BLK-Verbundprojekt „Lernen für den Ganztag“ Arbeitsmodul Bildung: „Das Bildungsverständnis des in Ganztagsschulen tätigen Personals in NRW“ Bildungsdefinitionen Henning Kössler (*1926 in Braunschweig, Wissenschaftler, Inhaber des Lehrstuhls Philosophie an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät Erlangen-Nürnberg). „Bildung ist der Erwerb eines Systems moralisch erwünschter Einstellungen durch die Vermittlung und Aneignung von Wissen derart, dass Menschen im Bezugssystem ihrer geschichtlichgesellschaftlichen Welt wählend, wertend und stellungnehmend ihren Standort definieren, Persönlichkeitsprofil bekommen und Lebens- und Handlungsorientierung gewinnen. Man kann stattdessen auch sagen, Bildung bewirke Identität.“ Aus: Henning Kössler (1989): Bildung und Identität. In: H. Kössler (Hrsg.): Identität: Fünf Vorträge, Erlanger Forschungen, Reihe B; Bd. 20, Erlangen, S. 51-65. Wilhelm von Humboldt (*1767 in Potsdam; † 1835 in Tegel, deutscher Gelehrter, Staatsmann und Mitbegründer der Universität Berlin). Nach Humboldt ist Bildung die Anregung aller Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität und Persönlichkeit führen. Bildung wird dabei als ein aktiver Prozess gedacht, in dem das sich bildende Individuum Subjekt und nicht Objekt des Geschehens ist. Bildung in diesem Sinne meint die Entwicklung der Person in einem umfassenden Sinne. Alle Kräfte des Menschen sollen, in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander gebildet werden. Die Bestimmung des Menschen sei „die höchste und proportionierliche Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen“. Bildung als selbst bestimmter und aktiver Prozess der Entwicklung der Person ist auf die Freiheit der Person sowie auf Verhältnisse angewiesen, die Anregungen ermöglichen und von der größten Armut und Not befreit sind. Aus: Humboldt, W. (1792/1960): Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen. In: Humboldt, W. von: Schriften zur Anthropologie und Geschichte/Werke. Flitner,A./Giel, K. (Hrsg.). Darmstadt, S. 56-233. Hans Thiersch (*1935 Professor für Erziehungswissenschaft und Sozialpädagogik an der Universität Tübingen, Ehrendoktor der Technischen Universität Dresden und der Universität Lüneburg.) Bildung der Person in Auseinandersetzung mit der Welt „meint kritische Selbsttätigkeit, ist also orientiert am Bild eines guten, gelingenden Lebens, an Maximen, in denen das Individuelle seine Orientierung findet“ Aus: Thiersch, H. (2004): Bildung und Soziale Arbeit. In: Otto, H.-U./Rauschenbach, Th. (Hrsg.): Die andere Seite der Bildung. Zum Verhältnis von formellen und informellen Lernprozessen. Wiesbaden, S. 240. Wolfgang Klafki (* 1. September 1927, einer der bekanntesten deutschen Erziehungswissenschaftler der Gegenwart.) Zum Anspruch von Bildung gehört auch: „die einzelnen Subjekte zu befähigen, sich Zumutungen und Ansprüchen der Gesellschaft, die der individuellen Entfaltung entgegenstehen, zu widersetzen. Kritikfähigkeit und Rollendistanz stellen insoweit ein zentrales Element von Bildung dar.“ Aus: Klafki, W. (1991): Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. 2. erw. Aufl. Weinheim, Basel. 1 BLK-Verbundprojekt „Lernen für den Ganztag“ Arbeitsmodul Bildung: „Das Bildungsverständnis des in Ganztagsschulen tätigen Personals in NRW“ Immanuel Kant (*1724 in Königsberg; † 1804 bedeutsamer Philosoph der Neuzeit.) „Die Pädagogik oder Erziehungslehre ist entweder physisch oder praktisch. [...] Die praktische oder moralische ist diejenige, durch die der Mensch soll gebildet werden, damit er wie ein frei handelndes Wesen leben könne. [...] Sie ist Erziehung zur Persönlichkeit, Erziehung eines frei handelnden Wesens, das sich selbst erhalten, und in der Gesellschaft ein Glied ausmachen, für sich selbst aber einen innern Wert haben kann.