischer
Techniken für
die
Behandlung
von BorderlinePatienten
Seit der Erstveröffentlichung des
Buches: `Borderline Conditions and
pathological Narcissism´, von Kernberg
im Jahr 1975 wurde der psychodynamische Ansatz zur Behandlung von
Borderline- und narzißtischen Persönlichkeiten stetig weiterentwickelt, wie
sich dies in einer Unzahl an Literatur zu
diesem Thema niederschlägt (sh.
Literaturverzeichnis). Später wurden die
Behandlungskonzepte auch auf andere
schwere Persönlichkeitsstörungen
bezogen. Eine Autorengruppe um
Kernberg hat sich in ihrer vorläufig
letzten sehr detaillierten Darstellung der
Behandlungsmethodik darum bemüht,
ein Manual zur Psychotherapie der
Borderline-Persönlichkeit vorzulegen.
343
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Prinzipien der übertragungsfokussierten Psychotherapie
(Transference-Focused
Psychotherapy, TFP)
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg
(2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
-
„Die Schwerpunkte und
strategischen Prinzipien der
übertragungs-fokussierten
Psychotherapie (TFP) basieren
auf einem objektbeziehungstheoretischen, psychodynamischen Verständnis der
Persönlichkeitsstörung .... .“
M. Heine
344
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
„Das hier dargestellte Therapieverfahren ist primär darauf ausgerichtet,
an den unreifen Abwehrmechanismen
anzusetzen, wie sie für die BorderlineStörung charakteristisch sind.“
Es ist zu erwarten, daß „sich in der
psychodynamischen Therapie eine
spezifische Beziehung entwickelt, in
der diese unreifen Abwehrmechanismen in ihrem vollen Ausmaß aktiviert
werden. Der Therapeut versucht, diese
Abwehr nicht zu unterdrücken, sondern
sie dem Patienten verstehbar und in
ihrer bisherigen Funktion bewußt zu
machen.“
M. Heine
345
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
„Das Hauptziel der TFP
besteht darin, die typischen Muster in
den internalisierten Objektbeziehungen
bei Patienten mit einer BorderlinePersönlichkeitsorganisation zu
verändern, die zu den wiederkehrenden
fehlangepaßten Verhaltensweisen und
den chronischen affektiven und
kognitiven Störungen führen, die für
diese Psychopathologie
charakteristisch sind. …
→
M. Heine
346
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Aus unserer Sicht beinhaltet eine
tiefgreifende Veränderung der psychischen
Grundstruktur auch eine Lockerung der
fixierten internalisierten Objektbeziehungen
und eine Integration der abgespaltenen
Selbst- und Objektrepräsentanzen in ausgewogenere, reifere und flexiblere Vorstellungen von sich selbst und den anderen. ...
Eine derartige Veränderung ... wird schrittweise erreicht, indem er (der Patient) in der
therapeutischen Beziehung erlebt, wie ihn
der Therapeut immer wieder unterstützt,
sich seiner gespaltenen und polarisierten
Selbst- und Objektrepräsentanzen bewußt
zu werden, die für die Heftigkeit und das
Chaos in seinem subjektiven Erleben
verantwortlich sind.“ ...
347
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
„Das grundlegende Konzept der
psychodynamischen Therapie
von Persönlichkeitsstörungen
besteht darin, die Pathologie des
Patienten als eine im „Hier-und-Jetzt“
stattfindende unbewußte Wiederholung
pathogener, internalisierter
Beziehungserfahrungen aus der
Vergangenheit anzusehen. Unbewußte
Konflikte der Vergangenheit, die als
internalisierte Beziehungsmuster in der
Psyche verankert sind, werden
symbolisch immer wieder reinszeniert
und vom Patienten als aktuelle Realität
erlebt.“
348
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
„Übertragungen …
(sind) Wiederholungen von Objektbeziehungsmustern in der Gegenwart, die auf
frühen internalisierten und in der
psychischen Struktur niedergeschlagenen
Erfahrungen – häufig in verzerrter Form –
beruhen; die so entstandenen Strukturen
bestimmen das gegenwärtige Erleben von
Realität und Beziehungen des Betreffenden.
Bei Borderline-Patienten enthalten die internalisierten Beziehungsmuster primitive Anteile und führen zu pathologischen Beziehungen zum Selbst und zu anderen Personen.
