“Lärmschwerhörigkeit” - Aspekte aus arbeitsmedizinisch

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“Lärmschwerhörigkeit”
- Aspekte aus arbeitsmedizinisch-gewerbeärztlicher Sicht
W. W. Jürgens
In seiner im Jahre 1700 in erster Auflage erschienen systematischen Abhandlung “Die
Krankheiten der Handwerker” [18] schreibt Bernado Ramazzini über die Kupferschmiede: sie
hätten sich in einem bestimmten Viertel Venedigs zusammengeschart und da sie den ganzen Tag das Kupfer hämmerten, sei ein ohrenbetäubender Lärm entstanden. Und wörtlich
schreibt Ramazzini: “Durch diesen dauernden Lärm werden natürlich vor allem die Ohren
und der ganze Kopf geschädigt, so dass diese Handwerker bei einer solchen Beschäftigung
schwerhörig und im Alter völlig taub werden. Durch das unaufhörliche Geklopfe verliert das
Trommelfell offenbar seinen normalen Tonus. Dann prallt der Schall im Ohr lateral ab, erschüttert das ganze Gehörorgan und richtet es zugrunde.”
Wenngleich unsere heutigen Kenntnisse über das pathologisch-anatomische Substrat der
durch Lärm verursachten Innenohrerkrankung ganz andere sind, so bleibt es das Verdienst
Ramazzinis, die Kausalität von Lärm und Hörverlust erkannt und auf diese Weise anschaulich beschrieben zu haben.
Über die Geschichte der Erforschung der Innenohrerkrankung durch Lärm schreibt Dieroff
[5]: “Unsere ersten wissenschaftlichen Kenntnisse über die Lärmschwerhörigkeit gehen auf
einen der Begründer der Ohrenheilkunde, den Engländer Toynbee zurück, der im Jahr 1860
die Lärmschwerhörigkeit in ihrem Wesen richtig erkannt hat. Etwa 30 Jahre später beschrieb
der deutsche Otologe Habermann bereits sehr ausführlich das histologische Bild der fortgeschrittenen Lärmschädigung bei Kesselschmieden als Resultat einer langen beruflichen
Lärmarbeit”.
Durch Lärm verursachte Innenohrschwerhörigkeit
Nr.
Berufskrankheit
Betriebe und Tätigkeiten
Betriebe der Metallbearbeitung und -verarbeitung
18
durch Lärm verursachte Taubheit
oder an Taubheit grenzende
Schwerhörigkeit
2. BKVO
1929
1936
3. BKVO
22
s. 2. BKVO
s. 2. BKVO
1943
4. BKVO
22
s. 2. BKVO
s. 2. BKVO
DV zu SMAD-Befehl
v. 27.12.1947
s. 2. BKVO (Otitis interna)
1947
30
Unternehmen der Metallbe- und -verarbeitung, Webereien
s. 2. BKVO
Metallbearbeitung u. -verarbeitung, Textilindustrie,
Arbeit an Prüfständen, Herstellung, Bearbeitung u.
Verarbeitung v. Glas, Eisenhütten, Metallschmelzereien
durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit
alle Betriebe, Tätigkeiten
33
Lärmschwerhörigkeit und Lärmtaubheit
alle Unternehmen
26
Lärmschwerhörigkeit und Lärmtaubheit
- ohne Nennung -
26
durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung
siehe DDR-VO
33
2301
Lärmschwerhörigkeit
s. 7. BKVO
Lärm, der Schwerhörigkeit mit
sozialer Bedeutung verursacht
- ohne Nennung -
50
5. BKVO
1952
35
DDR-VO
1957
6. BKVO
1961
7. BKVO
1968
2. DB zur DDR-VO
1968
1976
BeKV
DDR-VO
1981
Tabelle 1: Änderung von Inhalten der Berufskrankheit “Lärmschwerhörigkeit” und der vom Versicherungsschutz
eingeschlossenen Bereiche in Deutschland sowie in Westdeutschland (blau) und Ostdeutschland
(rot)
1929 wurde in Deutschland eine “durch Lärm verursachte Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit” unter der Ziffer 18 in die zur 2. Berufskrankheitenverordnung gehörende Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. Der Versicherungsschutz war auf Beschäftigte der Metallbe- und verarbeitung beschränkt. Nach dem 2. Weltkrieg wurde dem wachsenden epidemiologischen Kenntnisstand folgend der Versicherungsschutz mehr und mehr
auf andere Beschäftigtengruppen ausgedehnt. In West- und Ostdeutschland erfolgte dies
unterschiedlich.
