Sternentwicklung – Theorie und Anwendung A. Weiss (Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching, Germany) 23. Juli 2010 Inhaltsverzeichnis I Physik des Sternaufbaus 3 1 Einleitung 4 2 Die 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 Grundgleichungen Gleichung für Masse und Radius . . . . . Die hydrostatische oder Druck-Gleichung Die Energiegleichung . . . . . . . . . . . . Energietransport . . . . . . . . . . . . . . Die chemische Zusammensetzung . . . . . Massenverlust . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gesamtproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 9 10 14 16 23 24 25 3 Die 3.1 3.2 3.3 3.4 Mikrophysik Zustandsgleichung . . . . . Opazitäten . . . . . . . . . Nukleare Energieerzeugung Neutrinoemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 27 30 33 35 II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundzüge der Sternentwicklung 37 4 Sternmodelle 38 5 Die 5.1 5.2 5.3 Hauptreihe Vorhauptreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptreihenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ende der Hauptreihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 41 43 48 6 Die 6.1 6.2 6.3 6.4 Rote Riesen Phase Der Riesenast . . . . Kernentwicklung . . Heliumbrennen . . . Der Helium-Flash . . . . . . 50 50 51 52 55 7 Die 7.1 7.2 7.3 Helium-Brennphasen Der Horizontalast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heliumbrennen in Sternen mittlerer Masse . . . . . . . . . . . . . . . Der Asymptotische Riesenast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 57 60 61 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Entwicklung massereicher Sterne 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 III Sterne als physikalische Laboratorien 9 Das 9.1 9.2 9.3 9.4 Sonneninnere Helioseismologie . . Das Sonnenmodell . Sonnenneutrinos . . Die Sonne als Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 69 70 72 74 10 Rote Riesen 78 IV 81 Sterne und Kosmologie 11 Vermessung des Universums 11.1 Altersbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Entfernungsmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 82 89 12 Primordiale Sterne und Häufigkeiten 12.1 Die primordiale Lithium-Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Die ersten Sterne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 93 95 V 99 Anhänge A Einige thermodynamische Beziehungen 100 B Mischungswegtheorie 102 C Homologie-Relationen 105 2 Teil I Physik des Sternaufbaus 3 Kapitel 1 Einleitung Gegenstand Die Astronomie/Astrophysik zeichnet aus, dass sie ihren Forschungsgegenstand – das Universum und seine Bestandteile – nicht ins irdische Labor holen kann, von wenigen Ausnahmen (Meteoriten, Sonnenwind-Teilchen, etc.) abgesehen. Daher sind wir auf Informationen aus dem Universum angewiesen. Wegen der höchstmöglichen Geschwindigkeit und ihren fundamentalen Eigenschaften ist elektromagnetische Strahlung der dominante, fast einzige, Informationsträger. Durch die Anpassung des menschlichen Auges an das solare Spektrum sowie wegen der Tatsache, dass die Sonne ein typischer Stern ist, identifizieren alle Menschen den Weltraum mit Sternen. Tatsächlich, oder glücklicherweise, sind Sterne fast überall und zu allen Zeiten im Universum zu finden. Daher sind Sterne nicht nur aus biologischen oder historisch-technischen Gründen (optische Teleskope als erste astronomische Instrumente der Fernbeobachtung) die wichtigsten Quellen elektromagnetischer Strahlung. Obwohl die moderne, aktuelle Astronomie in allen Wellenlängenbereichen – vom langwelligen Radiobereich bis zum hochenergetischen Gammabereich – beobachtet, sind stellare Quellen immer noch die primären Quellen unseres Wissens über das Universum. Sprechen wir von Galaxien, so haben wir leuchtende Sterne in einer großen, gemeinsamen Struktur vor Augen; unter Galaxienentwicklung verstehen wir die Zusammenballung von dunkler und leuchtender Materie und die Entstehung und Entwicklung der Gaskomponente, insbesondere in Form der verschiedenen Sternpopulationen. Daher ist es nötig, die Eigenschaften von Sternen genau zu verstehen, um Rückschlüsse auf Galaxien, Galaxienhaufen, und die Geschichte des gesamten Kosmos ziehen zu können. Natürlich sind auch Sterne an sich ein interessanter Forschungsgegenstand. Wie lange wird die Sonne noch scheinen? Kann der nächstgelegene Stern bald explodieren und uns beeinflussen? Wie alt sind Sterne? Woraus bestehen sie? Alle diese Fragen versucht die Theorie des Aufbaus und der Entwicklung von Sternen zu verstehen. Dabei stellt sich heraus, dass Sterne komplizierte Gebilde sind, deren Eigenschaften von vielen physikalischen Effekten bestimmt sind: Thermodynamik, Atomund Kernphysik spielen alle eine große Rolle, bis hin zur Quanten- und Hydrodynamik. Um Sterne zu verstehen, muss man daher Ergebnisse aus vielen Bereichen der Physik zusammensammeln; andererseits erfordert die Modellierung von Sternen oft physikalische Daten, die im Labor nicht einfach zu messsen sind, weil Sterne extreme Dichten und Temperaturen erreichen können. Sterne können also auch als “himmlische Laboratorien” dienen, die uns helfen, die irdischen zu erweitern. In dieser Vorlesung wird auf die Entwicklung von Einzelsternen eingegangen. Sterne existieren aber auch in Paaren und Gruppen. Solange die Mitglieder nicht zu eng beieinander stehen, können sie immer noch als Einzelsterne betrachtet werden. Es ist aber wohlbekannt, dass Sterne sich gegenseitig beeinflussen und Materie austauschen. Solche wechselwirkenden Doppel- oder Mehrfachsysteme müssen ge4 sondert behandelt werden. Obwohl ein signifikanter Teil der Sterne (bis zu 50%?) in Doppel- oder Mehrfachsystemen stehen, scheint die überwältigende Zahl von Sternen sich aber wie Einzelsterne zu entwickeln; jedenfalls gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass zum Verständnis von stellaren Populationen oder Galaxien Doppelsterne besonders berücksichtigen müssten. Grundannahmen Sterne sind heiße, selbst gravitierende Gaskugeln, und daher in erster Näherung sphärisch symmetrisch. Obwohl Abweichungen von dieser vereinfachten Symmetrie offensichtlich sind (Rotation, Magnetfelder), werden Modelle unter dieser Annahme berechnet. Die Rechtfertigung der Annahme wurde wiederholt bewiesen. Rotation und Magnetfelder werden daher in dieser Vorlesung keine Rolle spielen. In der wissenschaftlichen Forschung werden ihre Effekte als zusätzliche Störungen betrachtet. Der wichtigste Effekt ist dabei das durch Rotation induzierte Mischen der stellaren Materie. Beim derzeitigen Stand der Theorie der differentiellen Rotation sind sphärisch-symmetrische Modelle noch ausreichend, obwohl einige Rechnungen, die die Abweichungen davon berücksichtigen, bzw. tatsächlich mehrdimensional sind, existieren. Das sphärisch-symmetrische Modell ist also im Allgemeinen, und besonders hier in der Vorlesung, eindimensional. Die radiale Koordinate ist entweder der Radius r (Eulersche Beschreibung) oder die innerhalb r eingeschlossene Masse m (Lagrangesche Beschreibung). Letztere ist die technisch bevorzugte, weil einige Gleichungen in ihr einfacher sind. Die zweite wichtige Grundannahme ist, dass Sterne im hydrostatischen Gleichgewicht sind, d.h. (s. Abschnitt 2.2) dass sich Druck- und Gravitationskräfte die Waage halten, und sich alle Massenschalen in Ruhe befinden. Diese Annahme, die nicht strikt gelten kann, werden wir überprüfen. Globale Größen Die Beobachtung von Sternen, d.h. der experimentelle Zugriff, beschränkt sich auf globale Größen und Oberflächeneingenschaften. Dazu gehören die Masse M , wenn sie – z.B. im Fall eines (getrennten) Doppelsternsystems – bestimmt werden kann, die vom Stern abgestrahlte Energie pro Zeiteinheit (Leuchtkraft L), die Oberflächen- oder Effektivtemperatur (Teff ) , die die globalen Eigenschaften des Spektrums kennzeichnet, sowie Abweichungen des stellaren Spektrums vom Schwarzkörper-Spektrum. Diese Abweichungen manifestieren sich vor allem als Absorptionslinien (s. Abb. 1.1), deren Analyse die Bestimmung der Oberflächenzusammensetzung erlaubt. Abbildung 1.1: Absorptions-Spektrum der “Fraunhofer-Linien” Sonne mit Absorptions- oder Ein aufstrebendes Teilgebiet ist die Asteroseismologie, die durch Analyse von Oberflächenoszillationen, die nichts anderes als stehende Schallwellenn im Sterninnern sind, das ansonsten nicht zugängliche Sterninnere erschließen. Im Fall der Sonne (Helioseismologie) wurden außerordentliche Ergebnisse erzielt, so dass das Sonneninnere jetzt auf wenige Promill genau bekannt ist, und sogar dynamische Bewegungen in der Sonne gemessen werden können. Derzeit und im Allgemeinen 5 bleibt uns aber der Blick ins Innere der Sterne verschlossen, so dass wir auf Modelle zurückgreifen müssen. Leuchtkraft L1 und Effektivtemperatur Teff (meist als Logarithmus von Grad Kelvin) sind die bestimmenden Oberflächeneigenschaften, die das Hertzsprung– Russell–Diagramm definieren; dieses ist das Hauptarbeitsdiagramm in der Sternentwicklung, weil es relativ gut den Entwicklungszustand eines Sterns angibt. Das Gegenstück in der beobachtenden Astronomie wird als Farb–Helligkeits–Diagramm bezeichnet; dabei ist die scheinbare oder absolute Helligkeit eines Sterns gegen seine Farbe aufgetragen. Die Farbe ist nichts anderes als das Verhältniss der Flüsse in zwei verschiedenen Filtern, welches für einen perfekten Schwarzkörper dessen Temperatur geben würde; die Helligkeit ist der Fluss in einem Filter, üblicherweise im visuellen (V oder B) oder einem nahen Infrarot-Bereich (I). Die in der Astronomie übliche Flussgröße ist die Magnitude, eine logarithmische Leuchtkraftskala2. Abbildung 1.2: Hertzsprung–Russell-Diagramm von Sternen in der Sonnenumgebung, deren Entfernung durch Parallaxenmessungen des astrometrischen Satelliten Hipparcos auf 20% oder besser bekannt sind. Die Farbe kennzeichnet die Anzahldichte der Objekte im Diagramm Abb. 1.2 zeigt ein Hertzsprung–Russell-Diagramm von Sternen in der Sonnenumgebung, deren Entfernung bekannt ist, dh. absolute Helligkeiten (in einem Hipparcos-Filter) sind gegeben. Ohne die Information über zumindest relative Entfernungen macht das Diagramm keinen Sinn, mit ihr aber zeigt sich, dass Sterne 1 L wird meist als log L/L , dh. in den üblichen, weil bequemen solaren Einheiten angegeben. ⊙ L⊙ = 3.826 · 1033 erg/s (in cgi-Einheiten). Zwei weitere wichtige solare Referenzgrößen sind R⊙ = 6.9598 · 1010 cm sowie M⊙ = 1.989 · 1033 g. 2 z.B. ist die Helligkeit im visuellen, M , definiert durch −2.5 log L + const., wobei L V V V der Fluss im Visuellen ist und die Konstante vom Filter- und Referenzsystem abhängige Größen einschließt. Ist die Entfernung d unbekannt, geht auch diese ein, weil nicht LV , sondern der Fluss FV = LV /4πd2 gemessen wird, und die Magnitude wird mit mV bezeichnet und “scheinbar” statt “absolut” geheißen. Die Beziehung zwischen den beiden ist M − m ≡ 5 − 5 log d, d wird in parsec gemessen und M entspricht der Helligkeit in 10 parsec Entfernung 6 nicht willkürlich darin verteilt sind. Aufgabe der Sternentwicklungstheorie war und ist es, zu verstehen, warum das so ist, was die jeweilige Position impliziert, und wie Sterne im Inneren strukturiert sind. Für die Struktur und Erscheinungsform eines Sterns sind seine Anfangsmasse und Anfangszusammensetzung die fundamentalen Parameter. Zu jedem Zeitpunkt ist seine Struktur bestimmt durch Masse und innere Zusammensetzung, die beide zeitlich variabel sind, sich aber aus den Anfangsbedingungen und der zeitlichen Entwicklung ergeben. Typische Größenordnungen Wir verschaffen uns nun einen kleinen Überblick über typische Bereiche, in denen sich die stellaren Parameter bewegen. Dabei lassen wir explosive Phasen (Novae, Supernovae) aus der Betrachtung. 1. Masse: 0.075 · · · ≈ 100 M⊙ • untere Grenze: Wasserstoff-Fusion reicht nie aus, abgestrahlte Energie zu produzieren (Braune Zwerge) • obere Grenze: Pulsations-Instabilität führt zu Verlust der äußeren Massenschalen 2. Leuchtkraft: −2 . log(L/ L⊙ ) . 6 • ergibt sich aus Massenbereich 3. Radius: 0.001 · · · 2000 R⊙ • ergibt sich aus Masse und Entwicklungsphase • korreliert stark mit Teff 4. Effektivtemperatur: 2000 · · · 100.000 K 5. Maximaltemperatur: 107 · · · 109 K • typische Brenntemperaturen für Wasserstofffusion und Siliziumbrennen • welche Temperatur tatsächlich erreicht wird, hängt vor allem von der Masse ab 6. Dichte: < 10−10 · · · 108 g/cm3 • unterer Wert in sehr ausgedehnten Hüllen; nahtloser Übergang zum insterstellaren Medium • oberer Wert: in späten Phasen, korreliert mit zentraler Temperatur 7. anfängliche Zusammensetzung: 70-80% der Masse in Form von Wasserstoff, 2535% Helium, 10−4 -4% übrige Elemente (“Metalle”), davon ca. 50% Sauerstoff Unabhängige und abhängige Variable Das Sterninnere wird durch einige wenige unabhängige Variablen beschrieben. Ist r die eindimensionale Koordinate, so ist m(r) oder auch Mr – die Masse innerhalb der Kugel um das Zentrum mit Radius r — die erste unabhängige Variable (Mr (R) = M ). Weiterhin folgen die Zustandsgrössen des Gases, Druck P , Temperatur T , und Dichte ρ, wobei nur zwei unabhängig sind; die dritte ergibt sich aus der Zustandsgleichung. In der Regel werden P und T als unabhängig angesehen. Da der Stern kein thermisch abgeschlossenes System darstellt, sind diese Grössen ebensowenig wie die Masse unabhängig von r, 7 sondern räumlich variabel. Da der Stern Energie von der Oberfläche verliert, muss diese aus dem Innern transportiert werden. Das geschieht entlang eines Temperaturgradienten. Dieser Energiefluss ist die letzte unabhängige Variable; im Allgemeinen nimmt man nicht den Fluss selbst, sondern die am Radius r vorhandene Nettoenergie, die aus dem Innern pro Zeiteinheit nach außen fließt; sie wird mit Lr oder l gekennzeichnet (Lr (R) = L). Wir haben also in der klassischen Sternentwicklung vier unabhängige Variable, Mr (r) = m(r), P (r), T (r), Lr (r) = l(r) Neben der Dichte ρ gibt es noch weitere abhängige Variable; dazu gehört z.B. die Energieerzeugung ǫ(r), die aus mehreren physikalischen Einzelprozessen zusammengesetzt sein kann. Die wichtigste ist, wie wir sehen werden, die nukleare Energieerzeugung ǫn . Sie hängt von T , ρ und der chemischen Zusammensetzung ab. Der Transport der Energie erfolgt auf verschiedene Arten, deren wichtigste die durch Strahlung ist. Deren Effektivität hängt von der Transparenz der Materie ab, die in der Astrophysik durch ihren Kehrwert, die “Undurchsichtigkeit” oder Opazität κ gekennzeichnet wird. Auch diese ist von T , ρ und Zusammensetzung abhängig. Je nach Situation kann es noch weitere abhängige Variablen gehen, die oft auch als “Mikrophysik” bezeichnet werden. Literatur 1. Die “Bibel” der Sternentwicklung ist das Buch von Cox und Giuli (1967), das jetzt in zweiter Auflage erschienen ist: Weiss, Hillebrandt, Thomas und Ritter: Cox & Giuli’s Principles of Stellar Structure, Cambridge Scientific Publishers (2004); auch als Taschenbuch erhältlich; ca. ¤ 60 2. Eine kompaktere Darstellung der Theorie mit einigen Einblicken in die Entwicklung von Sternen und die diversen Entwicklungsphasen ist Kippenhahn & Weigert, Stellar Structure and Evolution, Springer (1994;Softcover), ¤ 65 3. Ein neues Buch mit einer sehr knappen Darstellung der Theorie, dafür aber ausführlichen Beschreibungen der Entwicklung von Sternen und einer Einführung in die Populationssynthese ist Evolution of Stars and Stellar Populations, von Salaris & Cassisi, Wiley (2005), ¤ 135; dieses Buch deckt am besten den Stoff der Vorlesung ab. 8 Kapitel 2 Die Grundgleichungen 2.1 Gleichung für Masse und Radius In der Eulerschen Beschreibung ist die Masse dm in einer Schale am Radius r und mit der Dicke dr dm = 4πr2 ρdr − 4πr2 ρvdt Durch partielle Differentiation nach den beiden Variablen r und t erhält man ∂m = 4πr2 ρ ∂r und ∂m = −4πr2 ρv, ∂t den sphärisch symmetrischen Massenfluss durch die Schale bei r (konstant) nach außen. Differenziert man die erste Gleichung nochmals nach t und die zweite nach r, ergibt sich ∂(ρr2 v) ∂ρ = −r−2 . ∂t ∂r Das ist die Kontinuitätsgleichung der Hydrodynamik ∂ρ ∂t = −∇(ρv) in unserer Symmetrie. Wie schon erwähnt, ist es oft günstiger, m als (Lagrange-) Koordinate zu verwenden, also Punkte innerhalb des Sterns, die einen gegebenen Wert der Masse (von 0 bis M ) beinhalten. Der Radius dieser Sphären ist dabei uninteressant und zeitlich veränderlich. Die neuen unabhängigen Variablen sind dann m und t, und alle anderen Funktionen davon, z.B. T (m, t) oder r(m, t). Man kann diese Variblentransformation (r, t) → (m, t) formal durchführen, also ∂ ∂r ∂ = ∂m ∂r ∂m 9 und ∂ ∂t m ∂ = ∂r ∂r ∂t m + ∂ ∂t r und erhält durch Anwendung der ersten Gleichung auf m damit aber auch nur das bekannte Resultat 1 ∂r = ∂m 4πr2 ρ (2.1) Dies ist unsere erste Sternaufbaugleichung; sie kann auch als Rezept aufgefasst werden kann, wie man von Eulersch nach Lagrange kommt, nämlich mittels ∂ 1 ∂ = . ∂m 4πr2 ρ ∂r Die zweite Transformationsgleichung zeigt auch, dass zeitliche Änderungen in der Lagrange-Schreibweise (linke Seite) sich wesentlich einfacher darstellen, als in Eulerscher (rechte Seite), die nicht nur die reine zeitliche Änderung bei r, sondern auch noch einen Bewegungsterm ∂r ∂t m enthält. 2.2 Die hydrostatische oder Druck-Gleichung Betrachten wir eine Kugelschale innerhalb des Sterns. Diese wird offensichtlich von der innen liegenden Materie aufgrund deren Schwerkraft nach innen gezogen. Wegen der sphärischen Symmetrie hat diese Kraft nur eine radiale Komponente, und die Schwerkraftbeschleunigung ist einfach g= Gm , r2 wobei G = 6.673 · 10−8 dyn cm2 g−2 die Newtonsche Graviationskonstante ist. Zu g gehört ein Graviationspotential Φ, dessen Gradient (hier: partielle Ableitung nach r) g ist, und das die Poisson-Gleichung erfüllt: ∇2 Φ = 4πGρ Wir legen die freie Konstante des Potentials so, dass Φ(r → ∞) = 0 und Φ(r) < 0. Aus der Beschleunigung g erhalten wir eine Kraft/Volumen durch Multiplikation mit ρ; dies ist aber dimensionsmäßig dasselbe wie Druck/Länge oder ein Druckgradient. Tatsächlich wirkt ein Unterschied im Druck, der von unten (Pi ) bzw. oben (Pa ) auf unsere Massenschale wirkt, wie eine Kraft, die die Massenschale bewegt: Pi − Pa ≈ − ∂P dr. ∂r Wenn Pi > Pa , so ist der Druckgradient negativ und die rechte Seite auch positiv. Sollen sich nun die beiden Kräfte die Waage halten (hydrostatisches Gleichgewicht), so gilt ∂P + gρ = 0 ∂r (2.2) 10 Wenden wir jetzt noch unsere Transformation (2.1) auf (2.2) an, sowie die Definition von g, so erhalten wir unsere 2. Grundgleichung Gm ∂P =− ∂m 4πr4 (2.3) Beachten Sie, dass in dieser Form die Dichte nicht in der Gleichung auftritt. Gleichungen (2.1) und (2.2) stellen die mechanischen Sternaufbaugleichungen dar. Sie verbinden die Variablen P , r, und ρ als Funktion der Lagrange-Koordinate m. Das System der beiden Gleichungen ist also unterbestimmt, es sei denn, ρ ist nur eine Funktion von P , und nicht auch noch von T , was zwar im Allgemeinen nicht der Fall sein wird, aber in einigen Situationen (z.B. entartete Materie; isotherme Gaskugeln) doch sein kann. Dann ergeben sich einfachere Lösungen, die unter dem Stichwort Polytropen eine wichtige Rolle in der Theorie gespielt haben (s. z.B. das Buch von Chandrasekhar oder von Schwarzschild). 2.2.1 Abschätzungen Nehmen wir für den Zusammenhang zwischen Druck und Dichte die Zustandsgleichung eines idealen Gases an, lassen sich die beiden Gleichungen verwenden, um die zentralen Werte Pc und Tc abzuschätzen. Dazu ersetzen wir die Gradienten durch Differenzen von Zentral- und Oberflächenwert, und Radien und Massen durch Mittelwerte (R/2 oder M/2). Da der Oberflächendruck im Vergleich zum Zentraldruck Pc verschwindet, können wir ihn vernachlässigen und es folgt Pc ≈ 2GM 2 πR4 Die Gleichung für das ideale Gas schreiben wir in der gebräuchlichen Form ρ= µP , RT wobei R = 8.315 · 107 erg K−1 g−1 die Gaskonstante pro Gramm ist, und µ das mittlere Molekulargewicht, dh. die mittlere Atommasse pro Gasteilchen (z.B. 1 für neutralen, und 0.5 für ionisierten Wasserstoff). Tc ergibt sich dann aus Pc und ρc , das wir aber nicht kennen. Stattdessen setzen 3M wir ρ̄ = 4πR 3 , die mittlere Masse als untere Grenze ein, und es folgt Tc . 8 Gµ M 3 R R Damit können wir zentralen Druck und zentrale Temperatur, z.B. in der Sonne abschätzen. Mit den bekannten Werten von M⊙ und R⊙ und µ ≈ 0.5 ergeben sich Pc ≈ 7 · 1015 , Tc < 3 · 107 in cgs-Einheiten. Zum Vergleich: numerische Rechnungen liefern Werte von 2.7·1017 bzw. 1.6 · 107 . 2.2.2 Bewegungsgleichung Wenn sich die beiden Kräfte in (2.2) nicht genau aufheben, bleibt eine Rest- oder Nettokraft, die eine Beschleunigung auf die Massenschale ausübt. In diesem Fall 11 muss die Druckgleichung um einen entsprechenden Term ergänzt werden, und lautet dann ∂P 1 ∂2r Gm =− + 4 ∂m 4πr 4πr2 ∂t2 (2.4) Der Vorfaktor der rechten Seite ergibt sich analog aus dem für die Schwerkraftbeschleunigung g, und das Vorzeichen aus der Überlegung, dass – falls die Druckkräfte wegfallen würden – die linke Seite positiv wäre, und somit die Netto-Beschleunigung negativ, also nach innen gerichtet sein muss. Die dynamische Zeitskala Wir schätzen jetzt die Zeitskale einer durch (2.4) beschriebenen Bewegung ab. Im Extremfall soll ein Term der linken Seite verschwinden, zunächst der Druckterm. Der Stern kollabiert dann. Wir ersetzen |∂ 2 r/∂t2 | durch R/τff2 , wobei τff die Freifall-Zeit darstellen soll. Auf der rechten Seite steht lediglich g, und somit ist 1/2 R . τff ≈ g Umgekehrt können wir (gedanklich) die Schwerkraft ausschalten und erhalten eine entsprechende “Explosionszeit” τexp aus R P ≈ 2 τexp Rρ wobei wir zunächst auf die intuitivere Euler-Beschreibung gingen und durch P/R ersetzten. Damit ist τexp ≈ R ρ 1/2 P ∂P ∂r wieder . Der Ausdruck in Klammern ist aber nichts anderes als die isotherme Schallgeschwindigkeit in einem idealen Gas, und somit τexp die Laufzeit einer Schall- oder Druckwelle durch den Stern. Ist der Stern im hydrostatischen Gleichgewicht, sind die beiden Terme der linken Seite von (2.4) gleich und somit auch τexp ≈ τff . Wir können dann diese Zeit auch als die hydrostatischen (Adjustier-)Zeitskala τhyd betrachten. Benutzen wir die Formulierung τff , schreiben g aus, und formen R3 /GM als mittlere Dichte um, so ergibt sich τhyd ≈ R3 GM 1/2 ≈ (Gρ̄)−1/2 Für einen Stern mit M = 1M⊙ ergeben sich auf der Hauptreihe (also die Sonne) ca 27 Minuten, als Riese (mit R ≈ 100 R⊙ 18 Tage, und als Weißer Zwerg (R ≈ R⊙ /50) 5 Sekunden. Jede Abweichung vom hydrostatischen Gleichgeweicht wird also offensichtlich wegen der Größe von Druck- und Gravitationsterm in einer für einen Stern verschwindend kurzen Zeit ausgeglichen. 2.2.3 Das Virial-Theorem Das Virial-Theorem beschreibt den Zusammenhang zwischen globalen Energie-Reservoirs des Stern und erlaubt es, die grundlegende Entwicklung von Sternen zu verstehen. Es ist eine direkte Folge des hydrostatischen Gleichgewichts. 