Rücksicht nehmen - C. Gregor Landwehr

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Foto: photocase / Montage: Landwehr
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Sieben Jahre sind vergangen, seit die
Landesregierung von Baden-Württemberg ihre Werbekampagne gestartet hat. Dass die Menschen im Südwesten alles können, außer Hochdeutsch, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Dass die Kampagne erfolgreich ist, ebenfalls. Und
so machen auch andere Landesregierungen längst Werbung für ihr Land.
Die von Sachsen-Anhalt beispielsweise, wo man angeblich früher aufsteht
als anderswo. Und die von Niedersachsen, dem „Land mit Zukunft“.
Ziel der Aktionen: sich im Wettbewerb unter den Bundesländern zu behaupten. Konkurrenz gibt es allerdings
nicht allein auf Länderebene, sondern
auch zwischen Städten und Gemeinden. Deshalb wird in vielen Rathäusern professionell Marketing gemacht.
Klicken statt tippen: Den Link finden
Sie auch unter www.bwHEUTE.de
Bundesvereinigung City- und
Stadtmarketing Deutschland:
www.bcsd.de
„Marketing hat es bei uns schon immer gegeben“, sagt etwa Jan Pruust:
„Man hat es nur nicht so genannt.“
Pruust ist verantwortlich für das Stadtmarketing in Mannheim, wo im Jahr
2001 eigens eine GmbH gegründet
wurde: Zu 49 Prozent ist die Stadt daran beteiligt, zu 51 Prozent sind es 15
Privatgesellschafter und 13 Sponsoren. „Gelebte Public-Private-Partnership“ nennen die Mannheimer die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsleuten. Gemeinsam möchten sie den Ruf
der Stadt verbessern und sie über die
Region hinaus bekannt machen.
Zunächst wurde dafür ein neues
Logo entwickelt und eingeführt. Seitdem heißt es in Mannheim: „Leben im
Quadrat“ – ein Motto, das anfangs
nicht unumstritten war. Zum einen
war manchen das Logo „Mannheim
hoch zwei“ zu puristisch, zum anderen
schien es einigen zu teuer. 50 000 Euro
hatten die Verantwortlichen sich die
Entwicklung kosten lassen.
Zum Alltagsgeschäft der Marketingexperten in Mannheim gehören inzwischen die „klassischen Maßnahmen“, wie Pruust sagt. Soll heißen:
Anzeigen, Presse- und Öffentlichkeits-
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arbeit, Sponsoring und auch mal die
Organisation eines Veranstaltungsabends in der Landesvertretung in Berlin. Welcher Etat für all das zur Verfügung steht, darüber möchte Pruust
keine Angaben machen.
Ju n g, d ynamisch
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In Karlsruhe sind es in der Regel
500 000 Euro. Wegen des Stadtjubiläums stehen den Marketingexperten in
diesem Jahr aber 750 000 Euro zur
Verfügung. Wie auch die Mannheimer
bekamen die Karlsruher einen neuen
Slogan: „Viel vor. Viel dahinter“, lautet
der. Die dazu passenden Merchandising-Artikel, vom T-Shirt bis zum Badetuch, kann man im Internet bestellen. „Logo und Slogan wurde als ‚lila
Kuh‘ für Karlsruhe entwickelt“, sagt
Marketing-Geschäftsführer Wolfram
Kratzat. Das scheint zu wirken. Aus einer Befragung in der Region geht hervor, dass viele mit Karlsruhe Attribute
wie „jung“, „dynamisch“ und „innovativ“ verbinden. „Das war unser Marketingziel“, erklärt Kratzat.
Rücksicht nehmen
Geht es ums Stadtmarketing, wollen viele mitreden
•••••••••••••••••••••••••••••• INTERVIEW •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••
Der Marketing- und Kommunikationsfachwirt Frank Schaible aus
Ludwigsburg arbeitet für Auftraggeber aus Kommunen und für Unternehmer.
Christian
Gregor
Landwehr fragte ihn nach dem
Unterschied zwischen Stadt- und
Unternehmensmarketing.
bwWoche: Herr Schaible, in mehr
und mehr Kommunen leistet man
sich eine Marketingabteilung oder investiert in einzelne Maßnahmen. Was
kann das alles tatsächlich bewirken?