Der zunehmende Kenntnisgewinn über die Erkrankung ließ den Begriff “Lärmtaubheit” entfallen. Tab. 1 fasst den Wandel der Bezeichnung der Berufskrankheit und den Bereich des
Versicherungsschutzes bis in das Jahr 1976 zusammen.
Eine grundsätzliche Änderung der Anerkennungspraxis von lärmverursachten Innenohrerkrankungen erfolgte 1992. Wurde bis dahin - übrigens in West- und Ostdeutschland gleichermaßen geregelt - eine “Lärmschwerhörigkeit” erst dann als Berufskrankheit anerkannt,
wenn aus ihr eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (in der DDR: Körperschaden) von mindestens 20 % resultierte, also im rentenberechtigenden Maß liegend, wurde nunmehr [19] durch
eine Erweiterung des Krankheitsbegriffs in der gesetzlichen Unfallversicherung und die Einführung der Begriffe “Versicherungsfall” und “Leistungsfall” die Anerkennung als Berufskrank-heit auch dann möglich, wenn die Erkrankung “einen Krankheitswert oder eine meßbare Min-derung der Erwerbsfähigkeit nicht oder noch nicht zur Folge hat” [6]. Neben der
“Lärm-schwerhörigkeit” (BK-Nr. 2301) fielen unter diese Regelung auch bestimmte Formen
von Infek-tionskrankheiten (BK-Nr. 3101), die Silikose (BK-Nr. 4101) und die Asbestose (BKNr. 4103).
Für die Praxis bedeutete dies auch, die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden “Hinweise für die
Erstattung einer ärztlichen Anzeige bei Lärmschwerhörigkeit” einer an diese neue Situation
angepassten Betrachtung zu unterziehen.
War nach diesen “Hinweisen ... “ [10] eine BK-Anzeige zu erstatten, wenn die Hörfunktionsstörung dem Bild einer Innenohrschwerhörigkeit entsprach und im versicherungsrechtlichen Sinn erheblich war, d. h. im Tonaudiogramm ein Hörverlust von mehr als 40 dB
bei 2 KHz auf dem besser hörenden Ohr bestand (bzw. mehr als 40 dB bei 3 KHz im Falle
einer bereits aus anderem Grund festgestellten MdE von 10 oder 15 %), war unsererseits [1]
vor-geschlagen worden, nunmehr in jedem Fall die Anzeigepflicht dann eintreten zu lassen,
wenn ein Hörverlust von mehr als 40 dB bei 3 KHz auf dem besser hörenden Ohr entstanden
ist. Wir wollten damit vordergründig die bei den nach § 202 SGB VII [21] zur Anzeige bei begründetem Verdacht auf das Vorliegen einer Berufskrankheit verpflichteten Ärzten aufgetretene und geförderte [8] Unsicherheiten, insbesondere ob denn nunmehr jedwede auch noch
so gering ausgeprägte Hörfunktionsstörung anzeigepflichtig wäre, überwinden helfen.
Aus rechtlichen Erwägungen sollte nach unserem Vorschlag aber auch dann, wenn kein Gehörschaden vorliegt, aber der Versicherte dies wünschte, eine BK-Anzeige erfolgen. Wir
wollten damit auch die Zahl der aus unserer Sicht wenig sinnvollen Begutachtungen einschränken helfen. So waren wir der Auffassung, dass es nicht angebracht ist, die Begutachtung eines 70-Jährigen nicht mehr im Erwerbsleben Stehenden vorzunehmen, wenn - aus
dem tonaudiometrischen Befund erwartbar - im Ergebnis des BK-Feststellungs-verfahrens
die Anerkennung des Befundes einer lärmkausalen Innenohrschwerhörigkeit ohne messbare
MdE resultieren würde.