3 Multipliziert man die hydrostatische Gleichung mit und integriert dann R 4πr 3 ∂P über dm, erhält man nach partieller Integration von 4πr ∂m ∂m 12 Z 0 M Gm dm = 3 r Z 0 M P dm ρ Dabei wurde bei der partiellen Integration wieder näherungsweise P (M ) = 0 gesetzt; der andere Term ist 4πr3 P für r = 0, also = 0. Die linke Seite ist das Integral über das Graviationspotential, also die gesamte gravitative Energie −Eg (im Sinne unserer Vorzeichenkonvention). Im Falle eines mono-atomaren idealen Gases gilt P/ρ = (2/3)u = (2/3)cv T mit der spezifischen inneren Energie u, daher ist die rechte Seite einfach Z 3(2/3) udm = 2Ei , die doppelte gesamte innere Energie. Das Virialtheorem lautet also ζEi + Eg = 0, (2.5) wobei wir hier den Faktor 2, der nur für ein ideales mono-atomares Gas gilt, durch den allgemeineren Faktor ξ ersetzt. Sollte man den Außendruck nicht vernachlässigen können, muss rechts noch der Term 4πR3 P (R) stehen. Hat der Stern nur die innere und gravitative Energie zu Verfügung, also W = Ei + Eg = (1 − ζ)Ei = ζ −1 Eg ζ (W = Gesamtenergie), so speist sich die abgestrahlte Leuchtkraft aus der Änderung von W , d.h. L=− dW 1−ζ ˙ Eg . = (ζ − 1)Ėi = dt ζ (2.6) Im Standardfall ζ = 2 erhalten wir also L=− E˙g = Ėi 2 Wichtig ist nun die Interpretation dieses Ergebnisses: Sterne verlieren Energie von der Oberfläche; diese Energie muss aus dem gesamten Energie-Reservoir ersetzt werden, und zwar durch Erhöhung der gravitativen Bindung, also durch Erniedrigung von Eg (der Stern komprimiert in seinem Gravitationspotential); dabei bleibt das hydrostatische Gleichgewicht erhalten. Im Falle eines idealen Gases geschieht dies derart, dass (etwa) die Hälfte der dabei gewonnenen Energie den Energieverlust an der Oberfläche ersetzt, aber (etwa) genauso viel Energie in die Erhöhung der inneren Energie Ei , also in eine Erhöhung der Temperatur fließt! Das heißt, dass der Energieverlust von der Oberfläche zu einem kompakteren, heißeren Stern führt! Das ist die globale Richtung der Entwicklung von Sternen: sie werden immer kompakter und heißer, auch wenn lokal es davon gravierende Abweichungen geben kann. Und deswegen können Sterne auch immer schwerere Elemente fusionieren, bis hin zum Eisen. 13 Die thermische Zeitskala Im obigen Fall (also wenn der Stern keine weitere Energiequelle als die Gravitationsenergie hat, denn die innere Energie wird nicht verbraucht), können wir wieder abschätzen, lange diese ausreicht, um den Ener wie dEg gieverlust durch L auszugleichen: L ≈ dt definiert die typische Zeitskala, die meist als Kelvin-Helmholtz-Zeitskala τKH bezeichnet wird. τKH = |Eg | Ei ≈ L L GM 2 GM 2 ⇒ τKH ≈ , 2R 2RL wobei wir wieder eine Näherung für die Energie einer selbst-gravitierenden Kugel eingesetzt haben, nämlich Eg ≈ GM/R · M/2. Im Fall der Sonne ergeben sich etwa 1.5 · 107 Jahre. Bevor das viel längere geologische Alter der Erde bestätigt war, nahm man daher an, dass sich die Sonne nur aus ihrer Gravitationsenergie speist. Tatsächlich reicht diese Energiequelle aber für keinen Stern aus. Allerdings ist τKH wieder ein Maß für die Zeit, die ein Stern, oder Teile davon, benötigen, eine thermische Störung, z.B. ein plötzliches energiereiches nukleares Zünden, thermisch auszugleichen. Wie man sieht, dauert dies wesentlich länger als im Falle dynamischer Störungen. |Eg | ≈ 2.3 Die Energiegleichung Wir definieren Lr als die Energie, die durch eine Massenschale m bei r fließt. Die Randbedingungen an Lr sind natürlich Lr (0) = 0 und Lr (M ) = L, also die Gesamtleuchtkraft. Wir verstehen darunter diejenige Energie, die durch den Stern transportiert wird (s. die vierte Gleichung; Abschnitt 2.4), nicht aber solche, die den Stern an der Stelle ihrer Erzeugung schon wieder verlässt; das wären z.B. Neutrinos. Ähnlich wie bei der Massengleichung lässt sich die Veränderung von Lr in einer Massenschale der Dicke dm schreiben als dLr = 4πr2 ρǫdr = ǫdm wobei ǫ ein noch nicht näher spezifizierter Quell(oder Senk-)term (Dimension erg/gs) ist. In einer stationären Massenschale ist dies eine in-situ Energiequelle, im Allge~ die positiv gezählt wird. meinen also die nukleare Energieerzeugungsrate ǫn (T, ρ, X), Die schon erwähnten Neutrinoverluste aus dem Plasma werden später behandelt, und in der Energiegleichung getrennt als −ǫν behandelt.1 Schließlich kann die Massenschale nicht-stationär sein, d.h. ihre Temperatur oder Dichte verändert sich, wodurch Energie mit der Umgebung ausgetauscht wird. Das entspricht dem thermodynamischen Ausdruck P dV ; hier verwenden wir das spezir fische Volumen v = 1/ρ. Das bedeutet, dass (ǫn − ∂L ∂m ) 6= 0, sondern sich mit der Zeit ändert und die Schale eine Wärmemenge dq abgibt/aufnimmt: ∂Lr dt = dq ǫn − ∂m Wir verwenden jetzt verschiedene thermodynamische Relationen: zunächst, dass dq = T ds (s spezifischen Entropie), wodurch wir die Gleichung umschreiben können zu 1 Neutrinos, die bei Kernreaktionen entstehen, werden dagegen gleich in der Energiebilanz der Reaktion berücksichtigt, und nicht mehr explizit in Gleichung (2.8) aufgeführt. 14 ∂Lr ∂m = = = = ∂s ∂t ∂v ∂u −P ǫn − ∂t ∂t P ∂ρ ∂u + 2 ǫn − ∂t ρ ∂t δ ∂P ∂T + . ǫ n − cP ∂t ρ ∂t ǫn − T (2.7) Dies ist die erste der obigen Gleichungen; die weiteren ergeben sich aus den thermodynamischen Beziehungen (s. Anhang A, oder auch das Buch von Kippenhahn und Weigert) für die Entropie, allerdings unter Vernachlässigung der Abhängigkeiten von der Zusammensetzung (“Mischungsentropie”). Der Ausdruck −T ∂s ∂t wird auch als gravothermischen Energie ǫg bezeichnet, so dass die Energiegleichung meistens lautet (wobei weitere Energieterme möglich sind) ∂Lr = ǫn + ǫg − ǫν . ∂m (2.8) Das ist unsere 3. Grundgleichung, die Energiegleichung. 2.3.1 Globale Energieerhaltung Wir können jetzt, ausgehend von (2.8) überprüfen, ob diese Gleichung für die lokale Energiebilanz des Stern konsistent ist mit seiner globalen Energieerhaltung. Die Gesamtleuchtkraft entspricht der Änderung der Gesamtenergie und setzt sich zusammen aus Ẇ = d (Ekin + Eg + Ei + En ) = −(L + Lν ), dt (2.9) was sich durch Integration der lokalen Energiegleichung (2.8) ergeben muss. Ekin ist eine etwa vorhandene kinetische Energie der Massenschalen (im hydrostatischen Gleichgewicht verschwindend). Lν ist die der elektromagnetischen Leuchtkraft L entsprechende Neutrninoleuchtkraft. R R R r ǫν dm, ǫn dm = Einige Terme sind leicht herleitbar: L = ∂L ∂m dm, Lν = n − dE dt . Die Integration von ǫg ist dagegen komplizierter. Unter Benutzung von ǫg = − ∂u P ∂ρ + 2 ∂t ρ ∂t (siehe (2.7); 3. Zeile) ergibt sich aus dem ersten Term durch Integration −dEi /dt. Außerdem wissen wir schon aus der Herleitung des Virialtheorems, dass Z M P dm. Eg = −3 ρ 0 Dieses Zusammenhang differenzieren wir nach t, ebenso wie die hydrostatische Gleichung, die dann nach Multiplikation mit 4πr3 und Integration lautet: Z M Z M Gm ṙ 3 ∂ Ṗ dm = 4 dm = 4Ėg 4πr ∂m r r 0 0 15 Genau wie beim Virialtheorem integrieren wir partiell und erhalten Z M M ∂r Ṗ dm 4πr3 Ṗ 0 − 3 4πr2 ∂m 0 Wieder verschwindet der erste Term wegen P (M ) ≈ 0 für alle t. Im zweiten ver2 wenden wir ∂m ∂r = 4πr ρ und erhalten −3 Z M 0 Ṗ dm = 4Ėg . ρ Wir haben jetzt zwei Formen für E˙g , aus denen wir eine dritte herleiten können: E˙g = − Z 0 M P ρ̇dm ρ2 welche dem noch fehlenden Term in ǫg entspricht, wodurch die alle Terme in (2.9) identifiziert sind, mit Ausnahme von Ekin . Diesen kann man aber auch erhalten, wenn man die Form (2.4) der Druckgleichung benutzt. Insgesamt haben wir also gezeigt, dass die lokale Energiegleichung, integriert über den gesamten Stern, die globale Energieerhaltung liefert. 2.3.2 Die nukleare Zeitskala Die nukleare Zeitskale ist definiert als τn := En /L. Das nukleare Energiereservoir des Sterns ist etwa seine Masse in Form von nuklearem Brennmaterial multipliziert mit der Energieausbeute q in erg/g Brennstoff. Für die Sonne in der Phase des Wasserstoffbrennnes, wo q = 6.3 · 1018 erg g−1 , sind dies (H-Massenanteil ≈ 0.7) insgesamt 8.75 · 1051 erg. Bei einer Leuchtkraft von L⊙ = 4 · 1033 erg s−1 , ergibt sich τn = 7 · 1010 a, also τn ≫ τKH ≫ τhydr . Für die meisten Sterne ist diese Zeitskala in den meisten Entwicklungphasen r die entscheidende. Man könnte das auch äquivalent durch ∂L ∂m ≈ ǫn ausdrücken, was impliziert, dass ǫg ≈ 0 oder dass der Stern sich im thermischen Gleichgewicht befindet. Mit dem mechanischen Gleichgewicht ist das dann das komplette Gleichgewicht, wo sämtliche dt-Terme fehlen. Das, wie wir sehen werden, ist natürlich nie völlig erreichbar, wird aber während des Wasserstoffbrennens annähernd realisiert, wenn sich Stern am langsamsten entwickeln. 2.4 Energietransport Wie schon erwähnt, ist ein wichtiger Aspekt des Sternaufbaus der Transport von Energie, die im Innern erzeugt wird, an die Oberfläche, von wo sie verloren geht. Energie wird immer entlang von Temperaturgradienten transportiert. Die Abschätzung für die Sonne liefert △T /△r ≈ 107 /1011 = 10−4 (K/cm), also einen sehr kleinen Wert, der ausdrückt, sie sehr sich die Sonne (die Sterne) im thermischen Gleichgewicht befindet (befinden), und dass daher die Energieverteilung der Strahlung im Innern in sehr guter Näherung einem Schwarzkörper entspricht. In einer sehr allgemeinen Form kann die Energietransportgleichung formal als T Gm ∂T ∇ =− ∂m P 4πr4 16 geschrieben werden, was sich aus der Definition der Größe Nabla ∇ unter der Annahme der Gültigkeit der hydrostatischen Gleichung ergibt. Diese Definition ist ∇= d ln T . d ln P Für die diversen Mechanismen des Energietransports ergeben sich unterschiedliche Ausdrücke für ∇. 2.4.1 Strahlungstransport Die mittlere freie Weglänge eines Photons im Sterninnern ist lph = 1/(κρ). κ ist dabei der Absorptionskoeffizient pro Gramm, gemittelt über alle Frequenzen, und ~ ρ, T ab, und variiert stark. Im Sonnenheißt allgemein Opazität. Er hängt von X, 2 innern beträgt er im Schnitt ≈ 1 cm /g, das entspricht einem lph = 2 cm, kann aber auch 10−6 bis 106 betragen. Die Anisotropie des Strahlungsfeldes beträgt nur 10−10 . Bei diesen Bedingungen findet Strahlungstransport diffusiv statt, weil die Photonen über den Sternradius sehr oft absorbiert und emittiert werden. In Analogie zur Teilchendiffusion kann man die Strahlungsdiffusion betrachten. Für einen Teilchenstrom ~j gilt ~ ~ = − 1 vlp ∇n. ~j = −D∇n 3 Dabei ist D die Diffusionskonstante, v die Diffusionsgeschwindigkeit, lp die mittlere freie Weglänge und n die Teilchendichte. Wir setzen jetzt die analogen Größen des Strahlungsfeldes ein; das sind Energiedichte U := aT 4 (Strahlungskonstante a = 7.57 · 10−15 erg/(cm3 K4 )) und Geschwindigkeit c. Im eindimensionalen Fall erhalten wir daraus ∂U ∂T = 4aT 3 ∂r ∂r und für den Strahlungsfluss F (anstelle ~j) daher F =− 4ac T 3 ∂T . 3 κρ ∂r (2.10) 3 T Das können wir auch schreiben als F = −Krad ∇T . Krad = 4ac 3 κρ ist dann die Strahlungskonduktivität. Da die Definition der Leuchtkraft Lr = 4πr2 F ist, folgt schließlich κLr 3 ∂T =− ∂m 64acπ 2 r4 T 3 (2.11) Das ist die erste Form der 4. Grundgleichung im Falle des Transports der Energie durch Strahlung. Rosseland Mittel der Opazität Die in (2.11) verwendete “mittlere” Opazität muss noch definiert werden. Dies sei hier nur kurz skizziert (s. Kippenhahn & Weigert, Kapitel 5.1.3): 17 Zunächst schreibt man die Diffusionsgleichung und alle darin auftretenden Größen in der frequenzabhängigen Form. Dabei taucht dann κν auf. Die Energiedichte ist die eines Schwarzkörpers, Uν = 8πhν 3 4π B(ν, T ) = c c3 −1 hν −1 exp kT (B(ν, T ) ist die Strahlungsintensität) Damit ergibt sich der Fluss Fν , und durch Integration der Gesamtfluss F . Vergleich mit (2.11) liefert die Definition der Rosseland-Opazität als dem geeigneten Mittel π 1 := κ acT 3 Z 0 ∞ R ∞ 1 ∂B dν 1 ∂B dν = 0R ∞κν∂B∂T , κν ∂T 0 ∂T dν (2.12) da der erste Term vor dem Integral nichts anderes ist als das Mittel über den Temperaturgradienten der Intensität. Formal ist κ das harmonische Mittel von κν mit der Gewichtsfunktion ∂B/∂T . Man kann es auch als Mittelung der Leitfähigkeit oder Durchsichtigkeit der Materie für Strahlung betrachten. Tatsächlich wird sein Wert von den Frequenzbereichen dominiert, in denen κν sehr klein, die Durchsichtigkeit also sehr groß ist. Leider ergibt sich daraus auch, dass auch bei bekanntem κν von zwei Elementen κ nicht einfach deren Summe ist. Daher ist die Berechung des Rosseland-Mittels eine im allgemeinen schwierige Aufgabe, die von Experten der Atomphysik durchgeführt wird. Für die Berechnung des Sterninneren genügt es dann aber, nur noch κ, also das Rosselandmittel zu verwenden (s. Abschnitt 3.2). Energietransport durch Leitung Im Allgemeinen ist der Transport durch Leitung (also z.B. durch atomare Stöße) völlig vernachlässigbar. Es gibt aber einen Sonderfall, nämlich den hoher Elektronenentartung. In diesem Fall ist die freie Weglänge der Elektronen sehr groß, da bei Stößen kaum Energie übertragen werden kann, weil ja alle zugänglichen Energieniveaus bereits blockiert sind. Der Energiefluss durch Leitung mit einer Leitfähigkeit Kcond kann geschrieben werden als Fcond = −Kcond∇T Kcond muss in diesem Fall im Rahmen der Quatenmechanik berechnet werden. Diese Leitfähigkeit kann aber zu der aufgrund von Strahlungsdiffusion addiert werden, so dass der gesamte Energiefluss F = Frad + Fcond = −(Krad + Kcond)∇T ist. Analog zum Rosselandmittel (Elektronenleitung ist frequenzunabhängig) lässt sich dann formal ein κcond definieren: Kcond = 4ac T 3 . 3 κcond ρ Nun kann man κ in (2.11) ersetzen durch die harmonische Summe 1 1 1 + = κ κrad κcond , (2.13) wobei wir zur besseren Unterscheidung den Index “rad” an das Rosseland-Mittel angefügt haben. Die Energietransportgleichung (2.11) lautet dann im Falle von Strahlungstransport und Elektronenleitung formal genauso wie oben, allerdings hat κ dann eine erweiterte Bedeutung. 18 2.4.2 Konvektion Die letzte Möglichkeit, Energie zu tranportieren, ist durch Massenbewegungen. Dabei bewegen sich energiereichere Massenelemente aus dem Inneren nach außen und geben ihre Energie während ihrer Bewegung an die Umgebung ab. Diesen Effekt nennt man Konvektion. Da es sich um einen hydrodynamischen Vorgang handelt, müsste man ihn eigentlich mit mehrdimensionalen Hydro-Simulationen behandeln. Das ist aber aus technischen und grundsätzlichen Gründen nicht machbar, z.B. weil die Rechnungen dann dynamische Zeitskalen auflösen, aber nuklearen Entwicklungszeiten folgen müssten. Stattdessen benutzt man einfache Beschreibungen der Konvektion, die (hoffentlich) die beiden wesentlichen Effekte einigermaßen richtig liefern: den sich einstellenden Temperaturgradienten ∇c und, wenn von Bedeutung, die Zeitskala für den Transport und das Mischen der chemischen Elemente. Abbildung 2.1: Illustration der Bewegung eines Blobs durch seine ungestörte Umgebung Stabilitätsbetrachtung Die Schichten eines Sterns werden immer wieder thermisch und dynamisch gestört, z.B. durch akustische Schwingungen, lokale Maxima in der Energieerzeugung, Effekte der Rotation, Gezeitenwirkungen von außen. Sind sie stabil, oder werden die Störungen anwachsen? Im letzten Fall können sie Energie transportieren. Betrachte ein sich bewegendes Massenelement (wird oft als Blob bezeichnet), das keine Wärme mit seiner Umgebung austauscht (adiabatische Bewegung). Abb. 2.1 illustriert dieses Bild und führt einige Größen ein. Der Temperaturexzess DT = Te −Ts > 0, wenn das Element e heißer ist als seine Umgebung s. DP = 0 wegen des hydrostatischen Gleichgewichts. Wenn Dρ < 0, ist das Element leichter als die Umgebung und steigt nach oben. Nach einer Distanz △r gilt Dρ = ∂ρ ∂r e − ∂ρ ∂r s △r Da die Auftriebskraft −gDρ nach unten gerichtet ist, wenn Dρ > 0, ist ∂ρ ∂r e − ∂ρ ∂r s > 0 die Bedingung für Stabilität, weil dann das Element wieder nach unten zurückkehren wird. 19 Mit der Zustandsgleichung kann man dies umschreiben. Allgemein gilt d ln ρ = αd ln P − δd ln T − ϕdµ, wobei für ein ideales Gas gilt α = δ = ϕ = 1; (dµ)e = 0, und es folgt δ dT T dr s − δ dT T dr e − ϕ dµ µ dr >0 s Wir definieren jetzt die oft benutzte Druckskalenhöhe HP := − dr dr P = −P = >0 d ln P dP ρg (2.14) die z.B. in der Sonne an der Oberfläche 1.4 · 107 cm beträgt, bei R⊙ /2 bereits 5.2 · 109 , im Zentrum aber divergiert. Wir multiplizieren die Stabilitätsbedingung mit HP und erhalten ϕ d ln µ d ln T d ln T < + (2.15) d ln P s d ln P e δ d ln P s ϕ ∇s < ∇ad + ∇µ (2.16) δ ϕ (2.17) ∇rad < ∇ad + ∇µ δ Die letzte Gleichung, (2.17) gilt im allgemeineren Fall und ist die physikalisch korrektere Form, da sie auch Änderungen der chemischen Zusammensetzung in der Umgebung berücksichtigt. Sie heißt Ledoux-Kriterium. Ohne den letzten Term (homogene Schichtung) vereinfacht sie sich zum üblicheren Schwarzschild-Kriterium für konvektive Stabilität. Es ist zu beachten, dass ursprünglich inhomogene Schichtungen durch Konvektion selbst homogenisiert werden. Da für gewöhnlich µ nach innen anwächst (schwerere Elemente im Zentrum), und ϕ/δ > 0, wirkt ∇µ im Allgemeinen stabilisierend. Ist die Schichtung stabil, erfolgt der Energietransport durch Strahlung entlang des radiativen Gradienten ∇rad , ansonsten durch Konvektion, mit einem noch unbekannten Temperaturgradienten. In einer instabilen Schichtung stehen vier Gradienten (Abb. 2.2) in folgender Relation zueinander: ∇rad > ∇ > ∇e > ∇ad ∇ ist der tatsächliche Gradient, der sich durch die Konvektion einstellt (auch ∇c genannt). Die erste Ungleichheit folgt aus der Tatsache, dass nur ein Teil der Energie durch Strahlung transportiert werden kann, weil Konvektion immer auch etwas Energie mit sich führt. Die letzte Beziehung ergibt sich, weil das Element immer etwas mehr als adiabatisch kühlen wird (entlang seines Weges), weil z.B. etwas Energie über die Oberfläche (z.B. durch Strahlung) verloren gehen wird (der Gradient ist daher etwas überadiabatisch). Und die mittlere Beziehung drückt nur die Instabilität selbst aus. Aufgabe jeder Konvektionstheorie ist es, ∇ zu berechnen. Wichtig ist noch folgender, allgemein gültiger Zusammenhang: im tiefen Sterninnern, bei hohen Dichten, ist Konvektion sehr effektiv. Die Elemente bewegen sich fast adiabatisch und daher stellt sich ∇ = ∇ad ein. Die Abweichung ist nur von der Größenordnung 10−4 oder kleiner. Hier sind die Details der Konvektionstheorie irrelevant, der Gradient wird nur durch die Thermodynamik bestimmt. Umgekehrt ist in Sternhüllen die Dichte sehr niedrig, die Konvektion sehr ineffizient, und relativ viel Energie geht während der konvektiven Bewegungen verloren. Daher stellt sich ein merklicher überadiabatischer konvektiver Gradient ∇rad > ∇ > ∇ad ein, der im Extremfall sogar wieder ∇ . ∇rad erreichen kann. Hier hängt der tatsächliche Gradient stark von den Details der Konvektionstheorie ab. 20 Abbildung 2.2: “Die Vier Gradienten” in einer konvektiv instabilen Schicht. Mischungswegtheorie Die bekannteste “Theorie” (besser “Beschreibung”) der Effekte konvektiver Bewegungen ist die Mischungswegtheorie von Prandtl (1925), für die Astrophysik ausformuliert von Biermann und Böhm-Vitense. Dabei bleib man im Bild der konvektiven Elemente (“Blobs”), die mit einem gewissen Temperaturexzess aufsteigen, sich dabei ausdehnen und abkühlen, und letztendlich, nach einer typischen Weglänge lm , der Mischungsweglänge, sich mit der Umgebung vermischen und ihre Energie dort abgeben. Die Mischungwegtheorie (MLT) wird im Anhang B in der Formulierung von Kippenhahn und Weigert (1990) behandelt. Kurz zusammengefasst, lässt sich eine kubische Gleichung für die Unbekannte ξ herleiten (ξ − U )3 + 8U 2 ξ − U2 − W = 0 9 (2.18) wobei die einzelnen Terme im Anhang B erklärt werden. Entscheidend ist, dass die Größen ξ, U , und W nur von lokalen Grössen und den Gradienten ∇rad und ∇ad abhängen. Der (offene) freie Parameter lm sollte aus grundsätzlichen Überlegungen von der Größe der Druckskalenhöhe HP sein, also lm = αMLT HP . Der Mischungswegparameter αMLT muss aber aus Vergleich mit Beobachtungsdaten angepasst werden. Die oft verwendete Audrucksweise “kalibriert” übertreibt die Realitätsnähe der MLT. Im Allgemeinen beeinflusst αMLT vor allem Radius und Effektivtemperatur von Sternen. Im Anhang wird auch gezeigt, dass daneben noch einige versteckte Parameter in der MLT stecken, daher sind Zahlenwerte von αMLT nicht unbedingt direkt vergleichbar. Da die konvektive Geschwindigkeit (s. Gleichung (B.7)) sehr hoch ist, ist die Mischungszeitskala sehr kurz. In gewöhnlichen Sternaufbaurechnungen wird das konvektive Mischen daher als instantan angenommen, und der konvektive Gradient ∇c stellt sich instantan ein. 21 Abbildung 2.3: Konvektionsströme in der Sonne, abgeleitet aus seismologischen Beobachtungen durch den Satelliten SOHO. Realistischere Behandlungen der Konvektion Die offensichtlichen Nachteile der bisherigen Betrachtungen und damit der MLT sind: • instantes Mischen und Einstellen von ∇c • lokales Stabilitätskriterium • lokale Behandlung der Konvektion • ein von allen physikalischen Verhältnissen unabhängiger Parameter Dadurch werden nicht nur Unterschiede im konvektiven Verhalten von Sternen unterschiedlicher Masse, Zusammensetzung und Entwicklungszuständen ignoriert, sondern auch dynamische Effekte vernachlässigt. So ist es klar, dass am Rand einer konvektiven Zone zwar das Schwarzschild- (Ledoux-) Kriterium die lokale Stabilität beschreibt, aber die konvektiven Elemente dort natürlich nicht mit v = 0 ihre Bewegung einstellen. Stattdessen werden sie aufgrund ihrer Trägheit über die Stabilitätsgrenze hinausschießen und daher auch konvektiv stabile Gebiete beeinflussen (mischen). Dieser Effekt des “Überschießens” (Overshooting) wird wiederum durch Parametrisierung simuliert (ein weiterer “freier” Parameter). Weitere Reparaturen an der MLT sind z.B. die Berücksichtigung, dass nicht alle Elemente gleich sind, sondern ein Spektrum an Größen und Energien haben, oder die endliche Mischungsgeschwindigkeit, die wichtig ist in Phasen schneller Entwicklung oder beim Zusammenspiel von Konvektion und Energieerzeugung. Es gibt auch physikalischere Theorien, die aber derzeit noch nicht in einem Zustand sind, dass sie in Sternentwicklungprogrammen integriert werden können. Alternativ gibt es voll hydrodynamische mehrdimensionale Rechnungen, die jedoch wegen der kurzen dynamischen Zeitskalen nur Schnappschüsse sein können, die zur besseren Anpassung der einfacheren Theorien führen können. Insgesamt ist der Energietransport durch Konvektion immer noch die größte Schwachstelle der Sternentwicklungstheorie. Als Folge davon sind Vorhersagen von Effektivtemperaturen und Radien oder der Vergleich der Modelle mit solchen Beobachtungsgrößen (wie auch Farben) schwierig und immer mit Skepsis zu betrachten! 22 2.5 Die chemische Zusammensetzung ~ nur als Parameter in den GleichunBisher trat die chemische Zusammensetzung X gen oder den abhängigen Variablen auf. Wir haben aber schon erwähnt, dass sie sich aufgrund der nuklearen Prozesse, die ja die Energie hauptsächlich liefern, ändern muss. Zur Notation: relative Massenanteile: Xi := miρni , unter der Nebenbedingung P i Xi = 1; Spezialfälle sind Wasserstoff X, Helium Y , “Metalle” Z = 1 − X − Y . mi and ni sind Teilchenmasse und -dichte. Beispiele für typische Häufigkeitsverhältnisse (approximative Zahlen): • Resultat der Nukleosynthese im Urknall: X ≈ 0.75 Y ≈ 0.25 Z ≈ 0.0; • Population II Sterne: X = 0.75 Y = 0.25 Z ≈ 10−4 • Sonne und Population I Sterne: X = 0.70 Y = 0.28 Z = 0.02 Änderungen aufgrund von Kernreaktionen: Die allgemeine Beschreibung der Änderung des Massenanteils eines Elementes i aufgrund von nuklearen Reaktionen lautet (für Zweiteilchen-Reaktion): X mi X ∂Xi rjk − = ril ∂t ρ j,k (2.19) l Der erste Term beschreibt die Erzeugung des Elementes i durch eine Reaktion der Elemente j und k, der zweite Term die Zerstörung von i durch Reaktion mit l. Die dabei frei gesetzte Energie ist dann z.B. ǫjk = ρ1 rjk ejk . rjk ist die Zahl der Reaktionen pro Sekunde, ejk die Energie pro Reaktion; pro Teilchenmasse ist sie qjk = ejk /mi Für die Nettoumwandlung von H → He erhält man z.B. ∂Y ǫH ∂X =− =− ∂t qH ∂t . Insgesamt werden solche Ratengleichungen für alle relevanten Elemente und deren Reaktionen in großen nuklearen Netzwerken gelöst, meist unter Beibehaltung von T und ρ an der jeweiligen Stelle im Stern. Die letzte Gleichung z.B. entspricht dagegen nur einer groben Behandlung der Wasserstofffusion unter Missachtung der verschiedenen Reaktionswege (pp-Ketten oder CNO-Zyklen) und muss daher einen mittleren qH -Wert beinhalten. Änderungen aufgrund von Mischungsprozessen Neben den Kernreaktionen sind Mischungs- und auch Entmischungsprozesse von besonderer Bedeutung für die chemische Zusammensetzung als Funktion des Radius. Besondern schnelle Prozesse, wie das Mischen durch Konvektion können als instantan behandelt werden, solange kein anderer Prozess mit ähnlich kurzer Zeitskala stattfindet (z.B. nukleares Brennen bei hoher Temperatur). Dann wird über den Mischungsbereich einfach der Gesamtanteil eines Elements aufsummiert und gleichmäßig verteilt. In allen anderen Fällen muss eine Art Transportgleichung gelöst werden. Ein besonders wichtiger Fall von langsamen Teilchentransport ist Diffusion, darunter die Sedimentation der bedeutendste Prozess (Absinken von schwereren Elementen im Gravitationsfeld). Wir wissen, dass dies in der Sonne geschieht. 23 Die Beschreibung erfolgt durch eine Diffusionsgleichung der Art ∂c ~ · (D∇c) ~ =∇ (2.20) ∂t für die Teilchenkonzentration c, wobei die eigentliche Aufgabe darin besteht, die Diffusionskonstante (Diffusionsgeschwindigkeit) zu bestimmen. In allgemeiner Form lautet die Gleichung für Teilchendiffusion in der Sonne ∂Xi ∂t = (2.21) X ∂ln P 1 ∂ 2 ∂ln T ∂ln Ci r Xi T 5/2 AP (i) − 2 + AT (i) + Ak (i) ρr ∂r ∂r ∂r ∂r 4 k6=e,He wobei die verschiedenen A-Terme Diffusionskoeffizienten für Druck- (Sedimentation), Temperatur-, und Konzentrationsdiffusion sind (s. Cox & Giuli, 2. Auflage, Kapitel 18.3). Auch andere Mischungseffekte (z.B. konvektives Mischen) kann oft und bequemerweise in der Form einer Diffusionsgleichung mit entsprechender Diffusionsgeschwindigkeit (z.B. abgeschätzt aus der Mischungswegtheorie) behandelt werden. In modernen Programmen wird “Brennen-und-Mischen” simultan in einem Gleichungssystem gelöst. 2.6 Massenverlust Ein sehr wichtiger Effekt in der Entwicklung von Sternen ist Massenverlust, wobei hier nicht der Massenübertrag in wechselwirkenden Doppelsternsystemen gemeint ist, sondern der Massenverlust durch Sternwinde. Dieser kann vernachlässigbar gering sein, wie im Fall der Sonne, die derzeit 10−14 M⊙ /a verliert (weniger als der Massenverlust durch Kernreaktionen!), aber auch so groß, dass der Stern sich nicht mehr adjustieren kann. So verlieren Sterne mittlerer Masse auf dem Asymptotischen Riesenast bis zu 10−4 M⊙ /a (Superwind), und insgesamt bis zu 90% ihrer Anfangsmasse (z.B. von 6M⊙ auf 0.6M⊙). Würde man Massenverlust konsistent einbeziehen, änderte sich das mathematische Problem völlig, weil der äußere Rand nicht mehr bei m = M fixiert, sondern offen wäre. Auch müssten hydrodynamische Effekte berücksichtigt werden. Glücklicherweise ist Massenverlust aber im Allgemeinen ein kleiner Effekt, so dass die Änderungen der Gesamtmasse so langsam ist im Vergleich zur thermischen Zeitskala, dass der Stern sich immer schnell thermisch adjustieren kann. Somit kann die Entwicklung eines Sterns mit Massenverlust als Folge einer Entwicklung von Sternen abnehmender Masse simuliert werden. Da es auch an völlig selbstkonsistenten und physikalisch kompletten Windtheorien fehlt, werden fast ausschließlich empirisch hergeleitete Massenverlustformeln verwendet, und wird die Gesamtmasse im Rahmen der chemischen Entwicklung einfach reduziert, und der Stern nach diesem Schritt mit der neuen Masse berechnet. Um ein Beispiel zu geben: Falls der Massenverlust 10−8 M⊙ /a sein sollte (bereits relativ hoch), und △t in den Entwicklungsrechnungen 104 Jahre (typisch für Rote Riesen niedriger Masse), so ist △M = 10−4 M⊙ , also sehr gering. Die bekannteste Massenverlustformel stammt von D. Reimers, und wurde in den 70er Jahren aus Beobachtungen von Roten Riesen in der Sonnenumgebung gewonnen. Sie lautet L dM = −4 · 10−13 η (M⊙ a−1 ) dt gR (2.22) 24 L, g (Oberfächen-Schwerebeschleunigung) und R sind dabei in solaren Einheiten zu nehmen; η ist ein Parameter der Größe ≈ 0.1 · · · 0.6, der eingeführt wurde, um z.B. die Abhängigkeit des Massenverlustes von der chemischen Zusammensetzung, aber auch vom Entwicklungszustand zu simulieren. Es gibt weitere, meist komplexere Massenverlustformeln, die der Reimers-Formel aber im Prinzip immer ähneln. 2.7 Das Gesamtproblem • m ist die Lagrange-Variable; • r, P, T, Lr sind die unabängigen Variablen; • Xi sind die chemischen Häufigkeiten, die nur durch ihre zeitlichen Veränderung wichtig werden • ρ, κ, ǫ, . . . sind (einige) abängige Variablen; ~ Die vier zu lösenden Strukturgleichungen (für gegebenes X(t)) sind: ∂r ∂m ∂P ∂m ∂Lr ∂m ∂T ∂t = = = = 1 4πr2 ρ 1 ∂ 2r Gm − − 4πr4 4πr2 ∂t2 ∂T δ ∂P ǫ n − ǫ ν − cP + ∂t ρ ∂t GmT − ∇ 4πr4 P (2.23) (2.24) (2.25) (2.26) In der letzten Gleichung muss das relevante ∇ eingesetzt werden; im Fall von Strahlungstransport ist es ∇rad = κLr P 3 16πacG mT 4 Schließlich haben wir für die Zusammensetzung (nur Reaktionsgleichungen berücksichtigt) X X ∂Xi mi rji − rik = ∂t ρ j k Rand- und Anfangsbedingungen • bei m = 0: r = 0 und Lr = 0 • bei m = M : T (M ) = Teff , wobei dieses dem Stefan-Boltzmann-Gesetz L = 4πσR2 Teff genügen muss • und ebenfalls bei m = M : P (R) = Pphoto , d.h. der Druck entspricht dem einer Atmosphäre bei der optischen Tiefe τ = 2/3; im Allgemeinen wird eine graue Eddington-Atmosphäre verwendet, es kann aber auch eine realistischere sein. 25 • bei t = 0 die Struktur eines Anfangsmodell mit homogener chemischer Zusammensetzung und ǫ = ǫn ; ǫg = 0 (ZAMS, Zero-age main-sequence, Null-Alter Hauptreihenmodell), oder ǫ = ǫg ; ǫn = 0 (PMS, pre-main sequence, Vorhauptreihenmodell) 26 Kapitel 3 Die Mikrophysik Wir wenden uns jetzt kurz den abhängigen Größen zu, also κ, ρ, ǫn etc., die unter den Stichwörtern Materialfunktionen, Mikrophysik, oder im Englischen auch input physics zusammengefasst werden. 3.1 Zustandsgleichung Die Zustandsgleichung liefert viele wichtige Größen, die wir bereits in den Grundgleichungen und bei der Konvektion getroffen haben. Dazu zählt Dichte ρ, innere Energie U , Wärmekapazität cP , adiabatischer Gradient ∇ad , etc. Die allgemeinen Zusammenhänge sind im Anhang A aufgeführt. 3.1.1 Ideales Gas Die einfachste Zustandsgleichung ist die des idealen Gases, die in der Sternentwicklung allgemein in der Form Pgas = R ρT µ (3.1) geschrieben wird. R ist die Gaskonstante und µ das dimensionslose Molekulargewicht, welches die atomaren Masseneinheiten pro Teilchen beschreibt. µ= X Xi (1 + zi ) i µi !−1 (3.2) wobei µi das molekulare Gewicht der Spezies i in der Materiemischung ist, also z.B. etwa 16 für Sauerstoff. Xi ist der übliche relative Massenanteil von Element i, und Zi seine Ladungsanzahl; sie wird hier aber als zi geschrieben, und ist als Zahl der frei gesetzten Elektronen zu verstehen, also 0 ≤ zi ≤ Zi (unionisiert bis vollionisiert). Für neutralen Wasserstoff ergibt sich µ = (1(1 + 0)/1)−1 = 1, für vollionisiertes Helium µ = (1(1 + 2)/4)−1 = 4/3. Neben µ aus (3.2) werden noch das Molekulargewicht pro Nukleon und das Molekulargewicht pro Elektron verwendet. Deren Definitionen sind 27 µ0 = X Xi !−1 µi !−1 X Xi z i , µi i i µe = (3.3) −1 so dass auch gilt µ−1 = µ−1 n + µe . Die genaue Zahl der freien Elektronen ergibt sich aus der statistischen Physik, insbesondere der Saha-Gleichung, die die Gleichgewichtshäufigkeiten von Ionen unterschiedlicher Energiepotentiale beschreibt. In Sternen liegt jeder Zustand zwischen völliger Neutralität aller Elemente über Teilionisation bis zur vollständigen Ionisation vor (s. KW, Kapitel 14). 3.1.2 Ideales Gas mit Strahlungsdruck Ebenso fundamental wie einfach ist der Strahlungsdruck, der Prad = a 4 T 3 folgt, und zum Gasdruck Pgas (3.1) einfach addiert wird. Das Verhältnis der beiden ist eine wichtige Größe β := Pgas P und kann im Stern zwischen 1 (P = Pgas ) und nahezu 0 (P ≈ Prad ; in massereichen Sternen) variieren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang noch, dass für ein ideales Gas die thermodynamischen Ableitungen α und δ gleich 1 sind, cP = 5R/2µ und ∇ad = 2/5. Dagegen divergiert cP für ein reines Strahlungsgas, und ∇ad → 1/4. Eine ebenso wichtige Größe ist 1 d ln ρ = α − δ∇ad (3.4) := γad d ln P ad welche für ein ideales Gas somit 5/3 und für ein Strahlungsgas 4/3 beträgt. Solche Gase werden mit “ein 5/3-Gas” oder “ein 4/3-Gas” bezeichnet. 3.1.3 Zustandsgleichung eines entarteten Gases Wegen der hohen Dichten können die Elektronen eines ionisierten Gases teilweise bis vollständig entartet sein, trotz der hohen Temperaturen im Sterninnern. Dann dominiert der Entartungsdruck. Selbst im Zentrum der Sonne spielt Entartung bereits eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Ionen sind i.A. nicht entartet (erst in Neutronensternen). Die Verteilung der Elektronen im Impulsraum folgt aus der Boltzmann-Statistik (p hier Impuls) f (p)dpdV = ne p2 4πp2 exp − dpdV 2me kT (2πme kT )3/2 (3.5) wird aber andererseits durch das Pauli-Prinzip limitiert f (p)dpdV ≤ 8πp2 dpdV h3 (3.6) 28 Abbildung 3.1: Verlauf von f (p) für drei verschiedene Temperaturen und der Grenzwert des Pauli-Prinzips. Bei niederen Temperaturen kann die Boltzmann-Verteilung nicht mehr realisiert werden, sondern stellt eine obere Grenze dar. Im Falle vollständiger Entartung (T = 0)gelten 8πp2 for p ≤ pF ∝ n1/3 e h3 = 0 for p > pF (3.7) f (p) = p2 2/3 wobei EF = 2mFe ∝ ne die Fermi-Energie ist. Für EF ≈ me c2 , ve ≈ c liegt vollständige relativistische Entartung vor. Wir unterscheiden daher zwei Fälle: 1. pF ≪ me c (nicht-relativistisch) Pe = 1.0036 · 10 13 ρ µe 5/3 Pe = 2 Ue 3 (3.8) ρ µe 4/3 Pe = 1 Ue 3 (3.9) 2. pF ≫ me c (relativistisch) Pe = 1.2435 · 10 15 (Ue ist die innere Energie pro Elektron und Einheitsvolumen). In allen Fällen ist Pi ≪ Pe wegen der wesentlich höheren Ionenmassen. Beachten Sie die beiden unterschiedlichen Potenzen in ρ, und die Tatsache, dass die Temperatur nicht mehr in der Zustandsgleichung auftritt. Im allgemeineren Fall von teilweiser Entartung muss die Zustandsgleichung mittels der Fermi-Integrale für die Elektronenverteilung gelöst werden. Diese folgt bei kleinen Impulsen noch der Boltzmannverteilung bzw. der Pauli-Grenze, verschwindet aber bei hohen Impulsen. Für T ≈ 0 fällt sie am Fermi-Impuls stufenartig auf 0 ab, ansonsten in einer etwas ausgeschmierten Kurve. 29 Abbildung 3.2: Schematische Darstellung der verschiedenen Bereiche der stellaren Zustandsgleichung als Funktion von ρ und T . Das Innere der Sonnen ist mit der dicken, gestrichelten Linie angedeutet. 3.1.4 Moderne Zustandsgleichungen mit nicht-idealen Effekten Die bisherigen einfachen Grenzfälle einer realistischen Zustandsgleichung sind heute nicht mehr ausreichend, um genaue Sternmodelle zu berechnen. Daher werden Zustandsgleichungen von Spezialisten für unterschiedliche Zusammensetzungen berechnet, und als Tabellenwerke in den Sternaufbau-Programmen verwendet. Leider sind solche Tabellen nie umfangreich genug: entweder sind die Gültigkeitsbereiche der physikalischen Annahmen eingeschränkter als die tatsächlichen Variationen in T und P im Stern, oder die Zusammensetzung ist nicht die richtige (mehr Elemente zu berücksichtigen, ist eben mit einem immer höheren Grad an Komplexität verbunden). Dann muss doch wieder auf die einfachen Zustandsgleichungen zurückgegriffen werden. Der wesentliche Unterschied zwischen den modernen und den einfachen Zustandsgleichungen sind die nicht-idealen Effekte, die in den ersteren berücksichtigt werden; z.B. van-der-Waals-Kräfte, Kovolumen-Effekte, Druckionisation, etc. Die wichtigsten Quellen moderner Zustandsgleichungen sind die OPAL-Zustandsgleichung vom Lawrence Livermore National Laboratory (www-phys.llnl.gov/Research/OPAL) oder die Free-EOS von A. Irwin (freeeos.sourceforge.net). In Abb. 3.3 ist die Größe cV (P, T ) in einer modernen Zustandsgleichung dargestellt. Sehr schön sind die Ionisationsstufen von Wasserstoff und Helium (Anteile 60% und 40%) zu erkennen. 3.2 Opazitäten Ähnlich wie im Fall der Zustandsgleichung gibt es für die Opazitäten (genauer das Rosseland-Mittel) sowohl klassische, einfache Approximationen wie moderne, hochkomplizierte Rechnungen, die als Endprodukt Tabellenwerke liefern, die dann 30 Abbildung 3.3: Eine moderne tabellarische Zustandsgleichung; hier CV . Die roten Linien zeigen den Verlauf von T und P von zwei Sternmodellen (Hauptreihe und Roter Riese; welche Linie ist welches Modell?); die weißen Linien die Grenzen der eingehenden Zustandsgleichungen, aus denen diese zusammengesetzt wurde. wiederum in numerische Simulationen Eingang finden. Auch hier sind es Daten vom Lawrence Livermore National Laboratory, die vor allem benutzt werden. Allerdings sind diese, und die unabhängigen Konkurrenztabellen des Opacity Project1 nur für atomare Absorptionsprozesse gültig. Da es bei tieferen Temperaturen (unter 104 K) sowohl Moleküle wie auch Staub gibt, müssen auch die entsprechenden Prozesse dieser Absorber berücksicht werden. Auch dafür gibt es Tabellenwerke, vor allem von D. Alexander und J. Ferguson. Diese können dann mit den atomaren Daten “verschmolzen” werden, falls die chemische Zusammensetzung der berechneten Mischungen gut übereinstimmen. Während für die Zustandsgleichung die häufigsten Elemente dominieren (z.B. wegen ihrer der Teilchenzahl proportionalen Partialdrucke), sind es bei den Opazitäten stattdessen die Absorptionsprozesse, die wichtig sind. Diese können nun auch bei Spurenelementen wichtiger sein als bei häufigen, z.B. ist TiO eine sehr wichtige Opazitätsquelle, obwohl Titan nur sehr unterhäufig ist. Daher werden in modernen Opazitätsrechnungen etwa 20 Elemente berücksichtigt. Die Verwendung solcher Tabellen in numerischen Programmen geschieht dann so, dass zunächst innerhalb der Tabellen auf den jeweiligen (T, ρ)-Wert, und dann zwischen den Tabellen unterschiedlicher Zusammensetzung auf die tatsächliche Mischung der betreffenden Stelle im Sternmodell interpoliert wird. Die Hauptabsorptions- und Streuprozesse in stellarer Materie sind die Streuung an freien Elektronen (Thomson-Streuung), bei der das elektromagnetische Feld der Photonen Elektronen zum Schwingen anregt, die dann wiederum emittieren können. Die Näherungsformel ist κsc = 8π re2 = 0.20(1 + X) cm2 g−1 3 me mu wobei ab etwa 108 K auch Impulsübertragung stattfinden kann, und somit ComptonStreuung mit einem etwas niedrigerem κ vorliegt. Ein zweiter Prozess sind Frei-Frei-Übergänge, d.h. freie Elektronen gehen im Vorübergang an einem Ion kurzfristig einen (ungebundenen) atomaren Zustand ein; 1 http://vizier.u-strasbg.fr/OP.html 31 Abbildung 3.4: Tabelle mit Rosseland-Mittel der Opazität für eine Mischung mit X = 0.70, Z = 0.001 einschließlich der Elektronenleitung. Im schwarzen Rechteck liegen keine Daten vor, vor allem wegen der mangelnden Zustandsgleichung für diese extremen Verhältnisse. Die Variable R ist definiert als T /(106 ρ3 ), weil diese Grösse in jungen, massereichen Sternen näherungsweise konstant ist. Die Abbildung zeigt auch die Gitterdichte der Tabelle. dieser absorbiert und re-emittiert Photonen. Die Näherungsformel ist die sogenannte Kramers-Formel κff ∝ ρT −7/2 Die Temperaturabhängigkeit kommt über die Geschwindigkeitsabhängigkeit des Prozesses ins Spiel. Der Porportionalitätsfaktor ist kompliziert herzuleiten, schließt Quantenkorrekturen ein, und wird meist nur mit κ0 bezeichnet. Weiterhin sind Gebunden-Frei-Übergänge von Bedeutung, was physikalisch einer Photoionisation entspricht. Wieder ergibt sich eine Kramers-artige Formel, allerdings jetzt mit einem Häufigkeitsterm: κbf ∝ Z(1 + X)ρT −7/2 Von besonderer Bedeutung ist das H− -Ion, das bei T < 104 K vorliegt, und wegen der schwachen Bindung des Elektrons von Photonen mit λ < 1655 mm (IR) zerstört werden kann, und deswegen ein ganz wichtiger Absorber ist. Schließlich sind unter 106 K Gebunden-Gebunden-Übergänge dominant, für die es keine einfache Formel gibt, und die auch erst in den 70er-Jahren des 20. Jhdts. gut berechnet werden konnten. Das ist also die normale Linienabsorption, die Gegenstand der Atmosphärenphysik ist. Zuletzt erwähnen wir noch, dass für Elektronenleitung vereinfacht die Abhängigkeit κc ∝ ρ−2 T −2 gilt. κc wird entsprechend (2.13) zum Rosseland-Mittel atomarer oder molekularer Absorption addiert. In vereinfachten Sternmodellen werden gerne analytische Beschreibungen der Mikrophysik verwendet. Für Opazitäten hat sich die allgemeine Schreibweise κ = κ0 ρn T −s 32 eingebürgert, weil sie den meisten erwähnten Prozessen entspricht. 3.3 Nukleare Energieerzeugung Ein sehr wichtiger Aspekt des Sternaufbaus sind die nuklearen Prozesse, weil sie nicht nur die Energieerzeugung betreffen, sondern auch die chemischen Änderungen im Stern (zur Erinnerung: Masse und chemisches Profil bestimmen die Struktur eines Sterns), und damit auch – über den Massenverlust – die chemische Entwicklung des interstellaren Gases und der gesamten Galaxie.2 Die Energieerzeugung aus nuklearer Fusion geschieht über folgendes Grundprinzip: Nuklide haben eine höhere Masse, wenn sie getrennt, als wenn sie in einem schwereren Kern mit Masse A (in mu ) vereint sind. Der Massenunterschied △m (Massendefekt) wird über E = mc2 in Energie umgesetzt (hauptsächlich durch hochenergetische Photonen, die dann schnell thermalisieren). Ein Beispiel ist die Wasserstofffusion (4 Protonen zu einem Alpha-Kern): 4 1 H (Protonen) : 4 · 1.0081mu, aber 4 He: 4.0089mu. Unterschied (0.7%) : 26.5 MeV (931.1 MeV = 1 mu ; 1 MeV = 1.6 · 10−6 erg). Die solare Leuchtkraft, ausgedrückt in Masseneinheiten ist 4.25 · 1012 gs−1 . Wenn 0.7% von M⊙ zur Verfügung stehen, kann die Sonne 1011 Jahre scheinen. Die Bindungsenergie (B.E.) ist definiert als EB := [(A − Z)mn + Zmp − Mnuc ]c2 (3.10) und f := EB /A ist die B.E./Nukleon, die, außer für die leichtesten Elemente von der Größenordnung 8 MeV ist, beim 56 Fe ein Maximum von 8.4 MeV hat, und danach wieder abnimmt. Daher sind Reaktionen nur bis zum Eisen exotherm, darüber hinaus gehenden Fusion mit schweren Ionen bedarf der Energiezufuhr. Die B.E. für H ist 0 MeV (Def.), für 4 He = 6.5 MeV und 12 C = 7.5 MeV. Am meisten Energie kann also in den ersten Fusionen gewonnen werden. Nukleare Fusion Das Hauptproblem bei der Fusion ist, die Coulomb-Abstoßung zwischen den Kernen zu überwinden (proportional zu Z1 Z2 und von der Größenordnung einiger MeV). Diese Energie kommt aus der kinetischen Energie der Teilchen im Plasma, welche einer Maxwell-Boltzmann-Verteilung folgt. Daher gibt es bei jeder Temperatur einige Teilchen, die die nötige Energie hätten; allerdings ist diese Zahl bei Temperaturen von vielleicht 108 K im Zentrum (ca. 10 keV) verschwindend gering. Die Lösung für dieses Problem fand Gamow: den quantenmechanischen Tunneleffekt, dessen Wahrscheinlichkeit mit der Energie ansteigt. Abb. 3.5 zeigt die beiden Funktionen. Bei Energien, die deutlich unter der Reaktionsenergie liegt, hat die kombinierte Funktion ein Maximum; dort finden dann genügend Reaktionen statt. Die Herleitung der Reaktionsraten ist im Buch von Clayton (Principles of Stellar Evolution and Nukleosynthesis; Univ. of Chicago Press, 1983) sehr ausführlich dargestellt. Wir erwähnen hier nur das Endergebnis für nicht-resonante Reaktionen für den Wirkungsquerschnitt σ(E) = S(E)E −1 exp −πη; 2 Dieses η= p 2πZ1 Z2 e2 (m/2) hE 1/2 Thema wird ausführlich in meiner Vorlesung Nukleosynthese behandelt. 33 (3.11) Abbildung 3.5: Der “ Gamow peak” (stark vergrößert); die gestrichelte Linie ist die Maxwell-Verteilung, die Linie mit Strich-Punktierung die Wahrscheinlichkeit für den Tunneleffekt. wo m die reduzierte Masse im Schwerpunktssystem ist. S(E) ist der astrophysikalische S-Faktor, gemessen im Labor, aber dort bei wesentlich höheren Energien. Astrophysikalische Raten sind daher meist extrapolierte Laborraten! Die thermonukleare Reaktionsrate ist definiert als rjk = nj nk hσvi 1 + δjk und ist die Zahl der Reaktionen pro Einheitsvolumen und Zeit. hσvi ist die Reaktionswahrscheinlichkeit pro Reaktionspartner-Paar und Sekunde, gemittelt über die Geschwindigkeitsverteilung. Die Verteilungsfunktion f (E) ist √ 2 E −E/kT f (E)dE = √ e dE π (kT )3/2 und somit hσvi = Z ∞ σ(E)vf (E)dE 0 Die Energie, die durch die Reaktion pro Sekunde frei wird, ist dann ǫjk = qjk 1 ρXj Xk hσvi 1 + δjk mj mk (3.12) wobei qjk die Wärmetönung der einzelnen Reaktion darstellt. Zur Veranschaulichung kann man, bei gegebener Temperatur, ǫjk durch besseren ν ǫjk,0 TT0 approximieren. So ist z.B. im Wasserstoffbrennen ν = 5 . . . 15, und im Heliumbrennen ν ≈ 40. Das impliziert auch, dass Kernreaktionen sehr gute “Thermostaten” sind. 34 Elektronen- oder Coulombabschirmung Genau wie bei der Zustandsgleichung verändern die freien Elektronen das tatsächliche Coulomb-Feld. Hier führt ihre Gegenwart dazu, dass sie sich um die positiv geladenen Kerne in “Wolken” ansammeln, und damit für weiter entfernte Kerne die effektive Coulomb-Abstoßung reduzieren. Daher wird die Reaktionsrate in einem stellaren Plasma erhöht. Die am meisten benutzte Formel für den Erhöhungsfaktor ist die von Salpeter (1951), die in der Debye-Näherung hergeleitet wird. Reaktionsraten In der Praxis werden aus den Labormessungen bzw. theoretischen Rechnungen analytische Fitformeln für jede Reaktion hergeleitet, und in der Form NA hσvi(1+δik )−1 veröffentlicht und verwendet. Durch Verwendung der obiger Formeln (insb. von (3.12)) kann die gesamte Energieerzeugung berechnet werden. Standardwerke sind mehrere Publikationen von W. Fowler aus den 80er Jahren sowie die NACRE-Bibliothek (http://pntpm.ulb.ac.be/Nacre/nacre d.htm). 3.4 Neutrinoemission Wir haben bereits erwähnt, dass das stellare Plasma Neutrinos emittiert, die praktisch ungehindert das Sterninnere verlassen (ihre mittlere freie Weglänge im Stern beträgt etwa 100 pc), und zu einem Energieverlust (Lν ) führen. Die wichtigsten Prozesse zur Erzeugung sind 1. Paarerzeugung: e− + e+ → ν + ν̄ für T > 109 K. 2. Photoneutrinos: γ + e− → e− + ν + ν̄ (wie Compton-Streuung, aber mit νanstelle von γ-Paar). 3. Plasmaneutrinos: γpl → ν + ν̄; Zerfall eines Plasmazustandes γpl . 4. Bremsstrahlung: inelastische Kern–e− -Streuung, aber es wird kein Photon, sondern ein ν-Paar emittiert. 5. Synchrotron-Neutrinos: wie Synchrotron-Strahlung, aber wiederum werden Neutrinos statt Photonen emittiert. Abbildung 3.6: Die Bereiche in der ρ–T -Ebene, in denen die verschiedenen NeutrinoEmissionsprozesse wichtig sind 35 Der (meist) wichtigste Prozess im Sterninnern sind die Plasmaneutrinos (s. auch Abb. 3.6) Auch hier gibt es Tabellen und/oder Fitformeln, die die Energierate pro Sekunde liefern, publiziert z.B. von Haft, Raffelt & Weiss (ApJ 425, 222, 1994). 36 Teil II Grundzüge der Sternentwicklung 37 Kapitel 4 Sternmodelle Seit Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts werden Sternmodelle nur noch im Computer mit immer komplizierteren numerischen Programmen berechnet. Dazu werden in den meisten Fällen die Gleichungen aus Kapitel 2.7 mit Hilfe einer Relaxierungsmethode, ähnlich der bekannten Newton-Iteration gelöst. Da wir mindestens 4 partielle Differentialgleichungen für 4 Variable lösen müssen, läuft dies auf die Inversion einer Matrix hinaus, die pro Stützstelle (entsprechend einem Wert von m) 4 Zeilen hat. Typische Stützstellenzahlen liegen im Bereich 100-1000. Eine so große Matrix ist nicht trivial zu invertieren, weswegen erst das Henyey-Verfahren entwickelt werden musste, dass die Blockstruktur dieser Matrix ausnutzt, so dass sukzessive 4x4-Matrizen gelöst werden. Details dazu und zu anderen numerischen Methoden finden sich im Buch von Kippenhahn & Weigert. Wie bei jedem Relaxationsverfahren hängt der Erfolg (Konvergenz) davon ab, dass eine gute Näherungslösung vorgegebn wird. Bei der zeitlichen Entwicklung ist das jeweils das Modell zum vorangegangenen Zeitpunkt. Für t = 0 aber ist die Sache schwieriger. Hier behilft man sich mit bereits vorhandenen Modellen, oder mit anders konstruierten Modellen. Eine Möglichkeit dazu sind Modelle, die mit einem Runge-Kutta Verfahren gewonnen wurden, oder vereinfachte Modelle (s.u.). Alle Modelle, die im Weiteren hier besprochen werden, wurden aus modernen numerischen Rechnungen gewonnen, die die Physik des ersten Teils beinhalten. Der Vollständigkeit halber, und weil es didaktisch an einigen Stellen interessant ist, seien aber einige klassische Methoden zur Gewinnung einfacher Sternmodelle kurz erwähnt: 1. Homologie-Relationen (s. Anhang C). Unter der Annahme, dass die wichtigsten Variablen in Sternen verschiedener Masse ähnlich verlaufen, erhält man Skalierungsrelationen, die sich vor allem für Sterne in frühen Entwicklungsphasen als erstaunlich genau erweisen. Die Grundannahme lautet, dass für zwei zueinander homologe Sterne 0 und 1 gilt bei m1 m0 r1 r0 = → = M1 M0 R1 R0 Daraus lassen sich dann (s. Anhang) unter anderem die Masse-LeuchtkraftBeziehung L ∼ µ4 M 3 und die Masse-Radius-Relation herleiten, die für die pp-Kette R ∼ µ0.125 M 0.5 lautet, und für den CNO-Zyklus R ∼ µ0.61 M 0.78 . 38 Abbildung 4.1: Die empirische Masse-Leuchtkraft-Beziehung für Sterne der Sonnenumgebung Die empirschen Gegenstücke zeigen die Abbildungen 4.1 und 4.2. 2. Polytropen waren lange Zeit die besten einfachen Modelle, die sehr viel Einblick in die innere Struktur von Sternen erlaubten, und bis zu einem hohen Grad an Komplexität geführt wurden. Sie werden ausführlich in den Büchern von Chandrasekhar und Schwarzschild diskutiert und verwendet. Die Grundidee ist, nur die ersten beiden (mechanischen) Gleichungen zu verwenden, und die fehlende Beziehung für ρ vorzugeben. Die allgemeine Form ist P (r) = Kρ1+1/n (r) wobei n den Polytropenindex darstellt. Man kann dann auch schreiben P (r) = Pc θ(1+n) ρ(r) = ρc θ n wobei θ einen skalierten Radius darstellt. Die ersten beiden Gleichungen können mit Hilfe der Poisson-Gleichung zusammengefasst werden: (n + 1)Pc 1 d 4πGρc r2 dr dθ r2 = −θn dr (4.1) oder auch, wenn man den Vorfaktor als rn abkürzt und r = rn ζ schreibt: 1 d 2 dθ ζ = −θn (4.2) ζ 2 dζ dζ Das ist die Lane-Emden-Gleichung, die im allgemeinen Fall immer noch numerisch gelöst werden muss. Ihre Randbedingungen sind θ(ζ = 0) = 1 (ρ = ρc ) and θ′ (0) = 0 ( dP dr = 0). Die Sternoberfläche entspricht der ersten Nullstelle von θ, wo P = T = ρ = 0. Analytische Lösungen gibt es für n = 0, 1, 5. Im letzten Fall geht R → ∞. 39 Abbildung 4.2: Die empirische Masse-Radius-Beziehung für Sterne der Sonnenumgebung Interesante Fälle sind n = 1.5, der P ∝ ρ5/3 entspricht (vollständig entartetes, nicht-relativistisches Gas), und n = 3, also P ∝ ρ4/3 (voll relativistisches, vollständig entartetes Gas). Adiabatische Konvektionszonen sind ebenfall Polytropen mit n = 1.5, isotherme Kerne von Sternen haben n = ∞. 3. Weitere einfache Modelle. Weitere Vereinfachungen sind die Annahme konstanter Dichte, einer punktförmigen zentralen Energiequelle, und einer gleichmäßigen Energiequelle. Moderne Sternentwicklungsprogramme beginnen mit einem Anfangsmodell (Zeitpunkt t0 ), berechnen dessen Struktur bei vorgegebener Anfangsmasse, chemischer Zusammensetzung (meist homogen), und verwendeter Physik. Dann beginnt die zeitliche Integration, zunächst mit einem kleinen Zeitschritt ∆t , der sehr viel kleiner als die dominierende Zeitskala sein sollte. Dann wird das nächste Modell relaxiert (das räumliche Problem, zum Zeitpunkt t0 + ∆t = t1 ), bevor das nächste zeitliche Problem gelöst wird. Die Gitterauflösung beträgt, wie schon gesagt, 100 bis einige Tausend Stützstellen. Die Anzahl der Zeitschritte hängt stark von der Entwicklungsphase ab, und kann zwischen einigen Hundert und einigen Hunderttausend Modellen schwanken. Die Rechenzeiten betragen pro Modell Zehntelsekunden, ein Modelllauf kann bis zu einer Woche dauern. Diese Zeiten haben sich trotz der immer leistungsfähigeren Computer nur wenig verkürzt, weil die Physik der Modelle stark verbessert wurde und wird. 40 Kapitel 5 Die Hauptreihe 5.1 Vorhauptreihe Die Entwicklung eines Sterns beginnt aus der Kontraktion und Fragmentierung einer interstellaren Gas- und Molekülwolke. Sternentstehung ist aber ein eigenes Thema und wird in dieser Vorlesung nicht behandelt. Irgendwann hat sich eine sphärisch symmetrische Gaskugel herausgebildet, die vielleicht immer noch umliegende Materie akkretiert, aber in der schon thermischer Druck die Gravitation ausgleicht. Dieses Objekt befindet sich also im hydrostatischen Gleichgewicht, und wir können das Virial-Theorem anwenden: der Stern kontrahiert und wandelt gravitative Energie in Leuchtkraft und innere Energie um, er erwärmt sich also. Dieser Teil der Vorhauptreihen-Entwicklung wird als hydrostatische Kontraktion bezeichnet. Abbildung 5.1 zeigt die Entwicklung der Sonne von dieser Phase bis heute mit entsprechenden Altersmarkierungen. Man beachte vor allem die immer länger werdende Zeitskala, die einerseits aus der abnehmenden Leuchtkraft, andererseits aus dem Beginn nuklearen Brennens resultiert. Aufgrund der niedrigen Temperaturen (Opazität hoch) sind Vorhauptreihensterne nahezu vollkonvektiv (Entwicklung entlang der Hayashi-Linie). Sie können daher mit Polytropen vom Index 3/2 beschrieben werden. Zusammen mit Atmosphären ergeben sich die näherungsweisen Relationen d ln L & 10 d ln Teff d ln Teff ≈ 0.2. d ln M Die Hayashi-Linien sind also sehr steile Linien im HRD, deren Temperatur nur schwach mit der Masse ansteigt (Abb. 5.2, rechts). Der Einfluss der Mischung ist so, dass ein höherer Heliumanteil (also weniger H) zu niedrigeren Opazitäten und damit höheren Temperaturen führt. Das gleiche geschieht für niedrigere Metallizität. Das kann aber überhaupt nur einen Einfluss haben, weil die Sterne nicht wirklich komplett adiabatisch geschichtet sind. Deswegen spielt auch αMLT eine Rolle: je größer dieser Parameter ist, desto wärmer sind die Modelle (s. auch Abb. 5.2, die Modelle von Salaris und Cassisi zeigt). Etwa auf halber Höhe des gezeigten Vorhauptreihen-Entwicklungsweges erreicht die Zentraltemperatur Werte von nahezu 106 K; dann wird etwa vorhandenes primordiales Deuterium durch Protonen-Einfang zu 3 He umgewandelt. Energetisch ist diese Phase uninteressant (die Häufigkeiten bewegen sich um 10−5 ), die Kontraktion läuft aber etwas langsamer ab. Bei T ≈ 2.5 · 106 K verbrennt dann 7 Li, hauptsächlich zu 4 He. Zu diesem Zeitpunkt ist der Stern aber schon nicht mehr ganz 41 Abbildung 5.1: Entwicklung der Sonne im HRD von der Vorhauptreihe (Phase der hydrostatischen Kontraktion) bis heute. Abbildung 5.2: Einfluss von Zusammensetzung und Masse auf die Lage der HayashiLinie im HRD. (Diese und viele weitere Abbildungen in diesem Abschnitt stammen aus dem Buch von Salaris & Cassisi.) 42 M (M⊙ ) 0.2 1.0 4.0 Anfangswerte: Alter (106 a) 730 62 0.5 XD 8 · 10−18 2 · 10−17 4 · 10−18 4 · 10−5 X3He 2 · 10−4 1 · 10−4 1 · 10−4 3 · 10−5 X7Li 7 · 10−15 4 · 10−9 1 · 10−8 1 · 10−8 Tabelle 5.1: Häufigkeiten der flüchtigen Elemente D, 3 He und 7 Li am Ende der Vorhauptreihe. Diese Elemente sind primordial, entstanden also in diesen Anteilen während der Urknall-Nukleosynthese. Das Alter ist die benötigte Zeit zum Erreichen der Hauptreihe, die Zusammensetzung der Modelle war solar (Y = 0.277, Z = 0.02; aus Salaris & Cassisi). konvektiv, sondern entwickelt einen radiative Kern. Daher ist die Oberflächenhäufigkeit von Lithium abhängig von der Ausdehnung der konvektiven Hülle. Da wärmere Sterne weniger tiefe Konvektionszonen haben, ist der Abbau dieser Elemente in ihnen geringer (s. die oben erwähnten Abhängigkeiten). Insbesondere in Sternen mit Z . Z⊙ /30. und M & 0.6 M⊙ kann man erwarten, dass die Oberflächenhäufigkeit von 7 Li noch primordial ist. In Sternen mit M . 0.6 M⊙ ist der Abbau von Lithium dagegen signifikant, in der Sonne war er vermutlich eher gering. Tabelle 5.1 beinhaltet einige Zahlenwerte dazu. Bei Zentraltemperaturen von ca. 1.2 · 107 K beginnen auch die ersten TeilReaktionen des Wasserstoffbrennens (s. Abschnitt 5.2.3). Wichtig ist dabei besonders die C-N-Umwandlung als Teil des CNO-Zyklus. Damit wird noch nicht Helium erzeugt, aber es werden einige Protonen verbraucht, und es wird auch kurzfristig signifikante Energie erzeugt. Als Folge verlangsamt sich die Entwicklung, der Kern wird wieder konvektiv, und der Stern durchläuft ein kleines Leuchtkraftmaximum (s. Abb. 5.1). 5.2 5.2.1 Hauptreihenentwicklung Die ZAMS Die Zero Age Main Sequence ist eigentlich ein theoretisches Konstrukt: sie ist definiert als der Ort homogener Sterne, in denen L = Lnuc . Tatsächlich aber muss immer ein kleiner Anteil thermischer Energie vorhanden sein (wegen der unausweichlichen Kontraktion und dem Virial-Theorem; in der Sonne ist der Anteil an der Gesamtenergie-Erzeugung etwa 10−4 ), und außerdem haben wir gerade gesehen, dass sich die Zusammensetzung im Laufe der Vorhauptreihenentwicklung bereits etwas geändert hat. Der Wasserstoffanteil im Zentrum kann um bis zu 0.5% abgesunken sein. Etwas ungenauer definiert sich die ZAMS als der Ort, an dem die Leuchtkraft “fast ausschließlich” (z.B. über 99%) aus nuklearer Energie stammt, die Entwicklungszeitskala schnell sehr langsam wird (s. Abb. 5.1), ǫg ≈ 0, oder auch der Radius in dieser Phase minimal ist. All diese Definitionen stimmen in etwa, aber nicht genau überein. 5.2.2 Braune Zwerge Wie am Ende von Anhang C gezeigt, steigen die Zentralwerte von Druck und Temperatur etwa mit M 2 bzw. M . Das heißt, dass Sternen niedriger Masse auch niedrigere Zentraltemperaturen aufweisen. Fallen diese unter die kritischen Temperaturen für Wasserstoffbrennen, kann der Stern seinen Energiebedarf nicht mehr aus nuklearem Brennen alleine decken. Solche Objekte werden dann nicht mehr als Sterne, sondern als Braune Zwerge bezeichnet. Sie müssen also weiter kontrahieren, um, 43 Abbildung 5.3: Schema der drei pp-Ketten. Abbildung 5.4: Reaktionsablauf im CNO-Zyklus entsprechend dem Virial-Theorem Energie frei zu setzen. Da bei hohen Dichten aber Elektronen-Entartung einsetzt, werden sie durch den Entartungsdruck stabilisiert und kühlen nur noch aus. Die kritische Masse beträgt 0.075M⊙; darunter haben wir also Braune Zwerge. 5.2.3 Wasserstoffbrennen Das bereits oft erwähnte Wasserstoffbrennen ist die Energiequelle auf der Hauptreihe (und auch meist später). Es findet in Sternen im Wesentlichen auf zwei Wegen statt: pp-Ketten und CNO-Zyklus. Die beiden Reaktionswege sind in den Abbildungen 5.3 und 5.4 skizziert. Immer werden sukzessive 4 Protonen zu einem 4 He vereint, wobei 2 p zu n umgewandelt werden, und somit 2 Neutrinos entstehen, die aber unterschiedlich viel Energie aus der Reaktion mitnehmen. Die Verzweigungen in den pp-Ketten sind temperaturabhängig. pp1 findet bei niedrigeren, pp3 bei höheren statt. Die Energietönung beträgt 26.2, 25.7 und 19.2 MeV. In der Sonne laufen die pp-Ketten etwa im Verhältnis 86:14:0.02 ab. Wir werden auf das Thema Wasserstofffusion in der Sonne im Teil 3 noch weiter eingehen. Der CNO-Zyklus läuft bei etwas höheren Temperaturen ab. Die Sonne bezieht nur etwa 2% ihrer Energie daraus. Der Zyklus wird oft als katalytisch bezeichnet, 44 Abbildung 5.5: Temperaturabhängigkeit der Energierzeugungsraten ǫpp und ǫCNO . Die Zentraltemperatur der Sonne ist mit einem Kreis markiert. weil, vom 12 C ausgehend, nacheinander Protonen angelagert werden, bis schließlich O entsteht, das aber so angeregt ist, dass er ein 4 He abspaltet und wieder zu 12 C wird. Da die Reaktionsraten im Zyklus unterschiedlich hoch sind, “staut” sich der Zyklus am Isotop mit der langsamsten Rate. Das ist 14 N, dessen Häufigkeit so lange anwächst, bis die Rate wieder so groß ist wie die der erzeugenden, 13 C(p, γ)14 N. Ein CNO-Zyklus im Gleichgewicht führt zu zwei wesentlichen Häufigkeitsänderungen: erstens wird fast alles 12 C zu 14 N, und zweitens sinkt das Isotopenverältnis 12 C/13 C von etwa 90 (typischer Wert in der Milchstraße und in der Sonnenhülle) auf den sehr stabilen und von der Temperatur kaum abhängigen Gleichgewichtswert des CNO-Zyklus von 3-5. Materie, die durch den CNO-Zyklus gegangen ist, auch wenn nur wenig Helium daraus entstand, ist an diesen Häufigkeiten leicht zu erkennen. Welche Reaktionskette nun in einem Stern dominiert, hängt wiederum von der Temperatur ab, wenn wir davon ausgehen, dass in allen Sternen wenigstens minimale Häufigkeiten der CNO-Elemente vorhanden sind. Sehr niedrige Gesamthäufigkeiten müssen einfach nur durch eine etwas höhere Temperatur ausgeglichen werden. Abbildung 5.5 zeigt die Energieerzeugungsraten als Funktion von T . Die Sonne ist knapp unterhalb des Punktes, wo beide Zyklen gleich viel beitragen würden. Daraus folgt auch, dass alle Sterne mit M < 1M⊙ ihre Energie hautptsächlich aus den pp-Ketten beziehen, die mit M & 1.5M⊙ dagegen aus dem CNO-Zyklus. Da aber T im Laufe der Entwicklung im Mittel im Stern steigt, schaltet auch die Sonne später auf diese Methode um. Generell kann gesagt werden, dass der CNO- oder Bethe-Weizsäcker-Zyklus der wichtigere ist. 16 5.2.4 Konvektion Auf der Hauptreihe muss man zwei Unterscheidungen bezüglich der Konvektion machen: 1. Sterne massereicher als etwa 1.3 M⊙ haben einen konvektiven Kern; sie brennen über den CNO-Zyklus, der einen höheren Temperaturexponenten hat, weswegen ǫn konzentrierter und Lr nahe dem Zentrum (bei sehr kleinem r) schon bei kleinem r hoch ist, und deshalb Konvektion ausgelöst wird. 45 Abbildung 5.6: Abbrennen des Wasserstoffs im Kern eines Sterns von 1 M⊙ und 5 M⊙ , also ohne und mit konvektivem Kern. Abbildung 5.7: Hauptreihenentwicklung von Sternen niedriger (links) und mittlerer (rechts) Masse. 2. Sterne unterhalb von etwa 1.5 M⊙ haben eine konvektive äußere Hülle (wegen der niedrigeren Temperaturen) 3. die genauen Massengrenzen sind mischungsabhängig 4. es kann Sterne geben, die sowohl im Kern als auch in der Hülle konvektiv sind, aber auch solche, die überhaupt keine konvektiven Zonen besitzen. 5.2.5 Hauptreihenentwicklung Das Auftreten von Konvektion im Kern bewirkt ein unterschiedliches Verbrennen des Wasserstoffs (s. Abb. 5.6) und auch eine unterschiedliche Morphologie des Entwicklungsweges (Abb. 5.7). Hauptreihenposition und Entwicklung hängen auch wieder von Zusammensetzung, Mischungswegparameter (für die niedrigeren Massen), und der Berücksichtigung von Overshooting (für die Sterne mit konvektivem Kern) ab. Generell gelten die Regeln: 46 Abbildung 5.8: Entwicklung eines Sterns von 5 M⊙ auf und nach der Hauptreihe ohne und mit Overshooting (ausgedrückt durch den Overshooting-Parameter λOV , der die zusätzliche Größe des konvektiven Kerns in Einheiten von HP angibt). M (M⊙ ) 0.5 0.8 1.0 1.5 2.0 5.0 10.0 log L/ L⊙ -1.397 -0.595 -0.161 0.691 1.207 2.724 3.749 log Teff 3.588 3.687 3.751 3.851 3.956 4.232 4.404 log Tc 6.948 7.062 7.133 7.268 7.325 7.437 7.502 Mcc (M⊙ ) — — — 0.136 0.299 1.242 3.159 tH (106 a) 128543.7 26952.3 11513.3 2312.5 946.5 78.5 18.3 Tabelle 5.2: Einige Kenngrößen von Hauptreihenmodellen mit solarer Zusammensetzung (aus Salaris & Cassisi). 1. je höher der Heliumgehalt, desto heißer und heller ist der Stern (wegen der niedrigeren Opazität und L ∼ µ4 ) 2. je höher der Metallgehalt, desto kühler ist der Stern wegen der höheren Opazität; dagegen wird die Leuchtkraft kaum beeinflusst (die Reaktionsraten wirken eben als Thermostaten, und L hängt in erster Näherung nicht von der Mischung ab, s. Homologie) 3. je größer αMLT , desto wärmer ist der Stern 4. je größer der Effekt des Overshootings, desto länger lebt der Stern auf der Hauptreihe (mehr Brennmaterial wird in das Zentrum gemischt), und desto leuchtkräftiger wird er im Laufe der Hauptreihenentwicklung (weil das mittlere µ größer wird), s. Abb. 5.8. 47 Abbildung 5.9: Innere Entwicklung eines Sterns von 1.3 M⊙. Gezeigt sind die Energieerzeugungsbereiche (schraffiert) auf und nach der Hauptreihe, die konvektiven Zonen (wolkig) und Bereiche, in denen der anfängliche Wasserstoffgehalt um etwa 1% oder mehr reduziert ist (aus dem Buch von Kippenhahn & Weigert). 5.3 Ende der Hauptreihe Das Ende der Hauptreihe ist der Zeitpunkt, an dem der Wasserstoff im Zentrum aufgebraucht ist, und damit das zentrale H-Brennen erlischt. Das ist etwa, aber nicht genau, identisch mit dem heißesten Punkt auf dem Entwicklungsweg in Abb. 5.7 für die massearmen Sternen, und dem lokalen Temperaturmaximum für Sterne mit konvektivem Kern. Beide Punkte sind in den Abbildungen mit einem Punkt gekennzeichnet, und werden, vor allem im ersten Fall, als Turn-Off bezeichnet. Da die Effizienz nuklearer Brennvorgänge aus dem Produkt von Brennstoffvorrat und Temperaturabhängigkeit resultiert, erlischt zwar im Zentrum die Wasserstofffusion, nicht aber in Bereichen um das Zentrum, wo zwar die Temperatur niedriger, der Wasserstoffvorrat aber noch unerschöpft ist. Daraus ergibt sich logischerweise eine brennende Schale um das Zentrum. Solche Schalenquellen sind ganz übliche Brennzonen in Sternen und werden uns noch öfters begegnen. Abb. 5.9 zeigt, wie sie sich in einem massearmen Stern entwickelt, und in der Folge fortentwickelt. Die Schalenquelle etabliert sich innerhalb des ehemaligen Kernes. Die Schalenquelle brennt am unteren Ende (wegen der dort höchsten Temperatur) am effizientesten, wodurch sie von unten her ausbrennt. Gleichzeitig erhöht sich die Temperatur in den äußeren Bereichen, wodurch weiter außen liegenden Bereiche vom Brennen erfasst werden. Die Folge ist ein “Hinauswandern” der Schalenquelle in die Hülle unter Zurücklassen eines Heliumkerns. Dabei wird die Schalenquelle schnell sehr dünn. In Abb. 5.9 sieht man, dass sie von angänglich fast 1/10 der Gesamtmasse auf wenige Hunderstel schrumpft. Der Übergang von einer dicken zu einer dünnen Schalenquelle vollzieht sich vor allem direkt nach dem Turn-Off. Nach diesem kontrahiert der Kern, da die stabilisierende Wirkung der nuklearen Quelle ausgefallen ist (man kann lokal das Virial-Theorem anwenden). Gleichzeitig – und es ist nicht klar, warum das so ist – blähen sich die Bereiche in und außerhalb der Schalenquelle auf (geometrisch, nicht in Masse!), so dass der Stern eine sehr große, 48 Abbildung 5.10: Entwicklung von massearmen Sternen (M = 0.8 . . . 2.2 M⊙ ) auf und nach der Hauptreihe. kühle Hülle entwickelt. Er wandert zum Riesenast (im Extremfall zur Hayashi-Linie) zurück und wird zum Roten Riesen. Dabei wird die Hülle zunehmend konvektiver. Der Übergang heißt bei massearmen Sternen Unterriesen-Ast und findet auf der nuklearen Zeitskala der Schalenquelle statt (Abb. 5.10). Dagegen vollzieht sich der Übergang bei massereicheren Sternen ähnlich wie in Abb. 5.8 und auf einer thermischen Zeitskala, da der thermische Druck im Kern nicht ausreicht, das Gewicht der Hülle zu tragen. Dieser “Kollaps” wird erst gestoppt, wenn entweder Elektronenentartung im Kern für neuen Druck sorgt, oder die nächste Brennphase zündet. Da diese Horizontalbewegung im HRD sehr schnell ist, findet man nur wenige Sterne in diesem Bereich, und spricht von der Hertzsprung-Lücke (s. auch Abb. 1.2). 49 Kapitel 6 Die Rote Riesen Phase 6.1 Der Riesenast Wie Abb. 5.10 zeigt, stauen sich die Entwicklungswege der Sterne auf der blauen Seite der Hayashi-Linie (wie bei der Vorhauptreihe sind masseärmere Sterne etwas kühler). Die daraus resultierende senkrechte Entwicklung im HRD formt den RoteRiesen-Ast (Red Giant Branch, RGB). Die innere Entwicklung ist die in Abb. 5.9 im mittleren und rechten Abschnitt skizierte: Die Schalenquelle frisst sich nach außen, die Hülle wird zunächst immer tiefer, bis sie den ganzen Stern bis fast zur Schalenquelle umfasst (die größte Annäherung an die Struktur eines Sterns an der Hayashi-Linie), und weicht dann vor der nach außen wandernden Schalenquelle zurück. Zu beachten ist einerseits die deutlich beschleunigte Entwicklung, die sich aus der üblichen Abschätzung der nuklearen Zeitskala ergibt, in die jetzt höhere Leuchtkräfte und reduzierte Brennstoffvorräte eingehen. Die RGB-Phase beträgt grob 10% der Hauptreihenphase. Zweitens ist zu bemerken, dass die konvektive Hülle in Bereiche eindringt, die auf der Hauptreihe dem Wasserstoffbrennen ausgesetzt waren. In der Folge verändert sich nicht nur der Anteil von C und N, sondern auch das 12 C/13 C-Verhältnis, das auf Werte von etwa 20 absinkt. Es steigt ebenfalls leicht der Heliumgehalt (um einige wenige Prozentpunkte), was aber im Gegensatz zu den CNO-Veränderungen nicht nachgewiesen werden kann. Diese Änderung der Hüllenzusammensetzung heißt first dredge-up. Man kann durch Homologie-Betrachtungen zeigen, und das wird durch die numerischen Modelle bestätigt, dass die Leuchtkraft auf dem Riesenast nahezu ausschließlich durch die Masse des Heliumkerns gegeben ist. Die Hülle, egal, wie groß ihre Masse ist, sitzt nur auf der Schalenquelle, deren Brennbedingungen durch das Gravitationspotential des Kerns definiert sind. Die erzeugte Leuchtkraft wird verlustfrei durch die Hülle transportiert. Diese Kernmasse-Leuchtkraft-Beziehung lautet in der einfachsten Formulierung (nach Kippenhahn & Weigert) L ∼ Mc7 µ7 Rc−16/3 ≈ Mc9 µ7 (6.1) wobei hier noch die Abhängigkeit von der Zusammensetzung und dem Kernradius angegeben ist. Diese erscheint zwar sehr groß, aber wenn man die Entwicklung von Rc richtig berücksichtigt, ergibt sich die rechte Seite der Gleichung. Während der Entwicklung entlang des Riesenastes geschieht in der Hülle das Folgende: zunächst mischt Konvektion prozessiertes Material aus dem ehemaligen Kern an die Oberfläche (first dredge-up); dadurch wird die Hülle homogenisiert, und zwar so tief, wie die Konvektion reicht. Darunter besteht noch ein Restgradient der Zusammensetzung, in den sich aus dem Innern kommend, die Schalenquelle 50 Abbildung 6.1: Wasserstoffprofil eines Sterns mit M = 1.0 M⊙ (Z = 0.006, Y = 0.23) nach dem ersten Dredge-up zu Beginn des Rote-Riesen-Astes. frisst (s. Abb. 6.1). Da die konvektive Hülle zurückweicht, ändert sich das Profil nur von innen her, bis die Schalenquelle an den abrupten Übergang trifft, der von der tiefsten Ausdehnung der Konvektionszone herrührt. In diesem Moment findet die Schalenquelle plötzlich mehr Brennstoff vor und flackert auf. Der Stern reagiert mit einer Readjustierung, die zu leicht höheren Temperaturen und, wegen des reduzierten µ und entsprechend Gleichung (6.1), niedrigerer Leuchtkraft führt. Danach wird die übliche Entwicklung entlang steigender Kernmasse wieder aufgenommen. Das Resultat ist eine kleine Schleife im Entwicklungsweg, sichtbar in Abb. 5.10 bei etwa log L/L⊙ ≈ 1.7 (abnehmend mit abnehmender Masse). Durch dieses Ereignis ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in diesem Leuchtkraftbereich höher, so dass dort etwas mehr Sterne gefunden werden. Daher heißt diese Stelle in HRD der bump. Er ist eine charakteristische Erscheinung auf dem RGB für massearme Sterne. Da die tiefste Ausdehnung der Konvektionszone mit abnehmender Metallizität abnimmt (nicht so tief reicht), wird der Bump erst später erreicht, sitzt im HRD also bei höheren Leuchtkräften. Das gleiche gilt für zunehmende Masse. Das Ende des Riesenastes ist erreicht, wenn das Helium im Kern zündet. Aus Abb. 5.10 sieht man, dass das für die niedrigeren Massen stets bei der gleichen Leuchtkraft geschieht, während ab etwa 1.8 M⊙ der Riesenast allmählich verkürzt erscheint. Das hängt mit der inneren Struktur des Kerns zusammen. Zu beachten ist auch, dass für Sterne mit M & 2.3 M⊙ der bump verschwindet, weil die Schalenquelle die Diskontinuität im chemischen Profil nicht mehr erreicht. 6.2 Kernentwicklung Im Laufe der Entwicklung auf dem Riesenast nehmen Dichte und Temperatur des Heliumkerns zu. Der Kern eines massearmen Sterns hat dabei stets eine höhere Dichte, aber niedrigere Temperatur als der eines massereicheren Sterns (s. Abb. 6.2), wie es schon die Homologie-Relationen für die Hauptreihe (Anhang C) sagen. Daher sind diese Kerne immer höher entartet. Ohne wesentliche Energieerzeugung (mit Ausnahme von etwas Energie aus der langsamen Kontraktion des wachsenden Kerns), ist ∂T = 0; der Kern ist also in erster Näherung isotherm. Lr ≈ 0 im Kern, und somit ∂m Unter diesen T -ρ-Bedingungen findet ebenfalls Neutrino-Emission aus dem Plasma statt, die gegen das Zentrum hin immer wichtiger wird; daher ist der Energieverlust nach innen hin immer größer und das Temperatur-Profil tatsächlich invertiert. Insgesamt ergibt sich ein T -Profil mit Minimum im Zentrum und einem Maximum 51 Abbildung 6.2: Temperatur-Dichte-Diagramm des Zentrums von Sternen verschiedener Massen während ihrer Entwicklung, sowie kritische Bedingungen für das Zünden der wichtigsten Brennphasen. knapp unterhalb der Schalenquelle. Die Temperatur des Kerns wird wegen der hohen Entartung von der der Schalenquelle bestimmt. Im Gegensatz dazu sind die Kerne massereicherer (M & 1.8 M⊙ ) Sterne weniger entartet, daher weniger isotherm (da die effektive Elektronenleitung nicht so hoch ist), die Neutrinoemission kleiner, so dass aufgrund der Kontraktion das Temperaturmaximum im Zentrum liegt. Außerdem ist T generell höher. Während die entarteten Kerne, die auch einer eigenen Masse-Radius-Beziehung gehorchen (Radius nimmt ab mit zunehmender Masse, typisch für entartete hydrostatische Sphären), alle sehr ähnlich sind, ist das für die nicht-entarteten nicht der Fall. Daher zünden die Kerne massearmer Sterne sehr spät (wegen der Neutrinokühlung und der wenigen Kontraktionsenergie) und allesamt bei derselben Masse (bei etwa M = 0.5 M⊙ ) und – wegen (6.1) – derselben Leuchtkraft (etwa log L/ L⊙ = 3.4). Die Spitze des Riesenastes kann daher als “Standardkerze” Verwendung finden. Massereichere Sterne dagegen zünden, in Abhängigkeit der Masse, deutlich früher, und entwickeln keinen vollen Riesenast. Die Unterscheidung zwischen massearmen Sternen und solchen von mittlerer Masse wird genau anhand der Zündbedingungen des Heliums gemacht: massearm = entarteter Kern; intermediär = nicht-entartet. Die Steigung der Wege in Abb. 6.2 hängen von der Zustandsgleichung ab. Für ideales Gas sind sie so wie vor dem Zünden des Wasserstoffs. Für zunehmende Entartung des Gases dagegen werden sie horizontal und zuletzt sogar negativ (Stern kühlt ohne zu kontrahieren; siehe die Spätphasen bei 1 und 5 M⊙ ). Damit erreichen solche Sterne nicht die im Diagramm gezeigten Zündbedingungen für die verschiedenen Brennphasen. Beim Wasserstoffbrennen ist dies der Fall für M . 0.075 M⊙ (Braune Zwerge), beim Helium-Brennen liegt die kritische Masse bei M ≈ 0.5 M⊙ , und für das Kohlenstoffbrennen zwischen 5 und 10 M⊙ . 6.3 Heliumbrennen Da es keine Isotope mit Kernladungszahl 3–5 gibt, die unter stellaren Bedingungen stabil (gegen p-Einfänge) existieren könnten, kann 4 He nicht direkt als 2α-Reaktion fusioniert werden (zur Erinnerung: es sind keine freien Protonen mehr im Kern!). 52 Daher bietet sich nur der direkte Prozess mit 3 α-Teilchen (ähnlich den pp-Ketten) oder der Einfang von α-Teilchen auf schwerere Kerne an (ähnlich dem CNO-Zyklus). 6.3.1 3-α-Prozess Die Erzeugung des Kohlenstoffs als nächstmöglichem Element muss also über einen 3-Teilchen-Prozess stattfinden. Die direkte Reaktion 34 He →12 C ist aber, wie alle 3er-Stöße, extrem unwahrscheinlich. Wesentlich wahrscheinlicher sind dagegen zwei aufeinander folgende 2er–Stöße, also die Kette 4 He +4 He →8 Be; 8 Be +4 He →12 C Zwar ist 8 Be instabil, allerdings ist der Energieunterschied des 8 Be-Grundzustandes zu zwei 4 He Kernen gering und hat eine Lebenszeit von 2.6 · 10−16 s. Das ist zwar sehr kurz, aber immer noch lange gegen die durchschnittliche Streudauer zweier αTeilchen. Damit kann sich dauerhaft ein zwar kleiner, aber doch signikanter Anteil von 8 Be-Kernen aufbauen, bis 4 He +4 He ⇄8 Be im Gleichgewicht ist. Es ergibt sich, als typische Zahl, für T = 108 K und ρ = 105 g cm−3 ein Verhältnis Be 8/IsoHe4 ≈ 10−9 Dieser Anteil ist ausreichend hoch, damit der zweite Schritt dieses 3-α-Prozesses ablaufen kann, 8 Be +4 He →12 C + γ Allerdings wäre eine rein nicht-resonante Reaktion zu langsam, um ausreichend Kohlenstoff zu produzieren. F. Hoyle schloss aus der Tatsache, dass Kohlenstoff das vierthäufigste Element im Universum ist, dass der 12 C-Kern einen Energiezustand bei etwa 146 ±2×82keV über der Masse von 8 Be +4 He haben sollte. Fowler und Kollegen fanden in der Tat diesen resonanten Zustand in Experimenten im Kellog Radiation Laboratory am CalTech. Abbildung 6.3 zeigt die Energieniveaus im Vergleich zur Energie der Ausgangskerne. Das resonante Niveau liegt 278 keV über dieser. Obwohl dieser Zustand normalerweise wieder in die Ausgangsteilchen zurückgeht, kann er auch elektromagnetisch in den darunter liegenden Zustand zerfallen (der Zerfall in den Grundzustand ist verboten). Die Energie, die bei jeder Reaktion frei gesetzt wird, ist 7.274 MeV. Die Temperaturabhängigkeit in der Nähe von 108 K (der typischen Brenntemperatur) ist extrem, und zwar n T ; n = 42.9/T8 − 3 ǫ(T ) = ǫ(T0 ) T0 Obwohl die 3α-Reaktionsrate durchaus einen Fehler von der Größe 2 beinhalten kann, entspricht das einer Temperatur-Unsicherheit von nur 1.7%. Außerdem bedeutet das, dass die Energieerzeugung im Helium brennenden Kern stark konzentriert ist. Daher findet das Helium-Brennen innerhalb des früheren Wasserstoff brennenden Kerns statt (keine Protonen-Zufuhr möglich). Außerdem ist der Helium brennende Kern wegen der starken Leuchtkraftkonzentration bei kleinem r konvektiv. Das gilt auch für alle späteren Brennphasen im Zentrum. 53 Abbildung 6.3: Energieniveau-Schema des Systems. 6.3.2 12 C-Kerns und Energie des 8 Be +4 He- α-Einfänge Aus der Tatsache, dass 16 O das dritt- und 20 Ne das fünfthäufigste Element ist, lässt sich sofort schließen, dass man wohl durch sukzessive α-Einfänge, beginnend bei 12 C, diese Elemente erhält. Tatsächlich sind die Reaktionen 12 C +4 He →16 O 16 O +4 He →20 Ne die beiden anderen wichtigen Reaktionen im Heliumbrennen, die zum Teil in direkter Konkurrenz zum 3α-Prozess ablaufen. Die Reaktion 12 C(α, γ)16 O bestimmt das Verhältnis von Kohlen- zu Sauerstoff im Universum mit. Beide Elemente werden in Sternen mittlerer und hoher Masse erzeugt, und zwar hauptsächlich im Heliumbrennen. Die Reaktionsrate ist die vielleicht berüchtigste in der Astrophysik, da sie trotz vieler experimenteller Versuche immer noch nur mit einer Genauigkeit von einem Faktor 2-3 bestimmt werden konnte. Meist gibt man die Rate relativ zu einem in den 80er Jahren von Fowler und Gruppe veröffentlichtem Wert an: derzeit ist ein Faktor 2 über diesem Wert (temperaturabhängig!) der favorisierte. Die frei gesetzte Energie ist 7.161 MeV. Eine weitere, aber hier nicht näher besprochene Reaktion ist 16 O(α, γ)20 Ne mit einer Wärmetönung von 4.73 MeV. 6.3.3 Ablauf des Heliumbrennens Heliumbrennen verläuft immer etwa nach dem folgenden Schema: sobald die Zündtemperatur für den 3α-Prozess, also etwa 108 K erreicht werden, fusioniert Helium zu 12 C, dessen Anteil stetig steigt. Aufgrund der gleichzeitig leicht ansteigenden Temperatur in der Brennregion wird die Reaktion 12 C(α, γ)16 O immer schneller. Da irgendwann auch die abnehmende Helium-Häufigkeit den 3α-Prozess stark bremst (∼ Y 3 !), gewinnt die 12 C-zerstörende Reaktion und der Kohlenstoffanteil nimmt wieder ab, zugunsten einer ansteigenden 16 O-Häufigkeit. Neon steigt mit zunehmendem 16 O-Anteil. Die endgültige Mischung hängt vom zeitlichen Temperaturverlauf ab. Als Daumenregel kann man sich merken, dass C und O etwa 50:50 Teile ausmachen, mit sehr wenig Neon. Allerdings ist es nicht unüblich, dass dieses Verhältnis 54 Abbildung 6.4: LHe (hier als L3α bezeichnet, sowie Oberflächenleuchtkraft LS = L und die der Wasserstoffschalenquelle LH während des Helium-Flashs in einem massearmen Stern. zwischen 2:1 und 1:2 schwankt. Das hängt vor allem von der stellaren Masse (je höher, desto heißer, desto mehr Sauerstoff) und eben der verwendeten Reaktionsrate für 12 C(α, γ)16 O ab. 6.4 Der Helium-Flash Während das Helium-Brennen in Sternen mittlerer Massen, also etwa ab M = 2.3 M⊙ unspektakulär und allmählich beginnt, führen die speziellen Eigenschaften der entarteten Heliumkerne in Sternen niedriger Massen zu einer Beinahe-Explosion, wenn das Helium zündet. Bei etwa 108 K oder kurz davor beginnen allmählich die 3-α Reaktionen abzulaufen. Zunächst steigt die daraus resultierende Heliumleuchtkraft LHe nur ganz langsam an, so dass ihr Beitrag zu L verschwindend ist. Nach einigen Millionen Jahren ist LHe gerade mal 1/10 L⊙ , aber dann dauert es nur noch 250 Mill. Jahre bis zu 1 L⊙ und weitere 200 Mill. Jahre bis zu 10 L⊙ (Zahlen eines 1.25 M⊙ Sterns). Der sich beschleunigende Anstieg resultiert aus der Tatsache, dass die freigesetzte Energie nur zur Erhöhung der Temperatur der brennenden Bereiche, nicht zur Expansion genutzt wird, weil der Kern fast vollständig entartet ist, und daher die Dichte nur vom (hydrostatischen) Druck, nicht aber von T abhängt. Wegen ǫ ∼ T 40 steigt daher die Energieerzeugung rapide an, bis T so hoch ist, dass die Entartung aufgehoben ist, und Expansion einsetzen kann. Abb. 6.4 zeigt die Phase vor, während und nach dem Flash. LHe erreicht während einer Dauer von einigen Hundert Jahren sogar Werte von log LHe > 4, mit Spitzenwerten von 10! Die gesamte Energiemenge wird aber für die Aufhebung der Entartung und Kernexpansion verwendet, so dass L nicht steigt, sondern sogar als Folge des zeitweisen Erlöschens der H-Quelle sinkt. Der Effekt des Helium-Flashs besteht hauptsächlich darin, den Kern von Dichten von ≈ 106 g/cm3 auf Werte um 103 g/cm3 zu bringen, so dass der Kern wieder ein ideales Gas darstellt, Helium zentral brennt, und der Kern konvektiv ist. Wie man sieht (Abb. 6.4) finden nach dem Hauptflash noch einige kleinere Sekundärflashs statt, bis endlich der Kern umstrukturiert ist. Nicht nur der Kern, sondern auch der ganze Stern hat nach dem Zünden ein neues Aussehen: L sinkt auf Werte um einige zehn L⊙ ab und 55 Teff steigt an. Der Helium-Flash ist eine der schwierigsten Phasen der numerischen Sternentwicklung und zeigt noch eine ganze Reihe von Eigenheiten. Außerdem sollte er dynamisch gerechnet werden. Es ist auch möglich, aber noch nicht klar untersucht, ob er zu einem kurzzeitigen, signifikanten Massenverlust führt (Verlust eines Teils der Hülle). 56 Kapitel 7 Die Helium-Brennphasen Abbildung 7.1 zeigt nochmals den Übergang von massearmen Sternen zu solchen mit mittlerer Masse: die Kernmasse und die Leuchtkraft beim He-Zünden sind zunächst nahezu konstant, fallen dann über einen relativ kleinen Bereich schnell ab (Übergang entartetes zu idealem Gas), um dann wieder mit der Gesamtmasse linear anzusteigen. Abbildung 7.1: Masse des Heliumkerns und Leuchtkraft von Sternen unterschiedlicher Masse und zweier Zusammensetzungen zu Beginn des Heliumbrennens. 7.1 Der Horizontalast Sterne mit niedrigerer Masse haben auch nach dem Heliumflash die nahezu identische Leuchtkraft. Allerdings wirken sich nun Unterschiede in der Gesamt- und somit der Hüllenmasse aus: je höher die Gesamtmasse, desto mehr Masse steckt in der Hülle und desto kühler ist der Stern nach dem Flash. Das Ergebnis ist somit, dass Sterne unterschiedlicher Masse bei ähnlicher Leuchtkraft, aber unterschiedlicher Temperatur das zentrale Heliumbrennen erleben. Besonders bei niedrigerer Me57 Abbildung 7.2: Farb-Helligkeits-Diagramm des Kugelsternhaufens M68 mit seinen Hauptästen. tallizität, wie es für galaktische Kugelsternhaufen typisch ist (Population II), sieht man dies im Auftreten des Horizontalastes, wobei der Ort des Beginns des zentralen Heliumbrennens wieder Nullalter-Horizontalast oder ZAHB, zero-age horizontalbranch heißt. Abbildung 7.2 zeigt das CMD des Kugelsternhaufens M68 mit den bisher schon besprochenen Ästen. Abbildung 7.3 zeigt links die Entwicklung eines massearmen Sterns zu seiner ZAHB-Position und daneben (in Abhängigkeit des Reimers-Parameters η für den Massenverlust) nach dem Erreichen des Horizontalastes. Da die Sterne eines Kugelsternhaufens alle etwa gleich alt sind, und die Entwicklung auf dem Riesenast sehr schnell ist, sollten alle Sterne auf dem HB (Horizontal Branch) mit der gleichen Masse geboren worden sein. Die offensichtlich unterschiedlichen Massen auf dem HB ergeben sich daher aus unterschiedlichen MassenverlustGeschichten auf dem RGB. Die TO-Masse in M68 beträgt etwa 0.8 M⊙ , und die Variation der Hüllenmasse auf dem HB reicht von fast 0.3 M⊙ bis wenigen Hundertsteln Sonnenmassen, ist also eigentlich sehr gering. Der Effekt ist aber groß. Eine Sammlung von ZAHB-Positionen für Sterne verschiedener Metalliziät und Hüllenmasse zeigt Abb. 7.4. Alle Rechnungen begannen mit einer Anfangsmasse von 0.8 M⊙. Es sei in diesem Zusammenhang nur kurz darauf hingewiesen, dass bei log Teff ≈ 3.85 die HB Sterne pulsationsinstabil sind, und als RR Lyrae Variable bekannt sind. Die Abhängigkeiten der HB-Leuchtkraft bei dieser Temperatur von einigen Kenngrößen (Kernmasse, Heliumgehalt, Metallizität) ist: 58 Abbildung 7.3: Links: Beispiel für die Entwicklung von der Hauptreihe durch den Heliumflash zum ZAHB (Stern) und danach. Rechts: Entwicklung nach dem ZAHB (Sterne) für dasselbe Modell wie links, aber verschiedene Massenverlustraten auf dem RGB, entsprechend (2.22). Abbildung 7.4: Zero-Age Horizontal Branches (Nullalter-Horizontaläste) für verschiedene Kombinationen von Metallizität (oben) und Hüllenmasse (unten). 59 ∂ log L3.85 ZAHB ∂McHe Y,Z ∂ log L3.85 ZAHB ∂Y McHe ,Z 3.85 ∂ log LZAHB ∂ log Z McHe ,Y 7.2 ≈ 3.04 ≈ 2.07 ≈ −0.04 Heliumbrennen in Sternen mittlerer Masse Sterne mittlerer Masse beginnen ihr Heliumbrennen im Kern nahe dem Rote Riesen Ast, aber bei niedrigerer Leuchtkraft als zuvor. In Abb. 5.8 und 7.5 (links) ist das Punkt F auf dem Entwicklungsweg. Dort hält sich der Stern wieder längere Zeit auf, daher ist die Wahrscheinlichkeit, einen Stern dort anzutreffen relativ hoch, was sich in einer erhöhten Sterndichte in einem Farb-Helligkeits-Diagramm niederschlägt. In Abb. 1.2 ist das der Fleck bei MHp ≈ 2, (V − I) ≈ 1.1. Dieser “Sternklumpen” heißt daher folgerichtig auch (red giant) clump. Physikalisch ist er also die Hauptphase des zentralen Heliumbrennens in Sternen mittlerer Masse. Abbildung 7.5: Links: Entwicklung eines 5 M⊙ -Modells. Die einzelnen Phases sind im Text erklärt. Rechts: Überblick über die Veränderung der Schleifen mit zunehmender Masse. In den Abbildungen 7.5 sieht man links einen typischen Entwicklungsweg (hier ein 5 M⊙ Stern mit solarer Zusammensetzung), sowie rechts einen Überblick über einen größeren Massenbereich. Die Definition der oberen Grenze des Bereichs von Sternen mittlerer Masse bezieht sich auf die Frage, ob der Stern im Prinzip sämtliche hydrostatische Brennphasen bis zum Eisen erreichen kann. Unter M ≈ 8M⊙ ist das nicht möglich, und so ist dies die obere Massengrenze für “intermediate mass stars” oder “Sterne mittlerer Masse”. Die Punkte A-D in Abb. 7.5 (links) sind bereits diskutiert, ebenso der schnelle Übergang zu D und der verkürzte Aufstieg entlang des RGB bis zum Zünden des Helium bei E. Nach der üblichen Expansion des Kernes zu F liegt im Zentrum Helium-Brennen vor; außerdem brennt noch Wasserstoff in der weiter außen liegenden Schalenquelle. Der konvektive Kern wächst während des He-Brennens an und die Brenndauer liegt bei etwa 20% von der des zentralen Wasserstoffbrennens. Diese 60 relativ lange Dauer erklärt sich aus der Tatsache, dass die H-Quelle noch immer den Großteil der Energie liefert. Während des He-Brennens im Kern macht der Stern eine Schleife zu höheren Temperaturen (G-K). Die Grösse dieser Schleife hängt von vielen Parameter ab, auch von den Details des konvektiven Brennes auf der Hauptreihe. Generell gilt, dass die Schleifen ausgeprägter sind, wenn die Masse ansteigt, der He-Gehalt größer ist, oder mehr konvektives Überschießen stattfindet. Generell hängt die Entwicklung in dieser Phase sehr stark von der Behandlung von (konvektiven) Mischungseffekten ab. Auch doppelte Loops sind möglich. Punkt G in der Schleife wird erreicht, wenn etwa die Hälfte des Helium verbrannt ist. Ab dann steigt der Anteil der He-Leuchtkraft an, und der Stern kehrt Richtung Riesenast zurück. Bei H sind nur noch 2% Helium vorhanden, bei K nicht viel weniger, aber LHe ≈ 0.6L. Sterne ab 8 M⊙ zünden He bereits vor dem Erreichen des Riesenastes, für niedrigen Metallgehalt geschieht das sogar schon bei niedrigeren Massen. Die Bedeutung der Loops liegt nicht nur darin, dass sie eine langlebige Phase in der Entwicklung von Sternen mittlerer Masse sind, sondern auch darin, dass die Schleifen den Instabilitätsstreifen für radiale Pulsationen durchschneiden, d.h. diese Sterne zeigen regelmäßige Helligkeitsschwankungen mit Perioden von einigen Tagen. Dieser Typ von Veränderlichen sind die berühmten Cepheiden, die im letzten Teil noch eine Rolle spielen werden. 7.3 Der Asymptotische Riesenast Nach dem Ende des zentralen Helium-Brennens entwickelt sich, analog zur früheren Entwicklung, eine Helium-Schalenquelle um den C/O-Kern. Sterne niedriger und mittlerer Masse entwickeln sich vom Horizontalast bzw. dem Clump zurück ins Gebiet der Roten Riesen, bleiben aber generell wärmer. Die Abbildungen 7.6 zeigen diese Enticklung, die im links gezeigten solaren Fall in Höhe der Zeitmarke von 12 Milliarden Jahren einsetzt. Der zweite Riesenast-Aufstieg heißt “asymptotisch”, weil er sich allmählich an den ersten Riesenast anschmiegt. Zu Beginn des Helium-Schalenquellen-Brennens erlischt die Wasserstoff-Schalenquelle vorübergehend in Sternen höherer Masse, wodurch die sich vertiefende konvektive Hülle wieder in Gebiete prozessierten Materials dringen kann. Das geschieht in Sternen mit über M ≈ 3 · · · 5 M⊙ , und heißt daher zweiter dredge-up. Für M . 8 · · · 10 M⊙ entwickelt sich ein stark entarterter CO-Kern mit einem nicht-zentralen Temperaturmaximum. Solche Kerne sind wieder durch Neutrino-Emission gekühlt und verhindern daher das Zünden des Kohlenstoffs (Abb. 6.2). Die Masse, bis zu der das geschieht, heißt auch M up . Der Wert von 8 M⊙ gilt für solare Metallizität, für Population II liegt er eher bei 4 M⊙ . Sterne oberhalb dieser Masse zünden den Kohlenstoff entweder unter (etwas) entarteten (C-Flash) oder nicht-entarteten Bedingungen. Die ersteren könnten durch den Flash explodieren, die letzteren werden dann massereiche Sterne genannt, und werden auch die folgenden Brennphasen durchlaufen. 7.3.1 Thermische Pulse Das Besondere am Asymptotischen Riesenast (AGB) ist, dass die Helium-Schalenquelle, die zunehmend dünner wird, und sich der Wasserstoff-Schalenquelle annähert, thermisch instabil wird. Das führt zu einem thermischen Weglaufen der Energieerzeugung in der He-Schalenquelle. Das erste Mal geschieht dies nach einem temporären Abflauen der Energieproduktion in ihr und einem Wiedererstarken der H-Schalenquelle, die immer mehr He-Asche hinter sich lässt, die komprimiert und 61 Abbildung 7.6: Links: Entwicklung der Sonne von der Hautpreihe (A und B) über den Unterriesen (C) und Riesenast (D) zum zentralen Heliumbrennen (bei 12 Gyr). Danach beginnt der Aufstieg zum Asymptotischen Riesenast mit nachfolgender Querung des HRD zu hohen Temperaturen und Abkühlung zum Weißen Zwerg. Rechts: Beispiel der Entwicklung im HRD eines Sterns mittlerer Masse bis in den AGB. erhitzt wird. Hat sie etwa 10−3 M⊙ erreicht, zündet das Helium und der “Runaway” setzt ein. Seine physikalische Ursache liegt in der geringen vertikalen Ausdehnung s der Schalenquelle relativ zum Radius, bei dem sie sitzt, r, und nicht in Entartung. Mit Hilfe von Homologie-Relationen für Schalenquellen kann man zeigen, dass s dρ dP =4 P r ρ (7.1) Verwenden wir die Zustandsgleichung in der Form dρ dT dP =α +β P ρ T (7.2) (wobei α und β positiv sind), so ergibt sich dρ s dT 4 −α =β . ρ r T (7.3) Mit anderen Worten, falls s ≪ r, ist → (4 rs − α) < 0 und bewirkt somit, dass eine Dichteerniedrigung, also Expansion der Schale, wie sie durch die zusätzliche Energiezufuhr der Schalenquelle hervorgerufen wird, zu einer weiteren Temperatureröhung und damit noch mehr Energieerzeugung führt! Dieses Weglaufen hört erst auf, wenn die Ausdehnung bewirkt, dass der Ausdruck in Klammern durch das erhöhte s positiv wird. Ähnlich wie beim Helium-Flash in einem entartetn Kern werden kurzzeitig Heliumleuchtkräfte von bis zu 107 −108 L⊙ erreicht, die aber nur zur Erhöhung der Schalentemperatur und dem Wegschieben der darüber liegenden Wasserstoffhülle genutzt werden. L bleibt wieder relativ stabil, auch die Oberflächentemperatur ändert sich nur etwas (im Flash kühler). Dadurch erlischt die Wasserstoff-Schalenquelle wieder, und der Zyklus beginnt erneut. Diese Ereignisse nennt man thermische Pulse und sie wiederholen sich im Abstand einiger 10-Tausend Jahre. Die wichtigste Folge ist, dass ein Mischen von Materie, die im Helium-Brennen prozessiert wurde, bis zur Oberfläche des Sterns durch 62 Abbildung 7.7: Variation der Leuchtkräfte L, LH und LHe währen der thermischen Pulse (Abb. aus der Dissertation von A. Kitsikis (LMU 2007).) Abbildung 7.8: Schematischer Ablauf der thermischen Pulse. Die Schalenquellen sind durch gestrichelte Linien, die Konvektionszone über der He-Schalenquelle schraffiert, und der untere Rand der konvektiven Hülle durch eine durchgezogene Linie dargestellt. 63 die beiden Konvektionszonen (Abb. 7.8) möglich ist. Die Folge ist eine Anreicherung der Oberfläche mit Kohlenstoff und die Entstehung von Kohlenstoffsternen (wenn C/O > 1). Dies wird dann dritter dredge-up genannt. Außerdem können Protonen in heiße, heliumreiche Zonen gemischt werden, wodurch zunächst aus 12 C 13 C entsteht, und danach durch eine α-n-Reaktion freie Neutronen. Diese werden dann von den schweren Kernen (keine Coulomb-Abstoßung!) geschluckt, so dass sehr schwere Elemente entstehen. Barium, Strontium und andere seltene Erden werden hier im sogenannten s-Prozess erzeugt, auf den wir nicht weiter eingehen können (s. Nukleosynthese-Vorlesung). Sterne auf dem AGB sind außerdem auch noch pulsationsinstabil und oszillieren (halb-)regelmäßig mit Perioden von mehreren hundert Tagen. Mira ist einer der Protoypen dieser Variablen-Klasse. 7.3.2 Massenverlust Entwickelten sich AGB-Sterne ohne Massenverlust, könnten die Sterne hunderte von thermischen Pulsen erleben, bis endlich der Kern die kritische Masse von etwa 1.4 M⊙ (Chandrasekhar-Masse) erreichen, bei der auch der Entartungsdruck nicht mehr der Gravitation standhalten könnte und der einsetzende Kollaps zum C-Flash führen würde. Tatsächlich aber verringert sich die stellare Masse durch starken Massenverlust beträchtlich, so dass letztendlich dieser Prozess für das Ende des AGB verantwortlich ist. Die Massenverlustrate steigt dabei bis auf 10−4 M⊙ /a an (Superwind), und ist auch im Mittel von der Größenordnung 10−8 M⊙ /a oder höher. Der Mechanismus ist unbekannt, aber erfolgreiche Theorien existieren für staubgetriebene Winde um Kohlenstoff-Sterne: durch die Pulsationen (weniger durch die Pulse) wird die Atmosphäre, die sonst Temperaturen um 2500 K hat, auf unter 1500 K gekühlt, so dass Staubteilchen aus der C-Chemie der Hülle entstehen können, auf die dann der starke Strahlungsdruck effektiv einwirkt und sie vom Stern wegbeschleunigt. Durch Stöße nehmen sie auch das Gas mit. Der empirische Beweis dafür sind sehr dichte zirkumstellare Staubhüllen, die bewirken können, dass ein Großteil des Sternlichtes absorbiert und im Infraroten wieder emittiert wird (OH/IR-Sterne). Die Entwicklung von Sternen auf dem AGB ist also gekennzeichnet durch ein Wachsen des C/O- und He-Kerns durch Schalenquellen-Brennen und ein Abtragen der Hülle durch starken Massenverlust. Es scheint, als würde letzteres der entscheidende Effekt zur Begrenzung der Lebensdauer und damit des Anwachsens des entarteten Kerns zu sein, und dass wenige oder gar keine Sterne mittlerer Masse das Zünden des Kohlenstoffs erreichen. 7.3.3 Post-AGB Entwicklung Wesentliche Teile der Hülle werden innerhalb von 100.000 Jahren abgeblasen, expandieren und werden später, wenn der Stern den AGB verlässt (weil die Hülle zu dünn geworden ist, um noch eine niedrige Oberflächentemperatur zu ermöglichen; die kritische Masse liegt unter 10−3 M⊙ ) und heißer wird (die horizontale Querung des HRD in Abb. 7.6, links, dauert einige 10.000 Jahre), von der heißen UltraviolettStrahlung des post-AGB ionisiert und leuchten selbst durch Rekombination wieder auf — das sind dann die Planetarischen Nebel. Der Zentralstern selbst erreicht schließlich ein Maximum in der Effektivtemperatur (das “Knie”), wenn die H-Schalenquelle selbst zu kühl wird und erlischt. Sollte in dieser Phase noch ein thermischer Puls auftreten, kehrt der Stern zum AGB für einige hundert Jahre zurück. Solche Objecte (FG Sge und “Sakurai’s Object”) wurden in der Tat beobachtet. Nach dem Knie beginnt die Abkühlphase: Photonen und Neutrinos bewirken ein Auskühlen des ehemaligen Stern-Kerns, der zu einem Weißen Zwerg (WD) wird, al64 so einem am Ende vollständig entarteten, kalten und dunklen Objekt. Der skizzierte Weg führt zu CO-WDs, es gibt aber auch solche mit einer He-Mischung (verlassen schon den RGB), und ONeMg-WDs (ein ganz spezieller Weg). Je nach Hüllenmischung spricht man von DA (H-Hülle) oder DB (He-Hülle) oder auch noch anderen Typen. Als Resulutat der Entwicklung von Einzelsternen niedriger und mittlerer Masse erhält man also Weiße Zwerge mit Massen, die typischerweise bei 0.6 M⊙ liegen, aber auch bis ≈ 1 M⊙ reichen können. Es sind aber keine Weißen Zwerge (aus Einzelsternentwicklung) mit M ≈ MCH ≈ 1.4 M⊙ bekannt; sie können aber auch nicht ausgeschlossen werden. 65 Kapitel 8 Entwicklung massereicher Sterne Sterne mit M > M up heißen massereiche Sterne. Ihre Entwicklung im HRD und im Diagramm von zentraler Dichte und Temperatur ist in Abb. 8.1 dargestellt. Sie durchlaufen nacheinander alle hydrostatischen Brennphasen bis zum SiliziumBrennen, an dessen Ende Eisen steht. Ihre Entwicklung wird durch folgende Effekte gekennzeichnet: • durch die hohen Zentraltemperaturen sind die Gasbedingungen nie entartet; • die Opazität ist im Wesentlichen Elektronenstreuung; • jede Brennphase findet im Kern der vorhergehenden Phase statt; dadurch entsteht ein chemisches Profil in Form von Zwiebelschalen; • die nuklear brennenden Kerne sind immer konvektiv; ihre Größe wird maßgeblich von Overshooting bestimmt, und umfasst bis zu 80% oder mehr der Gesamtmasse; • der Massenverlust von der Oberfläche kann extrem hoch werden (10−5 M⊙ /a) und dadurch schon auf der Hauptreihe Schichten mit prozessiertem Material frei legen (Effekt der Wolf-Rayet-Sterne); • die späten Brennphasen (bei T ≈ 109 K) haben so kurze Lebenszeiten (ab dem C-Brennen nur noch einige Tausend Jahre), dass die thermische Zeitskala der Hülle vergleichbar oder sogar größer wird, und der Stern somit seine Position im HRD nicht mehr verändert (Si-Brennen dauert nur noch 1 Tag oder weniger und umfasst noch etwa 1 M⊙ ); • die genauen Entwicklungswege hängen von den Details (der Behandlung) von Konvektion und Massenverlust ab; ob sie im Blauen oder Roten enden, ist oft unklar (SN1987A explodierte unerwarteterweise bei Teff ≈ 104 K!); • die Lebensdauer von massereichen Sternen reicht von 12 Mill. Jahren für einen 15 M⊙ Stern bis unter 6 Mill. Jahre bei 25 M⊙ (solare Zusammensetzung); auch die massereichsten Sterne (≈ 60 M⊙) leben noch etwa 1 Million Jahre. Die obere Massegrenze liegt übrigens bei etwa 100 M⊙, und ist gegeben durch eine Pulsationsinstabilität, die bewirkt, dass soviel Hüllenmasse abgestoßen wird, bis der Stern wieder stabil gegen Pulsationen ist. Da in den Eisenkernen der massereichen Sterne keine weitere Energie mehr gewonnen werden kann, gibt es auch keine stabilisiernde Energiequelle mehr. Tatsächlich 66 Abbildung 8.1: Entwicklung massereicher Sterne im HRD (links) und im Diagramm von zentraler Dichte und Temperatur (rechts). führt jede weitere Kontraktion zu einer Reduktion der inneren Energie: Eine Erhöhung der Dichte führt unter den herrschenden Umständen zu einer Umwandlung von Protonen zu Neutronen durch Einfang von Elektronen (Neutronisation). Da die Elektronen wesentlich zum Druck beitragen, wird das hydrostatische Gleichgewicht instabil. Zweitens resultiert eine damit einhergehende Temperaturerhöhung in Photodisintegration schwerer Kerne (die inverse Reaktion von, z.B., normalen p-Einfängen). Dabei wird aber Energie verbraucht, und der Stern beginnt zu kollabieren. Die Dichten, die dabei erreicht werden, steigen bis 1014 g/cm3 , das sind mehrfache Kerndichten. Dann ist der gesamte Kern neutronisiert, und wir haben einen Proto-Neutronenstern, der durch die endlich einsetzende Neutronenentartung stabilisiert wird. Der Kollaps geschieht in Millisekunden. Die nachfolgende Hülle prallt auf den jetzt sehr steifen Kern und wird reflektiert. Eine Stoßwelle führt zur Explosion vom Typ Supernova Typ IIa. Man beachte aber, dass 99% der Explosionsenergie (≈ 1053 erg) in Form von Neutrinos aus der Neutronisation verloren geht. Nur 1% geht in kinetische Energie, und davon werden wiederum nur 10% in Form von Licht abgestrahlt. Dennoch ist eine Typ IIa Supernova eines der hellsten Objekte im Universum. Sollte die Masse des kollabierenden Kerns über etwa 2 − 3M⊙ liegen, kann unter Umständen selbst die Neutronenentartung nicht mehr den Kollaps aufhalten, und der Stern endet als Schwarzes Loch. 67 Teil III Sterne als physikalische Laboratorien 68 Kapitel 9 Das Sonneninnere 9.1 Helioseismologie Die Sonne ist ein Allerweltsstern niedrigerer Masse, der sein halbes Hauptreihenleben bereits hinter sich hat. Das Alter beträgt ziemlich genau 4.57 Milliarden Jahre, dh. die Sonne ist vor weniger als der Hälfte des Galaxienalters entstanden. Aufgrund ihres Metallgehalts von knapp 2% ist die Sonne ein mittelalter, typischer Vertreter der Population I unserer Galaxis, auch “Scheibenpopulation” genannt. Ihre besondere Bedeutung erschließt sich aus der großen Nähe zu uns, weswegen Beobachtungen mit allerhöchster Genauigkeit möglich sind. Insbesondere das junge Feld der Helioseismologie lebt davon. Dabei werden – erst 1960 entdeckte und 1970 verstandene – Oberflächenschwingungen (Abb. 9.1; rechts) mit typischen Perioden von 5 Minuten (Frequenzen im Bereich von Millihertz) analysiert. Diese Oszillationen sind Zehntausende von stehenden Eigenschwingungen (Abb. 9.1; links) mit allen möglichen Modenzahlen, die auch bis ins Zentrum der Sonne reichen. Da es sich um sogenannte p-Moden handelt (Druck ist rückstellende Kraft; Schallwellen), hängt ihre Frequenz vom Verlauf der (variablen) Schallgeschwindigkeit in dem Bereich ab, in dem sie sich aufhalten (Schwingungsraum). Durch Analyse der Frequenzen lässt sich damit der Verlauf der Schallgeschwindigkeit im Innern bestimmen, und daraus dann einige Strukturgrößen, wie z.B. die Dichte. Um die Schwingungsfrequenzen zu trennen (△ν ≈ µ Hz), muss die Sonne über lange Zeiten kontinuierlich beobachtet werden. Das geschieht entweder mit global Netzen von Teleskopen, vom Abbildung 9.1: Schematische Darstellung der Wellenfronten einer stehenden Schallwelle in der Sonne (links) sowie der Schwingungen an der Oberfläche (rechts). 69 Abbildung 9.2: Verlauf der Schallgeschwindigkeit in der Sonne (Modellrechnung), P sowie der thermodynamischen Größe Γ1 = ddln = γad , die ein Maß für Ioniln ρ ad sation ist. Man beachte den Knick in der Schallgeschwindigkeit bei r/R = 0.713, der eine Folge des Übergangs von Konvektion zu Strahlungstransport ist, und es erlaubt, die Tiefe der Konvektionszone mit einer Genauigkeit von △r/R = 0.001 zu bestimmen. Südpol oder vom Weltraum (Satellit SOHO) aus. Man bedenke, dass die Bewegung an der Oberfläche mit einer Geschwindigkeit von nur 10 cm/s für die einzelne Mode stattfindet, wobei aber die thermische Dopplerverbreiterung der Fraunhofer-Linien im Bereich 10 km/s liegt! Die Erfolge der Helioseismologie bei der Erschließung der inneren Struktur der Sonne, wie z.B. konvektive Bewegungen, Rotationsprofil, etc., zählen mit zu den beeindruckensten Leistungen in der modernen Astrophysik. Zur Zeit findet die Erweiterung zur Asteroseismologie statt. 9.2 Das Sonnenmodell Unter einem Sonnenmodell verstehen wir die Struktur der Sonne zum jetzigen Zeitpunkt, wie sie erhalten wird, wenn wir die Entwicklung der Sonne von der Voroder Nullalter-Hauptreihe bis heute verfolgen. Ein Sonnenmodell kann nicht aus den derzeitigen Beobachtungsdaten alleine konstruiert werden. Dabei gilt es, die beobachteten globalen Parameter der Sonne mit bestmöglicher Genauigkeit zu reproduzieren. Welche das sind, zeigt Tabelle 9.1, ebenso wie die Methode, mit der sie bestimmt werden. Man beachte, dass die Häufigkeit der schweren Elemente, ausgedrückt durch Z/X derzeit neu diskutiert wird, da neueste Häufigkeitsanalysen von M. Asplund und Mitarbeitern eine drastische Reduzierung der Häufigkeiten von C, N, und vor allem O ergaben, so dass die Sonne nach dieser Analyse nur noch 2/3 des früheren (Standard-)Metallgehaltes hat. Ob die neuen oder die alten Werte richtig sind, ist derzeit noch völlig offen. Die traditionelle Berechnung des Sonnenmodells findet folgendermaßen statt: zunächst werden M und Z/X festgelegt. Dann wird ein 1 M⊙ -Modell von der Vorhauptreihe bis zum Sonnenalter t⊙ entwickelt, was L(t⊙ ) und R(t⊙ ) bzw. Teff (t⊙ ) liefert. Diese Werte werden i.A. nicht mit L⊙ und R⊙ übereinstimmen. Daher muss 70 Tabelle 9.1: Solare Größen. (Z/X) ist zunächst Grevesse and Sauval (1998) folgend gegeben; dies ist der bisherige Standardwert; darunter befindet sich der neueste Wert von Asplund und Mitarbeitern (2004). Größe Masse Radius Leuchtkraft Effektivtemperatur Z/X Wert (1.9891 ± 0.0004) × 1033 g 695, 508 ± 26 km (3.846 ± 0.01) × 1033 erg s−1 5779 ± 2 K 0.0230 ± 0.001 Alter 0.0165 4.57 ± 0.02 Gyr Methode 3. Keplersches Gesetz Winkelmessung Solarkonstante Stefan-Boltzmann Gesetz Meteoriten und Sonnenspektrum Asplund-Werte Radioaktive Datierung von Meteoriten die Rechnung mit veränderten Parametern wiederholt werden. Glücklicherweise hat man auch zwei Freiheitsgrade: den anfänglichen Heliumgehalt Yi , der hier auch nicht durch eine Beobachtung von Y⊙ eingeschränkt ist, sowie αMLT , also die Parametrisierung der Unwissenheit über die Konvektion. Es stellt sich auch heraus, dass L vor allem von Yi , und R vor allem von αMLT abhängt (Tabelle 9.2). Durch wiederholte Rechnungen werden diese Werte so bestimmt, dass L(t⊙ ) = L⊙ und R(t⊙ ) = R⊙ . Damit hat man dann ein Standard-Sonnenmodell erhalten. Seit etwa 15 Jahren, und durch die Erkenntnisse der Seismologie, werden allerdings Sonnenmodelle nur noch unter Berücksichtigung von Diffusion (vor allem Sedimentation) gerechnet. Der Effekt ist ein Absinken von Helium und anderen schwereren Elementen unter die Konvektionszone. Das bedeutet, dass auch (Z/X)⊙ 6= (Z/X)0 . Daher ist der anfängliche Gehalt an Z ein weiterer freier Parameter geworden. Für ein typisches Garchinger Sonnenmodell GARSOM, das sehr gut mit anderen hochgenauen Modellen in der Literatur übereinstimmt, ergeben sich folgende Werte für die freien Parameter (kalibriert auf Z/X = 0.0245): αMLT = 1.74 Yi = 0.2753 Zi = 0.0200 ∂y ∂αMLT ∂y ∂Y0 ∂y ∂Z ∂ ln L ∂x 0.01 13.3 -828 ∂ ln R ∂x -0.03 3.7 -218 0.01 0.35 1258 ∂ ln(Z/X) ∂x Tabelle 9.2: Abhängigkeiten solarer Größen von den freien Parametern bei einer Berechnung des Standardsonnenmodells unter Einschluss von Diffusion. Die Hauptabhängigkeiten sind jeweils fett gedruckt. (Nach Schlattl, Dissertation TUM 2000) 71 Abbildung 9.3: Relative Differenz der Schallgeschwindigkeit zwischen StandardSonnenmodellen und der aus Helioseismologie bestimmten. Die Kurven entsprechen einem Modell mit traditionellem Metallgehalt (durchgezogen und gestrichelt für verschiedene Konvektionsbeschreibungen, sowie gestrichpunktet für eine alternative Zustandsgleichung), bzw. mit den neuen Häufigkeiten (lange gestrichelt). 9.3 Sonnenneutrinos War man vor der Entwicklung der Helioseismologie mit der Reproduktion der globalen Sonnenwerte zufrieden, erlaubt die Seismologie heute auch den Vergleich des inneren Zustandes. Zwei Größen seien hierbei erwähnt: die extrem genau seismisch bestimmte Ausdehnung der Konvektionszone und der derzeitige Heliumgehalt der Hülle (bestimmt aus Γ1 , also der Zustandsgleichung). Ersteres wurde bereits erwähnt: die besten Sonnenmodelle reproduzieren diesen Wert auf 0.001 R⊙ genau (wenn die traditionellen Sonnenhäufigkeiten verwendet werden). Ys = 0.246 ± 0.002 wird reproduziert mit Werten von 0.245. Schließlich kann man die Schallgeschwindigkeit im Innern des Modells mit der seismischen vergleichen. Das ist in Abb. 9.3 gezeigt. Zu vergleichen sind hier insbesondere die durchgezogene und die langgestrichelte Linie, die den Effekt der neuen Zusammensetzung zeigt: obwohl auch das neue Modell nur 1%-Abweichungen zeigt, ist das alte doch in wesentlich besserer Übereinstimmung mit der Seismologie. Der Fehler der seismischen Schallgeschwindigkeit (Frequenzbestimmungen, Analyse, etc.) ist im größten Teil der Sonne unter 0.002. Nur ganz außen (Einfluss der Atmosphäre) und nahe dem Zentrum (wenige Moden) steigt er bis auf 1% an. Im Folgenden wollen wir nur noch das beste Sonnenmodell als Referenz verwenden. Eine solche Genauigkeit theoretischer astrophysikalischer Modelle ist höchst ungewöhnlich. Seit den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts gibt es auf der Erde Experimente, die die in der Sonne entstehenden Neutrinos des H-Brennens messen. Die Pioniere dieser “Neutrino-Astrophysik” waren R. Davies (Experiment; Nobelpreis 2002) und J. Bahcall (Theorie). Alle Experimente müssen unterirdisch stattfinden, um sie vor kosmischer Strahlung abzuschirmen. Die Ereignis-Rate in den Detektoren war 72 Abbildung 9.4: Solares Neutrinospektrum und die Messbereiche einiger Experimente. Das Davies-Experiment heißt hier “Chlorine”, weil es auf einer Reaktion von Neutrinos mit 37 Cl beruht, welches Teil der Detektorflüssigkeit (einem Reinigungsmittel) ist. ursprünglich um 1/Tag! Im Buch Neutrino Astrophysics von Bahcall (Princeton University Press) werden die Experimente im Detail vorgestellt. Schon das erste Experiment von Davies zeigte zwei Resultate: 1. es wurden Neutrinos gemessen; 2. die Messrate war etwa um einen Faktor 2-3 zu gering. Ergebnis 1 bestätigte eindrucksvoll, dass in der Sonne tatsächlich Kernfusion stattfindet, Ergebnis 2 dagegen ließ Zweifel an der Richtigkeit der Modelle aufkommen. Allerdings muss man bedenken, dass nur die hochenergetischen Neutrinos aus pp3 gemessen wurden (s. Abb. 9.4 zu den experimentellen Messbereichen), die nur einen verschwindend geringen Anteil ausmachen. Wegen der ThermostatEigenschaft des Kernbrennens aber war es nicht trivial, die gemessenen Werte zu reproduzieren. Daher wurden Nicht-Standard-Modelle erfunden, bei denen die Physik des Sternaufbaus modifiziert wurde, z.B. durch Zusatzmischen im Kern, durch erhöhtes Z im Kern, durch Energietransport durch neue Elementarteilchen (WIMPS: weakly interacting massive particles, ein Dunkle Materie Kandidat). Das Neutrinodefizit wurde in den folgenden Jahrzehnten immer wieder, wenn auch in unterschiedlichem Maße bestätigt (Abb. 9.5). In der Folge wurden drei Lösungen dieses solaren Neutrinoproblems vorgeschlagen: 1. nukleare Lösung: die Kernreaktionsraten sind falsch; 2. astrophysikalische Lösung: das Sonnenmodell ist falsch; 3. teilchenphysikalische Lösung: ein Teil der entstandenen Neutrinos (Elektronneutrinos νe ) wandelt sich zwischen Sonne und Detektor in Myon- (νµ ) bzw. Tau-Neutrinos (ντ ) um. 73 Abbildung 9.5: Vergleich von vorhergesagten und gemessenen Neutrinoraten. Die theoretischen Werte sind nach Quellreaktion aufgeteilt; das Sonnenmodell ist das von Bahcall und Pinsonneault (2000). Die erste Möglichkeit wurde bald ausgeschlossen, vor allem im Licht der Kombination der einzelnen Experimente und der Thermostat-Eigenschaft der Kernfusion. Die zweite Möglichkeit konnte mit ähnlichen Argumenten ausgeschlossen werden (s. dazu wieder die Nukleosynthese-Vorlesung). Das Hauptargument war aber in den letzten 10 Jahren des Problems die hervorragende Übereinstimmung mit der seismischen Sonne. Es gab einfach keine Möglichkeit, das Innere der Sonne zu verändern. Zuletzt wurden im Sudbury Neutrino Observatory (SNO in Kanada) ganz gezielt νµ oder ντ gemessen. Zusammen mit den νe ergab sich fast exakt der Neutrinofluss, den die Modelle vorhersagen. Die Lösung war also Nummer 3, die sogenannten Neutrinoszillationen. Aus dem theoretischn Fluss und der Messung lassen sich die in der Theorie dieses Effekts vorhandenen Parameter stark eingrenzen. (Es gab auch schon andere Hinweise auf Oszillationen zwischen νµ und ντ aus der Höhenstrahlung.) Die Bedeutung dieses Ergebnisses liegt vor allem darin, dass die Standardtheorie der Teilchenphysik erweitert werden muss, weil darin Neutrinos masselose Teilchen sind, die Oszillation aber nur möglich ist, wenn sie Masse haben. Aus den Sonnenneutrinos lässt sich ein Massendifferenzquadrat, aber keine Neutrinomasse bestimmen; dieses liegt im Bereich 10−4 eV2 . 9.4 Die Sonne als Labor Ausgehend von der Erkenntnis, dass wir mit Standardphysik, wie sie im Teil I dieser Vorlesung beschrieben wurde, ein sehr genaues Modell des Sonneninneren berechnen können, ist die Idee jetzt, alternative oder zusätzliche physikalische Effekte in das Modell einzubauen, um zu sehen, wie stark diese das Modell verändern, und ob das Modell noch akzeptabel mit der beobachteten Sonne übereinstimmt. Dabei ist stets zu bedenken, dass immer nur ein Effekt untersucht wird. Die Möglichkeit, dass 74 verschiedene Effekte sich gegenseitig kompensieren, ist gegeben, wird aber nicht berücksichtigt. 9.4.1 Elektronenabschirmung in Kernreaktionen Im Abschnitt 3.3 wurde bereits die Salpeter-Formel für Coulomb-Abschirmung erwähnt. Sie lautet i h f = exp 0.188Z1Z2 (δρ)1/2 (T /106)−3/2 (9.1) P wobei δ := i (Zi2 + Zi )(Xi /Ai ). f ist ein Faktor & 1, mit dem die Reaktionsraten multipliziert werden. Allerdings wird diese Gleichung, die auf der Debye-Näherung für abgeschirmte Potentiale beruht, immer wieder in Zweifel gezogen, und zum Teil abenteuerliche Werte oder Funktionen für f vorgeschlagen. Da die Theoretiker zu keiner einhelligen Lösung kommen, kann man die Sonne selbst als Labor nutzen. In Abb. 9.6 sind Schallgeschwindigkeitsprofile gezeigt, die man erhält, wenn man f beliebig variiert, in diesem Experiment um ±10%. Wie man leicht sehen kann, erlaubt die “seismische Sonne” Abweichungen von maximal -5% bis +10%. Damit konnten viele alternative Electron-Screening Theorien bereits ausgeschlossen werden. Abbildung 9.6: Schallgeschwindigkeitsprofil von Sonnenmodellen mit abweichenden f -Faktoren für die Coulombabschirmung in Kernreaktionen. Die Referenz ist die Salpeter-Formulierung von Gleichung 9.1. Dieser Wert wurde mit Faktoren zwischen 0.9 und 1.1 multipliziert. Der graue Bereich ist der durch die Beobachtungsunsicherheiten akzeptable; die gestrichelten Linien stellen den Unsicherheitsbereich ohne mögliche systematische Fehler dar, die für den grauen Bereich sehr groß angesetzt wurden. 75 9.4.2 Axionen-Emission im solaren Kern Axionen sind hypothetische Elementarteilchen, die in einigen Erweiterungen des Standardmodells der Elementarteilchenphysik auftreten, und zum Beispiel als Kandidaten für die Dunkle Materie gehandelt werden (s. das Buch von G. Raffelt “Stars as Laboratories for Fundamental Physics”; University of Chicago Press, 1996). Ihre Eigenschaften, insbesondere Masse und Kopplungskonstanten an gewöhnliche Materie sind unbekannt. Sie sollten aber Spin 0 haben, und elektroschwach wechselwirken. Insbesondere betrachten wir hier den Primakoff-Effekt γ + Ze → Ze + a d.h. die Erzeugung eines Axions a bei einer Photonstreuung an einem Kern mit Ladung Ze. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Prozess hängt von dem LagrangeOperator L = gaγ (B · E) a ab, in dem die Kopplungskonstante gaγ steckt, welche üblicherweise in Einheiten von 10−10 GeV−1 angegeben wird (g10 ). Aus dieser Theorie kann man eine AxionenEmissionsrate berechnen, die man in die Energiegleichung als weiteren Term ǫa ∼ 2 (T 7 /ρ) einbauen kann. Da die Axionen nur schwach wechselwirken, führen sie gaγ wie Neutrinos zu einer Kühlung des stellaren Inneren, die sich auf die Struktur auswirkt. Abbildung 9.7: Einfluss von zusätzlicher Axionenkühlung auf die Schallgeschwindigkeit in Sonnenmodellen. Die Abbildung ist analog zu Abb. 9.6 zu verstehen. Die Linien entsprechen Werten von g10 (s. Text) von 0 (durchgezogen) 4.5, 10, 15, 20 (verschiedene Strichelungen, in der Reihenfolge zunehmender Diskrepanz). Aufgrund der Ergebnisse, wie in Abb. 9.7 gezeigt, können Kopplungskonstanten g10 & 10 ausgeschlossen werden, was einem oberen Grenzwert für die Axionenleuchtkraft La ≈ 0.2 L⊙ entspricht. Dieser Wert entsprach zum Zeitpunkt der Rechnungen 76 (1998) dem von terrestrischend Helioskopen, die den umgehrten Effekt nutzen, um den Axionen-Fluss der Sonne zu messen. Weitere Experimente desselben Ansatzes wurden gemacht, um das erlaubte Overshooting im konvektiven Kern der späten Vorhauptreihensonne zu begrenzen, die Emission von Weakly Interacting Massive Particels zu studieren, oder auch um mögliche zeitliche Variationen der Newtonschen Konstante G zu untersuchen. Den Wert von G selber kann man aus Sonnenmodellen nicht bestimmen. Warum nicht? 77 Kapitel 10 Rote Riesen Die Kerne Roter Riesen sind die Vorläufer der Weißen Zwerge und weisen extreme Zustandsbedingungen auf. So sind die Dichten im Bereich 106 g/cm3 und die Temperaturen jenseits von 50 Millionen Kelvin. Wegen der hohen Dichte ist die Materie dennoch hoch entartet. Emission von Plasma-Neutrinos kühlt die Sterne stark und verzögert das Zünden des Heliums, bis es schließlich im Helium-Flash doch dazu kommt (s. Abschnitt 6.4). Diesen Effekt macht man sich nun zunutze: Variiert die Kühlung, so variiert auch die Kernmasse und somit, nach (6.1), auch die Leuchtkraft der Spitze des Rote Riesen-Astes. Durch Vergleich mit Beobachtungen, z.B. den Riesenästen in Kugelsternhaufen, können verschiedene Unsicherheiten in den Emissionsprozessen eingegrenzt werden. Zwei Beispiele seien hier erwähnt. 1. Elektromagnetisches Dipol-Moment des Neutrinos. Es ist unklar, ob Neutrinos ein (anomales) elektromagnetisches Dipol-Moment haben, wie z.B. Protonen, welches in Einheiten des Bohr-Magnetons µB = e 2me angegeben wird. Sollte das der Fall sein, können Neutrinos an das elektromagnetische Feld ankoppeln, und daraus auch erzeugt werden. Das würde einen weiteren Kanal zur Erzeugung von Neutrinos im Plasmon-Zerfall öffnen (die ja auf dem RGB die Kühling dominieren, s. 3.4), und somit zu mehr Neutrinons und daher gesteigerter Emission und Kühlung führen. Experimentelle Grenzwerte bewegten sich (ca. 1994) im Bereich µν < 3 · 10−11 µB . Eine Fitformel für die visuelle absolute Helligkeit des Riesenastes lautet (aus einer Arbeit von Raffelt & Weiss): Mtip = −3m . 37 +1m . 1 (Ys −0.25)−0m . 21 (3+log Z)+0m . 30 (M −0.8)−0m . 16 µν /10−12 (10.1) Dabei wurde der letzte Term dadurch erhalten, dass man eine Formel für die Emission von Neutrinos aufgrund des neuen Kanals herleitet, in die µν als unbekannter Parameter eingeht, diesen variiert, und modifizierte theoretische Modelle bis zur Spitze des Riesenastes verfolgt. Unter Variation mit Kugelsternhaufen-Riesenästen konnte eine neue Grenze von µν < 4 · 10−12 µB 78 Abbildung 10.1: Änderung der Kernmasse (oben) und visuellen Helligkeit (unten) beim Zünden des Heliums (Spitze des Riesenastes) in metallarmen Sternen von 0.80 M⊙ unter Einbeziehung der Neutrinoemission aufgrund eines anomalen magnetischen Dipolmomentes µν . Die Linien stellen diverse Fits an die numerischen Ergebnisse (Symbole) dar (aus Raffelt & Weiss, Astrophys. Journal 425, 222, 1994). gesetzt werden, die bisher in irdischen Laborexperimenten nicht unterboten wurde. Eigentlich müsste diese Untersuchung mit den seit 1994 wesentlich verbesserten Modellen und neuen, ebenfalls deutlich hochwertigeren Kugelsternhaufendaten wiederholt werden. Die Methode bleibt aber dieselbe. 2. Axionen-Kühlung. In ähnlicher Weise können auch wieder die Eigenschaften der bereits erwähnten Axionen untersucht werden, die auch zur Kühlung beitragen könnten, wenn sie existieren. In diesem Fall geht es um die Kopplung der Axionen an die freien Elektronen in einem Prozess, der Compton-Streuung und Bremsstrahlung entspricht, also e− + γ → e− + a beziehungsweise e− + (Z, A) → e− + (Z, A) + a. Der Prozess wird wiederum durch einen (unbekannten) Kopplungsparameter gekennzeichnet: αa = g2 = [2.8 · 10−14 ma cos2 β]2 /4π = 0.64 · 10−28 m2a 4π Dabei ist ma die Masse des Axions in 10−3 eV . Aus der Theorie kann eine analytische Formel für die Axionenemission in Abhängigkeit von αa hergeleitet werden, und damit wieder Modelle für Rote Riesen berechnet werden. Tabelle 10 zeigt, wie sich die Kernmasse beim Heliumflash mit αa 79 αa (·10−26 ) 0.0 0.5 1.0 2.0 4.0 8.0 δMtip (M⊙ ) 0.000 0.022 0.036 0.056 0.080 0.111 Tabelle 10.1: Werte für αa (s. Text) und daraus resultierende Veränderung der Kernmasse beim Heliumflash in einem Stern von 0.80 M⊙ und Z = 10−3 . Der fett gedruckte Wert ist die obere Grenze, die mit der Helligkeit beobachteter Kugelsternhaufen-Riesenäste vereinbar ist. verändert. Der fett gedruckte Wert ist die von Raffelt & Weiss (Phys. Rev. D, 31, 51, 1995) festgelegte obere Grenze. Insgesamt konnte αa auf Werte unterhalb 0.5·10−26 begrenzt werden, was einem Massenlimit von ma ≤ 9 meV/ cos2 β entspricht (cos β ist ein Modell abhängiger Parameter, der in der Nähe von 1 liegen sollte und daher keine entscheidende Rolle spielt.). 3. Weitere Sternlaboratorien. Außer den hier vorgestellten Fällen wurden auch untersucht: 1. der Einfluss von WIMPS auf die Sonnenentwicklung 2. der Einfluss des magnetischen Neutrinomoments auf Horizontalast- und RR Lyr Sterne 3. Variationen von G und das Alter von Kugelsternhaufen 4. Neutrino-Emission und die Kühlung von Weißen Zwergen 5. Neutrino-Massen und andere Neutrino-Eigenschaften und die gemessenen Neutrinos von Supernova 1987A 6. . . . Generell kann man unterscheiden zwischen Experimenten mit der Sonne, wo die hohe Genauigkeit der Beobachtungen der Grund für die Verwendung als Labor ist, und solchen mit Sternen extremer Dichten und Temperaturen, die im Labor nicht einfach zugänglich sind. 80 Teil IV Sterne und Kosmologie 81 Kapitel 11 Vermessung des Universums Kosmologie ist die Wissenschaft vom Universum als Ganzem. Dabei interessieren Fragen nach dem Ursprung, dem Alter, dem Inhalt, der Größe und seiner Zukunft. Das kosmologische Bild ist immer auch von den technischen Entwicklungen geprägt. Solange man keine Teleskope kannte, nahm man an, der Raum sei gleichmäßig von den “unveränderlichen” Fixsternen ausgefüllt. Erst mit dem technologischen Fortschritt entdeckte man immer mehr “Nebel”, deren Natur lange unbekannt war. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es die “Große Debatte” über die Frage, ob sie andere Welteninseln oder Teil der Milchstraße sind. Entfernungsbestimmungen waren der Schlüssel zum Verständnis. Sterne liefern uns nicht nur Informationen aus weit entfernten Bereichen des Universums, sie erlauben es uns auch, sie zum Vermessen desselben zu verwenden. Weil wir uns in der Kosmologie mit Raum und Zeit gleichermaßen beschäftigen müssen (alleine schon wegen der endlichen Lichtgeschwindigkeit), bedeutet das eine Ausmessung sowohl in räumlicher wie auch zeitlicher Richtung. Wir werden uns daher jetzt mit Alters- und Entfernungsbestimmungen beschäftigen. 11.1 Altersbestimmungen 11.1.1 Einzelsterne Wenn wir einen Stern im HRD lokalisiert haben, kennen wir noch nicht sein Alter. Sind anfängliche Zusammensetzung und Masse bekannt, ist der Entwicklungsweg im HRD eindeutig vorgegeben, und die Position in rein zeitabhängig. Sie würde uns daher im Prinzip das Alter liefern. Die Entwicklungswege überschneiden sich zwar teilweise und es sind auch im Prinzip Mehrfachlösungen möglich, aber diese Komplikationen lassen sich umgehen. Allerdings sind die Lösungen immer abhängig von der Vollständigkeit und Genauigkeit der physikalischen Effekte und Annahmen, die wir in den Modellen verwenden. Es gibt aber zahlreiche praktische Komplikationen. 1. Masse: sie muss sehr genau bekannt sein, weil stellare Entwicklungsgeschwindigkeiten stark von ihr abhängen. Für massearme Sterne auf der Hauptreihe zum Beispiel entspricht eine Unsicherheit von nur 0.1 M⊙ bereits einer Altersunsicherheit von 30-40%! Um eine 3%-ige Altersgenauigkeit zu erhalten, müsste die Masse auf 1% genau bekannt sein. Direkte Massenbestimmungen gibt es aber nur für Doppelsternsysteme. 2. Zusammensetzung: wie das Beispiel der solaren Zusammensetzung zeigt, sind die Ergebnisse spektraler Analysen nicht eindeutig, und schließen sich sogar 82 Abbildung 11.1: Das Doppelsternsystem HR6902: die Positionen im HRD sind mit ihren Fehlern markiert. Die beiden Entwicklungstracks wurden mit Massenwerten gerechnet, die im Einklang mit den aus dem System bestimmten Werten von 3.86 ± 0.15 M⊙ und 2.95 ± 0.09 M⊙ sind. Die chemische Zusammensetzung ist plausibel, aber nicht exakt bestimmt. Das Alter der beiden Komponenten innerhalb der Fehlerkreuze ist angegeben (Schroeder et al., 1997) gegenseitig aus. Ein Faktor 2 in Z bei metallarmen Sternen (Pop. II) ergibt ebenfalls eine Altersunsicherheit von 10%. 3. Entfernung: um die absolute Helligkeit zu bestimmen, braucht man eine genaue Entfernung. Auch diese ist nur bei bedeckenden Doppelstern-Systemen oder bei nahen Sternen aus Parallaxen bekannt. 4. Farbtransformationen: um vom beobachteten Farb-Helligkeits-Diagramm zum theoretischen HRD zu kommen, müssen Leuchtkraft und Effektivtemperatur bestimmt werden. Die dazu notwendigen Transformationen (bolometrischen Korrekturen) sind unsicher. Umgekehrt ist Teff in den theoretischen Modellen wegen der Problematik der Konvektionstheorie nicht genau vorhersagbar. Abbildung 11.1 zeigt das erfolgreiche Modellieren eines gut bestimmten Doppelsternsystems (HR6902). Beide Objekte liegen auf dem Entwicklungsweg für ihre mit einer Genauigkeit von 5% bestimmten Masse und haben dasselbe Alter. Allerdings wurde hier das Overshooting als freier Parameter (δov ) behandelt. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in der Praxis nützliche Altersbestimmungen an Einzelsternen nur in Ausnahmefällen möglich sind, und dass sie ansonsten eher zum Abschätzen des Alters taugen. In der Zukunft hofft man, dass die Asteroseismologie neue Wege öffnet, da man dort im Prinzip messen kann, inwieweit der zentrale Wasserstoffgehalt eines Hauptreihensterns schon gesunken ist. Da dies die “nuklear Uhr” im Stern ist, könnte man damit sein Alter bestimmen. Auch die Masse könnte aus Oberflächenschwingungen bestimmt werden. 83 Abbildung 11.2: Bild des Kugelsternhaufens M30. 11.1.2 Sternhaufen Offene und vor allem Kugelsternhaufen (Abb. 11.2) haben die Eigenschaft, dass alle ihre Mitglieder dieselbe Zusammensetzung und dasselbe Alter haben.1 Ein CMD oder HRD wie in Abb. 7.2 stellt somit eine Momentaufnahme der Entwicklungszustände von Sternen unterschiedlicher Masse dar. Theoretisch wird dies als Isochrone bezeichnet. Die Isochrone zum Alter 0 wäre nur einfach die ZAMS. Sterne höherer Masse haben bereits die Hauptreihe verlassen, diejenigen mit niedrigerer Masse haben erst einen Teil ihres zentralen Wasserstoffs verbraucht. Die massereichsten Sterne haben bereits ihr Endstadium erreicht (Weißer Zwerg oder Neutronenstern) und sind aus dem Diagramm weitgehend verschwunden. Da alle Sterne nach der Hauptreihe zu Roten Riesen werden, ist der Punkt auf der Hauptreihe, an dem die Sterne sie gerade verlassen, auch der heißeste, und wird Turn-Off der Isochrone genannt. Der Vorteil eines KSH-Diagramms ist es, dass wir die Massen der Sterne nicht kennen müssen. In der einfachsten Behandlung muss – außer der Zusammensetzung und der Farbtransformation – nur die Entfernung bekannt sein, allerdings bei kosmologischen Altern besser als 0m . 1 Magnituden (im Entfernungsmodul), weil dies bereits wieder einer Altersunsicherheit von fast 1 Milliarde Jahren entspricht. Klassisch erhält man die Entfernung aus der Pulsationsperioden–Helligkeits–Beziehung von RR Lyr Sternen (die aber nicht in allen KSH gefunden werden), neuerdings auch bevorzugt aus der Helligkeit des Horizontalastes. Es gibt keine direkten Entfernungsmessungen für Kugelsternhaufen mittels Hipparcos-Parallaxen. Statt dessen bestimmt man eine empirische Hauptreihe aus Einzelsternen mit guten Parallaxen und ähnlicher Zusammensetzung wie der des Haufens. Der Helligkeitsunterschied zwischen dieser und der Hauptreihe des Haufens liefert dann die Entfernung. Diese Methode ist im Prinzip sehr gut, allerdings gibt es jeweils nur sehr wenige Objekte mit passender Metallizität, so dass andere hinzugefügt werden müssen, die mittels theoretischer Beziehungen auf die gewünschten Häufigkeitswerte transformiert werden müssen. Das ist eine weitere Unsicherheitsquelle neben einer genauen Bestimmung der Rötung des Haufens, welche die Hauptreihe künstlich verschiebt. 1 Das gilt natürlich auch nur innerhalb gewisser Genauigkeitsanforderungen. Für einige Kugelsternhaufen wurde zuletzt auch die Existenz mehrerer unterschiedlicher Populationen diskutiert. 84 3 2 1 0 -1 3.9 3.8 3.7 3.6 Abbildung 11.3: Zur Konstruktion von Isochronen aus einzelnen Entwicklunswegen und Isochronen für eine Metalliziät von Z = 0.001 und Alter von 4 bis 8 Mrd. Jahre (Quelle: BASTI-Datenbank; Cassisi, Pietrinferni, Salaris). Nach Bestimmung der Entfernung und Berechnung theoretischer Isochronen (Abb. 11.3) – erhalten aus vielen Einzel-Entwicklungswegen von Sternmodellen der entsprechenden Zusammensetzung und unterschiedlicher Masse – vergleicht man einfach die Helligkeit des Turn-Offs der Isochronen mit der beobachteten und erhält so das Alter der Isochrone. Diese sollte dann auch das CMD insgesamt gut reproduzieren, was aber nicht immer der Fall ist wegen der mangelhaften Farbtransformationen. Das sieht man auch in Abb. 11.4, wo aus der Isochrone ein Alter von ca. 12 Mrd. Jahren bestimmt wurde (typische Ungenauigkeit dieser Methode ist ±1 − 2 Mrd. Jahre). Der Riesenast ist etwas wärmer als die Modelle. Außerdem sieht man, dass alle Äste des CMD außer der Turn-Off Region wenig bis gar nicht altersabhängig sind. Abbildung 11.4: Beispiel für einen Kugelsternhaufen (IC 4499; [Fe/H]=-1.54; E(B − V ) = 0.221) und darüber gelegte Isochronen von D. Vandenberg mit Altern von 8 bis 18 Mrd. Jahren (in Schritten von 2 Mrd. Jahren). 85 Abbildung 11.5: Alter von 55 Kugelsternhaufen als Funktion der Metallgehalts (oben), hier ausgedrückt als [Fe/H] := log (Fe/H)⋆ − log (Fe/H)⊙ , bzw. als Funktion des galaktozentrischen Radius (unten). Die Ergebnisse wurden aus der IsochronenMethode erhalten (aus Salaris & Weiss 2001) . Von dieser Methode gibt es Abwandlungen: man kann z.B. statt der altersabhängigen absoluten TO-Helligkeit den Unterschied zwischen TO- und HB-Helligkeit verwenden, da letztere kaum vom Alter abhängt. Das erspart die Bestimmung einer Entfernung! Oder man verwendet die Farbe des TO, wenn keine Entfernung bekannt ist, was allerdings wegen der Unsicherheiten der theoretischen Modelle (Konvektionstheorie!) und der Farbtransformationen höchst unsicher ist. Oder man verwendet eine Kombination aus verschiedenen Altersindikatoren, oder versucht die am besten passende Isochrone unter Variation von Alter, Entfernung, Rötung und Zusammensetzung zu bestimmen. Aus Isochronenbestimmungen galaktischer Kugelsternhaufen konnten die Alter derselben sehr genau bestimmt werden. Mittlerweile stimmen auch unterschiedliche Autoren in den Ergebnissen weitgehend überein. Danach sind die KSH unserer Milchstraße maximal 1-2 Milliarden Jahre nach dem Urknall entstanden. (Vor 1996 schien es, als ob die die KSH deutlich alter als das Universum sein könnten.) 11.1.3 Weiße Zwerge Weiße Zwerge haben die Eigenschaft, dass sie entlang wohldefinierter Kühlkurven im HRD schwächer und kühler werden. Allerdings verlangsamt sich die Geschwindigkeit zusehend, so dass auch große Altersunterschiede nur noch kleine Änderungen hervorrufen, sobald die Sterne etliche Milliarden Jahre alt sind. Dennoch kann man das Alter einer Population von Weißen Zwergen dadurch bestimmen, dass man den 86 Abbildung 11.6: Kühlalter als Funktion der Leuchtkraft für Modelle kühlender Weißer Zwerge. Oben ist eine detaillierte Rechnung gegen ein einfacheres Kühlmodell gezeigt, unten der Einfluss der WD-Masse. kühlsten Punkt der Entwicklungswege sucht, an dem überhaupt noch Weiße Zwerge zu finden sind. Noch leuchtschwächere Punkte wurden einfach aus Mangel an Zeit nicht erreicht. Abbildung 11.6 zeigt beispielhafte Kühlkurven. Komplikationen sind 1. die Objekte sind sehr lichtschwach, deswegen kann das Ende der Kühlkurve auch mangels Entdeckung vorliegen; 2. die Kühlgeschwindigkeit hängt von den genauen physikalischen Effekten im Stern ab, z.B. Freisetzen latenter Wärme bei der Kristallisation der einzelnen Elemente; 3. die Kühlkurven hängen von der Zusammensetzung der Weißen Zwerge ab (Masse der H/He-Hülle); 4. daher sind Weiße Zwerge in Kugelsternhaufen wieder besser geeignet, diese sind aber viel weiter entfernt als die Weißen Zwerge in der Sonnenumgebung. Abbildung 11.7 zeigt die Verteilung von Weißen Zwergen in der galaktischen Scheibe als Funktion der Helligkeit. Durch Vergleich mit theoretischen Erwartungen wird hier ein Alter dieser Sterne und damit der Scheibe von 9.5 Milliarden Jahren festgelegt. Auch andere Untersuchungen derselben Art resultieren in Altern von 8-11 Mrd. Jahren. In Abb. 11.8 ist ein sehr neues Ergebnis dargestellt: die zunehmende Entdeckung von Weißen Zwergen in Kugelsternhaufen, meist mit dem Hubble Space Teleskop. Hier ist die Vollständigkeit der Daten noch wichtiger als für Feldsterne, weil die Alter höher liegen, und die Objekte weiter weg sind. Im gezeigten Fall von NGC6791 liegt das WD-Alter zwischen 10 und 12 Mrd. Jahren, was auch gut mit dem TO-Alter übereinstimmt. 87 Abbildung 11.7: Leuchtkraftfunktion (Zahl der Objekte pro Helligkeitsintervall; aufgeführt über den jeweiligen Messpunkten) für Weiße Zwerge in der näheren galaktischen Scheibe. Die Zahl nimmt erwartungsgemäß mit abnehmender Helligkeit zu (Verlangsamung der Kühlung) und bricht ab, wenn das maximale Alter erreicht ist. Im Vergleich theoretische Kurven mit Alter von 7 bis 15 Mrd. Jahren. Abbildung 11.8: Weiße Zwerge im Kugelsternhaufen NGC6791 und Kühlungskurven für Alter von 2, 4, . . . 10 Mrd. Jahren. Dieselben Isochronen sind auch für die Hauptreihensterne eingezeichnet. 88 11.2 Entfernungsmessungen Die direkte Methode zur Entfernungsbestimmung ist die Parallaxen-Messung, also die scheinbare Bewegung eines Objektes am Himmels aufgrund der Bewegung der Erde um die Sonne. Sie ist sehr genau, kann aber nur in der nächsten Umgebung angewandt werden. Selbst mit dem astrometrischen Satelliten Hipparcos, der das CMD in Abb. 1.2 lieferte, erreicht man nur Entfernungen von wenigen kpc2 . Entfernungsbestimmungen in der Astrophysik beruhen auf zwei grundlegenden Methoden: Standardkerzen: es werden Objekte verwendet, deren absolute Helligkeit man sehr genau kennt, und die am besten universell ist. Dies können Einzelsterne genauso wie ganze Sternsysteme oder Gruppen von Objekten sein. Aus der gemessenen scheinbaren Helligkeit folgt dann die Entfernung. Zur ersten Gruppe gehören Cepheiden, RR Lyrae Sterne, Supernovae Typ Ia, zur zweiten die Spitze des RoteRiesen-Astes oder die Helligkeitsverteilungsfunktion von Planetarischen Nebeln und Kugelsternhaufen-Systemen. Entfernungsleitern: darunter ist zu verstehen, dass man ein jeweils weiter reichendes Entfernungs-Objekt an einem näher befindlichen eicht. Der Grund, warum man nicht nur das eine benutzt, das am weitesten reicht (Supernovae Ia) ist, dass es in der Nähe sehr selten, bzw. gar nicht vorkommt. Eine übliche Leiter ist Parallaxe – Cepheiden – Riesenastspitze/Planetarische Nebel – SN Ia wobei es auch noch andere Stufen geben kann, und außerdem der erste Schritt, nämlich Parallaxen von Cepheiden leider nicht sehr genau ist. Die Eichung geschieht z.B. so, dass man Cepheiden-Entfernungen zu nahen Galaxien bestimmt, und dann deren Riesenastspitze misst. Mit der bekannten Cepheiden-Bestimmung kann man dann die absolute Riesenast-Helligkeit kalibrieren, wenn man annimmt, dass Cepheiden und Riesen nicht in unterschiedlicher Entfernung stehen, was meist wegen der geringen räumlichen Ausdehnung einer Galaxie im Verhältnis zu ihrer Entfernung eine sehr gute Näherung ist. Die ideale Standardkerze (die es noch nicht gibt) zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus: • sie ist hell, und damit auch in großer Entfernung genau zu vermessen; • sie ist leicht zu identifizieren; • sie stellt kein einmaliges Ereignis dar (Wiederholungsmessungen!); • sie ist lokal kalibriert; • ihre Eigenschaften sind theoretisch verstanden. Im Folgenden werden zwei wichtige Entfernungsindikatoren näher besprochen. 11.2.1 Cepheiden Henrietta Leavitt (Abb. 11.9) entdeckte in der Zeit von 1890–1910, dass die Periode von veränderlichen Sternen vom Typ δ Cephei (Cepheiden) linear mit ihrer absoluten Helligkeit zusammenhängt. Da die Perioden sich im Bereich weniger Tage bewegt und die Amplitude bis eine Magnitude reicht (Abb. 11.10), sind sie leicht zu entdecken und zu vermessen. Ihr Entwicklungszustand wurde schon in Kapitel 7.2 besprochen. Mit ihrer absoluten Helligkeit von Mv ≈ −4 sind sie bis in den Virgo-Haufen zu finden, der in einer Entfernung von fast 20 Mpc steht. Insbesondere im HST Key 2 Zur Erinnerung: 1 parsec (pc) ist die Entfernung, unter der die Erdbahn einen Winkel von 1 Bogensekunde einschließt; 1 pc = 3.26 Lichtjahre = 3.08 · 1018 cm 89 Abbildung 11.9: die sogenannten Harvard-Women, eine Gruppe von weiblichen Astronomen; aufgenommen um 1890. Henrietta Leavitt ist die sechste Dame von links. Project Hubble-Constant haben sie eine große Rolle gespielt. Die damit bestimmte Hubble-Konstante beträgt danach H0 = 72 ± 8 km/(s Mpc). Moderne Cepheiden-Perioden-Leuchtkraft-Beziehungen sind ähnlich dieser von Feast und Catchpole (Periode P in Tagen): Mv = −2.81 log P − (1.43 ± 0.1) (11.1) Die Eichung von Nullpunkt und Steigung hat eine lange Geschichte (Abb. 11.11). Unsicherheiten bestehen in der Frage, ob die Metallizität einen Einfluss auf die Beziehung hat. Da Cepheiden außerdem den endlich breiten Instabilitätsstreifen mehrfach kreuzen, gibt es eine “Farb-Abhängigkeit”, die aber bekannt ist. Am genauesten scheinen Cepheiden im Infraroten Standardkerzen zu sein, wie eine sehr aktuelle Bestimmung in Abb. 11.12 zeigt. Abbildung 11.10: Beispiel für die sehr regelmäßige Lichtkurve eines Cepheiden (links) und die Entdeckungs-Abbildung der PL-Relation von H. Leavitt (rechts). 11.2.2 Spitze des Riesenastes Wie Abbildungen 5.10 und 7.1 schon zeigten, ist die Leuchtkraft der Spitze des Riesenastes (TRGB) für massearme Sterne in hervorragender Näherung eine Konstante. Höhere Massen erreichen niedrigere Helligkeiten, so dass die Maximalhelligkeit nicht verändert wird. Gleichung (10.1) zeigt auch, dass die Abhängigkeit von der Metallizität gering ist. Daher bietet sich die TRGB-Helligkeit als Standardkerze an: sie ist hell, theoretisch gut verstanden, und sehr konstant. Allerdings ist die Entwicklungsgeschwindigkeit in dieser Phase relativ hoch, so dass nur wenige Sterne dort zu finden sind. Deswegen ist die Spitze in Kugelsternhaufen nur wenig ausgeprägt, obwohl diese Systeme 105 bis 106 Sterne beherbergen. In externen Galaxien ist dies aber anders. Dort sind auch am TRGB genügend Sterne vorhanden, sie befinden sich alle in etwa derselben Entfernung und damit ist die TRGB relativ leicht zu finden. Um etwaige Abhängigkeiten von der Zusammensetzung zu umgehen, wird wieder bevorzugt im roten bis nahe infraroten 90 Abbildung 11.11: Zeitliche Entwicklung der Kalibrierungen von Nullpunkt und Steigung der Cepheiden-Perioden-Leuchtkraftbeziehung. Man beachte, dass jeder neuer Wert, vor allem des Nullpunktes, das Universum größer oder kleiner macht. Abbildung 11.12: Eine der neuesten Cepheiden-Perioden-Leuchtkraftbeziehungen, erhalten aus Messungen an einem 8.2m-Teleskop (VLT) der ESO im Infraroten. 91 Abbildung 11.13: Die Riesenastspitze der S0-Galaxie NGC5128 (Cen A), aufgenommen in den V und I Filtern des Hubble Space Teleskopes. Eingzeichnet sind auch 10 Mrd. Jahre Isochronen mit Zusammensetzung von 2 bis 158% der solaren Metallizität sowie die 50 und 90% Niveaus der gezählten Sterne. Licht beobachtet. Abbildung 11.13 zeigt ein Beispiel; die Entfernung wurde hier mit (m − M ) = 27.98 mag bestimmt. Man beachte auch den weiten Bereich der Metallizität in dieser S0-Galaxie. Die Entfernungsmethode der TRGB-Helligkeit reicht etwa genauso weit wie die mit Cepheiden, ist aber besonders geeignet für Systeme, die nicht in Einzelsterne aufgelöst werden können. Eine gewisse Schwierigkeit besteht darin, dass zwischen der theoretischen Helligkeit und der empirisch kalibrierten ein Unterschied von etwa 0.1 mag besteht. Zum Schluss sei noch erwähnt, dass Supernovae vom Typ Ia eine große Rolle spielen, da man sie bis in kosmologische Entfernungen entdecken kann (z & 1) und das Volumen in dieser Entfernung so groß ist, dass sie auch zahlreich sind. Sie dienen als Standardkerzen, weil ihre Maximalhelligkeit im Ausbruch universell zu sein scheint (-19.2 mag). Es gibt zwar Abweichungen, die kann man aber über eine Farbkorrektur berücksichtigen. Auch theoretische Modelle bestätigen zunehmend, dass SN Ia Standardkerzen sind. 92 Kapitel 12 Primordiale Sterne und Häufigkeiten Da die ältesten Sterne mindestens 12 Mrd. Jahre alt sind, das Universum selbst aber auch nur 14 Mrd. Jahre, sind einige Sterne, die wir heute noch sehen, “kurz” nach dem Urknall entstanden. Sie tragen daher unter Umständen noch Erinnerungen an die Frühzeit des Universums in sich, und können somit auch helfen, die Geschichte des Universums zu rekonstruieren. 12.1 Die primordiale Lithium-Häufigkeit 7 Li ist eines der wenigen Elemente, das im Urknall entstanden ist (außer Wasserstoffund Heliumisotopen). Es wird (s. Kapitel 5.2.3) mittels eines Protoneinfangs schon bei Temperaturen ab ca. 2 Mio. Kelvin zerstört (Ergebnis sind zwei 4 He-Kerne). Da die Temperatur fast im gesamten Innern der Sterne höher ist, wird 7 Li durch Sterne also hauptsächlich abgebaut. Das Lithium, das sich in den äußersten Schichten befindet, könnte zwar überleben, wird aber auch häufig durch Konvektion in die Tiefe gemischt, wo es dann mit Protonen reagiert. Es gibt aber auch einen interessanten Aufbaumechanismus in Sternen1 sowie die Erzeugung von 7 Li durch Spallation von schwereren Kernen mittels Protonen der kosmischen Strahlung. Insgesamt ist die Situation also kompliziert und man erwartet, dass in Sternen das Lithium meist und unterschiedlich abgebaut wird. Daher war es umso überraschender, als F. und M. Spite 1982 entdeckten, dass in Sternen des galaktische Halos, die sich noch auf der Hauptreihe befinden (also in alten und metallarmen Sternen), der Lithium-Gehalt nahezu konstant war. Bis heute wurde dieses Ergebnis immer wieder bestätigt, die Fehler kontinuierlich reduziert und die Streuung um einen wohldefinierten Mittelwert immer kleiner. Es ist auch keine wesentliche Steigung auf dem Lithium- oder Spite-Plateau zu finden (s. Abb. 12.1). Die einzige Erklärung dafür scheint zu sein, dass diese Sterne noch den primordialen 7 Li-Gehalt aus dem Urknall zeigen. Sie stellen damit eine wichtige Quelle dar, um sowohl die Physik der Nukleosynthese im Urknall (Big Bang Nucleosynthesis; BBN) wie auch den darin enthaltenen freien Parameter, die Baryonen-Dichte η zu bestimmen, auf deren Definition wir hier nicht weiter eingehen. 1 Cameron-Fowler-Mechanismus: hier wird in pp-Ketten 7 Be erzeugt, das per β-Zerfall zu 7 Li wird. In der dafür notwendigen Zeit wird das Beryllium aber durch Konvektion zu niedrigeren Temperaturen transportiert, so dass das entstehende 7 Li überleben kann. Das findet in einigen AGB-Sternen statt, die dann Li-reich werden. 93 Abbildung 12.1: Die Häufigkeit des galaktischen 7 Li als Funktion des Metall-(Eisen)gehalts von Sternen in der Milchstraße. Der Wert in der Sonnenatmosphähre ist mit einem Stern, der in Meteoriten mit einem Kreis bezeichnet. Die Skala bezieht sich auf den Teilchenanteil, ist logarithmisch und so definiert, dass Wasserstoff die Häufigkeit 12 hat. Abbildung 12.2: Häufigkeit der primordialen Elemente (4 He im oberen Abschnitt) nach dem Urknall als Funktion der (skalierten) Baryonendichte im Universum. Die verschiedenen horizontalen Gebiete ergeben sich aus den erlaubten Häufigkeiten (vertikale Ausdehnung). Der gelbe senkrechte Balken entspricht der WMAPBaryonendichte. Die Linien sind die aus der BBN-Theorie vorhergesagten Häufigkeiten als Funktion von η. 94 Zusammen mit Deuterium, 3 He und 4 He und unter Benutzung der BBN-Theorie (s. Vorlesung Nukleosynthese) lässt sich durch die Forderung eines einheitlichen η-Bereichs η selbst bestimmen. Wie man aus Abb. 12.2 erkennt, ließe sich unter großzügiger Ausdehnung der Beobachtungsfehler ein Überlapp bei etwa η = 5·10−10 finden. Allerdings hat die Analyse des kosmischen Mikrowellenhintergrunds, gemessen von der Sonde WMAP, zu einer unabhängigen und ziemlich genauen Bestimmung von η = 6 · 10−10 geführt. Während 4 He und D (grüner Bereich) problemlos damit in Einklang stehen, und auch 3 He wegen der großen Unsicherheiten in der Bestimmung des primordialen Gehalts kein wirkliches Problem darstellt, weicht 7 Li doch signifikant um einen Faktor 3 ab. Zurzeit ist noch keine Lösung dieses Problems in Sicht. Folgende Erklärungen werden angeboten: • die BBN verläuft anders, z.B. durch Modifikation der Energien durch zerfallende schwere Elementarteilchen; • 7 Li ist in Sternen des Spite-Plateus doch schon abgebaut, entweder durch Diffusion (Absinken) oder durch Mischen über den unteren Rand der Konvektionszone hinaus (z.B. durch Rotation). Das Thema ist noch in Arbeit, das Ergebnis offen. Man wird entweder neues über die Physik dieser Sterne oder die früheste Phase des Universums lernen. 12.2 Die ersten Sterne Die Geschichte des Universums ist in Abb. 12.3 skizziert. Sterne können uns erst ab der Entstehung der “Ersten Sterne” etwas darüber mitteilen. Wie die Abbildung zeigt, ist dies nach einigen Hundert Millionen bis einer Milliarde Jahre der Fall gewesen. Vorher gab es zwar (Dunkle) Materie-Ansammlungen, die hier als erste Galaxien bezeichnet werden, und in denen auch schon Schwarze Löcher sein konnten (Quasare), aber das waren noch keine Galaxien, wie wir sie heute kennen (solche Objekte sind auch noch nicht entdeckt). Diese Phase nennt man auch das “Dunkle Zeitalter”, das mit dem Auftreten der Ersten Sterne endete. Könnnten wir solche finden und deren Alter bestimmen, wüssten wir genau, wann diese Phase stattfand. Als Nebenprodukt, so glaubt man, haben diese Sterne dazu beigetragen, die atomare Materie wieder zu ionisieren. Wie aber soll man diese Sterne zwischen all den anderen, die später entstanden sind, finden? Dazu rufen wir uns ins Gedächtnis, dass im Urknall keine Metalle (außer einer Spur Lithium) entstanden sind, und dass alle schweren Elemente, die wir jetzt in Sternen finden, in Vorgängersternen erzeugt und an das insterstellare Medium zurückgegeben wurden, aus dem dann neue Sterne entstanden. Die Schlussfolgerung ist, dass die Ersten Sterne metallfrei gewesen waren (Population III Sterne), und daher leicht zu finden sein sollten. Tatsächlich aber wurde trotz intensiver Suche noch kein solcher Stern gefunden. Das kann an zwei Gründen liegen: 1. Es hat nie Pop. III Sterne gegeben, die so niedrige Masse hatten, dass sie heute noch leben. Das wird vor allem durch die Theorie der Sternentstehung gestützt, die voraussagt, dass Materiewolken ohne Metalle nur sehr schwer kühlen und kontrahieren, und daher die Ersten Sterne alle Massen von über 100 M⊙ hatten. 2. Es hat zwar massearme Pop. III Sterne gegeben, aber diese sind durch Kontamination durch das interstellare Medium oder Winde von anderen, später entstandenen Sternen nicht mehr ganz metallfrei. 95 Abbildung 12.3: Die Geschichte des Universums vom Urknall bis heute. In jedem Fall sucht man nach den Sternen, die am wenigsten Metalle zeigen. Große Programme finden mittlerweile viele Sterne im Halo mit [Fe/H] < −3, das ist weniger als 10% der Metalle normaler Pop. II Sterne. Die Rekordhalter sind die beiden Objekte HE 0107-5240 und HE 1327-2326 (beide etwa [Fe/H] = −5.6). Sie zeichnen sich allerdings – wie eine sehr große Zahl ähnlicher Objekte – durch extreme Kohlenstoff- und Stickstoff-Überhäufigkeiten aus, so dass ihr gesamter Metallgehalt doch deutlich höher und im Bereich von Pop. II liegt. Dennoch weisen die schweren Elemente auf einen sehr frühen Entstehungszeitpunkt hin. Das besondere an metallfreien Sternen ist, dass sie keinen CNO-Zyklus haben können, sondern über pp-Ketten brennen müssen. Abbildung 5.5 legt nahe, dass daher die Kerne auf der Hauptreihe deutlich heißer sein müssen, um dieselbe Leuchtkraft zu erzeugen. Da außerdem die Opazitäten wegen der fehlenden Metalle niedrig sind, sind auch die Oberflächen der Sterne heißer. Insgesamt ergibt das eine deutlich andere Entwicklung als für gewöhnliche Sterne (Abb. 12.4). Man erkennt als erstes eine Schleife am Ende der Hauptreihe. Der Grund dafür ist, dass zu diesem Zeitpunkt bereits einige wenige 3 α-Reaktionen im Kern ablaufen, die minimal Kohlenstoff erzeugen. Sobald eine C-Häufigkeit von etwa 10−10 erreicht wird, kann aber der CNO-Zyklus – auf hohen Touren – ablaufen. Die CNUmwandlung führt dabei zu der sichtbaren, aber sehr kurzlebigen Schleife. Die zweite Besonderheit sind die höheren Effektivtemperaturen und Leuchtkräfte auf der Hauptreihe, deren Ursache die bereits erwähnten niedriegen Opazitäten sind. Schließlich ist der Riesast verkürzt. Das ist aus zwei Gründen Folge der über pp-Ketten laufenden Schalenquelle: erstens sind damit die Temperaturen im Innern höher und zweitens geht in die Herleitung der Kernmasse-Leuchtkraft-Beziehung auch der Temperaturexponent der Energieerzeugung ein. Für pp-Ketten ergeben 96 Abbildung 12.4: Entwicklung eines 1 M⊙ Sterns mit Z = 0 im Vergleich zu einem solarer Metallizität von der ZAMS bis zum Zünden des Helium-Flashs. Der Pop. III Stern wurde unter verschiedenen Annahmen bezüglich externer Verschmutzung und interner Diffusion berechnet. Abbildung 12.5: Energieerzeugungs- und Konvektionszonen in einem Pop. III Stern mit 1 M⊙ während des Helium-Zündens (Weiss und Mitarbeiter). 97 sich daraus bei gleicher (Kern-)Masse niedrigere Leuchtkräfte als für den CNOZyklus. Zuletzt sei noch erwähnt, dass der Heliumflash anders verläuft: es kommt zu drastischen Mischunsgsvorgängen zwischen Helium brennenden Schichten und Hülle, analog zu den thermischen Pulsen. In Abb. 12.5 sind die Energieerzeugungs- und Konvektionszonen in einem Pop. III Stern mit 1 M⊙ während des Helium-Zündens gezeigt. Unter anderem etabliert sich die Wasserstoff-Schalenquelle neu und innerhalb des ehemaligen Helium-Kerns, weil Wasserstoff aus der Hülle soweit nach innen gemischt wurde. Der Stern beginnt danach einen zweiten RGB-Aufstieg. Auch das Heliumbrennen, das nach dem Flash erloschen ist, zündet dann zum zweiten Mal, dann aber unter “gewöhnlichen Bedingungen. Das interessante Ergebnis dieser sehr komplizierten und kurzlebigen Vorgänge ist eine drastische Erhöhung der Oberflächenhäufigkeiten von C und N! Dennoch glaubt man derzeit nicht mehr, dass dies die Erklärung für die Beobachtung der C-reichen extrem metallarmen Sterne ist. Stattdessen favorisiert man Szenarien, nachdem massereiche Pop. III Sterne das Material kontaminierten, aus dem die beobachteten Sterne entstanden. Damit wären diese zwar keine echten Ersten Sterne, trügen aber das nukleare Gedächtnis der Ersten Sterne in sich. Interessanterweise weisen die Häufigkeiten der sehr schweren Elemente auf einen Massenbereich von einigen 10 M⊙ hin, der aber auch deutlich niedriger ist als die Sternentstehungstheorien vorhersagen würden. Auch in diesem Feld geht die Forschung noch weiter, und endgültige Antworten sind nicht so schnell zu erwarten. Es zeigt aber, dass Sterne uns einiges über die Frühzeit des Universums zu sagen haben. 98 Teil V Anhänge 99 Anhang A Einige thermodynamische Beziehungen Das erste Gesetz der Thermodynamik lautet dq = du + P d(1/ρ). Wir nehmen eine Zustandsgleichung (Equation of State; EOS) der Form ρ = ρ(P, T ) und u = u(ρ, T ) an, d.h. wir ignorieren Abhängigkeiten von der chemischen Zusammensetzung. Definitionen v := α := dρ ρ = cP := cv := du = → ds ∂u ∂v T = → = 1/ρ ∂ ln ρ ∂ ln ρ , δ := ∂ ln P T ∂ ln T P dP dT α −δ P T dq du dv = +P dT dT dT P P P du dq = dT v dT v du du dv + dT dv T dT v dq ∂u 1 ∂u 1 + P dv + dT = T T ∂v T T ∂T v ∂P T −P ∂T v (A.1) (A.2) (A.3) (A.4) (A.5) (A.6) (A.7) (A.8) Die letzte Relation wird durch zweimaliges Differenzieren von (A.7) erst nach ∂T und dann nach ∂v (beim zweitenmal in umgekehrter Reihenfolge) erhalten und unter Benutzung der Tatsache, dass s eine komplette Form ist. Aus (A.6) erhalten wir (mit u = u(P, T )) 100 → ∂u ∂T du dT = = P = dv ∂u ∂u + ∂T v ∂v T dT ∂u ∂u ∂v + ∂T v ∂v T ∂T P ∂u ∂P ∂v T + −P ∂T v ∂T P ∂T v (A.9) (A.10) (A.11) wobei (A.8) benutzt wurde. Aus (A.4), A.5) und (A.11) folgt ∂P ∂v T cP − cv = ∂T P ∂T v aber Pδ ∂P = ∂T v Tα und daher cP − vv = P δ2 ρT α (A.12) was sich für ein ideales Gas zu cP − cv = R/µ reduziert. Schreibe dq ∂u ∂u = du + P dv = dT + + P dv ∂T v ∂v T ∂u ∂P = dT + T dv ∂T v ∂T v drho T ∂P = cv dT − ρ ρ ∂T v P δ drho = cv dT − ρα ρ dP P δ2 δ Pδ dT α = cv + dT − dP = cv dT − −δ ρα P T ραT ρ δ = cP dT − dP ρ (A.13) (A.14) (A.15) (A.16) (A.17) (A.18) unter Benutzung von (A.5), (A.9) und (A.12). Die letzte Form wird in der Gleichung für die Energieerzeugung benutzt. Man definiert den adiabatischen Temperaturgradienten als ∂ ln T ∇ad := (A.19) ∂ ln P s Pδ = (A.20) ρcP T was sich aus 0 = dq für adiabatische Änderungen ergibt. 101 Anhang B Mischungswegtheorie Hier folgt eine kurze Herleitung der Mischungswegtheorie. Wir folgen dabei Kippenhahn & Weigert (KW), halten aber die offen und versteckt auftauchenden freien Parameter variabel, so dass die endgültigen Gleichungen variabel bleiben. Der gesamte Energiefluss setzt sich zusammen aus radiativem und konvektivem Fluss. Sollte dieser Fluss ausschließlich durch Strahlung transportiert werden, würde dies einem (fiktiven) Gradienten ∇r entsprechen. Daher ist F = Fr + Fc = 4acG T 4 m ∇r 3 P r2 κ (B.1) Der radiative Fluss allein wird entlang dem tatsächlichen Gradienten ∇ transportiert: Fr = 4acG T 4 m ∇ 3 P r2 κ (B.2) Und der konvektive ergibt sich aus dem Exzess des Energieinhaltes eines typischen Blobs mit Temperaturexzess DT und Geschwindigkeit v Fc = cP ρvDT (B.3) Dieser Temperaturexzess folgt aus dem Gradienten des Exzesses mal der durchschnittlichen Wegstrecke, die ein Blob zurücklegt 1 ∂DT DT = lm a1 = (∇ − ∇e )lm a1 HP−1 T T ∂r (B.4) Hier haben wir angesetzt, dass alle konvektiven Elemente eine Mischungsweglänge lm reisen, bevor sie sich auflösen und ihre Energie an die Umgebung abgeben. Am Punkt r, an dem wir die Betrachtungen durchführen, sollen die Elemente im Schnitt einen Teil a1 davon bereits durchlaufen haben. Der Standardwert dafür kann z.B. 1/2 sein. Der zweite Teil von (B.4) ergibt sich aus den Definitionen von DT und HP (2.14). Die Auftriebskraft, die auf das Element aufgrund des Dichtunterschieds wirkt, ist: Kr = −g Dρ DT = gδ ρ T (B.5) und die Arbeit, die diese Kraft im Mittel auf das Element auf seinem bisherigen Weg a1 lm geleistet hat, ist 2 a2 Kr · a1 lm = a21 a2 gδ(∇ − ∇e )lm HP−1 , 102 (B.6) wobei im Mittel wieder nur ein Teil a2 davon gewirkt habe (z.B. wieder 1/2). Ein Teil dieser Energie wurde verwendet, um die Umgebungsmaterie beiseite zu schieben (Standarannahme: 1/2), aber der andere Teil (a3 ) resultierte in kinetischer Energie des Elements, aus der sich die konvektive Geschwindigkeit am Ort r ergibt, die wir für (B.3) brauchen: 2 v 2 = gδ(∇ − ∇e )lm HP−1 [2a21 a2 a3 ] (B.7) Die Kombination der bisherigen freien Parameter im Standardfall ergibt den Wert 1/8 (s. KW). Daraus, und nach trivialen Umformungen erhalten wir eine neue Form von (B.3): p −3/2 2 Fc = cp ρlm T gδ(∇ − ∇e )3/2 HP [2a41 a2 a3 ]1/2 (B.8) √ Der Parameterwert beträgt im Normalfall 1/(4 2). Nun muss noch die Änderung der Temperatur Te des Elementes betrachtet werden, während es sich bewegt, erstens wegen der adiabatischen Ausdehnung, zweitens wegen Strahlungsverlusten von der Oberfläche in die Umgebung. Dieser Verlust ist Fläche mal Strahlungsfluss, oder λ := Sf = S 8acT 3 DT 3κρ d (B.9) wobei d der typische Blobdurchmesser sei (Herleitung bei KW, Kap. 6.4). Damit folgt λ dT dT = − (B.10) dr e dr ad ρV cp v (V = Elementvolumen), und wenn wir für die Gradienten wieder unter Verwendung der Skalenhöhe die Nablas verwenden, sowie (B.4) λ= 8acT 3 S (∇ − ∇e )lm a1 HP−1 3κρ d (B.11) λ kann jetzt durch (B.9) ersetzt werden, wodurch ein “Formfaktor“ lm S/V d auftaucht; für eine Kugel mit Durchmesser lm wäre er 6/lm; in der Literatur findet sich oft der Wert 9/(2lm ). Allgemein verwenden wir a4 /lm . Immer wird dabei angenommen, dass die konvektiven Elemente eine Größe haben, die im Rahmen von lm liegt. Damit lässt sich herleiten, dass (∇e − ∇ad ) = a4 1 8acT 3 (∇ − ∇e )a1 3κρ lm ρvcP T (B.12) oder acT 3 8 ∇e − ∇ad = 2 [ a4 a1 ] ∇ − ∇e κρ cP lm v 3 (B.13) Der numerische Faktor ist im Fall von KW = 6. Wir können jetzt für v Gleichung (B.7) einsetzen. Die Umformungen sind etwas länglich, aber ergeben (s. KW) (∇e − ∇ad ) = p p acT 3 p 8 a4 (∇ − ∇e ) 2 2 HP /δρ √ =: 2U (∇ − ∇e ) (B.14) κρ cP lm 3 2a2 a3 wobei wir die rein lokal definierte Größe U eingeführt haben, die der rechten Seite von (B.14) nach der Nabla-Wurzel und mit einem Faktor 1/2 versehen, entspricht. 103 Insgesamt haben wir jetzt für die fünf Unbekannten Fr , Fc , v, ∇e und ∇ (∇ad ergibt sich ja aus der Zustandsgleichung, s. Anhang, Gleichung A.20) auch fünf Gleichungen, nämlich (B.1), (B.2), (B.7), (B.8), und (B.13). Dieses System von Gleichungen lässt sich sogar analytisch lösen (nicht empfehlenswert, weil numerisch ungenau). Neben (B.14) erhält man, nachdem man alle drei Flüsse durch ihre Gleichungen ersetzt hat, und die hydroststatische Gleichung und die Definition von HP verwendet hat, (∇ − ∇e )3/2 = 8 U (∇r − ∇) 9 (B.15) wobei hier keine Parameter auftauchen, bzw. in U versteckt sind. Aus diesen beiden Gleichungen kann man letztendlich eine einzige erhalten, indem man die linke Seite von (B.14) als (∇ − ∇ad ) − (∇ − ∇e ) schreibt, wodurch man erkennt, dass es eine quadratische Gleichung mit der Unbekannten (∇ − ∇e )1/2 ist, deren Lösung lautet p ∇ − ∇e = −U + ξ, (B.16) wobei ξ die positive Wurzel von ξ 2 = (∇ − ∇ad ) + U 2 (B.17) ist. Jetzt setzt man (B.16) in (B.15) ein, eliminiert ∇ auf der rechten Seite von (B.17) und erhält die kubische Gleichung der Mischungswegtheorie (ξ − U )3 + 8U 2 ξ − U2 − W = 0 9 (B.18) wobei man noch die weitere Hilfsgröße W := (∇r − ∇ad ) eingeführt hat. Diese Gleichung liefert ξ (es gibt nur eine positive Wurzel), und daraus (B.17) dann das gesuchte ∇. Darin ist auch die Abhängigkeit von U von a2 , a3 und a4 enthalten. Die anderen Größen, z.B. v, ergeben sich dann aus den anderen Gleichungen. In der Praxis wird natürlich nur (B.18) gelöst, indem U (B.14) und W lokal berechnet werden. Im Buch von Kippenhahn und Weigert werden des Weiteren auch die Grenzfälle für sehr effektive bzw. ineffektive Konvektion behandelt. 104 Anhang C Homologie-Relationen Ein sehr einfaches, nützliches, und oft gebrauchtes Modell für den Sternaufbau – insbesondere für Relationen zwischen Sternen – ist das der homologen Sternmodelle, basierend auf Homologie-Beziehungen. Die Grundannahme der Homologie ist, dass für zwei zueinander homologe Sterne 0 und 1 gilt bei m1 m0 r1 r0 = → = M1 M0 R1 R0 ⇒r m = Rfr m P m = Pc fP m M M M M und entsprechende Beziehungen für T und Lr , wobei die Skalierungsfunktionen fi unabhängig von M sind, die Konstanten aber von M und µ abhängen können. Man nimmt jetzt für die abhängigen Variablen Potenzgesetze an: ǫ = κ = P = ǫ 0 ρλ T ν κ0 ρn T −s R ρT µ Die Potenzen sind z.B. n = 1, s = 3.5 for Kramer’s Opazität, oder λ = 1, ν = 7 für die pp-Ketten. Die Zustandsgleichung kann allgemein gültig formuliert werden als P ∼ ρχρ T χT Es sei nun x := m/M die relative Masse und der Energietransport finde über Strahlung statt. Dann folgen diese Beziehungen: dP P d ln fP Gm = =− dm m d ln x 4πr4 → P m ∼ 4 m r r d ln fr 1 dr = = dm m d ln x 4πr2 ρ → r 1 ∼ 2 m r ρ dT T d ln fT 3κ Lr = =− dm m d ln x 64πac r4 T 3 → T Lr ∼ 4 3 m r T Lr d ln fL dLr = =ǫ → dm m d ln x 105 Lr ∼ǫ m Aus obigen Relationen für P und ρ, sowie der Zustandsgleichung ergibt sich m T P ∼ ∼ ρ r µ (oder rT ∼ µm) und mit der für Lr ⇒Lr ∼ µ4 m3 . Insbesondere folgt für x = 1 L ∼ µ4 M 3 (C.1) Das ist die einfachste Masse-Leuchtkraft-Beziehung für homogene Sterne, also für Hauptreihensterne. Sie hängt nicht von der Energieerzeugung ab; die Proportionalitätskonstante wird im Wesentlichen von der Opazität bestimmt. Da auch Lr ∼ mǫ ∼ mρλ T ν , erhalten wir (wieder für x = 1) ν−4 λ+ν−2 ν+3λ R ∼ µ ν+3λ M (C.2) Das ist entsprechend die Masse-Radius-Relation, die aber noch von den Potenzen der Energieerzeugung abhängt. Für λ = 1 and ν ≈ 5 (pp-Kette) ⇒ R ∼ µ0.125 M 0.5 Für λ = 1 and ν ≈ 15 (CNO-Zyklus) ⇒ R ∼ µ0.61 M 0.78 4 Aus (C.1) und (C.2) sowie dem Stefan-Boltzmann-Gesetz L ∼ R2 Teff folgt dann 3/4 die Hauptreihen-Beziehung. Wir nehmen Mittelwerte an: R ∼ M , sowie identisches µ: L ∼ M 3 . Damit ⇒ log L = 8 log Teff + const, Halten wir dagegen R =const., ergibt log L = 4 log Teff + const, das sind flachere Linien konstanten Radius im HRD. Man beachte außerdem, dass wegen L ∼ M 3 , aber τnuc ∼ M/L gilt → τnuc ∼ M −2 d.h. massereichere Sterne sind zwar heller, leben aber dafür kürzer! Zuletzt wenden wir uns noch den Zentralwerten auf der Hauptreihe zu, die ebenfalls aus den Homologie-Relationen abgeschätzt werden können. Wir nehmen an, dass λ = 1 und µ=const. Es gelten Pc ∼ P ∼ P (x) ; fP (x) Tc ∼ T ∼ T (x) fT (x) und T ∼ M , R P ∼ M2 , R4 ρc ∼ Pc , Tc ν−1 R ∼ M ν+3 Daraus folgen dann Tc Pc ρc Tc 4 ∼ M ν+3 ∼ M− ∼ M− 2(ν−5) ν+3 2(ν−3) ν+3 2 − ν−3 ∼ ρc 106