Die pathologischen Muster entfalten sich in
den Reaktionen des Patienten auf den
Therapeuten und stellen die wichtigsten
Mittel für das Verstehen und Intervenieren in
der inneren Welt des Patienten dar.“ (S. 59)
349
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Die Therapieziele werden durch
die drei folgenden strategischen
Prinzipien erreicht:
das Erkennen der dominanten Objektbeziehungsmuster des Patienten, wie
sie sich in der Übertragungsbeziehung
zwischen Therapeut und Patient
darstellen;
die Analyse des Rollenwechsels
(beispielsweise wenn der Pat.
unbewußt zwischen der Opfer- und der
Täterrolle hin und her wechselt.)
die Integration positiver und negativer
Sichtweisen von sich selbst (OpferTäter) und wichtigen Bezugspersonen.
350
M. Heine
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Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
„Die
drei Grundbestandteile
der Interventionstechnik
… sind
Klärung, Konfrontation
und Deutung der
Übertragungsbeziehung
zwischen Therapeut und Patient
im "Hier-und-Jetzt“.“
351
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Klärung, Konfrontation,
Deutung
Klärung Ö besteht darin, dass der
Therapeut das subjektive Erleben
des Patienten mit seinen unklaren
oder verwirrenden Anteilen so lange
bespricht, bis entweder der Patient
sich verwirrt fühlt, weil ein
Widerspruch zutage getreten ist,
oder aber beide, Therapeut und
Patient, genau verstanden haben,
was besprochen wurde.
352
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Klärung, Konfrontation,
Deutung
Konfrontation Öbedeutet, dass der
Therapeut zuvor geklärte Informationen, die einander widersprechen, in
Konflikt miteinander stehen oder
keinen Sinn ergeben, zusammenträgt
und den Patienten dann taktvoll mit
diesem Material konfrontiert. Vor allem
in den frühen und mittleren Phasen
der Therapie werden die Schritte
Klärung und Konfrontation vor den
Deutungen den Vorrang haben.
353
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Klärung, Konfrontation,
Deutung
Deuten Ö heißt in diesem
Therapieverfahren in erster Linie,
Objektbeziehungen bewusst zu
machen, die unbewusst erlebt werden
und sich entweder im Agieren oder in
körperlichen Symptomen äußern.
Der Deutungsprozeß Ö besteht
schließlich darin, klare Hypothesen zu
den beobachteten Widersprüchen und
Gegensätzen aufzustellen, so dass
diese verstehbar werden.
354
M. Heine
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Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Grundprinzip der
psychodynamischen Therapie
Ö von
einer Position der
technischen Neutralität aus zu
intervenieren.
– „Technische Neutralität ist unentbehrlich in der TFP, weil diese Position es
dem Therapeuten erlaubt, alle an den
Konflikten des Patienten beteiligten
Kräfte zu beobachten, zu verstehen
und die Interaktion zwischen ihnen zu
analysieren.
– Beibehalten der technischen
Neutralität bedeutet nicht, mit dem
Patienten oberflächlich und
emotionslos umzugehen.“
355
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Schritte in der Formulierung
von Deutungen
a) Erkennen und Benennen der aktuell
aktivierten Objektbeziehung.
b) Klärung, wer innerhalb der Dyade
zu welchem Zeitpunkt gerade welche
Position einnimmt.
c) Integration der voneinander
abgespaltenen Rollen in der
Übertragungssituation.
356
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Prinzipien zum Erreichen
therapeutischer Ziele
Der Patient bestimmt den Inhalt der
Stunde.
Der Therapeut fokussiert die Themen,
bei denen der Affekt des Patienten am
intensivsten ist.
Auf das Material achten, das direkt
oder indirekt auf den Therapeuten
Bezug nimmt, „da sich der Affekt des
Pat. oftmals auf das Hier-und-Jetzt“ in
der Therapie bezieht.
Ö
357
M. Heine
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Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Prinzipien zum Erreichen
therapeutischer Ziele
„In der frühen Phase der Therapie eines Borderline-Patienten ist es - ... – typisch, dass der
Patient verbal die am wenigsten wichtige Information übermittelt und dass sich die tieferen,
die bedeutsameren und vorwiegend unbewußten Informationen durch sein Verhalten und in
der Gegenübertragung des Therapeuten
mitteilen.“
Registrieren, welcher der drei Informationskanäle am stärksten affektiv besetzt ist.