Ohne an dieser Stelle auf die hierbei auch öffentlich geführte Diskussion einzugehen [2,9], ist
festzustellen, dass nunmehr in den Handkommentar zur Berufskrankheitenverordnung [14]
hierzu aufgenommen worden ist: “Da eine MdE von <10 v. H. als nicht messbar gilt, (...) mag
ein Hörverlust von mehr als 40 dB bei 3000 Hz (= MdE von 10 v. H.) als Anhalt” für das
Erstellen einer BK-Anzeige dienen.
Der Feststellung, ob im in Frage stehenden Einzelfall eine “Lärmschwerhörigkeit” i. S. der
BK-Nr. 2301 vorliegt - sie obliegt dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung - geht ein
Berufskrankheitenfeststellungsverfahren voraus, in dem im Bejahungsfall der Nachweis des
ursächlichen Zusammenhanges von beruflicher Lärmeinwirkung und der Innenohrerkrankung zu erbringen ist. Dabei sind drei Tatsachen, “versicherte Tätigkeit”, “Einwirkung” also
die Lärmexposition und ”Krankheit” also die Innenohrerkrankung als Vollbeweise (= ”mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit”) zu erbringen. Die ersten beiden und deren Verknüpfung zur haftungsbegründenden Kausalität obliegt dem Unfallversicherungsträger, die
Diagnostik der Innenohrerkrankung und die Verknüpfung mit der beruflichen Lärmexposition
zur haftungsausfüllenden Kausalität obliegt dem ärztlichen Gutachter (s. Abb. 1). Der Vollständigkeit halber sei daran erinnert, dass diese Kausalitäten dann als wahrscheinlich gelten,
wenn mehr für als gegen den jeweiligen Zusammenhang spricht.
Abbildung 1:
Versicherte Tätigkeit, Einwirkung und Gesundheitsschaden in der Verknüpfung zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität [in: 11]
Ohne auf Einzelheiten eingehen zu können sei im Hinblick auf die Diagnose “Lärmschwerhörigkeit” betont, dass es kein für eine Lärmeinwirkung typisches Krankheitsbild gibt.
So wie eine Lärmeinwirkung ausreichender Intensität und Dauer zunächst die mit motorischer Kompetenz ausgestatteten, d. h. zu Kontraktionen fähigen und auf diese Weise als
aktiver und frequenzdifferenzierender Verstärker wirkenden äußeren im basokochleären Bereich gelegenen Haarzellen schädigt, sich dieser Schädigungsbereich bei anhaltender Exposition allmählich verbreitert und zudem die inneren Haarzellen und weitere Strukturen der
Kochlea erfasst, können andere schädigende Einflüsse und Prozesse (toxische, infektiöse,
autoimmune, traumatische u. a.) vergleichbare Krankheitsbilder hervorrufen. Auch der sogenannten Altersschwerhörigkeit oder besser: dem altersbegleitenden Hörverlust liegt ein vergleichbares morphologisches Bild zugrunde.
Die Diagnostik einer in Frage stehenden “Lärmschwerhörigkeit” obliegt dem erfahrenen
HNO-fachärztlichen Gutachter. Die “Empfehlungen des Hauptverbandes der gewerblichen
Berufsgenossenschaften für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit - Königsteiner Merkblatt” [7] geben grundsätzliche methodische Hinweise und bilden, wie in der
der vierten Auflage vorangestellten Kurzfassung ausgeführt, “seit über 20 Jahren eine
Grund-lage für eine gleiche, gerechte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE)
...”.
Diese Hinweise haben immer wieder zum Meinungsstreit herausgefordert [s. a. 3, 17]; in
jüngster Zeit hat sich Niemeyer [15] ausführlich geäußert.
Ein wesentlicher Kritikpunkt wird darin gesehen, dass die der MdE-Schätzung entsprechend
der methodischen Hinweise im Königsteiner Merkblatt zugrunde liegende sprachaudiometrische Untersuchung die realen Verhältnisse an den Arbeitsplätzen nicht widerspie-
gelt, da die dort vorhandenen die Sprachkommunikation des Lärmschwerhörigen zusätzlich
einschränkenden Umgebungsgeräusche unberücksichtigt bleiben.
Wie diese das Sprachfeld und damit die Sprachverständlichkeit zusätzlich negativ beeinflussen und wie sich auf diese Weise die vom Lärmschwerhörigen typischer Weise geäußerte
Beschwerde “ich höre zwar, aber verstehe nicht” erklärt, lässt Abb. 2 deutlich werden.
Abbildung 2:
Reduzierung des Sprach-Hörfeldes (innerhalb der grünen Begrenzungslinien) durch Hörverlust
(schwarz) und ein Umgebungsgeräusch (blau) des Versicherten Erwin H., bei dem aus den
sprachaudiometrischen Befunden ein beidseitiger Hörverlust von jeweils 40 % ableitbar war. Das
verbleibende Hörfeld ist rot gekennzeichnet.
Der Nachweis der lärmkausalen Genese einer Innenohrschwerhörigkeit erfordert schließlich
eine Exposition und Hörverlust vergleichend einschließende Plausibilitätsprüfung.
Die zur Exposition gegebene Mitteilung des UV-Trägers erschöpft sich in nicht wenigen Fällen darin, der Versicherte habe X Jahre unter Lärmexposition - Beurteilungspegel > 85 dB
(A) - gearbeitet. Sie ist für eine Plausibilitätsprüfung wenig geeignet. Gleichwohl ist in einer
Reihe von Fällen lange zurückliegender Exposition und fehlenden Möglichkeiten zu Analogie-schlussbetrachtungen keine weitergehende Aussage zu geben.
Hinweise für eine im Rahmen des Nachweises der haftungsausfüllenden Kausalität vorzunehmenden Plausibilitätsprüfung liefert die VDI-Richtlinie 2058 Bl. 2. Sie nennt für die kritische Intensität den auch international anerkannten Grenzwert für das Entstehen eines Gehörschadens (= Haarzellschaden mit einer Hörminderung von mehr als 40 dB bei der Prüffrequenz von 3000 Hz) von 85 dB.
Weiter ist aufgeführt, dass ohrgesunde Personen keinen Gehörschaden ausbilden, “wenn
die Dauer der Lärmbelastung bei einem Beurteilungspegel von 90 dB 6 Jahre, von 87 dB 10
Jahre und von 85 dB 15 Jahre nicht überschreitet” [22].
In die VDI 2058 Bl. 2 wurde auch das empirische Hörverlustmodell bei Lärmbelastung nach
ISO 1999 aufgenommen. Auch an dieser Stelle sei betont, dass dieses Modell nicht für einzelne Personen, sondern für einheitlich exponierte Populationen Aussagen über erwartbare
Hörverluste in Abhängigkeit von Intensität und Dauer einer Lärmexposition erlaubt. Im Rahmen der Zusammenhangsbegutachtung im Fall einer in Frage stehenden Lärmschwerhörigkeit ist es zudem auch deshalb nicht anwendbar, da durch das Modell nicht die gesamte Population erfasst ist, sondern nur die Fraktilen 0,05 bis 0,95; der Anteil der Lärmexponierten,
die eine kommunikationsbehindernde Schwerhörigkeit erleiden, beträgt jedoch höchsten 2 %
[16].
Verschiedentlich findet das vor einem Vierteljahrhundert von v. Lübke [13 ] inaugurierte
Risikomaß-R Anwendung. Es erlaubt bei Kenntnis der Zahl der Jahre einer Lärmexposition
und einen für diese errechneten expositonsäquivalenten Dauerschallpegel eine individuelle
Aussage über den Grad der Wahrscheinlichkeit - in sechs Stufen von “nicht gegeben” bis
“sehr wahrscheinlich” - des Entstehens einer Lärmschwerhörigkeit in rentenberechtigendem
Maß.
Sowohl die in VDI 2058 genannte kritische Intensität als auch die drei genannten auf dem
Energieäquivalenzprinzip beruhenden Verknüpfungen von Expositionsintensität und Dauer
erlauben Aussagen, in welchen Fällen ein haarzelllokalisierter Gehörschaden wohl nicht
lärmkausaler Genese ist. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass alle darüber liegenden Expositionen grundsätzlich geeignet sind, einen solchen zu verursachen; entscheidend für dessen Ausprägung ist neben der Lärmdosis die in der individuellen Disposition begründete unterschiedliche Vulnerabilität der Innenohren.