“ Aus: Immanuel Kant: Über Pädagogik Aus: Reble, Albert: Geschichte der Pädagogik. Dokumentationsband II., 1971 Stuttgart. Johann Heinrich Pestalozzi (*1746 in Zürich; 1827 in Brugg, Schweizer Pädagoge, Philanthrop, Schul- und Sozialreformer, Philosoph, Politiker). äußert sich zum Problem der Konkurrenz von Bildung und Ausbildung: „Allgemeine Emporbildung der inneren Kräfte der Menschennatur zu reiner Menschenweisheit ist allgemeiner Zweck der Bildung auch der niedrigsten Menschen. Übung, Anwendung und Gebrauch seiner Kraft und Weisheit in den besonderen Lagen und Umständen der Menschheit ist Berufs- und Standesbildung. Diese muss immer dem allgemeinen Zweck der Menschenbildung untergeordnet sein. Wer nicht Mensch ist, dem fehlt die Grundlage zur Bildung seiner näheren Bestimmung.“ „Die Schule, die bloß unverwertbares Vielwissen erzeugt, die leere Worthülsen statt Realkenntnisse vermittelt, die jede Einzelerscheinung in starre Systeme preßt und sie dadurch aus ihrem natürlichen Zusammenhang herausreißt, diese Schule führt den Menschen weg vom Weg der Natur und verkünstelt ihn. Was dem Menschen zum Wohle gereicht, ist eine natürliche Entwicklung seiner Möglichkeiten, er vervollkommnet sich in der Erhaltung und Entfaltung seiner Lebenssubstanz und nicht durch schulisches Lernen.“ Aus: Pestalozzi, Johann Heinrich: Die Abendstunde eines Einsiedlers., Brief an einen Freund über seinen Aufenthalt in Stanz. Heft 1 der Reihe : Pädagogische Quellentexte. G. Stalling, Oldenburg. Johann Gottfried von Herder (*1744 in Mohrungen, Ostpreußen; † 1803 in Weimar, deutscher Dichter, Übersetzer, Theologe und Geschichts- und Kultur-Philosoph der Weimarer Klassik.) „Von dem, was wir als Menschen wissen und als Jünglinge gelernt haben, kommt unsere schönste Bildung und Brauchbarkeit für uns selbst her, noch ohne zu ängstliche Rücksicht, was der Staat aus uns machen wolle. Ist das Messer gewetzt, so kann man allerlei damit schneiden.“ Aus: K.A. Daniel Goeudevert (*1942 in Reims, französischer Automanager und Unternehmensberater). Bildung ist:„ein aktiver, komplexer und nie abgeschlossener Prozess, in dessen glücklichem Verlauf eine selbstständige und selbsttätige, problemlösungsfähige und lebenstüchtige Persönlichkeit entstehen kann“. Bildung kann daher nicht auf Wissen reduziert werden: Wissen ist nicht das Ziel der Bildung, aber sehr wohl ein Hilfsmittel. Darüber hinaus setzt Bildung Urteilsvermögen, Reflexion und kritische Distanz gegenüber dem Informationsangebot voraus. Dem gegenüber steht die Halbbildung, oder, wenn es um Anpassung im Gegensatz zur reflexiven Distanz geht, auch die Assimilation. Aus: Daniel Goeudevert: Der Horizont hat Flügel. Die Zukunft der Bildung, München 2001. 2 BLK-Verbundprojekt „Lernen für den Ganztag“ Arbeitsmodul Bildung: „Das Bildungsverständnis des in Ganztagsschulen tätigen Personals in NRW“ Zitate Bildung ist wunderbar. Doch sollte man sich von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass wirklich Wissenswertes nicht gelehrt werden kann. Oscar Wilde Bildung gleich Warten können. Theodor W. Adorno Die Vollendung der Bildung, die Gebildetheit des Gebildeten, besteht in Wahrheit darin, daß einer nicht fertig und angekommen ist, sondern offen bleibt für neue Erfahrung und Selbsterfahrung. Günther Buck Bildung ist ein durchaus relativer Begriff. Gebildet ist jeder, der das hat, was er für seinen Lebenskreis braucht. Friedrich Hebbel Bildung - Die Menschen stärken, die Sachen klären. Hartmut von Hentig Die Festschreibung einiger (notwendigerweise spezieller) Inhalte als »allgemeinbildend« verkehrt den Sinn von Allgemeinbildung. Denn eine inhaltlich kanonisierte »allgemeine Bildung«, die erstrebt wird, um gebildet zu sein und um vor anderen gebildet zu erscheinen, deformiert die Bildung zum Statussymbol, ist ungehemmte Begierde, ist mithin ein Nichts. Georg Wilhelm Friedrich Hegel Bildung ist nicht Wissen, sondern Interesse am Wissen. Hans Margolius Bilden kann man sich nur selbst. K. Steinmetz Es ist von grundlegender Bedeutung, jedes Jahr mehr zu lernen als im Jahr davor. Sir Peter Ustinov Es gibt auf Dauer nur eins, was teurer ist als Bildung: keine Bildung. John F. Kennedy Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat, was man gelernt hat. – Werner Heisenberg 3