Ö
358
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Prinzipien zum Erreichen
therapeutischer Ziele
„Während Übertragung und Gegenübertragung
bei Borderline-Patienten in der Regel rasch
wechseln, muss der Therapeut neben den sich
ständig verändernden Gegenübertragungsgefühlen auch seine anhaltende Gegenübertragungsdisposition prüfen.“
„Bei Borderline-Patienten besteht ein recht
hohes Risiko eines gefährlichen Gegenübertragungsagierens. ... „Der Therapeut läuft vor
allem Gefahr, projizierte Aggression in
Handlung umzusetzen, indem er bei Verhaltensweisen des Patienten, die gefährdend für die
Therapie sind, „mitspielt“ oder sie nicht
konfrontiert.“
359
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Strategische Prinzipien
der Behandlung in
Grundzügen
Ziel der TFP ist es, Patienten mit BorderlinePersönlichkeitsorganisation zu helfen,
mehrdimensionale, zusammenhängende und
integrierte Bilder von sich und anderen zu
entwickeln. ... Der Therapeut zeigt dem
Patienten hierzu die jeweils aktivierten TeilSelbst- und Teil-Objektbilder und die Abwehrmechanismen auf, die deren
Aufrechterhaltung als nicht integrierte
Fragmente vollständiger Selbst- und
Objektrepräsentanzen dienen.
360
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Strategisches Prinzip 1:
Definieren der dominanten
Obektbeziehungen
Schritt 1: Erleben der Verwirrung -> häufig schon in
der ersten Stunde beunruhigende, gespannte,
bedrohliche oder konfuse Atmosphäre. Die
Verwirrung verstärkt im Therapeuten das Gefühl
von Hilflosigkeit. Der Therapeut sollte die
Verwirrung unvoreingenommen auf sich wirken
lassen und sollte aufmerksam auf die spezifische
Qualität der in ihm ausgelösten Gefühle achten
(Gegenübertragung) achten, da sie ihm als
wichtiger Hinweis auf einen derzeit im Patienten
aktiven gleichartigen oder komplementären
Gefühlszustand dienen kann.
361
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Strategisches Prinzip 1:
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Definieren der dominanten
Obektbeziehungen
¾
Schritt 2:
Erkennen der dominanten
Objektbeziehungen
¾
Rückschlüsse über die internalisierten
Objekte können lediglich aus den
wiederhergestellten Interaktionsmustern des
Patienten in seinen Beziehungen zu anderen
Personen, insbesondere zum Therapeuten,
gezogen werden. ... Indem der Therapeut sich
die Rollen verdeutlicht, die der Patient gerade
einnimmt bzw. dem Therapeuten zuschreibt,
kann er ein lebendiges Bild der Repräsentanzenwelt des Patienten gewinnen.
362
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Strategisches Prinzip 1:
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Definieren der dominanten
Obektbeziehungen
¾
Schritt 3:
¾
Deuten dann, wenn der Patient noch emotional
beteiligt, die Intensität des Affekts aber im
Abnehmen begriffen ist. „Der Therapeut sollte den
Prozess so genau wie möglich beschreiben und
Details erfassen, welche die Individualität des
Patienten widerspiegeln.“ Metaphern bieten oft eine
schöne Möglichkeit der Verdichtung, um die
Komplexität von Selbst- und Objektvorstellungen zu
erfassen. ….“
Benennen der Akteure
363
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Strategisches Prinzip 1:
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Definieren der dominanten
Obektbeziehungen
¾
Schritt 4: Beobachten der Reaktion des
Patienten
¾
Nach Benennen der aktivierten Teil-Selbst- bzw.
Teil-Objekt-Dyade aufmerksam die Reaktionen des
Patienten beobachten! Mögliche Varianten:
¾
a) Die beschriebene Selbst-Objekt-Interaktion wird
noch verstärkt.
¾
b) Es kommt zum Rollentausch, z. B. benanntes
Selbstbild wird auf den Therapeuten projiziert ...
¾
c) Die Charakterisierung kann zu erkennbarer
Einsicht führen. Der Patient liefert weiteres
entsprechendes, auch neues Material.