Wirft man einen Blick auf das Berufskrankheitengeschehen, so zeigt sich für den Zeitraum
1975 bis 1990 ein signifikanter Rückgang der Zahl anerkannter Lärmschwerhörigkeitsfälle
mit rentenberechtigender MdE (Abb. 3). Nach 1990 steigt diese Zahl zunächst bis in das
Jahr 1996 an, um dann wieder abzusinken.
Ostdeutschland
7000
Westdeutschland
Bundesrepublik Deutschland
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
Abbildung 3:
1975
1980
1985
1990 1991
1995
2000
Zahl der in den Jahren 1975 bis 1999 als Berufskrankheit anerkannten Lärmschwerhörigkeitsfälle
in rentenberechtigendem Ausmaß (nach Daten aus: 4,20)
Betrachtet man die insgesamt anerkannten Lärmschwerhörigkeitsfälle im Zeitraum 1991 bis
2000, hierzu stand das Datenmaterial des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften 1) zur Verfügung, so fällt ein Anstieg auf etwa das Doppelte in den Jahren
1991 bis 1995, danach ein leichter Rückgang auf (Abb. 4).
Fälle (n)
9000
8000
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Abbildung 4:
Zahl der 1991 bis 2000 von den gewerblichen Berufsgenossenschaften anerkannten Fälle einer
1
BK-Nr. 2301 (* )
Fälle (n)
Dies ist im wesentlichen zwei Faktoren geschuldet: erstens der bereits angesprochenen Änderung der Anerkennungspraxis, insbesondere der in diesem Zeitraum zunehmenden Zahl
von “Befundanerkennungen”, d. h. von Fällen, in denen eine messbare MdE nicht festgestellt wurde - MdE < 10 % - (Abb. 5).
9000
8000
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Abbildung 5:
Zahl der 1991 bis 2000 von den gewerblichen Berufsgenossenschaften anerkannten Fälle einer
BK-Nr. 2301, gegliedert nach der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE ($ 20 %: dun1
kelblau, 10 - 15 %: mittelblau, < 10 %: hellblau) (* )
Zweitens war es eine Folge der Vereinigung Deutschlands, die von einer Umstrukturierung
des gesamten gesellschaftlichen Systems einschließlich Betriebsgesundheitswesen und gesetz-licher Unfallversicherung begleitet war. Entsprechend führte dies in der frühen Nachwendezeit zu einer starken Verringerung von BK-Anzeigen und damit -Anerkennungen und
einem Mitte der 90er Jahre zu verzeichnenden ausgleichendem Anstieg (Abb. 6).
alte Bundesländer
Fälle (n)
8000
6000
4000
2000
0
1991
1993
1995
1997
1999
1997
1999
Fälle (n)
neue Bundesländer
1400
1200
1000
800
600
400
200
0
1991
Abbildung 6:
1993
1995
Zahl der 1991 bis 2000 von den gewerblichen Berufsgenossenschaften anerkannten Fälle einer
BK-Nr. 2301, getrennt für alte und neue Bundesländer und gegliedert nach der Höhe der Minde1
rung der Erwerbsfähigkeit - MdE ($ 20 %: dunkelblau, 10 - 15 %: mittelblau, < 10 %: hellblau) (* )
Der Rückgang der Zahl als Berufskrankheit anerkannter Lärmschwerhörigkeitsfälle in den
80er Jahren darf wohl als Resultat von Lärmminderungsmaßnahmen und arbeitsmedizinischer Gehörvorsorge interpretiert werden. Die Zahlen anerkannter Berufskrankheiten mit
einer MdE $ 10 % aus dem letzten Jahrzehnt weisen darauf hin, dass sich diese Tendenz
fortgesetzt hat.
*1)
Der Autor dankt dem Leiter des Zentralen Informationssystems der gesetzlichen Unfallversicherung
des HVBG, Herrn Dr. M. Butz, für die Bereitstellung der Daten (aktueller Bestand: 05.03.2002).
Literatur
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/ Z. Laryngo-Rhino-Otol. 78 (1999) 410-411 / HNO Informationen 1/99 32-33
2.
Baldus, S., Jürgens, W. W., Niemeyer, W., Plath, P.: Stellungnahme zum Diskussionsbeitrag von H. Feldmann. Empfehlungen für die Erstattung einer Ärztlichen Anzeige bei Verdacht auf berufliche Lärmschwerhörigkeit. Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed 35 (2000) 76
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Blome, O., Brusis, T., Feldmann, H.: Anmerkungen zu der Arbeit von P. Plath: Anmerkungen zur Neuauflage
des Königsteiner Merkblattes. Einschließlich eines Schlusswortes des Autors (P. Plath) HNO 45 (1997) 356359
4.
Bräunlich, A., Enderlein, G., Heuchert, G., Lorenz, A., Stark, H., Wulke, P.: Berufskrankheiten im Gebiet der
neuen Bundesländer (1945 bis 1990). Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven 1994
5.
Dieroff, H.-G.: Lärmschwerhörigkeit 3. völlig überarb. und erw. Aufl. G. Fischer, Jena, Stuttgart 1994
6.
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Deutschland. Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Sankt Augustin 1998
7.
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beruflichen Lärmschwerhörigkeit - Königsteiner Merkblatt. 4. überarbeitete Auflage, Hauptverband der gewerblichen Berufsge-nossenschaften, 1996
8.
Feldmann, H.: Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohren-Arztes. 4. Aufl. G. Thieme, Stuttgart 1997
9.
Feldmann, H.: Diskussionsbeitrag zu den Empfehlungen für die Erstattung einer ärztlichen Anzeige bei Verdacht auf berufliche Lärmschwerhörigkeit. Arbeitsmed.Sozialmed.Umweltmed. 34 (1999) 376-377
10.
Hinweise für die Erstattung einer ärztlichen Anzeige bei Lärmschwerhörigkeit. In: Berufsgenossenschaftliche
Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorge-untersuchungen. Gentner, Stuttgart 1994, 312-313
11.
Jürgens, W. W.: Der Gutachtenauftrag an den medizinischen Sachverständigen aus der Sicht des Gewerbearztes. In: Berufskrankheiten `97 - Medizinisch-juristische Grundfragen. E. Schmidt, Berlin 1998, S 67-71
12.
Lehnhardt, E.: Praxis der Audiometrie / Ernst Lehnhardt. Unter Mitarb. von Thomas Jansen und Jürgen
Kiessling. 7. überarb. und erw. Aufl. Thieme, Stuttgart; New York 1996
13.
Lübke, H. v.: Ein Langzeit-Dosismaß für die Bewertung des Gehörschädigungsrisikos. Berufsgenossenschaft 1975, 445-448
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Mehrtens, G., Perlebach, E.: Die Berufskrankheitenverordnung (BKV). 38. Lieferung E. Schmidt, Berlin 2001
15.
Niemeyer, W.: Kritisches zur Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit. In: Ganz, H., H. Iro: HNO Praxis heute
20 (2000) 1-47
16.
Pfeiffer, B. H., Martin, R., Niemeyer, W.: Neufassung der ISO 1999 (1984). Zur Anwendung im System der
Prävention und Begutachtung der Lärmschwerhörigkeit in der Bundesrepublick Deutschland. Z. Lärmbekämpfung 32 (1985) 31-43
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Plath, P.: Anmerkungen zur Neuauflage des Königsteiner Merkblattes. HNO 44 (1996), 431-439
18.
Ramazzini, B.: “De morbis artificum diatriba” aus dem Lateinischen übersetzt von P. Goldmann. Königshausen & Neumann, Würzburg 1998
19.
Rundschreiben VB 38/92. Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Sankt Augustin,
9.4.1992, 4 S und Anlage 1
20.
Unfallverhütungsbericht Arbeit. Hrsg.: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung. Koeberlin-Fortuna,
Baden-Baden 1991 bis 2000 (jährlich)
21.
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - vom 07. August 1996 BGBl. I S 1254
22.
VDI 2058 Bl. 2: Beurteilung von Lärm hinsichtlich Gehörgefährdung. Juni 1988
Anschrift des Verfassers:
Doz.Dr.sc.med. Wilhelm-W. Jürgens
Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Horstweg 57, 14478 Potsdam
Telefon: (0331) 8683-160
Telefax: (0331) 864335
e-mail: [email protected]
internet: http://www.brandenburg.de/liaa
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