Teil II Grundzüge der Sternentwicklung 38 Kapitel 4 Sternmodelle Seit Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts werden Sternmodelle nur noch im Computer mit immer komplizierteren numerischen Programmen berechnet. Dazu werden in den meisten Fällen die Gleichungen aus Kapitel 2.7 mit Hilfe einer Relaxierungsmethode, ähnlich der bekannten Newton-Iteration gelöst. Da wir mindestens 4 partielle Differentialgleichungen für 4 Variable lösen müssen, läuft dies auf die Inversion einer Matrix hinaus, die pro Stützstelle (entsprechend einem Wert von m) 4 Zeilen hat. Typische Stützstellenzahlen liegen im Bereich 100-1000. Eine so große Matrix ist nicht trivial zu invertieren, weswegen erst das Henyey-Verfahren entwickelt werden musste, dass die Blockstruktur dieser Matrix ausnutzt, so dass sukzessive 4x4-Matrizen gelöst werden. Details dazu und zu anderen numerischen Methoden finden sich im Buch von Kippenhahn & Weigert. Wie bei jedem Relaxationsverfahren hängt der Erfolg (Konvergenz) davon ab, dass eine gute Näherungslösung vorgegebn wird. Bei der zeitlichen Entwicklung ist das jeweils das Modell zum vorangegangenen Zeitpunkt. Für t = 0 aber ist die Sache schwieriger. Hier behilft man sich mit bereits vorhandenen Modellen, oder mit anders konstruierten Modellen. Eine Möglichkeit dazu sind Modelle, die mit einem Runge-Kutta Verfahren gewonnen wurden, oder vereinfachte Modelle (s.u.). Alle Modelle, die im Weiteren hier besprochen werden, wurden aus modernen numerischen Rechnungen gewonnen, die die Physik des ersten Teils beinhalten. Der Vollständigkeit halber, und weil es didaktisch an einigen Stellen interessant ist, seien aber einige klassische Methoden zur Gewinnung einfacher Sternmodelle kurz erwähnt: 1. Homologie-Relationen (s. Anhang C). Unter der Annahme, dass die wichtigsten Variablen in Sternen verschiedener Masse ähnlich verlaufen, erhält man Skalierungsrelationen, die sich vor allem für Sterne in frühen Entwicklungsphasen als erstaunlich genau erweisen. Die Grundannahme lautet, dass für zwei zueinander homologe Sterne 0 und 1 gilt bei m1 m0 r1 r0 = → = M1 M0 R1 R0 Daraus lassen sich dann (s. Anhang) unter anderem die Masse-LeuchtkraftBeziehung L ∼ µ4 M 3 und die Masse-Radius-Relation herleiten, die für die pp-Kette R ∼ µ0.125 M 0.5 lautet, und für den CNO-Zyklus R ∼ µ0.61 M 0.78 . 39 Abbildung 4.1: Die empirische Masse-Leuchtkraft-Beziehung für Sterne der Sonnenumgebung Die empirschen Gegenstücke zeigen die Abbildungen 4.1 und 4.2. 2. Polytropen waren lange Zeit die besten einfachen Modelle, die sehr viel Einblick in die innere Struktur von Sternen erlaubten, und bis zu einem hohen Grad an Komplexität geführt wurden. Sie werden ausführlich in den Büchern von Chandrasekhar und Schwarzschild diskutiert und verwendet. Die Grundidee ist, nur die ersten beiden (mechanischen) Gleichungen zu verwenden, und die fehlende Beziehung für ρ vorzugeben. Die allgemeine Form ist P (r) = Kρ1+1/n (r) wobei n den Polytropenindex darstellt. Man kann dann auch schreiben P (r) ρ(r) = = Pc θ(1+n) ρc θ n wobei θ einen skalierten Radius darstellt. Die ersten beiden SternaufbauGleichungen können mit Hilfe der Poisson-Gleichung zusammengefasst werden: (n + 1)Pc 1 d 4πGρc r2 dr 2 dθ r = −θn dr (4.1) oder auch, wenn man den Vorfaktor als rn2 abkürzt und r = rn ζ schreibt: 1 d 2 dθ ζ = −θn (4.2) ζ 2 dζ dζ Das ist die Lane-Emden-Gleichung, die im allgemeinen Fall immer noch numerisch gelöst werden muss. Ihre Randbedingungen sind θ(ζ = 0) = 1 (ρ = ρc ) and θ′ (0) = 0 ( dP dr = 0). Die Sternoberfläche entspricht der ersten Nullstelle 40 Abbildung 4.2: Die empirische Masse-Radius-Beziehung für Sterne der Sonnenumgebung von θ, wo P = T = ρ = 0. Analytische Lösungen gibt es für n = 0, 1, 5. Im letzten Fall geht R → ∞. Interesante Fälle sind n = 1.5, der P ∝ ρ5/3 entspricht (vollständig entartetes, nicht-relativistisches Gas), und n = 3, also P ∝ ρ4/3 (voll relativistisches, vollständig entartetes Gas). Adiabatische Konvektionszonen sind ebenfall Polytropen mit n = 1.5, isotherme Kerne von Sternen haben n = ∞. 3. Weitere einfache Modelle. Weitere Vereinfachungen sind die Annahme konstanter Dichte, einer punktförmigen zentralen Energiequelle, und einer über den gesamten Radius konstanten Energiequelle. Moderne Sternentwicklungsprogramme beginnen mit einem Anfangsmodell (Zeitpunkt t0 ), berechnen dessen Struktur bei vorgegebener Anfangsmasse, chemischer Zusammensetzung (meist homogen), und verwendeter Physik. Dann beginnt die zeitliche Integration, zunächst mit einem kleinen Zeitschritt ∆t , der sehr viel kleiner als die dominierende Zeitskala sein sollte. Dann wird das nächste Modell relaxiert (das räumliche Problem, zum Zeitpunkt t0 + ∆t = t1 ), bevor das nächste zeitliche Problem gelöst wird. Die Gitterauflösung beträgt, wie schon gesagt, 100 bis einige Tausend Stützstellen. Die Anzahl der Zeitschritte hängt stark von der Entwicklungsphase ab, und kann zwischen einigen Hundert und einigen Hunderttausend Modellen schwanken. Die Rechenzeiten betragen pro Modell Zehntelsekunden, ein Modelllauf kann bis zu einer Woche dauern. Diese Zeiten haben sich trotz der immer leistungsfähigeren Computer nur wenig verkürzt, weil die Physik der Modelle stark verbessert wurde und wird. 41 Kapitel 5 Die Hauptreihe 5.1 Vorhauptreihe Die Entwicklung eines Sterns beginnt aus der Kontraktion und Fragmentierung einer interstellaren Gas- und Molekülwolke. Sternentstehung ist aber ein eigenes Thema und wird in dieser Vorlesung nicht behandelt. Irgendwann hat sich eine sphärisch symmetrische Gaskugel herausgebildet, die vielleicht immer noch umliegende Materie akkretiert, aber in der schon thermischer Druck die Gravitation ausgleicht. Dieses Objekt befindet sich also im hydrostatischen Gleichgewicht, und wir können das Virial-Theorem anwenden: der Stern kontrahiert und wandelt gravitative Energie in Leuchtkraft und innere Energie um, er erwärmt sich also. Dieser Teil der Vorhauptreihen-Entwicklung wird als hydrostatische Kontraktion bezeichnet. Abbildung 5.1 zeigt die Entwicklung der Sonne von dieser Phase bis heute mit entsprechenden Altersmarkierungen. Man beachte vor allem die immer länger werdende Zeitskala, die einerseits aus der abnehmenden Leuchtkraft, andererseits aus dem Beginn nuklearen Brennens resultiert. Aufgrund der niedrigen Temperaturen (Opazität hoch) sind Vorhauptreihensterne nahezu vollkonvektiv (Entwicklung entlang der Hayashi-Linie). Sie können daher mit Polytropen vom Index 3/2 beschrieben werden. Zusammen mit Atmosphären ergeben sich die näherungsweisen Relationen d ln L & 10 d ln Teff d ln Teff ≈ 0.2. d ln M Die Hayashi-Linien sind also sehr steile Linien im HRD, deren Temperatur nur schwach mit der Masse ansteigt (Abb. 5.2, rechts). Der Einfluss der Mischung ist so, dass ein höherer Heliumanteil (also weniger H) zu niedrigeren Opazitäten und damit höheren Temperaturen führt. Das gleiche geschieht für niedrigere Metallizität. Das kann aber überhaupt nur einen Einfluss haben, weil die Sterne nicht wirklich komplett adiabatisch geschichtet sind. Deswegen spielt auch αMLT eine Rolle: je größer dieser Parameter ist, desto wärmer sind die Modelle (s. auch Abb. 5.2, die Modelle von Salaris und Cassisi zeigt). Etwa auf halber Höhe des gezeigten Vorhauptreihen-Entwicklungsweges erreicht die Zentraltemperatur Werte von nahezu 106 K; dann wird etwa vorhandenes primordiales Deuterium durch Protonen-Einfang zu 3 He umgewandelt. Energetisch ist diese Phase uninteressant (die Häufigkeiten bewegen sich um 10−5 ), die Kontraktion läuft aber etwas langsamer ab. Bei T ≈ 2.5 · 106 K verbrennt dann 7 Li, hauptsächlich zu 4 He. Zu diesem Zeitpunkt ist der Stern aber schon nicht mehr ganz 42 Abbildung 5.1: Entwicklung der Sonne im HRD von der Vorhauptreihe (Phase der hydrostatischen Kontraktion) bis heute. Abbildung 5.2: Einfluss von Zusammensetzung und Masse auf die Lage der HayashiLinie im HRD. (Diese und viele weitere Abbildungen in diesem Abschnitt stammen aus dem Buch von Salaris & Cassisi.) 43 M (M⊙ ) 0.2 1.0 4.0 Anfangswerte: Alter (106 a) 730 62 0.5 XD 8 · 10−18 2 · 10−17 4 · 10−18 4 · 10−5 X3He 2 · 10−4 1 · 10−4 1 · 10−4 3 · 10−5 X7Li 7 · 10−15 4 · 10−9 1 · 10−8 1 · 10−8 Tabelle 5.1: Häufigkeiten der flüchtigen Elemente D, 3 He und 7 Li am Ende der Vorhauptreihe. Diese Elemente sind primordial, entstanden also in diesen Anteilen während der Urknall-Nukleosynthese. Das Alter ist die benötigte Zeit zum Erreichen der Hauptreihe, die Zusammensetzung der Modelle war solar (Y = 0.277, Z = 0.02; aus Salaris & Cassisi). konvektiv, sondern entwickelt einen radiative Kern. Daher ist die Oberflächenhäufigkeit von Lithium abhängig von der Ausdehnung der konvektiven Hülle. Da wärmere Sterne weniger tiefe Konvektionszonen haben, ist der Abbau dieser Elemente in ihnen geringer (s. die oben erwähnten Abhängigkeiten). Insbesondere in Sternen mit Z . Z⊙ /30. und M & 0.6 M⊙ kann man erwarten, dass die Oberflächenhäufigkeit von 7 Li noch primordial ist. In Sternen mit M . 0.6 M⊙ ist der Abbau von Lithium dagegen signifikant, in der Sonne war er vermutlich eher gering. Tabelle 5.1 beinhaltet einige Zahlenwerte dazu. Bei Zentraltemperaturen von ca. 1.2 · 107 K beginnen auch die ersten TeilReaktionen des Wasserstoffbrennens (s. Abschnitt 5.2.3). Wichtig ist dabei besonders die C-N-Umwandlung als Teil des CNO-Zyklus. Damit wird noch nicht Helium erzeugt, aber es werden einige Protonen verbraucht, und es wird auch kurzfristig signifikante Energie erzeugt. Als Folge verlangsamt sich die Entwicklung, der Kern wird wieder konvektiv, und der Stern durchläuft ein kleines Leuchtkraftmaximum (s. Abb. 5.1). 5.2 5.2.1 Hauptreihenentwicklung Die ZAMS Die Zero Age Main Sequence ist eigentlich ein theoretisches Konstrukt: sie ist definiert als der Ort homogener Sterne, in denen L = Lnuc . Tatsächlich aber muss immer ein kleiner Anteil thermischer Energie vorhanden sein (wegen der unausweichlichen Kontraktion und dem Virial-Theorem; in der Sonne ist der Anteil an der Gesamtenergie-Erzeugung etwa 10−4 ), und außerdem haben wir gerade gesehen, dass sich die Zusammensetzung im Laufe der Vorhauptreihenentwicklung bereits etwas geändert hat. Der Wasserstoffanteil im Zentrum kann um bis zu 0.5% abgesunken sein. Etwas ungenauer definiert sich die ZAMS als der Ort, an dem die Leuchtkraft “fast ausschließlich” (z.B. über 99%) aus nuklearer Energie stammt, die Entwicklungszeitskala schnell sehr langsam wird (s. Abb. 5.1), ǫg ≈ 0, oder auch der Radius in dieser Phase minimal ist. All diese Definitionen stimmen in etwa, aber nicht genau überein. 5.2.2 Braune Zwerge Wie am Ende von Anhang C gezeigt, steigen die Zentralwerte von Druck und Temperatur etwa mit M 2 bzw. M . Das heißt, dass Sterne niedriger Masse auch niedrigere Zentraltemperaturen aufweisen. Fallen diese unter die kritischen Temperaturen für Wasserstoffbrennen, kann der Stern seinen Energiebedarf nicht mehr aus nuklearem Brennen alleine decken. Solche Objekte werden dann nicht mehr als Sterne, sondern als Braune Zwerge bezeichnet. Sie müssen also weiter kontrahieren, um, 44 Abbildung 5.3: Schema der drei pp-Ketten. Abbildung 5.4: Reaktionsablauf im CNO-Zyklus entsprechend dem Virial-Theorem Energie frei zu setzen. Da bei hohen Dichten aber Elektronen-Entartung einsetzt, werden sie durch den Entartungsdruck stabilisiert und kühlen nur noch aus. Die kritische Masse beträgt 0.075M⊙; darunter haben wir also Braune Zwerge. 5.2.3 Wasserstoffbrennen Das bereits oft erwähnte Wasserstoffbrennen ist die Energiequelle auf der Hauptreihe (und auch meist später). Es findet in Sternen im Wesentlichen auf zwei Wegen statt: pp-Ketten und CNO-Zyklus. Die beiden Reaktionswege sind in den Abbildungen 5.3 und 5.4 skizziert. Immer werden sukzessive 4 Protonen zu einem 4 He vereint, wobei 2 p zu n umgewandelt werden, und somit 2 Neutrinos entstehen, die aber unterschiedlich viel Energie aus der Reaktion mitnehmen. Die Verzweigungen in den pp-Ketten sind temperaturabhängig. pp1 findet bei niedrigeren, pp3 bei höheren statt. Die Energietönung beträgt 26.2, 25.7 und 19.2 MeV. In der Sonne laufen die pp-Ketten etwa im Verhältnis 86:14:0.02 ab. Wir werden auf das Thema Wasserstofffusion in der Sonne im Teil 3 noch weiter eingehen. Der CNO-Zyklus läuft bei etwas höheren Temperaturen ab. Die Sonne bezieht nur etwa 2% ihrer Energie daraus. Der Zyklus wird oft als katalytisch bezeichnet, 45 Abbildung 5.5: Temperaturabhängigkeit der Energierzeugungsraten ǫpp und ǫCNO . Die Zentraltemperatur der Sonne ist mit einem Kreis markiert. weil, vom 12 C ausgehend, nacheinander Protonen angelagert werden, bis schließlich O entsteht, das aber so angeregt ist, dass er ein 4 He abspaltet und wieder zu 12 C wird. Da die Reaktionsraten im Zyklus unterschiedlich hoch sind, “staut” sich der Zyklus am Isotop mit der langsamsten Rate. Das ist 14 N, dessen Häufigkeit so lange anwächst, bis die Rate wieder so groß ist wie die der erzeugenden, 13 C(p, γ)14 N. Ein CNO-Zyklus im Gleichgewicht führt zu zwei wesentlichen Häufigkeitsänderungen: erstens wird fast alles 12 C zu 14 N, und zweitens sinkt das Isotopenverältnis 12 C/13 C von etwa 90 (typischer Wert in der Milchstraße und in der Sonnenhülle) auf den sehr stabilen und von der Temperatur kaum abhängigen Gleichgewichtswert des CNO-Zyklus von 3-5. Materie, die durch den CNO-Zyklus gegangen ist, auch wenn nur wenig Helium daraus entstand, ist an diesen Häufigkeiten leicht zu erkennen. Welche Reaktionskette nun in einem Stern dominiert, hängt wiederum von der Temperatur ab, wenn wir davon ausgehen, dass in allen Sternen wenigstens minimale Häufigkeiten der CNO-Elemente vorhanden sind. Sehr niedrige Gesamthäufigkeiten müssen einfach nur durch eine etwas höhere Temperatur ausgeglichen werden. Abbildung 5.5 zeigt die Energieerzeugungsraten als Funktion von T . Die Sonne ist knapp unterhalb des Punktes, wo beide Zyklen gleich viel beitragen würden. Daraus folgt auch, dass alle Sterne mit M < 1M⊙ ihre Energie hautptsächlich aus den pp-Ketten beziehen, die mit M & 1.5M⊙ dagegen aus dem CNO-Zyklus. Da aber T im Laufe der Entwicklung im Mittel im Stern steigt, schaltet auch die Sonne später auf diese Methode um. Generell kann gesagt werden, dass der CNO- oder Bethe-Weizsäcker-Zyklus der wichtigere ist. 16 5.2.4 Konvektion Auf der Hauptreihe muss man zwei Unterscheidungen bezüglich der Konvektion machen: 1. Sterne massereicher als etwa 1.3 M⊙ haben einen konvektiven Kern; sie brennen über den CNO-Zyklus, der einen höheren Temperaturexponenten hat, weswegen ǫn konzentrierter und Lr nahe dem Zentrum (bei sehr kleinem r) schon bei kleinem r hoch ist, und deshalb Konvektion ausgelöst wird. 46 Abbildung 5.6: Abbrennen des Wasserstoffs im Kern eines Sterns von 1 M⊙ und 5 M⊙ , also ohne und mit konvektivem Kern. Abbildung 5.7: Hauptreihenentwicklung von Sternen niedriger (links) und mittlerer (rechts) Masse. 2. Sterne unterhalb von etwa 1.5 M⊙ haben eine konvektive äußere Hülle (wegen der niedrigeren Temperaturen) 3. die genauen Massengrenzen sind mischungsabhängig 4. es kann Sterne geben, die sowohl im Kern als auch in der Hülle konvektiv sind, aber auch solche, die überhaupt keine konvektiven Zonen besitzen. 5.2.5 Hauptreihenentwicklung Das Auftreten von Konvektion im Kern bewirkt ein unterschiedliches Verbrennen des Wasserstoffs (s. Abb. 5.6) und auch eine unterschiedliche Morphologie des Entwicklungsweges (Abb. 5.7). Hauptreihenposition und Entwicklung hängen auch wieder von Zusammensetzung, Mischungswegparameter (für die niedrigeren Massen), und der Berücksichtigung von Overshooting (für die Sterne mit konvektivem Kern) ab. Generell gelten die Regeln: 47 Abbildung 5.8: Entwicklung eines Sterns von 5 M⊙ auf und nach der Hauptreihe ohne und mit Overshooting (ausgedrückt durch den Overshooting-Parameter λOV , der die zusätzliche Größe des konvektiven Kerns in Einheiten von HP angibt). M (M⊙ ) 0.5 0.8 1.0 1.5 2.0 5.0 10.0 log L/ L⊙ -1.397 -0.595 -0.161 0.691 1.207 2.724 3.749 log Teff 3.588 3.687 3.751 3.851 3.956 4.232 4.404 log Tc 6.948 7.062 7.133 7.268 7.325 7.437 7.502 Mcc (M⊙ ) — — — 0.136 0.299 1.242 3.159 tH (106 a) 128543.7 26952.3 11513.3 2312.5 946.5 78.5 18.3 Tabelle 5.2: Einige Kenngrößen von Hauptreihenmodellen mit solarer Zusammensetzung (aus Salaris & Cassisi). 1. je höher der Heliumgehalt, desto heißer und heller ist der Stern (wegen der niedrigeren Opazität und L ∼ µ4 ) 2. je höher der Metallgehalt, desto kühler ist der Stern wegen der höheren Opazität; dagegen wird die Leuchtkraft kaum beeinflusst (die Reaktionsraten wirken eben als Thermostaten, und L hängt in erster Näherung nicht von der Mischung ab, s. Homologie) 3. je größer αMLT , desto wärmer ist der Stern 4. je größer der Effekt des Overshootings, desto länger lebt der Stern auf der Hauptreihe (mehr Brennmaterial wird in das Zentrum gemischt), und desto leuchtkräftiger wird er im Laufe der Hauptreihenentwicklung (weil das mittlere µ größer wird), s. Abb. 5.8. 48 Abbildung 5.9: Innere Entwicklung eines Sterns von 1.3 M⊙. Gezeigt sind die Energieerzeugungsbereiche (schraffiert) auf und nach der Hauptreihe, die konvektiven Zonen (wolkig) und Bereiche, in denen der anfängliche Wasserstoffgehalt um etwa 1% oder mehr reduziert ist (aus dem Buch von Kippenhahn & Weigert). 5.3 Ende der Hauptreihe Das Ende der Hauptreihe ist der Zeitpunkt, an dem der Wasserstoff im Zentrum aufgebraucht ist, und damit das zentrale H-Brennen erlischt. Das ist etwa, aber nicht genau, identisch mit dem heißesten Punkt auf dem Entwicklungsweg in Abb. 5.7 für die massearmen Sternen, und dem lokalen Temperaturmaximum für Sterne mit konvektivem Kern. Beide Punkte sind in den Abbildungen mit einem Punkt gekennzeichnet, und werden, vor allem im ersten Fall, als Turn-Off bezeichnet. Da die Effizienz nuklearer Brennvorgänge aus dem Produkt von Brennstoffvorrat und Temperaturabhängigkeit resultiert, erlischt zwar im Zentrum die Wasserstofffusion, nicht aber in Bereichen um das Zentrum, wo zwar die Temperatur niedriger, der Wasserstoffvorrat aber noch unerschöpft ist. Daraus ergibt sich logischerweise eine brennende Schale um das Zentrum. Solche Schalenquellen sind ganz übliche Brennzonen in Sternen und werden uns noch öfters begegnen. Abb. 5.9 zeigt, wie sie sich in einem massearmen Stern entwickelt, und in der Folge fortentwickelt. Die Schalenquelle etabliert sich innerhalb des ehemaligen Kernes. Die Schalenquelle brennt am unteren Ende (wegen der dort höchsten Temperatur) am effizientesten, wodurch sie von unten her ausbrennt. Gleichzeitig erhöht sich die Temperatur in den äußeren Bereichen, wodurch weiter außen liegenden Bereiche vom Brennen erfasst werden. Die Folge ist ein “Hinauswandern” der Schalenquelle in die Hülle unter Zurücklassen eines Heliumkerns. Dabei wird die Schalenquelle schnell sehr dünn. In Abb. 5.9 sieht man, dass sie von angänglich fast 1/10 der Gesamtmasse auf wenige Hunderstel schrumpft. Der Übergang von einer dicken zu einer dünnen Schalenquelle vollzieht sich vor allem direkt nach dem Turn-Off. Nach diesem kontrahiert der Kern, da die stabilisierende Wirkung der nuklearen Quelle ausgefallen ist (man kann lokal das Virial-Theorem anwenden). Gleichzeitig – und es ist nicht klar, warum das so ist – blähen sich die Bereiche in und außerhalb der Schalenquelle auf (geometrisch, nicht in Masse!), so dass der Stern eine sehr große, 49 Abbildung 5.10: Entwicklung von massearmen Sternen (M = 0.8 . . . 2.2 M⊙ ) auf und nach der Hauptreihe. kühle Hülle entwickelt. Er wandert zum Riesenast (im Extremfall zur Hayashi-Linie) zurück und wird zum Roten Riesen. Dabei wird die Hülle zunehmend konvektiver. Der Übergang heißt bei massearmen Sternen Unterriesen-Ast und findet auf der nuklearen Zeitskala der Schalenquelle statt (Abb. 5.10). Dagegen vollzieht sich der Übergang bei massereicheren Sternen ähnlich wie in Abb. 5.8 und auf einer thermischen Zeitskala, da der thermische Druck im Kern nicht ausreicht, das Gewicht der Hülle zu tragen. Dieser “Kollaps” wird erst gestoppt, wenn entweder Elektronenentartung im Kern für neuen Druck sorgt, oder die nächste Brennphase zündet. Da diese Horizontalbewegung im HRD sehr schnell ist, findet man nur wenige Sterne in diesem Bereich, und spricht von der Hertzsprung-Lücke (s. auch Abb. 1.2). 50