Frank Schaible: Auch Städte und Gemeinden befinden sich heute im Wettbewerb um neue Gewerbe und Unternehmen wie auch um Menschen. Familien wie auch Unternehmen gehen
dorthin, wo die Umgebungsbedingungen für sie passend sind. Ein gutes
Stadtmarketing wirkt auf Einwohner
wie auch auf Auswärtige. Es führt zu
einem positiven Image, das dem kulturellen Leben ebenso weiterhilft wie
dem Einzelhandel. Und ganz wichtig:
Es holt Arbeitsplätze in die Stadt.
Was unterscheidet Stadtmarketing
vom Marketing für Wirtschaftsunternehmen?
Eigentlich nicht viel, beides muss gut
und authentisch sein, um erfolgreich
zu arbeiten. Allerdings ist bei kommu-
nalen Auftraggebern viel mehr Politik
im Spiel. Das heißt konkret, dass auf
Befindlichkeiten Rücksicht genommen
werden muss.
Wovon hängt Ihrer Meinung nach
denn der Erfolg der einzelnen Maßnahmen ab?
Werbemaßnahmen müssen passen, es
darf keine Schubkasten-Lösungen
oder Bausteinmodelle geben. Die Einwohner der Stadt – Privatpersonen,
Unternehmer, Arbeitnehmer – müssen
sie verstehen und leben. Ansonsten
werden sie auch von Außenstehenden
schnell als aufgesetzt durchschaut.
Ist die Höhe des Budgets entscheidend dafür, wie erfolgreich ein Marketingkonzept ist?
Gute Ideen und Guerilla-MarketingMaßnahmen können ein reduziertes
Budget zu einem gewissen Teil kompensieren, aber eine finanzielle Basis
muss ebenso da sein wie der Wille, etwas bewegen zu wollen.
Wie wichtig es ist, sich von Anfang an über ein solches klar zu sein,
weiß auch Bernd Dallmann. Der Geschäftsführer der Freiburg Wirtschaft
Touristik und Messe (FWTM) schult
in seiner Funktion als Vorsitzender
des Arbeitskreises Wirtschaftsförderung im Städtetag Baden-Württemberg Mitarbeiter im Bereich Stadtmarketing. Dallmanns Grundregel:
„Bevor man nach außen geht, muss
man überlegen, was man anpreist.“
Eine Bestandsaufnahme hält er für
„unglaublich wichtig“. Dabei müsse
es darum gehen, wie man sich selber
sehe und von anderen gesehen werde.
Dass es trotz aller Vorarbeiten nicht
einfach sei, sich letztlich für einen Slogan zu entscheiden, ist Dallmann
klar. Zumal nicht für jede Kommune
damit geworben werden dürfe, dass
sie „im Herzen Europas“ liege. Dennoch ist der Marketingexperte zuversichtlich, das Know-how sei durchaus
da – sowohl in großen, als auch in
kleinen Kommunen.
Zum Beispiel in Crailsheim, wo
32 000 Einwohner leben. Der Arbeitsbereich Stadtmarketing ist dort als
Stabsstelle beim Oberbürgermeister
angesiedelt, Franz Kasimir kümmert
sich um das Budget von insgesamt
57 000 Euro. Er sieht sich vor allem als
Vermittler. „Wir unterhalten uns, dann
wird schnell umgesetzt“, beschreibt er
seine Aufgabe. „Unser Oberbürgermeister ist immer greifbar.“
Für ihr Marketing haben sich die
Crailsheimer Partner in der Region
gesucht. So arbeiten sie in verschiedenen Bereichen – von Verkehr bis Kultur – mit ihren Kollegen in den Städten Ellwangen und Dinkelsbühl zusammen. Insgesamt erreichen sie auf
diese Weise etwa 100 000 Menschen.
Innerhalb der Stadt geht es bei den
Anfragen an Kasimir meist um Öffnungszeiten, Genehmigungen oder
Räumlichkeiten. Dank eines „rührigen Gewerbevereins“, wie er sagt,
gebe es kaum leer stehende Gewerbeflächen in der Innenstadt.
