2016 / 17 INHALT Maya Arad Yasur, Suspended 10 Alistair McDowall, X Thomas Arzt, Die Neigung des Peter Rosegger 22 Tuğsal Moğul, Deutsche Konvertiten 29 Thomas Arzt, Der nackte Felsen 23 Alan Ayckbourn, Ein Held kehrt heim Annie Baker, The Flick 4 Tuğsal Moğul, Der goldene Schnitt 29 8 Laura Naumann, Grand Prix de la Vision 14 9 Laura Naumann, Ich warte schon seit drei Fantas auf Sibylle Berg 12 Renate Bergmann, Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker 39 Michel Marc Bouchard, Tom auf dem Lande 10 meinen Auftritt 14 Laura Naumann, Manchmal hat die Liebe regiert und manchmal einfach niemand 14 Caryl Churchill, Jetzt geht’s los 1 Stefan Otteni, Das Leben der Boheme 41 Caryl Churchill, Allein entkommen 2 Necati Öziri, get deutsch or die tryin’ 22 6 Peter Raffalt, Der Zauberer von Oz 34 Michel Decar, Schere Faust Papier 21 Leif Randt, Planet Magnon 27 John von Düffel, Römische Trilogie 19 Thilo Reffert, Mr. Handicap 30 Alexander Eisenach, Der goldene Fleiß 20 Thilo Reffert, Der große Sprung oder Drei Dinger, du fliegst 31 Alexander Eisenach, Der kalte Hauch des Geldes 21 Rafael Sanchez / petschinka, Mohamed Achour erzählt Nurkan Erpulat / Jens Hillje, Verrücktes Blut 17 Jeffrey Eugenides, Die Selbstmord-Schwestern 36 Magdalena Schrefel, Sprengkörperballade 16 Florian David Fitz, Der geilste Tag 40 Magdalena Schrefel, Die Bergung der Landschaft 17 David Gieselmann, Sissy Murnau – Die Serie im Theater 24 Semiya Simsek / Peter Schwarz, Schmerzliche Heimat 38 David Gieselmann, Ablass 32 William Shakespeare, Ein Sommernachtstraum 43 Maxim Gorkij, Wassa Schelesnowa 43 William Shakespeare, Das Wintermärchen 43 Annika Hartmann / Jens Paulsen, Die Schneekönigin 33 Tim Staffel, Im Netz 31 Elfriede Jelinek, Das Licht im Kasten 11 Gerhild Steinbuch, Gute Geständnisse besserer Menschen 15 Ron Jones / Morton Rhue / Reinhold Tritt, Die Welle 35 Simon Stephens, Heisenberg 5 Peter Jordan, In 80 Tagen um die Welt 40 Simon Stephens, Rage 5 Daniel Kehlmann, F 36 Kate Tempest, Wasted 2 Abbas Khider, Ohrfeige 38 Ilija Trojanow, Der Weltensammler 37 Thees Uhlmann, Sophia, der Tod und ich 39 13 Martin Crimp, Im Haus / Im Tal Leonhard Koppelmann, Klaus Barbie – Begegnung mit Casablanca 28 Theresia Walser, Die Unsichtbaren oder Im Turm zu Basel Philipp Löhle, Du (Norma) 25 Marcus Wiebusch / Reimer Bustorff / Daniel Karasek / Philipp Löhle, Feuerschlange 25 Philipp Löhle, Schlaraffenland 26 dem Bösen Jens Paulsen, Die Räuber 27 42 Philipp Winkler, Hool 35 Duncan Macmillan, Menschen, Orte und Dinge 3 Marcus Youssef, Dschabber 33 Patrick Marber, Drei Tage auf dem Land 7 Feridun Zaimoglu / Günter Senkel, Antigone 18 Juli Zeh, Unterleuten 36 Neue Rowohlt E-Books Theater: «Caryl Churchill hat in rund 40 Stücken – jedes eine neue kreative Herausforderung – ihr komplexes, visionär-innovatives Vokabular entwickelt … Die wichtigste Theater­autorin Englands.» TH EATER H EUTE Caryl Churchill ■■ Jetzt geht’s los (Here We Go) Deutsch von Ulrike Syha CARYL CHURCHILL Jetzt geht’s los G esprächsfetzen auf einer Beerdigung, deren Gäste die Sorge um das eigene Schicksal einholt; der Gedankenstrom beim Übergang ins Jenseits, wenn jahrtausendealte Mythen und persönliche Erinnerungen untrennbar ineinanderstürzen; die Gebrechlichkeit im hohen Alter, das quälend stumm und einsam sein kann: In drei schlaglichtartigen Szenen ruft Jetzt geht’s los eindringlich die letzten Dinge des Lebens auf. «Viele Stücke handeln vom Tod, nur wenige vom Sterben – Caryl Churchill vereint in gut 45 Minuten beides … Ein faszinierendes Memento mori für eine Epoche ohne Glauben, dessen Kürze uns vor Augen führt, wie endlich unser Dasein ist und wie plötzlich wir verschwinden.» (The Guardian) «Ein leises, präzises Werk … Wie so oft tun sich in Churchills reduziert-konzentriertem Duktus Welten zwischen Halbsätzen oder Gesten auf. Das gibt ihrem entwaffnend simplen Dreisatz zum Thema Tod eine seltene meditative Qualität.» (Theater heute) «Die drei Teile des Stücks verbindet vor allem Churchills virtuose Sprachmacht, das nagende Gefühl einer Abwesenheit im Zentrum jeder Szene und der schwarze Humor, als würde sich der Kosmos vor Lachen über uns ausschütten … Churchill blickt in den Abgrund und begibt sich auf eine Odyssee ins Nichts – ein Wagnis mit Langzeitwirkung.» (Time Out London) «Eher Musik als Drama … Jetzt geht’s los ist brutal, zärtlich und wunderschön.» (Financial Times) Besetzung variabel, ca. 6 Darsteller_innen U: 27.11.2015 National Theatre, London (Regie: Dominic Cooke) Caryl Churchill, 1938 in London geboren, studierte in Oxford englische Literatur und schrieb anfangs für Radio und Fernsehen, dann mehr und mehr für die Bühne. 