364
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Strategisches Prinzip 1:
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Definieren der dominanten
Obektbeziehungen
¾
Schritt 4: Beobachten der Reaktion des
Patienten
¾
Plötzliche Aktivierung einer andersartigen
Objektbeziehungsdyade.
¾
Eine zutreffende Rollenbeschreibung kann auch auf
totale Ablehnung stoßen.
„Mit Fortschreiten der Therapie werden zutreffende
Interventionen häufiger zu einer Verlagerung weg
von den geschilderten Dyaden und hin zu einer
Aktivierung einer entgegengesetzten Dyade führen.
Einander entgegengesetzte Selbst- und einander
entgegengesetzte Objektrepräsentanzen können
dann innerhalb einer einzigen Sitzung präsent sein.
In diesem Fall kann die Deutung der Spaltung für
den Patienten besonders bedeutsam sein.“ ....
•
365
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Strategisches Prinzip 2:
Beobachten und Deuten
der Rollenwechsel
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
•
•
•
„Der Therapeut sollte für jeden Patienten
eine Reihe von Charakteren festlegen
und die einzelnen Akteure mit Hilfe von
Adjektiven so genau wie möglich
beschreiben.
Üblicherweise werden die Rollen
alternierend gespielt. .... ... ist sich der
Patient häufig nicht im klaren, welche
Rolle er gerade einnimmt ...“
Ein Rollenwechsel geht häufig dann vor
sich, wenn der Therapeut plötzlich den
Eindruck hat, den Faden verloren zu
haben.
366
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
Strategisches Prinzip 3:
Beobachten und Deuten der
Zusammenhänge zwischen sich
gegenseitig abwehrenden
Objektbeziehungsdyaden
„In der Arbeit mit Borderline-Patienten muß der
Therapeut nicht nur die unterschiedlichen Zerrbilder, aus denen sich die Dyaden zusammensetzen, und die Oszillationen zwischen Selbst- und
Objektrepräsentanzen innerhalb dieser Dyaden
herausarbeiten, sondern er muß außerdem die
Funktion erkennen, die eine Dyade in der Beziehung
zu einer anderen ausüben kann, um die Fragmentierung und die Konflikte in der inneren Welt des
Patienten vollständig verstehen zu können.“
367
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Strategisches Prinzip 4:
Integrieren der
abgespaltenen Teil-Objekte
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
¾
¾
¾
¾
¾
¾
Kennzeichen der schrittweisen Integration
von seiten des Patienten:
„Äußerungen des Patienten, die entweder eine
Erweiterung oder eine zusätzliche Klärung der
Kommentare des Therapeuten enthalten.
Bewahren und Tolerieren von bewußt
gewordenem Haß.
Toleranz von Phantasien und Öffnung eines
Übergangsraums
Toleranz und Fähigkeit zur Integration von
Deutungen primitiver Abwehrmechanismen,
insbesondere der projektiven Identifizierung.
Durcharbeiten des pathologischen
Größenselbst in der Übertragung.
368
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Strategisches Prinzip 4:
Integrieren der
abgespaltenen Teil-Objekte
Clarkin,
Yeomans,
Kernberg (2001) :
Psychotherapie der
BorderlinePersönlichkeit
¾
¾
¾
Kennzeichen der schrittweisen Integration von
seiten des Patienten:
Änderungen in dominanten Übertragungsthemen.
Die Fähigkeit, Schuldgefühle zu erleben und in eine
depressive Position einzutreten. ... Diese Position
ist insofern depressiv, als das Individuum den
Verlust des primitiven idealen Objekts betrauern
und die Realität akzeptieren muß, daß es kein
ideales Objekt gibt.“ ... Das „Gefühl von Schuld und
Sorge geht einher mit dem Bemühen, ambivalent
geliebten Objekten gegenüber etwas wiedergutzumachen; es bildet die Grundlage für eine reifere
Abhängigkeit, Dankbarkeit und Kooperation in der
Arbeit mit dem Therapeuten und auch für eine
Ausdehnung dieser Fähigkeiten auf Beziehungen
außerhalb des therapeutischen Rahmens.“
369
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Die „dialektische
Verhaltenstherapie“:
Die DVT kombiniert eine Gruppenbehandlung mit einer Einzelpsychotherapie, in der psychodynamische
Ansätze, verhaltenstherapeutische
Techniken und Pharmakotherapie zur
Anwendung kommen.
Der Fokus der DVT
… wird auf die schweren dysfunktionalen
Verhaltensmuster, einschließlich des
suizidalen Verhaltens, gelegt.
370
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Die „dialektische
Verhaltenstherapie“:
• Die theoretischen
Grundlagen der Behandlung
-> werden gebildet durch
•
•
•
•
eine biosoziale Theorie,
dialektisch philosophische
Annahmen,
die Zen-Prinzipien und
die verhaltenstheoretisch
fundierten Prinzipien, die nach
wie vor die Auswahl der
Strategien bestimmen.
371
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Die „dialektische
Verhaltenstherapie“:
Der Begriff „kognitiv“ wurde
ersetzt durch den Begriff
„dialektisch“
-> weil die Behandlung nicht mehr auf
einer kognitiven Theorie der Verhaltensund emotionalen Dysfunktion basiert;
„weil ein breiterer, theoretischer
Rahmen benötigt wurde, der die
modifizierte philosophische,
theoretische und technische Grundlage
der Behandlung umfassen konnte.
372
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Die „dialektische Verhaltenstherapie“:
Biosoziale Theorie
Basishypothese:
Die DVT geht davon aus, daß „die
Verhaltensmuster bei der BorderlinePersönlichkeitsstörung
entweder funktionell in Beziehung zu
einer fundamentalen Dysregulation
des emotionalen Systems stehen
oder unvermeidbare Konsequenzen
dieser Dysregulation sind. …
373
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Die „dialektische Verhaltenstherapie“:
Biosoziale Theorie
„Diese systemische Dysregulation ist
eine Folge von emotionaler
Vulnerabilität in Kombination mit
ausgeprägten Schwierigkeiten,
emotionale Reaktionen zu steuern.“
Emotionale Vulnerabilität
Ö hohe Sensitivität für emotionale Reize
Ö heftige emotionale Reaktionen
Ö langsame Rückkehr zur Baseline
374
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Die „dialektische Verhaltenstherapie“:
Biosoziale Theorie
„Defizite in der Regulation von Emotionen sieht
Linehan „möglicherweise verursacht“ dadurch,
daß Borderline-Patienten nicht hinreichend in der
Lage sind:
stimmungsabhängige dysfunktionale
Verhaltensweisen zu hemmen;
ihr Verhalten auf Ziele auszurichten, unabhängig von
momentanen Stimmungen;
ihre physiologische Erregung situationsadäquat zu
steigern oder zu verringern;
die Aufmerksamkeit von emotional erregenden
Reizen abzuziehen;
dem emotionalen Erleben (zu begegnen(?)), ohne
sofortigen Rückzug oder ohne weitere extreme
negative Emotion zu entwickeln.
375
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Die „dialektische
Verhaltenstherapie“:
Biosoziale Theorie
Die Mechanismen der initialen Dysregulation
seien unklar geblieben!
Allerdings geht Linehan davon aus, „daß
biologische Faktoren eine wichtige Rolle
spielen würden.“ Diese könnten sich
zusammensetzen aus genetischen
Einflüssen, pränatalen Faktoren und
traumatischen Kinheitserlebnissen, die die
Entwicklung des Gehirns und des
Nervensystems betreffen.
376
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Die „dialektische Verhaltenstherapie“:
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Biosoziale Theorie
Aus der Perspektive von Linehan haben Emotionen eine
kognitive Bewertungskomponente, eine physiologische
oder biochemische Komponente, eine
phänomenologische Erfahrungskomponente, eine
muskuläre und mimische Komponente, und eine
Handlungskomponente.[1]
„Es ist das System, das dysreguliert ist.“
•
[1] Eine kommunikative Komponente von Emotionen findet auffälligerweise keine
Erwähnung.
Linehan betont, daß - angeblich im Unterschied zu
anderen Theorien - die DVT annehme, daß die
Regulation und Toleranz aller Emotionen
dysfunktional vonstatten gehe. Daraus leite sich
das Postulat ab, spezifisch emotionale
Erfahrungen und Dysregulationen im jeweiligen
Einzelfall „äußerst gründlich“ zu erfassen.
377
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Die „dialektische
Verhaltenstherapie“:
Biosoziale Theorie
Invalidierende Umfelder
Damit sich eine BorderlinePersönlichkeitsstörung entwickelt,
reicht eine anfängliche temperamentsbedingte Vulnerabilität gegenüber
emotionaler Dysregulation nicht aus.
Hinzutreten müsse ein sog.
„invalidierendes Umfeld“.
378
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Die „dialektische
Verhaltenstherapie“:
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Biosoziale Theorie
Invalidierende Umfelder
•
•
Ö Tendenz, persönliche Erfahrungen zu
negieren und / oder unberechenbar und
unangemessen (?) auf sie zu reagieren;
Ö Insbesondere emotionale Erfahrungen
und Interpretationen von Ereignissen
werden oft als nicht angemessene
Reaktionen betrachtet, werden bestraft,
trivialisiert, abgetan oder nicht beachtet, und
/ oder sie werden auf sozial unakzeptierte
Eigenschaften zurückgeführt, z. B. auf
Überempfindlichkeit, Boshaftigkeit e.t.c.
379
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Die „dialektische
Verhaltenstherapie“:
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Biosoziale Theorie
Invalidierende Umfelder
•
•
•
•
Ö Es werden negative Emotionen unterstellt
(Projektionen) und zugleich werden negative
Affekte kaum geduldet.
Ö Die Notwendigkeit der Kontrolle von
Emotionen wird sehr betont.
Ö Tendenz, das Verhalten vor allem durch
Strafen zu regulieren.
Linehan geht davon aus, daß sexueller
Missbrauch der Prototyp des invalidierenden
Umfeldes für Kinder sei.
380
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Die „dialektische Verhaltenstherapie“:
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Biosoziale Theorie
Invalidierende Umfelder
•
Die Betroffenen würden auf diese Weise lernen,
ihren inneren Zuständen zu misstrauen, und
würden stattdessen in ihrer Umgebung nach
Anhaltspunkten dafür suchen, wie sie zu handeln,
zu denken und zu fühlen hätten. (gilt vor allem für
die abhängige Persönlichkeitsstörung oder / und
das sog. „falsche Selbst (Winicott))
•
In auffälliger Übereinstimmung mit gleichlautenden Formulierungen der Psychodynamik versteht
Linehan „die für die Borderline-Persönlichkeitsstörung charakteristischen dysfunktionalen Verhaltensweisen als fehlangepaßte Lösungsversuche für überwältigenden, äußerst schmerzhaften negativen Affekt“.
381
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Die „dialektische Verhaltenstherapie“:
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Richtlinien für die kognitive Therapie der
Persönlichkeitsstörungen
•
•
•
•
•
- Interventionen sind am wirksamsten, wenn sie
auf einer individualisierten Konzepterstellung der
Probleme des Klienten beruhen.
- Es ist sowohl für den Therapeuten als auch für
den Klienten wichtig, miteinander auf klar
festgelegte, gemeinsame Ziele hinzuarbeiten.
- Es ist wichtig, der Therapeut-Klient-Beziehung
mehr Aufmerksamkeit als gewöhnlich zu
schenken. -> Das, was im psychoanalytischen
Bezugsrahmen „Übertragung“ genannt wird, seien
„aus kognitiver Sicht Übergeneralisierte
Überzeugungen und Erwartungen, die der Klient in
Beziehungen zu Bezugspersonen erworben hat.
- Überlegen Sie, mit therapeutischen Schritten zu
beginnen, die kein ausführliches Sich-Öffnen
erfordern.
- Interventionen, die das Gefühl der
Selbstwirksamkeit des Klienten stärken,
reduzieren oft die Intensität seiner Symptomatik
und erleichtern andere Interventionen.“
382
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Borderline-Störungen, Psychotherapie
Marsha M.
Linehan (1996) :
Grundlagen der
dialektischen
Verhaltenstherapie
bei BorderlinePersönlichkeitsstörungen
In: Schmitz, Fydrich,
Limbacher: Persönlichkeitsstörungen:
Diagnostik und
Psychotherapie, BeltzVerlag, Weinheim, 1996,
S. 179 – 199
Die „dialektische Verhaltenstherapie“:
Richtlinien für die kognitive Therapie der
Persönlichkeitsstörungen
•
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•
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- Verlassen Sie sich nicht hauptsächlich auf verbale
Interventionen. -> Hierarchie von Verhaltensexperimenten
- Bemühen Sie sich, die Ängste Ihres Klienten zu
erkennen und anzusprechen, bevor sie Veränderungen
initiieren.
- Helfen Sie dem Klienten, angemessen mit aversiven
Emotionen umzugehen.
- Rechnen Sie mit Problemen hinsichtlich der
Compliance.
- Gehen Sie nicht davon aus, daß der Klient in einem
„vernünftigen“ Umfeld lebt. -> Bei der Initiierung von
Veränderungen ist es (daher) wichtig, die zu erwartenden
Reaktionen der Bezugspersonen im Umfeld des Klienten
einzuschätzen, anstatt nur anzunehmen, sie seien
angemessen.
- Achten Sie während des Therapieverlaufs auf ihre
eigenen emotionalen Reaktionen. -> „Da emotionale
Reaktionen nicht zufällig entstehen, ist eine
außergewöhnlich starke Gefühlsregung wahrscheinlich
eine Reaktion auf einen bestimmten Aspekt des
Klientenverhaltens.“
- Seien Sie realistisch hinsichtlich der Dauer und der Ziele
der Therapie sowie der Maßstäbe, die Sie an sich legen.383
M. Heine
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Charakterneurose
M. Heine
„
Der hysterische Charakter
„
Als auffällige Persönlichkeitszüge treten
in Erscheinung:
Fordernde Abhängigkeit,
Egozentrismus, Bedürfnis,
Aufmerksamkeit zu gewinnen, evtl.
Theatralik, Exhibitionismus, Angst vor
der Sexualität, Labilität des Affektes,
(oft unbewußte) sexuelle Provokation
und Suggestibilität, wodurch sie den
Eindruck von Inauthentizität
vermitteln, u. U. auch Pseudologia
phantastica.
„
384
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Charakterneurose
M. Heine
„
Der hysterische Charakter
„
Die Partnerbeziehungen der
hysterischen Persönlichkeit:
Charakteristisch sind häufige Szenen
und ein immer wieder erneutes Herstellen der als problematisch erkannten
Arrangements. Daraus entwickelt sich
oft die sog. "sado-masochistische
Kampfehe". Hysterische Frauen wählen
als Partner oft zwanghaft-depressive
Männer und umgekehrt, nach Willi
handelt es sich dabei um eine
spezifische neurotische Kollusion.
„
385
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Charakterneurose
M. Heine
„
Der hysterische Charakter
„
Psychogenese und zugrundeliegende
Dynamik
Pathogenese: konstitutioneller Faktor.
Entwicklungsstörungen lassen sich
insbesondere in der oralen Phase, dort
besonders bei der Abhängigkeitsthematik, und in der ödipalen Entwicklung
mit einer Fixierung an den gegengeschlechtlichen Elternteil nachweisen.
„
„
386
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Die histrionische Persönlichkeit
„
„
„
„
„
M. Heine
Merkmale der histrionischen
Persönlichkeitsstörung (ICD
10: F 60.4)
Dramatisierung bezügl. der eigenen Person,
theatralisches Verhalten, übertriebener
Ausdruck von Gefühlen
Andauernde Sehnsucht nach Zuneigung und
Akzeptiertwerden
Überempfindlichkeit gegenüber Zurückweisung
und Kritik
Weigerung zur Aufnahme von Beziehungen,
solange der betreffenden Person nicht
unkritisches Akzeptiertwerden garantiert ist;
sehr eingeschränkte persönliche Bindungen
387
Institut für Psychologie, Lehrgebiet Klinische und Gesundheitspsychologie
Neurosenlehre
„
„
-
5. Sitzung :
Spezielle
Neurosenlehre:
Hysterie und
Konversionsneurosen
Die histrionische Persönlichkeit
„
„
„
„
M. Heine
Merkmale der histrionischen
Persönlichkeitsstörung
(Fortsetzung)
Gewohnheitsmäßige Neigung zur
Überbetonung potentieller Gefahren oder
Risiken alltäglicher Situationen, bis zur
Vermeidung bestimmter Aktivitäten, ohne das
usmaß phobischer Bindungen
Eingeschränkter Lebensstil wegen des
Bedürfnisses nach Gewißheit und Sicherheit
Dazugehörige Begriffe:
„
„
Infantile Persönlichkeitsstörung
Hysterische Persönlichkeit(sstörung)
(nach ICD 10, F 60.4)
388
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