Daten für
die Händler
In vielen Städten spielen Einzelhändler eine entscheidende Rolle,
wenn es um das Thema Stadtmarke-
ting geht. So auch in Gaggenau. Die
Mitglieder des Gewerbevereins investieren pro Jahr etwa 150 000 Euro in
Marketingmaßnahmen. „Wir übernehmen immer mehr von der Kommune“, sagt Hans Otto Reuscher
vom Vorstand des Vereins. Vor vier
Jahren haben die Einzelhändler beispielsweise die „Bonuscard Gaggenau“ eingeführt, 250 000 Mark hatten sie zuvor schon für die Entwicklung des Systems bezahlt. Heute gibt
es 19 800 Nutzer. 38 Händler und 13
Handwerker beteiligen sich an dem
System, bei dem es für Umsätze Punkte gibt. Die gesammelten Daten nutzten die Händler, um ihre Kunden gezielt ansprechen zu können. „Demnächst wollen wir auch zum Geburtstag gratulieren“, so Reuscher.
Anderswo tut man sich mit der
Einführung von Kundenkarten etwas
schwerer: In Weinstadt wurde ein
ähnliches System wie in Gaggenau
eingeführt, es beteiligen sich sogar 63
Händler daran. Bislang aber wurden
lediglich 5000 „Weinstadt-Cards“ an
Kunden ausgegeben. So viele waren
es in Gaggenau innerhalb der ersten
zwei Wochen.
Mit Zielen und Ideen
Tipps rund ums Marketing für Kommunen
Erst die Analyse. Bevor Sie mit einzelnen Maßnahmen für Ihr Stadtmarketing beginnen, sollten Sie eine
Analyse machen: Was sind die Stärken der Kommune? Welche Alleinstellungsmerkmale gibt es? Wichtig
dabei: Vergessen Sie nicht, die Sicht
Außenstehender in die Analyse einzubeziehen. Sonst bekommen Sie
kein Bild, das realistisch ist.
Setzen Sie Ziele. Auch wenn das
hart klingt: Haben Sie keine allzu
hohen Erwartungen. Stadtmarketing ist kein Allheilmittel gegen
sämtliche Probleme, die es in einer
Kommune gibt. Nehmen Sie sich
also Ziele vor, die realistisch sind,
und verrennen Sie sich nicht in zu
großen Projekten.
An einem Strang ziehen. Motivieren Sie alle Beteiligten, damit ein
„Wir-Gefühl“ entsteht. Die Arbeit
an einzelnen Projekten, bei denen
schnell Erfolge zu sehen sind, wird
ihre Mitarbeiter und Kollegen mehr
motivieren als das Verfassen von
Masterplänen.
Die passende Form. Bei Städten
mit 50 000 Einwohnern und mehr
empfiehlt es sich, einen so genannten Citymanager einzustellen. Er ist
eine Art Lobbyist für die jeweilige
Stadt. In einigen Kommunen wurden außerdem gute Erfahrungen
mit einer Vereinsform für die Marketingabteilung gemacht, mit einer
GmbH oder einer Zuordnung in der
Stadtverwaltung.
Politiker als Unterstützer. Stadtmarketing ist nicht in langwierigen
Sitzungen mit vielen Beteiligten zu
machen. Effektiver ist die Arbeit in
kleinen Gruppen mit Vertretern aus
den unterschiedlichen Bereichen –
auch aus dem Gemeinderat. Denn
ohne die Unterstützung der Politiker
ist das beste Marketingkonzept
nicht umzusetzen.
Um Akzeptanz bemühen. Sind die
Politiker vom Konzept überzeugt,
dann müssen auch die Einwohner
der jeweiligen Kommune dafür gewonnen werden. Stehen die nicht
dahinter, werden Außenstehende
die Maßnahmen wahrscheinlich als
aufgesetzt empfinden.
Gute Ideen. Nicht die Höhe des
Budgets ist entscheidend. Oft
kommt man mit ausgefallenen Ideen viel weiter. Seien Sie also kreativ
und mutig. Beispielsweise sorgen
Sie mit einer „Schönwettergarantie“ für einen Urlaubsort für Aufmerksamkeit.
Von anderen lernen. Besuchen Sie
Seminare und Fachtagungen, tauschen Sie Ihre Erfahrungen mit Vertretern anderer Kommunen aus. So
bekommen Sie neue Impulse.
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