Weitere Themen 26 _ 27 Umweltmedizin Klimawandel und Gesundheit Thomas Lob-Corzilius, Kinderpneumologie, Allergologie, Umweltmedizin, Osnabrück Am 1.11.2014 hat der Weltklimarat (IPCC) kurz vor dem Vorbereitungstreffen für den Weltklimagipfel in Lima seinen sog. Synthesebericht zur Bedrohung des Klimawandels veröffentlicht. Danach bleibt nur noch wenig Zeit, um die Chance zu nutzen, die Erderwärmung auf < 2° C zu halten. Sollte der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen wie Kohlendioxid nicht drastisch reduziert werden, drohe eine Erwärmung um bis zu 4° C. Zugleich machte der IPCC Mut, dass die Erderwärmung zu stoppen ist [1]. Sonne, Sturm, Feinstaub und neue Allergene Klimaveränderungen können direkte Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen haben. Extrembeispiele dafür sind körperliche Verletzungen, unter Umständen mit direkter Todesfolge, beispielsweise verursacht durch Stürme, Überschwemmungen oder Hitzewellen. Indirekte Gesundheitsbeeinträchtigungen, z. B. neue und verstärkt auftretende Allergien oder durch die Einschleppung neuer oder Ausbreitung bereits etablierter Krankheitsüberträger ausgelöste Infektionskrankheiten, werden im Zusammenhang mit dem Klimawandel erAus diesem aktuellen Anlass soll im Fol- thropogenen Emissionen treibhausgas- forscht. Zu erwarten ist, dass sich die genden kurz gefasst auf weitere Informa- wirksamer Gase gehen die für Deutsch- Folgen des Klimawandels zukünftig noch tionsmöglichkeiten zum Thema Klima- land ausgewerteten Klimaprojektionen ausgeprägter auch auf die Gesundheit der wandel und Gesundheit aufmerksam von einer Erwärmung der durchschnitt- Bevölkerung auswirken werden [3]. gemacht werden, die online im Rahmen lichen Jahrestemperatur im Zeitraum des „Aktionsprogramms Umwelt und Gesund- 2071-2100 um 2 bis 4,5° C gegenüber Hitzewellen und Gebäudearchitektur heit“ (APUG) allen Interessierten jederzeit dem Referenzzeitraum 1961–1990 aus. In der letzten Ausgabe 04 / 2014 der Pädi- zur Verfügung stehen und handlungsrele- Dabei werden sich der Klimawandel atrischen Allergologie hat Armin Grübl vant sind (www.apug.de/umwelteinflues- regional und jahreszeitlich sehr unter- als Mitglied der wissenschaftlichen AG se/klimawandel/index.htm) [2]. schiedlich ausprägen und die Häufigkeit Umweltmedizin der GPA über das For- und Stärke von Extremwetterereignissen schungsprojekt „Grün, natürlich, gesund: erhöhen. die Potenziale multifunktionaler städti- Tropische Nächte in Deutschland Die derzeit verfügbaren wissenschaft- scher Räume“ referiert [4]. Darin wird lichen Erkenntnisse prognostizieren So wird es zukünftig zwar weniger kalte auch die Bedeutung kommunaler Strate- bei einer anhaltenden Klimaerwärmung Tage geben, die Anzahl von Sommer- gien hinsichtlich des schon stattfinden- auch für Deutschland unter anderem tagen (Tagesmaximum >25° C), heißen den Klimawandels angesprochen. eine Zunahme von Extremwetterereig- Tagen (Tagesmaximum >30° C) und nissen sowie durch sie ausgelöste akute tropischen Nächten (Minimum nicht Städte und städtische Ballungsräume Gesundheitsgefährdungen. Abhängig < 20° C) wird jedoch voraussichtlich sind schon heute besonders von Hitze- von der globalen Entwicklung der an- deutlich zunehmen [3]. wellen betroffen, da dort viele Flächen Pädiatrische Allergologie » 01 / 2015 versiegelt sind, Gebäude Wärme speichern und abstrahlen sowie oftmals Schneisen für eine kühlende Luftzirkulation fehlen. Dadurch ist die Durchschnittstemperatur in Innenstädten auch zumeist höher als im Umland. Es besteht darüber hinaus eine Wechselwirkung zwischen der Außenlufttemperatur und der Luftschadstoffbelastung (Feinstaub, Ozon). Bei Hitzewellen, wie im Jahr 2003, fallen hohe Lufttemperaturen zumeist mit einer entsprechend Krankheiten. Des Weiteren sind Links in dem er sich mit der Globalisierung hohen Ozon- und Feinstaubbelastung zu Dokumenten und Websites sowie von Allergen und Infektionserregern zusammen [3]. Bild- und Kartenmaterial zusammen- befasst [6]. gestellt. Die in Abbildung 1 gezeigten Weiterführende Informationen Grafiken führen zu den einzelnen The- Auf den weiteren APUG-Webseiten [5] menkomplexen. lässt sich eine Auswahl weiterführender Klimawandel erfordert Handlungsempfehlungen Die vom Robert-Koch-Institut (RKI) und Informationen zu den Auswirkungen Ergänzend zu diesen Informationsquel- Umweltbundesamt (UBA) erarbeiteten des Klimawandels auf die menschliche len hat Stephan Böse-O‘Reilly als Pädia- gesundheitsbezogenen Handlungs- Gesundheit finden, die gegliedert sind ter und Mitglied der wissenschaftlichen empfehlungen zur Anpassung an den nach nichtübertragbaren (aktinischer, AG Umweltmedizin der GPA zu den Klimawandel (2013) sind eine gemein- lufthygienischer und thermischer gesundheitlichen Folgen des Klimawan- same Arbeitsgrundlage und bilden einen Wirkungskomplex) und übertragbaren dels einen Übersichtsartikel publiziert, allgemeinen Rahmen für Behörden und weitere Akteure in Deutschland für Aktivitäten und Maßnahmen [7]. Das Do- Abbildung 1. Grafiken der APUG zu gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels kument identifiziert sechs Handlungsfelder, die jeweils Ziele und konkrete Empfehlungen enthalten (Abb. 2). Diese Handlungsfelder sollen für die bereits eingetretenen oder sich abzeichnenden gesundheitlichen Folgen des Klimawandels ein zeitnahes, abgestimmtes Handeln von Bund, Ländern und Kommunen ermöglichen und erleichtern. Bei dieser Darstellung handelt es sich um eine Auswahl von Handlungsfeldern und Zielen. Eine vollständige Übersicht über die vom Umweltbundesamt und Robert Koch-Institut identifizierten Handlungsfelder finden sich im Arbeitsdokument „Klimawandel und Gesundheit“ [5]. Anpassungsstrategien, Aktionspläne und Maßnahmenkataloge der Bundesländer und des Bundes Auf einer weiteren Website mit entQuelle: www.apug.de/umwelteinfluesse/klimawandel/gesundheitliche_auswirkungen.htm; © Umweltbundesamt sprechender Karte gelangt man zu einer Weitere Themen Abbildung 2. Auswahl passender RKI-/UBA-Handlungsfelder und Ziele 28 _ 29 Dokumenten-Übersicht über die Anpassungsstrategien, Aktionspläne und Maßnahmenkataloge der Bundesländer und des Bundes. Die Abschnitte der Be- Handlungsfeld 1: Handlungsfeld 2: Aufbau eines integrierten Gesund- Klimawandelbezogene lichen Auswirkungen des Klimawandels heits- und Umweltmonitoringsystems Gesundheitsforschung thematisieren, sind mit Seitenzahlen Ziel: Gesundheits- und Umweltmoni- … beziffert. Eine kurze Zusammenfas- Allergien und sung über den Inhalt der einzelnen akute Atemwegserkrankungen Anpassungsstrategien, Aktionspläne Ziel: Methoden ausbauen und und Maßnahmenkataloge ist ebenfalls toring zusammenführen Ziel: Vektorvermittelte Krankheitserreger, allergene Pflanzen und gesundheitsgefährdende Tiere beobachten und überwachen Ziel: Erfassung von Indikatoren für klimawandelassoziierte gesundheitliche Studien entwickeln richte, die die potenziellen gesundheit- vorhanden [8]. Ziel: Epidemiologische Forschung verbessern Ziel: Vorhersage- und Prognosemodelle entwickeln Publikationen des Weltklimarats – IPCC Wer über die deutschsprachigen Quellen hinaus weitere Informationen zum Klimawandel sucht, wird unter Handlungsfeld 3: Handlungsfeld 4: www.climatechange2013.org [9] eine Prävention und Risikokommunikation Gesundheitliche Versorgung Fülle an Forschungsergebnissen und Ziel: Evaluierung bestehender Ziel: Bestehende Versorgungs- -material finden, welche vom IPCC, Maßnahmen durchführen und verstetigen Ziel: Zielgruppenspezifische themati- angebote anpassen Ziel: Optimale Bedingungen gewährleisten der letzten 25 Jahre zusammengetragen mit dem Titel „Approved Summary for Handlungsfeld 5: Handlungsfeld 6: Aus-, Fort- und Weiterbildung Koordination und Kooperation Ziel: Schulausbildung verbessern Ziel: Kooperationen zwischen Bund Fortbildung aufklären change oder Weltklimarat, im Laufe worden sind. Die letzte Publikation sche Aufklärung Ziel: Durch berufliche Weiter- und dem Intergovernmental panel on climate und Ländern etablieren Policymakers, IPCC Fifth Assessment Synthesis Report, CLIMATE CHANGE 2014 SYNTHESIS REPORT“ datiert vom 1. November 2014 [10]. Ziel: V ernetzung der Behörden fördern Ziel: Kooperation auf internationaler Ebene etablieren Ziel: Kommunikation und Vernetzung zwischen beteiligten Akteuren verbessern Dr. med. Thomas Lob-Corzilius Kinderpneumologie, Allergologie, Umweltmedizin Christliches Kinderhospital Johannisfreiheit 1 49074 Osnabrück [email protected] Quelle: www.apug.de/umwelteinfluesse/klimawandel/gesundheitliche_auswirkungen.htm; © Umweltbundesamt Literatur 1www.ipcc.ch 2www.apug.de/umwelteinfluesse/klimawandel/ index.htm 3UBA. Themenblatt Hitze in der Stadt -ein kommunale Gemeinschaftsaufgabe 4Grübl A. Grün, natürlich, gesund: die Potenziale multi- 5www.apug.de/umwelteinfluesse/klimawandel/ gesundheitliche_auswirkungen.htm 6Böse-O’Reilly S. Folgen des Klimawandels – Globalisierung von Allergen und Infektionserregern. Themenheft „Gesunde Umwelt“ des BVKJ 2014, 22–26 7UBA und RKI. Klimawandel und Gesundheit. Allgemeiner funktionaler städtischer Räume. Pädiatrische Allergologie Rahmen zu Handlungsempfehlungen für Behörden und 04/2014: 30-34 weitere Akteure in Deutschland Stand: März 2013 8www.apug.de/umwelteinfluesse/klimawandel/anpassungsstrategien_bundeslaender_bund.htm 9www.climatechange2013.org 10 www.ipcc.ch/pdf/assessment-report/ar5/syr/ SYR_AR5_SPM.pdf