1974 wurde sie als erste Frau Hausautorin am Londoner Royal Court Theatre, wo ihr 1979 mit Siebter Himmel der Durchbruch gelang. Mit ihrem Werk, das theatrale Konventionen radikal sprengt und für das sie vielfach ausgezeichnet wurde (u. a. mit dem Olivier Award und der Aufnahme in die American Theater Hall of Fame), hat sie ganze Generationen von britischen Dramatiker_innen geprägt. Zu ihren bekanntesten Stücken gehören Top Girls (1982), Serious Money (1987), In weiter Ferne (2001), Die Kopien (2002) und Liebe und Information (2012). Ab sofort vertritt der Rowohlt Theater Verlag Caryl Churchill mit ­ihrem dramatischen Gesamtwerk. Die vollständige Titelliste finden Sie auf unserer Website. 1 Caryl Churchill ■■ Allein entkommen (Escaped Alone) Deutsch von Ulrike Syha 4D U: 28.01.2016 Royal Court Theatre, London (Regie: James Macdonald) Allein entkommen «Churchill at her best.» TH E GUARDIAN V ier Frauen um die 70 plaudern im Garten über Freundschaft und Familie, TV-Serien und Smartphones, Schönheit und Schrecken der Gegenwart. Vielleicht tobt hinter dem Zaun längst der Weltuntergang, und in den Gesprächspausen, die Minuten, Tage oder Wochen dauern mögen, vernichten Hungersnöte, Feuersbrünste und Überschwemmungen die Menschheit. Noch aber scheint unbeirrt die Sonne, trinken Sally, Vi, Lena und Mrs. Jarrett Tee – bis es langsam kühler wird und alle wieder auseinandergehen. «Allein entkommen imaginiert leichtfüßig und beiläufig die Apokalypse … Surreale Bilder mischen sich mit aktueller Politik, im Intimen spiegelt sich das Globale, im Zivilisierten das Wilde … Es ist fast revolutionär, vier älteren Frauen zuzusehen, die Männer mit keinem Wort erwähnen – als hätte man auf dem Foto eines Gipfeltreffens die Geschlechter vertauscht.» (The Observer) «Monumentale Themen in minimalistischer Form … Caryl Churchills Text ist voller Komik, Wärme und genauer Beobachtungen … Sie spielt mit unseren Ängsten, Abwehrmechanismen und der fragilen Grenze zwischen selbst verschuldetem Elend und Naturkatastrophen. Indem sie ihre düsteren Prophezeiungen auf die absurde Spitze treibt, werden sie letztlich nur plausibler und verstörender.» (The Independent) «Schwer vorstellbar, dass es dieses Jahr ein besseres Stück geben wird … Man verlässt Allein entkom­ men seltsam euphorisch. Auch wenn die Aussichten alles andere als schön sind, gelingt Churchill in ihrem witzigsten Stück seit Serious Money das Unglaubliche: helle Funken aus der Dunkelheit zu schlagen.» (Time Out London) B L I C K Z U R Ü C K N AC H VO R N K ATE TEMPEST K ate Tempest, Jahrgang 1985, ist Musikerin, Lyrikerin, Spoken Word Artist und Dramatikerin. Für ihren Gedicht- bzw. Song-Zyklus Brand New Ancients wurde sie mit dem renommierten Ted Hughes Award ausgezeichnet. Die britische Presse feierte sie als «the brightest talent around» (The Guardian). In ihrem Theaterstück Wasted (1D – 2H), kongenial ins Deutsche übersetzt von Judith Holofernes, zeigt sie drei Endzwanziger, die verzweifelt versuchen, sich dem Trubel der Großstadt entgegenzustemmen. Dialogszenen wechseln dabei mit wütendem Sprechgesang, dessen Beat die Figuren vorantreibt durch eine rauschhafte gemeinsame, alles verändernde Nacht. «Ein literarischer Meteorit.» DI E ZEIT 2 Im Mai 2016 erschien bei Rowohlt ihr Roman Wor­ auf du dich verlassen kannst. «Tempest schreibt so kraftvoll und weise vom Begehren, den Geschlechtern und dem Leben, dass man nur staunen kann. Wasted, verwüstet oder öde sind die Stadtlandschaften und das Dasein, das ihre Figuren in ihr fristen.» (Die Zeit) «Tempests Beobachtungen sind scharf und rührend zugleich. Auf der Bühne schießt sie ihre Sätze mit solch einer Dringlichkeit heraus, als könnte sie all den Irrsinn der Welt damit stoppen. Sie lenkt ihre Worte darauf, wie schwer es ist, überhaupt etwas zu fühlen.» (Süddeutsche Zeitung) «Wie eine antike Göttin, die über die physikalischen Gesetze nach eigenem Dafürhalten bestimmt, lässt Tempest Gefühle zu Personen werden.» (Spiegel Online) «Das Zauberhafte an Kate Tempest ist, dass sie Feuerwerke anzündet und diese in den schönsten Farben leuchten lässt.» (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung) «Menschen leben in Kriegsgebieten, und wir? Denken hier über uns nach. Als könnten wir alles lösen, indem wir uns Duncan Macmillan unseren Defekten ■■ Menschen, Orte und Dinge stellen. Wir sind (People, Places and Things) nicht defekt. Sondern die Welt Deutsch von Corinna Brocher ist im Arsch.» Besetzung variabel, mind. 5D – 5H DUNCAN M ACMILL AN Menschen, Orte und Dinge L assen sich heute noch Geschichten erzählen, mit Anfang, Mitte und Ende? Welche Gewissheiten gibt es in einer überkomplexen Welt? Und wie geht Normalität, wenn der Ausnahmezustand längst die Regel ist? Fragen, die sich der Schauspielerin Emma stellen, als sie nach einem Zusammenbruch auf offener Bühne sofort in einer Entzugsklinik landet. Süchtig nach Alkohol, Tabletten und Koks, will Emma hier eigentlich nur ausruhen, um danach weiter arbeiten zu können. Stattdessen soll sie sich einer Therapie unterziehen und ihr gesamtes Leben ändern, damit sie künftig Menschen, Orte und Dinge meidet, die zum Rückfall führen. Für Emma ist das nichts als Esoterik, eitle Nabelschau, Religionsersatz. Geübt in der Kunst der Verstellung, wehrt sie sich sarkastisch gegen Rollenspiele, Gruppensitzungen und simple Slogans, merkt aber bald, dass sie kaum mehr zwischen Wahn und Wahrheit unterscheiden kann. U: 01.09.2015 National Theatre, London (Regie: Jeremy Herrin) Im März 2016 Wechsel der Produktion ins Londoner West End Nominiert für den Olivier Award 2016 als bestes neues Stück 1984, Staatstheater Nürnberg 3 «Alles, was die Erde mal ausgemacht hat, ist seit Langem verschwunden. Und lieber bin ich Milliarden Kilometer Alistair McDowall ■■ X Deutsch von John Birke 2D – 3H U: 05.04.2016 Royal Court Theatre, London (Regie: Vicky Featherstone) «Duncan Macmillan macht den Drogenrausch unmittelbar erfahrbar – und auch, wie hart der Absturz ist.» (Daily Telegraph) «Menschen, Orte und Dinge zeigt, wie brüchig unser Konzept von Wirklichkeit ist … Ein atem­ beraubendes und zu Recht beunruhigendes Stück.» (Time Out London) «Erneut verbindet Macmillan finsteren Witz, analytische Schärfe und emotionale Intelligenz zu einer Bestandsaufnahme der Gegenwart.» (The Times) «Das Ende ist weder ‹Hollywood-happy› noch brutal – einfach nur ernüchternd realistisch.» (Mail on Sunday) ■ Duncan Macmillans Atmen, dessen deutschsprachige Erstaufführung 2013 in der Regie von Katie Mitchell an der Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin, war, kommt mittlerweile auf fast 15 Inszenierungen, in dieser Spielzeit u. a. am Hessischen Landestheater Marburg (Regie: Lilli-Hannah H ­ oepner) und am Theater Regensburg (Regie: Jona Manow). ■ Seine gemeinsam mit Robert Icke entwickelte Bühnenfassung von George Orwells 1984, die 2016 zum zweiten Mal im Londoner West End lief, wurde im Oktober 2015 am Staatstheater Nürnberg erstaufgeführt (Regie: Christoph Mehler), bisher gefolgt von Produktionen am Sandkorn Theater, Karlsruhe (Regie: Viktor Carcu), sowie am Stadttheater Gießen (Regie: Thomas Oliver Niehaus). ■ Im Oktober 2016 zeigte das Staatstheater Mainz die deutschsprachige Erstaufführung von Macmillans Monolog All das Schöne (Regie: Jana Vetten), der ab Mai 2017 auch am Gostner Hoftheater, Nürnberg, zu sehen sein wird. 4 weit weg tot Duncan Macmillans neues Stück ist ganz aus der subjektiven Sicht Emmas geschrieben und reißt den Zuschauer mit in den Sog halluzinativer Bilder, rasanter Zeit- und Szenenwechsel. Der Text selbst wird zum Trip, in dem sich die Grenzen zwischen Theater und Realität radikal auflösen. als lebendig in den Ruinen.» ALISTAIR McDOWALL X D ie Logik von Ursache und Wirkung greift nicht mehr, als vier Forscher in ihrer Raumstation auf Pluto den Kontakt zur Erde verlieren. Plötzlich ganz auf sich zurückgeworfen, werden sie zu ihrem eigenen Experiment, in dem nicht nur sämtliche Kommunikationssysteme versagen, sondern auch die Uhren Amok laufen. Keiner weiß mehr, ob heute nicht längst morgen ist oder wie lange sie bereits auf ihre Heimkehr warten. Genauso schwindet nach und nach die Sicherheit, was sie real erleben oder nur geisterhaft phantasieren. Immer fragwürdiger wird die eigene Identität, die nur noch aus Unbekannten zu bestehen scheint, atomisiert wie die Welt draußen, mitten im weißen Rauschen des Alls. «Alistair McDowall hat ein neues Genre geschaffen: ‹Sly-Fi›, subversive Science Fiction, die die Verabredungen des Theaters aufkündigt … X ist eine provozierende Pioniertat, die für heftige Debatten sorgen wird.» (Daily Telegraph) «Gewohnte Bezugspunkte werden außer Kraft gesetzt … Der Verlust des Zeitgefühls führt zum Kollaps kohärenter Erzählmuster, der Persönlichkeit und schließlich sogar der Sprache … Lässt man sich darauf ein, kann man sich der beklemmenden Wirkung von X kaum entziehen.» (Financial Times) «Die Handlung von X schreibt sich im Moment ihrer Verfertigung, sodass man im zweiten Akt fast jedes Detail aus dem ersten überdenken muss … Am Schluss stellt man sich elektrisiert die Frage, wovon man da gerade Zeuge war.» (The New York Times) «McDowall ist sicher der derzeit eigenwilligste Theaterautor.» (Evening Standard) ■ Alistair McDowalls Pomona, das 2015 in London vom kleinen Orange Tree Theatre in das große National Theatre wechselte, hat im November 2016 deutschsprachige Erstaufführung am National­ theater Mannheim (Regie: Robert Teufel). SIMON STEPHENS Heisenberg «Wenn man etwas intensiv genug beobachtet, begreift man, dass man unmöglich sagen kann, wohin es sich bewegt und wie schnell es dort­ hin gelangt. Wusstest du das?» N «Subtil gelingt es Simon Stephens, das Wahre hinter dem Klischee, das Exotische im Vertrauten zu entdecken … Heisen­ berg beginnt wie eine Screwball-Komödie, wird dann zum anrührenden Melodram und erforscht letztlich die zahllosen Alternativen, die uns das Leben jede Sekunde lässt … Ein Stück, das einen nachhaltig beschäftigt.» (The New York Times) «Ausgehend von der Heisenbergschen Unschärfe­ relation, interessiert sich Stephens für die Veränderung unserer Wahrnehmung von Menschen und Beziehungen, je nachdem, was wir über sie erfahren. Scheinbar irrationale Handlungen haben vernünftige Motive, gesicherte Tatsachen verlieren ihre Gültigkeit. Simon Stephens mag Überraschungen, und Heisenberg ist voll davon.» (The Guardian) Simon Stephens ■■ Heisenberg Deutsch von Barbara Christ 1D – 1H U: 03.06.2015 Manhattan Theatre Club, New York (Regie: Mark Brokaw) Im Oktober 2016 Wechsel der Produktion an den New Yorker Broadway DSE: 21.10.2016 Düsseldorfer Schauspielhaus (Regie: Lore Stefanek) Simon Stephens ■■ Rage Rage Deutsch von Barbara Christ F eierlaune schlägt um in Aggression: Ausgehend von einer Bilderserie, die der Fotograf Joel Goodman in der Silvesternacht 2015 / 16 an einer zentralen Kreuzung in Manchester gemacht hat, zeigt Simon Stephens den Querschnitt einer multikulturellen Gesellschaft, wie man ihn aus jeder europäischen Metropole kennt. Während der ormalerweise geht man Menschen wie der 42-jährigen Georgie besser aus dem Weg. Dem deutlich älteren Alex aber bleibt gar keine Wahl. Wie eine Naturgewalt bricht die exaltierte Frau in sein Leben: Im belebten Bahnhof küsst sie ihn einfach in den Nacken. Eine Verwechslung, wie sich herausstellt – was Geor­ gie nicht daran hindert, Alex ab jetzt hinterherzulaufen und ihm ungefragt ihr Herz zu öffnen. Sie sei Killerin, nein, Kellnerin, nein, Sekretärin. Ihr Mann ist tot. Sie war nie verheiratet und hat keine Kinder. Ihr Sohn lebt in Amsterdam. Für den scheuen Metzger Alex ist das alles so fremd wie faszinierend. Einerseits stört die Chao­ tin Georgie seinen pedantisch geregelten Alltag, andererseits verliebt er sich in sie, samt ihrer Widersprüche und dem schamlosen Bekenntniszwang. Doch dann merkt er, dass die Begegnung mit ihr offenbar kein Zufall war und Georgie Wut / Rage, Thalia Theater Hamburg einen klaren Plan verfolgt. «Du findest, du hast ein Recht auf Ironie. Als wärst du in ein Zeitalter der Gewissheit übergegangen, wo politische Verantwortung und etwas zu sagen, an das man glaubt, gerade aus der Mode gekom­ men ist.» Besetzung variabel, ca. 8 Darsteller_innen Auftragswerk für das Thalia Theater Hamburg U: 16.09.2016 Thalia Theater Hamburg (gemeinsam mit Wut von Elfriede Jelinek; Regie: Sebastian Nübling) 5 Martin Crimp ■■ Im Haus (Play House) Deutsch von Ulrike Syha «Was ist bloß los mit uns? Warum können wir kein einziges Mal etwas sagen oder tun oder denken, das von Wichtigkeit ist? Wie kann Tag um Tag um Tag ­vergehen, und nicht ein Wort, das wir äußern, ergibt einen M ARTIN Unterschied in der Endsumme des menschlichen Denkens?» Im Haus / Im Tal D 1D – 1H U (als Vorspiel zu Martin Crimps Definitely the Bahamas): 16.03.2012 Orange Tree Theatre, Richmond / London (Regie: Martin Crimp) DSE: 13.10.2016 Theaterhaus Jena (Regie: Moritz Schönecker) Martin Crimp ■■ Im Tal (In the Valley) Deutsch von Ulrike Syha 1D oder 1H DSE: 13.10.2016 Theaterhaus Jena (Regie: Moritz Schönecker) CRIMP Countdown für das neue Jahr läuft, beobachtet er Gewalt von und gegen Polizisten, allgegenwärtigen Rassismus, er belauscht Heiratsanträge und gewalttätige Streitereien, folgt randalierenden Betrunkenen, enthemmten Partygängern und Passanten, die einfach nur auf dem Heimweg sind. Rage, das für das Thalia Theater Hamburg als eine Art Echo auf Elfriede Jelineks Wut entstand, setzt sich kaleidoskopisch aus lauter Vignetten zusammen, Schnappschüssen, die manchmal erschütternd banal, manchmal bizarr und schockierend sind. Das singuläre Ereignis steht neben wiederkehrenden Motiven, die sich zu Geschichten verbinden – und zum Vexierbild unserer Gegenwart, die zwischen Abgeklärtheit und Paranoia, Panik und Hedonismus schwankt. ■ Im Januar 2016 war am Theater Kiel die deutsch- sprachige Erstaufführung von Blindlings (Regie: Ulrike Maack): «Geschickt verortet Stephens den antiken Medea-Mythos in einer konkreten historischen Situation … Blindlings ist in seiner sozialen Genauigkeit ein Stück über vergehende Zeit, über eine Abfolge von politischen Enttäuschungen, ein Stück über Machtlosigkeit.» (Theater heute) aheim proben Simon und Katrina erstmals das Zusammenleben, dessen Zauber jedoch von Anfang an vergiftet ist: Eltern rufen an, neugierige Nachbarn stören, es gibt Ärger im Beruf, und bisweilen nehmen Neckereien seltsam sadomasochistische Züge an. Nach dem Ende, vielleicht Tausende Jahre später, wandert ein letzter Überlebender durch ein totenstilles Tal. Als Gesprächspartner bleibt allein ein Schaf (das sich immerhin an die Reste menschlicher Kultur erinnert), denn sogar Gott ist angesichts des globalen Horrors endgültig verstummt. Obwohl sie in unterschiedlichen Zusammenhängen entstanden sind, gibt es frappierende Verbindungslinien zwischen diesen beiden Kurzstücken von Martin Crimp. In 13 schnell geschnittenen Szenen dekliniert Im Haus eine Beziehung durch, mal hemmungslos romantisch, mal irritierend brutal, während die einsame Stimme aus Im Tal in einem langen Kameraschwenk eine post-apokalyptische Landschaft besichtigt. In beiden Texten schlägt die Sprache nahtlos von fast kindlicher Verspieltheit in kühl-distanzierte Beobachtung um, werden Grenzen der Wahrnehmung ausgelotet, und zusammengenommen spiegeln sich in ihnen wechselseitig die Innen- und die Außenwelt, das Private und ­Politische. ■ Im Oktober 2016 hatte am Nationaltheater Mannheim Birdland in der Regie von Burkhard C. Kosminski seine deutschsprachige Erstaufführung, bisher gefolgt von Till Weinheimers Inszenierung am Schauspiel Frankfurt. 6 Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino, Landestheater Marburg ■ Martin Crimps Alles Weitere kennen Sie aus dem Kino, 2013 in der Regie von Katie Mitchell am Deutschen Schauspielhaus Hamburg uraufgeführt, wurde bzw. wird bisher nachgespielt am Hessischen Landestheater Marburg (Regie: Marc Becker) und am Staatstheater Braunschweig (Regie: Mina Salehpour). Patrick Marber ■■ Drei Tage auf dem Land Nach Iwan Turgenjews «Ein Monat auf dem Lande» (Three Days in the Country) Deutsch von John Birke 5D – 7H U: 28.07.2015 National Theatre, London (Regie: Patrick Marber) DSE: März 2017 Schauspiel Frankfurt (Regie: Andreas Kriegenburg) PATRICK M ARBER Drei Tage auf dem Land «Jeder ist ein Witz, den er selbst nicht versteht.» S o schmerzhaft und komisch haben Menschen wahrscheinlich selten aneinander vorbeigeliebt wie in Patrick Marbers Neufassung von Iwan Turgenjews großem Bilderbogen aus dem Jahr 1855. Dessen Dauer eines Monats komprimiert Marber auf drei Tage und zeigt die fatale Dynamik fehlgeleiteter Leidenschaft. Von Anfang an trügt bei ihm das sommerliche Landidyll: Unter der zivilisierten Oberfläche brodelt das Begehren und entlädt sich schließlich mit der Wucht eines Orkans, nach dem jeder vor den Scherben seines ungelebten Lebens steht. Virtuos spielt Marber die vielfältigen Varia­ tio­nen der Liebe durch, von der Amour fou über die zärtliche Romanze bis hin zur Ehe als zynischer Geschäftsanbahnung, und «entdeckt Turgenjew neu als unseren Zeitgenossen … Er verdeutlicht, welche Umwälzung hier geschieht, und konzentriert sich ganz auf deren politische und private Erschütterungen … Genial.» (Daily Telegraph). «Mitreißend strafft Marber Turgenjews Handlung, schärft ihre Ecken und Kanten und entstaubt die Sprache, ohne die erotisch aufgeladene, hitzeflirrende Atmosphäre zu opfern.» (The Times) Weitere Inszenierungen bisher: Schauspiel Leipzig (Regie: Enrico Lübbe) «Drei Tage auf dem Land macht die kurzlebige Ekstase und die lang anhaltende Qual der Liebe spürbar, in denen die Niederlage des einen der Triumph des anderen ist.» (Mail on Sunday) «Marbers Dialoge sind pointiert, ohne Patina und pfeildirekt. Die verflochtenen Beziehungen betrachtet er wie ein Forensiker und beweist ihre Modernität.» (The Independent) «Ein Meisterwerk.» (Financial Times) ■ Die deutschsprachige Erstaufführung von Pat­ rick Marbers Fußballstück Der rote Löwe ist im Fe­bruar 2017 am Staatstheater Nürnberg in der Regie von Klaus Kusenberg. Im März 2017 hat das Stück am Theater Osnabrück Premiere (Regie: Leo­ nie Kubigsteltig). ■ Zuletzt hat Patrick Marber für Ivo van Hove eine Neuübersetzung von Hedda Gabler geschrieben, die im Herbst 2016 am National Theatre, London, herauskommen wird. Zurzeit überarbeitet er sein «Update» von Molières Don Juan, das er selbst im Frühjahr 2017 im Londoner West End inszenieren wird. Die deutsche Übersetzung des Stücks ist in Vorbereitung. 7 Alan Ayckbourn ■■ Ein Held kehrt heim (Hero’s Welcome) Deutsch von Inge Greiffenhagen 3D – 3H U: 08.09.2015 Stephen Joseph Theatre, Scarborough (Regie: Alan Ayckbourn) AL AN AYCKBOURN Ein Held kehrt heim «Es gibt den Ausdruck ‹vergeudete Jugend›. Und ich hatte mit zwanzig so viel vergeudet, dass ich bankrott war … Trotzdem. Ich darf mich nicht beklagen. Ich hab mir mein Leben selbst versaut.» G ute Taten können böse Folgen haben – das erfährt der Soldat Murray, als er nach langem Auslandseinsatz heimkehrt. Im fernen Krieg hat er 34 Kinder aus einem umkämpften Krankenhaus gerettet. Nun wird er in seiner Kleinstadt, wo er 17 Jahre nicht gewesen ist, für seine Heldentat gefeiert. Der Jubel ist jedoch nicht einhellig. Alice, die Bürgermeisterin, verübelt es Murray nach wie vor, dass er sie damals schwanger am Altar hat stehen lassen. Und Brad, Murrays Freund aus Kindertagen, grollt unverändert, dass Murray ihm zuvor Alice ausgespannt hatte. Die Vergangenheit wird zum Minenfeld der Gegenwart, verschärft noch dadurch, dass Murray die sehr junge und sehr attraktive Baba mitbringt (eigentlich: Madrababakaskabuna), die er in der Fremde geheiratet hat, was unter den Männern zu neuen Konkurrenzkämpfen führt. Mitten im zivilen Leben weiß Murray plötzlich kaum mehr, welchen Konfliktherd er zuerst löschen soll. «Gekonnt entfaltet Alan Ayckbourn seine vielschichtige Handlung, die immer wieder unerwartete Wendungen nimmt und in der, wie bei Ibsen, jeder lügt, sogar die Regierung … Ein Held kehrt heim ist zwar eine Komödie – aber eher so, wie Tschechow seine Stücke als Komödien begriffen hat.» (The New York Times) «Wieder beweist Ayckbourn seine große Gabe, den mutwilligen Verletzungen nachzuspüren, die wir einander zufügen, ob mit einem Lächeln oder wutverzerrter Fratze.» (The Guardian) «Komik verbindet sich mit Tragik, während immer mehr Missverständnisse, Geheimnisse und Vorurteile ans Licht kommen» (The Times) und «in einem perfiden Ende gipfeln» (Daily Mail). ■ Im November 2016 hat am Theater Bielefeld Ayck­bourns Rondo deutschsprachige Erstaufführung (Regie: Christian Schlüter). ■ Im Januar 2016 inszenierte Marius von Mayenburg am Schauspielhaus Bochum seine Neuübersetzung von Familiengeschäfte, das im April 2016 auch am Stadttheater Klagenfurt Premiere hatte (Regie: Henry Mason) und in dieser Spielzeit am Deutschen Theater Göttingen (Regie: Erich Sidler) sowie am Hans Otto Theater Potsdam (Regie: Tobias Wellemeyer) gezeigt wird. Familiengeschäfte, Schauspielhaus Bochum 8 Annie Baker, geboren 1981 in Massachusetts, studierte Szenisches Schreiben an der New Yorker Tisch School of the Arts. Ihre Theaterstücke, u. a. The Aliens und Circle Mirror Transformations, wurden mehrfach preis­ gekrönt. Annie B ­ aker gilt als größtes Talent der amerikanischen Gegenwartsdramatik. Ausgezeichnet mit dem Pulitzer-Preis 2014 ANNIE BAKER The Flick D ie drei Angestellten des kleinen Programm­ kinos «The Flick» in der amerikanischen Provinz mögen das Gefühl haben, dass sich das große Schauspiel des Lebens auf der Leinwand und weitab ihres kleinen Alltags abspielt. Doch unter Annie ­ Bakers Vergrößerungsglas entspinnt sich fast unmerklich ein Drama um Liebe, Verrat und Scheitern. Der junge Avery hat sein Studium unterbrochen und gerade erst den Job als Platzanweiser angefangen. Sein älterer Kollege Sam hofft vergeblich auf eine Beförderung und wohnt noch bei seinen Eltern. Und die Filmvorführerin Rose erscheint unnahbar und egozentrisch. Im Zuschauerraum des Kinos, dem einzigen Handlungsort, wirken sie zwischen den menschenleeren Sitzreihen wie längst vergessenes Inventar. Als der Inhaber des Kinos wechselt, soll der analoge Filmprojektor durch einen digitalen ersetzt werden, wogegen der Cineast Avery leidenschaftlich protestiert. Als außerdem ein kleiner Trinkgeld-Betrug der Angestellten auffliegt, steht Avery plötzlich mit dem Rücken zur Wand. Die unspektakuläre Handlung gewinnt ihre Bedeutung durch die besondere und behutsame Erzählweise Annie Bakers. Die Figuren sprechen stockend, unvollständig, von langem Schweigen unterbrochen. Es entsteht der Eindruck eines minutiösen Realismus, der jedoch immer wieder durch Momente überhöhter Fokussierung durchschossen wird. Fast scheint es, als fiele man als Zuschauer zusammen mit den Handelnden aus der Zeit. Annie Baker ■■ The Flick «The Flick ist voller Tschechow’scher Sehnsucht und Enttäuschung. Es bricht einem das Herz. Es spielt außerdem sehr intelligent mit der Vorstellung, dass wir im Kino ganz aus uns herausgehen und uns an andere Orte versetzen können. Und es stellt Fragen nach Reproduktion, Authentizität und dem Wesen von Live- im Gegensatz zu gelebten Ereignissen.» (The Guardian) «Der ruhige Rhythmus und die langsam zusammengetragenen Details lassen unsere Empathie für die Figuren und unser Verständnis für die sozialen Umbrüche, die sie repräsentieren, unmerklich wachsen, ohne jemals gezwungen, herab­ lassend oder konzeptbeladen zu wirken.» (The Independent) «Annie Bakers Stück entrollt sich federleicht in Szenen, die geprägt sind von ihrer akuten Sensibilität für das scheinbar Nebensächliche, für den minimalistischen Text (und häufig Subtext), der den Figuren zur Kommunikation (oder auch zur behutsamen Kommunikationsvermeidung) zur Verfügung steht.» (The New York Times) «Baker nutzt die Unmittelbarkeit einer zufällig mitgehörten Konversation für einen neuen Thea­ terstil, der so untheatral wie möglich wirkt und die Mittel der Bühnenkunst nutzt, um den Fokus der Zuschauer auf lebendige Momente emotio­ naler ­ Erkenntnis zu lenken … Eine betörende Mischung aus Natürlichkeit und Präzision.» (The New ­Yorker) Deutsch von Karen Witthuhn 1D – 2H U: 12.03.2013 Playwrights Horizons, New York City (Regie: Sam Gold) DSE: 19.05.2017 Staatstheater Kassel (Regie: Sebastian Schug) 9 Maya Arad Yasur ■■ Suspended Deutsch von Jennifer Whigham und Kristina Wydra 2H U: 07.10.2016 Theatre Upstream, St. Louis (Regie: Linda Kennedy) Michel Marc Bouchard ■■ Tom auf dem Lande (Tom à la ferme) Deutsch von Frank Heibert 2D – 2H U: 11.01.2011 Théâtre d’Aujourd’hui, Montréal (Regie: Claude Poissant) DSE: 29.12.2016 Theater Münster (Regie: Michael Letmathe) 10 M AYA AR AD YASUR Suspended Z wei Männer, Kriegsflüchtlinge, hängen in der Luft – im wahrsten Sinne des Wortes, denn wir sehen sie bei ihrer Arbeit als Fensterputzer an einem Hochhaus in einer westeuropäischen Stadt, abgeseilt in schwindelnder Höhe. Sie sind übereingekommen, nicht über ihre Verletzungen und Narben der Vergangenheit zu sprechen. Stattdessen wollen sie sich auf ihre Tätigkeit konzentrieren, während sie den gut angezogenen Büroangestellten auf der anderen Seite der Fenster direkt vor der Nase baumeln. Doch nach und nach wird deutlich, dass es ihnen nicht möglich sein wird, ihre Biographie außer Acht zu lassen. Ihre Geschichten sind auf unheilvolle Weise miteinander verknüpft, und die Chance auf einen Neuanfang wird durch alte Schuld gefährdet. Und so stecken sie fest in einer Welt, die sie sehen können, zu der ihnen der Zugang aber verwehrt bleibt, zwischen einer von Gewalt geprägten Vergangenheit und einer unsicheren Zukunft. ■ Suspended gewann 2010 (damals noch unter dem Titel Diamond Stars) den ersten Preis beim Dramatikerwettbewerb des ITI und der Unesco. In der vergangenen Spielzeit war die deutschsprachige Erstaufführung von Maya Arad Yasurs Gott wartet an der Haltestelle am Volkstheater Wien zu sehen (Regie: Hannan Ishay). Im Dezember folgt die deutsche Erstaufführung am Staatsschauspiel Dresden (Regie: Pinar Karabulut) sowie im Mai 2017 eine weitere Premiere am Theater Paderborn (Regie: Martin Schulze). MICHEL M ARC BOUCHARD Tom auf dem Lande «Du sagst mir, wann ich aufhören soll! Du entscheidest. Du gibst mir ein Zeichen, dann höre ich auf.» A ls der junge Werbetexter Tom aus der Großstadt zum Begräbnis seines Liebhabers Guillaume in die Provinz fährt, gerät er auf dem Hof von dessen Familie in einen Strudel aus Lügen, Verdrängung und Gewalt. Tom gibt sich als Arbeitskollege des Verstorbenen aus, weil Guillaumes Mutter Agathe nichts von der Homosexualität ihres Sohnes geahnt hat. Der ältere Bruder Francis tut alles, damit die Wahrheit nicht bekannt wird, und schreckt dabei auch vor Gewalt gegen Tom nicht zurück. Zunächst verpflichtet er Tom, die Lebenslüge nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern sogar auszuschmücken. Doch zunehmend scheint Francis Tom für eine Schuld zu bestrafen, die keiner der beiden in Worte zu fassen wüsste. In der Abgeschiedenheit des Bauernhofs entspinnt sich ein gewalttätiges, erotisch aufgeladenes Spiel zwischen den beiden Männern, dem sich Tom auf unerklärliche und fatale Weise fügt. ■ Michel Marc Bouchards Stück wurde durch die Verfilmung von Xavier Dolan (Sag nicht, wer du bist!) bekannt, die beim Filmfestival in Venedig den Preis der Filmkritik gewann. «Ein cleverer Psychothriller, in dem an jeder Ecke Gefahr zu lauern scheint, ohne dass diese konkrete Gefahr immer genau benannt würde.» (Spiegel Online) «Wie der Mensch sich an seinem eigenen Boden, den er selber mühevoll eingezogen hat, festkrallt – das ist das Gegenteil von Mode, die an nichts ­festhält, alles preisgibt, alles bereit­ willig vernichtet, weitergibt, wegschmeißt –, wie dieser Mensch also, nachdem er in seiner eige­nen Einbildungskraft fortschreitet (ich bilde mir nicht ein, diese Shorts jemals in diesem Leben noch anziehen zu können, bei meinen Ober­schenkeln! Was Kant sich einbildet, das weiß ich nicht), wie der sich an seinem eigenen Boden festklammert, als wollte ihn einer unter ihm wegziehen, so zeigt er, ELFRIEDE JELINEK gerade indem er sich an dem Boden, der in Das Licht im Kasten Straße? Stadt? Nicht mit mir! V on barocker Vanitas bis zum Cover der Vogue, von Platons Höhlengleichnis bis zum Bild Gisele Bündchens im H & M-Bikini in den Leuchtkästen der U-Bahn, von Armsein bis Armani: In ihrem jüngsten, so umwerfend komischen wie todtraurigen Text beschäftigt sich Elfriede Jelinek mit dem Phänomen Mode. Dabei greift sie einzelne Fäden ihres Stücks Die Straße. Die Stadt. Der Über­ fall. noch einmal auf, verwebt sie jedoch komplett neu und spinnt sie konsequent weiter, überbordend und in atemberaubender Verdichtung. Die stumme Schrift der Kleidung, die den Menschen umschreibt, «als wagte sie sich nicht an seinen lava­heißen Kern», verwandelt Jelinek in einen furiosen Rausch des Sprechens, der nahtlos von teurer Haute Couture zu billiger Massenware wechselt, für die Arbeiter_innen in Sweatshops einen grauenhaften Preis bezahlen. Sie kombiniert Orgien mit Opfern, Outlet-Stores mit Online-Shopping, Entwürfe von Weiblichkeit mit Männerphantasien, sie zeigt die Schnittstellen von Ökologie und Ökonomie, verknüpft antike Mythen, Kants Kritik der reinen Vernunft und Heideggers Begriff von Sein und Zeit mit modernem Körperkult, Selfie-Manie und der Sehnsucht nach dem perfekten Leben, dessen Uhr jedoch beständig tickt. Ewig Wirklichkeit ein abgetretener Läufer ist, ein Elfriede Jelinek ■■ Das Licht im Kasten Teppich namens Wirklichkeit, ­dermaßen Straße? Stadt? Nicht mit mir! ­krampfhaft festhält, daß dieser Boden jederzeit Besetzung variabel ­einbrechen und ­einen Abgrund ­offenbaren U: 14.01.2017 Düsseldorfer Schauspielhaus (Regie: Jan Philipp Gloger) ­könnte, der uns wiederum nicht ­kümmert, wir ­sehen ihn ja nicht. Bis er uns schluckt.» kehrt das ­Gleiche wieder, nur seine Form verändert sich, und im scheinbar Trivialen stellt Das Licht im Kasten die grundlegende Frage nach dem Wesen unserer nackten Existenz. ■ Im April 2016 hatte an den Münchner Kammerspielen Wut in der Regie von Nicolas Stemann Uraufführung, «Elfriede Jelineks ­ anstrengende, Wut, Münchner Kammerspiele 11 aber nie angestrengte Suche nach den ­ Ängsten und Motiven von Terrorattentätern, nach Selbstund Fremdbildern von deren potentiellen Opfern, deutschen Wutbürgern und AfD-Anhängern» (Frankfurter Rundschau). «Wut ist die Versprachlichung eines Zustands der Fassungslosigkeit» (Der Standard), «die Beschwörung eines Albtraums, der andauert und beinahe täglich von der Realität überholt wird» (Die Zeit). «IS-Terroristen und Pegidisten, Religionsverfechter wie -verächter kommen zu Wort. Ihre rhetorischen Figuren lappen bewusst ineinander; manchmal erschließt sich erst nach mehreren Satzkaskaden, wer eigentlich gerade spricht.» (Der Tagesspiegel) Nachgespielt wird Wut in dieser Spielzeit bisher am Thalia Theater Hamburg (zusammen mit Rage von Simon Stephens, Regie: Sebastian Nübling), am Staatstheater Darmstadt (Regie: Markus Lobbes), Theater Halle (Regie: Henriette Hörnigk), Landestheater Coburg (Regie: Axel Sichrovsky), Zimmertheater Tübingen (Regie: Britta Kristina Schreiber), Stadttheater Klagenfurt (Regie: Marco Štorman; österreichische Erstaufführung), Schauspielhaus Salzburg (Regie: Anne Simon), Deutschen Theater Berlin (Regie: Martin Laberenz), Theater Erlangen (Regie: Paul-Georg Dittrich), Theater im Pfalzbau, Ludwigshafen (Re- B L I C K Z U R Ü C K N AC H VO R N SIBYLLE BERG Für ihr Werk wird Sibylle Berg im Novem­ber mit dem ElseLasker-Schüler-Dramatikerpreis 2016 ausgezeichnet. Mit ihren «grotesk-sehnsüchtigen Normalitätsspezialisten», so die Jury, die sie immer auch mit Sympathie begleite, und ihren «genauen Diagnosen eines verhinderten Lebens» hat Sibylle Berg das deutschsprachige Theater seit den 1990er Jahren nachhaltig geprägt. Ebenfalls 2016 wurde die MDR-Produktion von Und jetzt: die Welt! oder Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden geehrt, und die Fortsetzung Und dann kam Mirna erhielt – in Sebastian Nüblings Uraufführungsinszenierung am Berliner Maxim Gorki Theater – den Friedrich-Luft-Preis sowie bei den Mülheimer «Stücken 2016» den Publikumspreis. Und jetzt: die Welt! hatte in der vergangenen Spielzeit u. a. österreichische Erstaufführung am Burgtheater Wien (Regie: Martina Gredler) und wird in dieser Saison bisher nachgespielt am Nationaltheater Mannheim (Regie: Jennifer Regnet) sowie am Vorarlberger Landestheater, Bregenz, das das Stück als Doppelabend mit der österreichischen Erstaufführung von Und dann kam Mirna zeigt (Regie: Nele Weber). