Die philosophische Perspektive

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CRIC-Fachtagung zu investmentethischen Grundfragen
Kevin Schaefers
Die philosophische Perspektive
Frankfurt am Main, den 20. September 2012
-1-
Agenda
I.
Einleitung: moralphilosophische Grundlagen
II.
Investmentethische Grundsatzfragen
1. Investments, moralische Normen und Ideale
2. Nachhaltige Investments
-2-
Was kennzeichnet die philosophische Perspektive?
Philosophie
Ethik
• Geisteswissenschaft
• Nicht-empirische Methodik
(Abgrenzung zu Natur- und
Sozialwissenschaften)
• Was können wir wissen?
• Wie sollen wir handeln?
Wirtschaftsethik
• Philosophische Disziplin
• Normative Fragen
• Was ist moralisch gut/
schlecht?
• Wie lassen sich moralische
Normen begründen?
• Teildisziplin der Ethik
• Normative Fragen in Bezug
auf den Praxisbereich
„Wirtschaft“
• Was ist eine gerechte
Wirtschaftsordnung?
• Was sind gerechte Löhne?
Investmentethik
• Teilbereich der
Wirtschaftsethik
• Normative Fragen in
Bezug auf den
Praxisbereich
„Investieren“
• Was sind ethisch
verantwortungsvolle
Investments?
• Was heißt nachhaltig zu
investieren?
-3-
Bedeutung und formale Kennzeichen einer Moral
Bedeutung:
• Moral regelt das gesellschaftliche Zusammenleben zwischen Individuen, ohne dabei auf
Sympathien zwischen den Individuen aufbauen zu müssen. Moral ist ein soziales Konstrukt.
Formale Kennzeichen:
• Handlungsbezug: System von sozialen Normen
• Sanktionsbezug: innere Sanktionen von Empörung und Scham (moralische Gefühle)
• Konzept eines guten Menschen: dieser identifiziert sich mit der Moral, sie ist Teil seiner
sozialen Identität
• Mit einem Konzept vom guten Menschen ist die Disposition zu Lob und Tadel verbunden.
• Wechselseitiges moralisches Verpflichtetsein bzw. Gefordertsein: moralische Gebote/ Pflichten
sind unbedingt (Kant: „kategorisch“) einzuhalten
• Begründungsanspruch moralischer Normen
-4-
Kontroverse ethische Themen
• Wer ist Mitglied der moralischen Gemeinschaft? Wer hat moralische Rechte und Pflichten?
• Alle und alle gleichermaßen? (Universalistisch- egalitäre Moralkonzeptionen)
• Auch zukünftige Generationen?
• Wie lassen sich moralische Normen begründen?
• „X ist moralisch geboten“, weil es (a) vernünftig, (b) in meinem Interesse, (c) ... ist
• Was wird moralisch beurteilt?
• Folgen der Handlung (konsequenzialistisch-teleologische Ansätze)
• Gesinnung/ Haltung des Handelnden (deontologische Ansätze)
• Welche moralischen Normen gehören überhaupt zur Moral?
• Nachhaltigkeit als moralisches Gebot?
• Warum soll man überhaupt moralisch sein?
• Motive/ Gründe für Identifikation mit Moral
-5-
Spektrum moralisch relevanter Handlungen
Bedeutung:
(1) Handlungen, die moralisch gut und geboten sind
(2) Handlungen, die moralisch schlecht und verboten sind
(3) Handlungen, die moralisch indifferent sind, d.h. die weder geboten noch verboten, weder moralisch gut
noch schlecht sind (moralisch neutrale bzw. moralisch erlaubte Handlungen)
•
Können mit moralischen Normen konfligieren
(4) Supererogatorische (übergebührliche) Handlungen: Handlungen, die moralisch gut, aber nicht geboten sind
•
•
•
•
Nicht Teil der Moral, aber Bezugspunkt zur Moral
Moralisch empfehlenswert/ wünschenswert
Selbstlose (uneigennützige) Motivation konstitutiv
Verdient Lob und Hochschätzung
•
„Ideelle Handlungen“ sind Handlungen, die moralisch gut, aber nicht verpflichtend sind und bei denen eine
selbstlose Motivation vorliegen kann, aber nicht vorliegen muss.
(5) Suberogatorische (anstößige) Handlungen: Handlungen, die moralisch schlecht, aber nicht verboten sind
„Moralfreie Handlungen“ können nicht mit moralischen Normen konfligieren
-6-
Arbeitshypothesen
• Zu investieren ist eine moralisch indifferente Handlung
• Es ist weder moralisch geboten noch verboten zu investieren
• Es ist weder moralisch gut noch schlecht zu investieren
• Aber wenn man investiert, ist es möglich, gegen moralische Normen zu verstoßen
• Zu investieren ist deshalb keine moralfreie Handlung
• Nachhaltiges Investieren ist eine ideelle Handlung
• Es ist moralisch gut, aber nicht moralisch verpflichtend
• Es ist moralisch bloß wünschenswert
• Investoren, die um der anderen willen nachhaltig investieren, verdienen moralisches Lob
• Nachhaltiges Investieren setzt aber keine selbstlose Investmentmotivation voraus
-7-
Moralische Ideale
• Wer supererogatorisch handelt, richtet sein Handeln an einem moralischen Ideal aus und ist
selbstlos motiviert
• Wer ideell handelt, richtet sein Handeln an einem moralischen Ideal aus; er kann, muss aber
nicht selbstlos motiviert sein
• Moralische Ideale sind Vollkommenheitsvorstellungen, die ihren Bezugspunkt in der Moral
haben, sie aber übertreffen
• Moralische Ideale sind moralisch gut, aber nicht verallgemeinerbar, denn sie überfordern
die meisten Menschen.
• Moralische Ideale können daher nur moralisch empfehlenswert und ratsam sein, aber sie
sind nicht moralisch verpflichtend.
• Die Identifikation mit moralischen Idealen impliziert die Identifikation mit der Moral
-8-
Zusammenfassung
1a
Bereich
Handlung
Motivation des
Handelnden
Moralische Beurteilung des
Handelnden
Bezeichnung der Handlung
Moral
Moralisch gut und
verpflichtend
(geboten)
Handeln um der
anderen willen
(uneigennützig)
Verdient moralisches Lob
„Moralisch gute Handlung“ /
„Moralische Handlung“
(motivationsunabhängig)
Handeln aus Eigennutz
(egoistisch)
Verdient kein moralisches Lob
z.B. aus Eigennutz
Verdient kein moralisches Lob
1b
1c
2a
2b
Moralische
Ideale
Moralisch
indifferent
(weder moralisch
gut noch schlecht)
Kann mit
moralischen
Normen
konfligieren
Moralisch gut,
aber nicht
verpflichtend
(moralisch
wünschenswert)
„Moralisch erlaubte Handlung“
(motivationsunabhängig)
[These: zu investieren]
Handeln um der
anderen willen
(uneigennützig)
Verdient moralisches Lob
„Supererogatorische
Handlung“
(motivationsabhängig)
Handeln aus Eigennutz
(egoistisch)
Verdient kein moralisches Lob
[These: nachhaltiges
keine
Investieren]
supererogatorische Handlung
-9-
„Ideelle Handlung“/
„Handlung gemäß einem
moralischen Ideal“
(motivationsunabhängig)
Agenda
I.
Einleitung: moralphilosophische Grundlagen
II.
Investmentethische Grundsatzfragen
1. Investments, moralische Normen und Ideale
2. Nachhaltige Investments
- 10 -
Investmentethische Leitfragen
(1) Ist es überhaupt möglich, Investments moralisch zu beurteilen?
•
Fallen Investitionshandlungen in der Bereich der Moral oder sind sie moralfrei?
(2) Was sind nachhaltige Investments, und wodurch unterscheiden sie sich von
konventionellen Investments?
•
Wie lassen nachhaltige von konventionellen Investments aus investmentethischer
Perspektive abgrenzen?
- 11 -
Argumentationsschritte
(1)
Allen Investments kann nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine moralische
Dimension zugesprochen werden.
Alle Investments – nachhaltige und konventionelle – können mit moralischen Normen
konfligieren. Deshalb lassen sich an alle Investments moralische Ansprüche stellen.
(2)
Nachhaltigen Investments kann darüber hinaus auch eine ideelle Dimension
zugesprochen werden.
- 12 -
Die finanzielle Dimension von Investments
• Die finanzielle Dimension von Investments lässt sich quantitativ in finanzmathematischen
Begriffen von Rendite, Risiko und Liquidität beschreiben.
• Sie misst den wirtschaftlichen Erfolg von Investments.
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Die moralische Dimension von Investments: Thesen
• Zu investieren ist moralisch indifferent (moralisch erlaubt), d.h. es ist weder moralisch
geboten noch verboten zu investieren.
• Aber wenn man investiert, können die Investments moralwidrig sein.
• In Kapitalanlagen zu investieren ist daher keine per se moralfreie Handlung, etwa wie Zeitung
zu lesen. Investoren betreten durch das Investieren immer auch den Raum der Moral.
• Deshalb sollte man, moralisch betrachtet, moralkonform investieren. Dies folgt aus dem
Primat moralischer Legitimität vor ökonomischer Effizienz.
• Jedes Investments muss bestimmten moralischen Mindeststandards entsprechen, es muss
moralkonform sein, auch wenn dies zu einer finanziellen Beeinträchtigung der
Investmentergebnisse, beispielsweise zu einer geminderten Rendite, führen würde.
 Im Folgenden werden wir unsere These zu begründen versuchen, indem wir aufzeigen, auf
welche Weisen Investments moralkonform bzw. moralwidrig sein können.
- 14 -
Beispiel 1: Kapitalüberlassung (Primärmarkt-Investments)
„Verbindungsglied“ zwischen Investment
und Investmentobjekt ermöglicht die
moralische Beurteilung des Investments
Kapitalüberlassung
(über den Primärmarkt)
Handeln der Investmentobjekte kann
moralkonform oder moralwidrig sein
Investmentobjekte
(Unternehmen,
Staaten
als Emittenten)
Investitionshandlung
Investor
Kapitalverwender
Kapitalverwendung mit
Auswirkungen
auf Mitarbeiter,
Lieferanten,
Kunden, Umwelt,
Gesellschaft etc.
 Investoren können unternehmerisches oder staatliches Handeln indirekt beeinflussen. Doch dieses so
beeinflusste unternehmerische oder staatliche Handeln kann prinzipiell mit moralischen Normen
konfligieren. Faktische moralwidrige Handlungen auf Ebene der Emittenten sind eine Folge, zumindest auch
eine Folge, der Kapitalüberlassung durch die Investoren.
- 15 -
Beispiel 1: Kapitalüberlassung (Primärmarkt-Investments)
 Die Kapitalüberlassung ermöglicht, stabilisiert oder erweitert die Handlungsspielräume der
Investmentobjekte.
 „Aktive Moralförderung“ bzw. „aktiver Moralverstoß“ durch Investments möglich: Hätten die
Anleger nicht investiert, wäre es zu diesen moralisch relevanten Handlungsfolgen auf Ebene der
Kapitalnehmer nicht oder nicht in diesem Maß gekommen.
 Die Kapitalüberlassung kann aber keine Handlungen auf Ebene der Investmentobjekte erzwingen,
sondern bloß wahrscheinlicher machen („interventionistische Kausalität“).
 Das Wirkungspotential ist hoch, der faktische Wirkungsgrad kann gegen null gehen.
- 16 -
Beispiel 1: Kapitalüberlassung (Primärmarkt-Investments)
 Fazit: Aus wirtschaftsethischer Sicht in Kapitalanlagen über den Primärmarkt zu investieren, heißt,
unternehmerisches oder staatliches Handeln, das moralwidrig sein kann, in bestimmten Maße
kausal zu beeinflussen. Deshalb lässt sich gemäß dem postulierten Primat der Ethik an diese
Investments - und nicht nur an ihre Investmentobjekte - der Anspruch stellen, dass sie
moralkonform sein sollten, d.h. dass die investierten Unternehmen oder Staaten moralkonform
handeln sollten.
 Investoren tragen eine Mitverantwortung (Sekundärverantwortung)!
- 17 -
Beispiel 2: Nutzenziehung aus Eigentümer- oder Gläubigerrechten
(Sekundärmarkt-Investments)
„Verbindungsglied“ zwischen Investment
und Investmentobjekt ermöglicht die
moralische Beurteilung des Investments
Handeln der Investmentobjekte kann
moralkonform oder moralwidrig sein
Zahlungsflüsse
Investmentobjekte
Kauf von Finanzkontrakten
Moralisch
beurteilbare
Handlungen der
Investmentobjekte
Investor
 Investoren erwerben durch Finanzkontrakte immer auch Eigentümer- oder Gläubigerrechte, aus denen sie
eine Frucht ziehen, z.B. Dividenden- oder Zinszahlungen, die durch unternehmerisches bzw. staatliches
Handeln erwirtschaftet werden müssen. Und dieses kann prinzipiell mit moralischen Normen konfligieren.
Investoren können daher zu Nutznießern (Profiteuren) von moralwidrigen unternehmerischen oder staatlichen
Handlungen werden.
- 18 -
Beispiel 2: Nutzenziehung aus Eigentümer- oder Gläubigerrechten
(Sekundärmarkt-Investments)
 Die Anleger können durch den bloß passiven Empfang von Zahlungsflüssen aus Eigentümer- und
Gläubigerrechten keinen Einfluss auf das Handeln der Investmentobjekte nehmen. Selbst wenn die
Anleger nicht investiert hätten, wäre es zu diesen moralwidrigen oder moralkonformen Handlungen (auf
Ebene der Unternehmen und Staaten) gekommen.
 „Passiver Moralverstoß“ bzw. „passive Moralförderung“
 Ein Wirkungspotential, moralkonformes oder moralwidriges Handeln auf Ebene der Unternehmen oder
Staaten zu beeinflussen, ist folglich nicht vorhanden
- 19 -
Beispiel 2: Nutzenziehung aus Eigentümer- oder Gläubigerrechten
(Sekundärmarkt-Investments)
 Fazit: Aus wirtschaftsethischer Sicht in Finanzkontrakte zu investieren, heißt also auch, als Investor
Nutznießer von Zahlungsflüssen aus Eigentümer- oder Gläubigerrechten zu werden, die durch
gesamthaftes unternehmerisches oder staatliches Handeln, das prinzipiell moralwidrig sein kann,
erwirtschaftet werden.
Deshalb können diese Investments prinzipiell auch mit moralischen Normen in Konflikt geraten, und
deshalb lässt sich ihnen gegenüber (gemäß dem Primat der Ethik) der Anspruch erheben, dass sie
moralkonform sein sollten, d.h. dass die investierten Unternehmen bzw. Staaten moralkonform handeln.
 Moralische Integrität des Investors steht im Vordergrund!
- 20 -
Moralische Dimension von Investments: Zusammenfassung
1.
2.
Sachverhalt, der die
moralische
Beurteilungsfähigkeit
von Investments
ermöglicht
Kapitalüberlassung an
Kapitalverwender und
ihre mögliche
handlungsbeeinflussen
de Wirkung (u.a. auf
unternehmerisches
oder staatliches
Handeln)
Objekt der
moralischen
Beurteilung
Kriterium der
moralischen
Beurteilung
Handeln der
Kapitalverwender
(z.B.
unternehmerisches
oder staatliches
Handeln)
Moralische Legitimität
der Kapitalverwendung
i.e.S. (z.B. deren
Umwelt- und
Sozialverträglichkeit)
[Konsequenzialistischteleologische Sicht]
Finanzielle
Nutzenziehung aus
Eigentümer- und
Gläubigerrechten von
Finanzkontrakten
Handeln der
Investmentobjekte
(z.B.
unternehmerisches
oder staatliches
Handeln)
Moralische Legitimität
der Kapitalverwendung
i.w.S. (z.B. deren
Umwelt- und
Sozialverträglichkeit)
[deontologische Sicht –
Integrität des Investors]
Aktiver oder passiver
Moralverstoß bzw. –
aktive oder passive
Moralförderung
durch Investments
Aktiver Moralverstoß
bzw. aktive
Moralförderung
Moralisch relevantes
Wirkungspotential
(moralkonform bzw.
moralwidrig) durch
das Investment
Hoch (in Bezug auf
Moralwidrigkeit und –
konformität)
Investmentart
Passiver Moralverstoß
bzw. passive
Moralförderung
Keines (nur indirekte
Wirkung möglich)
(a) Verbriefte und
(b) unverbriefte
Finanzkontrakte
über den Sekundärund Primärmarkt
- 21 -
(a) Verbriefte
Finanzkontrakte
(u.a. Aktien und
Anleihen) über den
Primärmarkt sowie
(b) unverbriefte
Finanzkontrakte
(Beteiligungen und
Kredite)
Moralische Dimension von Investments: Zusammenfassung
 Es lässt sich für alle Investmentarten zeigen, dass sie auf vielfältige Weise moralwidrig sein können (wiewohl
nicht sein müssen).
 Folglich lässt sich an alle Investments der normative Anspruch erheben, moralkonform zu sein, selbst dann,
wenn dies zu Lasten des finanziellen Erfolgs der betreffenden Investments ginge.
 Wenn Investments nicht moralwidrig sind, sind sie moralkonform; moralfrei sind sie nie.
 Ein Investment kann als moralkonform beurteilt werden, wenn die ihm korrespondierenden Investmentobjekte
moralkonform handeln.
 Ein hohes Wirkungspotential besteht dann, wenn ein „aktiver (investmentbezogener) Moralverstoß“ oder ein
„aktive Moralförderung“ vorliegt, da nur in diesen Fällen eine Handlungsbeeinflussung durch Investments
überhaupt möglich ist;
 Hingegen ist kein Wirkungspotential vorhanden, wenn ein „passiver Moralverstoß“ oder eine „passive
Moralförderung“ besteht.
 Doch selbst da, wo das moralisch relevante Wirkungspotential hoch ist, kann der faktische Wirkungsgrad
äußerst gering sein; die Investitionshandlung kann eine moralisch beurteilungsfähige Folgehandlung
beeinflussen, sie muss es aber nicht.
- 22 -
Die ideelle Dimension von Investments
• These: Anleger betreten durch eine Investmenthandlung zwingend den Raum der Finanzen
und den Raum der Moral; sie können durch den Investitionsvorgang zusätzlich auch den Raum
der Ideale betreten.
• Wenn es richtig ist, Investments eine moralische Dimension zuzusprechen, dann muss es
auch richtig sein, ihnen eine ideelle Dimension zuzusprechen; denn wo es moralische Normen
gibt, muss es auch moralische Ideale geben: Akteure haben immer die Möglichkeit, moralische
Handlungen ideell zu übertreffen.
• Beispielsweise handelt ein Unternehmen gemäß einem moralischen Ideal, wenn es nicht nur
seine Produkte umweltverträglich herstellt, sondern darüber hinaus auch seine gesamte
Energie aus erneuerbaren Energiequellen bezieht. Ein Investment in solch ein Unternehmen ist
nicht nur moralkonform (bezogen auf einen Aspekt der Umweltverträglichkeit), es genügt
darüber hinaus auch einem bestimmten umweltbezogenen moralischen Ideal; das Investment
ist „idealkonform“.
- 23 -
Beispiel 1: Kapitalüberlassung (Primärmarkt-Investments)
„Verbindungsglied“ zwischen Investment
und Investmentobjekt ermöglicht die ideelle
Beurteilung des Investments
Kapitalüberlassung
(über den Primärmarkt)
Handeln der Investmentobjekte kann
idealkonform oder idealfrei sein
Investmentobjekte
(Unternehmen,
Staaten
als Emittenten)
Investitionshandlung
Investor
Kapitalverwender
Kapitalverwendung mit
Auswirkungen
auf Mitarbeiter,
Lieferanten,
Kunden, Umwelt,
Gesellschaft etc.
 Durch die Kapitalüberlassung ermöglichen oder erleichtern die Kapitalgeber den Kapitalverwendern,
ideellen Handlungen in die Tat umzusetzen. Sie übertreffen dann die moralischen Mindeststandards z.B. in
Bezug auf ihr sozial- oder umweltverträgliches Handeln.
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Beispiel 1: Kapitalüberlassung (Primärmarkt-Investments)
 Die Kapitalüberlassung ermöglicht, stabilisiert oder erweitert die Handlungsspielräume der
Investmentobjekte.
 „Aktive Idealförderung“ durch Investments möglich: Hätten die Anleger nicht investiert, wäre es zu
diesen ideellen Handlungen auf Ebene der Investmentobjekte nicht oder nicht in diesem Maß
gekommen.
 Die Kapitalüberlassung kann aber keine idellen Handlungen auf Ebene der Investmentobjekte
erzwingen, sondern bloß wahrscheinlicher machen („interventionistische Kausalität“).
 Das Wirkungspotential ist hoch, der faktische Wirkungsgrad kann gegen null gehen.
- 25 -
Beispiel 1: Kapitalüberlassung (Primärmarkt-Investments)
 Aus ideeller Sicht betrachtet, bedeutet in verbriefte Finanzkontrakte (über den Primärmarkt) sowie
in unverbriefte Finanzkontrakte zu investieren, unternehmerisches oder staatliches idealkonformes
Handeln in bestimmtem Maße kausal durch die Kapitalüberlassung bewirken oder begünstigend
beeinflussen zu können.
 Investoren sind nicht moralisch verpflichtet, ideell orientiert zu investieren. Denn ideelle
Handlungen sind moralisch gut, aber nicht moralisch verpflichtend. Es gibt kein Primat der
Idealität.
 Wer um der anderen willen ideell orientiert investiert, verdient Lob und Hochachtung als Person.
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Beispiel 2: Nutzenziehung aus Eigentümer- oder Gläubigerrechten
(Sekundärmarkt-Investments)
„Verbindungsglied“ zwischen Investment
und Investmentobjekt ermöglicht die ideelle
Beurteilung des Investments
Handeln der Investmentobjekte kann
idealkonform oder idealfrei sein
Zahlungsflüsse
Investmentobjekte
Kauf von Finanzkontrakten
Ideell beurteilbare
Handlungen der
Investmentobjekte
Investor
 Investoren werden durch Eigentümer- sowie Gläubigerrechte an Finanzkontrakten auch zu Empfängern von
Zahlungsströmen, die durch das Handeln der Investmentobjekte idealkonform erwirtschaftet worden sein
können. Der Empfang der Zahlungsströme auf Basis der erworbenen Eigentümer- oder Gläubigerrechte kann
als eine Folge (ein Resultat) des erfolgreichen unternehmerischen oder staatlichen Wirtschaftens, das
idealkonform sein kann, interpretiert werden.
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Beispiel 2: Nutzenziehung aus Eigentümer- oder Gläubigerrechten
(Sekundärmarkt-Investments)
 Die Anleger können durch den bloß passiven Empfang von Zahlungsflüssen aus Eigentümer- und
Gläubigerrechten keinen Einfluss auf das idealkonforme Handeln der Investmentobjekte nehmen. Selbst
wenn die Anleger nicht investiert hätten, wäre es zu diesen idealkonformen Handlungen (auf Ebene der
Unternehmen und Staaten) gekommen.
 Deshalb liegt keine aktive, sondern nur eine „passive (investmentbezogene) Idealförderung“ vor.
 Und insofern besteht überhaupt kein ideell orientiertes Wirkungspotential, d.h. die faktische Wirkung ist
nicht vorhanden.
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Beispiel 2: Nutzenziehung aus Eigentümer- oder Gläubigerrechten
(Sekundärmarkt-Investments)
 Fazit: Aus ideeller Sicht in Finanzkontrakte zu investieren, heißt also auch, als Investor passiver
„Nutznießer“ von Zahlungsflüssen aus Eigentümer- oder Gläubigerrechten zu werden, die durch
idealkonformes unternehmerisches oder staatliches Handeln erwirtschaftet worden sein können.
 Ein Investor kann die ethische Integrität seiner Person mit solchen Investments wahren.
- 29 -
Zusammenfassung ideelle Dimension von Investments
Sachverhalt, der die
ideelle
Beurteilungsfähigkeit
von Investments
ermöglicht
Objekt der
ideellen
Beurteilung
Kriterium der ideellen
Beurteilung
1.
Kapitalüberlassung an
Kapitalverwender und
ihre mögliche
handlungsbeeinflussend
e Wirkung (u.a. auf
unternehmerisches oder
staatliches Handeln)
Handeln der
Kapitalverwender
(z.B.
unternehmerisches
oder staatliches
Handeln)
2.
Finanzielle
Nutzenziehung aus
Eigentümer- und
Gläubigerrechten von
Finanzkontrakten
Handeln der
Investmentobjekte
(z.B.
unternehmerisches
oder staatliches
Handeln)
Ideell relevantes
Wirkungspotential
durch das Investment
Investmentart
Moralische Idealität der Aktive Idealförderung
Handlung (z.B. in Bezug
auf Aspekte des umweltund sozialverträglichen
unternehmerischen oder
staatlichen Handelns)
Hoch (faktischer
Wirkungsgrad kann aber
niedrig sein)
(a) Verbriefte
Finanzkontrakte
(u.a. Aktien und
Anleihen) über den
Primärmarkt sowie
(b) unverbriefte
Finanzkontrakte
(Beteiligungen und
Kredite)
Moralische Idealität der
Handlung
Keines
(a) Verbriefte und
(b) unverbriefte
Finanzkontrakte
über den Sekundärund Primärmarkt
- 30 -
Aktive oder passive
Idealförderung durch
Investments
Passive Idealförderung
Fazit zur finanziellen und ethischen Dimension von Investments
- 31 -
Agenda
I.
Einleitung: moralphilosophische Grundlagen
II.
Investmentethische Grundsatzfragen
1. Investments, moralische Normen und Ideale
2. Nachhaltige Investments
- 32 -
Nachhaltige Investments: 1. Bedingung
• Erstens sind nachhaltige Investments Investments, d.h. sie haben auch den Zweck, eine
positive Rendite, einen Gewinn, zu erwirtschaften.
• Nachhaltige Investments sind keine Spende und kein Gegenstand der Liebhaberei.
• Nachhaltige Investments sind auch in Begriffen von Rendite, Risiko und Liquidität
beschreibbar. Ihnen lässt sich eine finanzielle Dimension zusprechen. Das haben sie mit
konventionellen Investments gemeinsam.
• Insofern folgen sie auch einer (moralisch zu legitimierenden) ökonomischen
Rationalitätslogik.
- 33 -
Nachhaltige Investments: 2. Bedingung
• Zweitens: Aus moralischer Sicht betrachtet, müssen alle Investments moralkonform sein.
Das gilt natürlich auch für nachhaltige Investments. Auch sie müssen moralkonform und
dürfen nicht moralwidrig sein. Das ist ein verpflichtendes Gebot der moralischen
Rationalität.
• Auch nachhaltigen Investments lässt sich daher, wie allen Investments, eine moralische
Dimension zusprechen.
- 34 -
Nachhaltige Investments: 3. Bedingung
• Drittens: Was nachhaltige Investments von konventionellen Investments kategorial
unterscheidet, ist, dass sie bei gegebener Moralkonformität idealkonform sind.
• Nachhaltigen Investments lässt sich immer eine ideelle Dimension zusprechen. Die
Idealkonformität von nachhaltigen Investments kann diesbezüglich entweder durch eine
aktive oder passive „Idealförderung“ zustande kommen.
- 35 -
Nachhaltige und konventionelle Investments: Definitionen
• Wir können nachhaltige Investments also formal definieren als Investments in Rechte
(d.h. Finanzkontrakte) oder Güter (d.h. Sachwertinvestments), die sich erstens in
finanziellen Begriffen von Rendite, Risiko und Liquidität beschreiben lassen, die zweitens
gemäß dem Primat der Ethik moralkonform sein müssen und die drittens idealkonform
sind, d.h. die die (stets nur annäherungsweise mögliche) Verwirklichung von moralischen
Idealen auf Ebene der Investmentobjekte aktiv oder passiv fördern.
• Konventionelle Investments lassen sich nunmehr präzise definieren als - in Bezug auf
moralische Ideale – zumeist idealfreie Investments in Rechte oder Güter, die sich erstens
in finanziellen Begriffen von Rendite, Risiko und Liquidität beschreiben lassen und die
zweitens gemäß dem Primat der Ethik moralkonform sein sollten, jedoch faktisch auch
moralwidrig sein können.
- 36 -
Anmerkungen
• Unsere Definition ist unabhängig von der Motivation der Investoren und der Investmentobjekte.
• Ein Investment kann in unserem Verständnis ein nachhaltiges Investment selbst dann sein, wenn
der Investor ausschließlich aus finanziellen Gründen darin investiert und überhaupt keine ideellen
Interessen mit ihm verfolgt. Ebenso kann ein Investment ein nachhaltiges Investment sein, wenn
beispielsweise das investierte Unternehmen zwar ideell handelt, aber nicht selbstlos, sondern aus
Eigennutz, etwa um sein Image aufzuhellen.
• Weiterhin ist unsere Definition unabhängig von der faktischen Wirkung, die durch das jeweilige
nachhaltige Investment auf das ideelle Handeln der korrespondierenden Investmentobjekte
erzielt wird.
• Es ist nicht praktikabel, bei der Definition nachhaltiger Investments auf ihre faktische kausale
Wirkung zu beharren; denn der Kausalzusammenhang, um den es hier geht, ist kein
deterministischer, sondern nur ein interventionistischer.
• Ein weiteres Kennzeichen unserer Definition ist, dass sie prinzipiell alle Investmentarten
(Anlageklassen) miteinbezieht. Nachhaltige Investments können sich daher in allen
Investmentarten befinden.
- 37 -
Anmerkungen
• Bei nachhaltigen Investments können die ideellen Kriterien in die Analyse von
Investmentobjekten prinzipiell auf zweifache Weise eingebunden sein:
• „Starke ideelle Integration“:
• Die ideellen Ansprüche können moralisch wünschenswerte Mindestanforderungen an
Investments darstellen. Die Investoren investieren dann nur in bestimmte Investmentobjekte,
wenn sie den definierten ideellen Mindestanforderungen entsprechen.
• Sie führt in der Regel dazu, dass ideelle Investmentziele prioritär zu finanziellen Zielen sind.
Die Investoren sind also bereit, um der Idealkonformität ihrer Investments willen
Renditeeinbußen hinzunehmen, die sie aus moralischer Sicht nicht hinnehmen müssten,
weil es keine moralische Pflicht gibt, idealkonform zu investieren.
• „Schwache ideelle Integration“:
• Zum anderen können die ideellen Anspruchskriterien auch so eingesetzt werden, dass bei
ihrer Erfüllung das analysierte Investmentobjekt bloß besser bewertet wird als bei ihrer
Nichterfüllung. Die Nichterfüllung des ideellen Kriteriums führt jedoch nicht
notwendigerweise zu einer Nichtinvestitionsentscheidung.
• Bei ihr können moralisch legitimierte (!) finanzielle Investmentziele prioritär zu ideellen Zielen
bleiben. Investoren würden dann die Integration von ideellen Kriterien in die
Investitionsentscheidung nur akzeptieren, wenn dadurch keine Renditeeinbußen erwartet
werden.
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Zusammenfassung
„Wer investiert, betritt nicht
nur den Raum der Finanzen,
sondern zwingend auch den
Raum der Moral sowie
optional den Raum der
Ideale.“
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Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
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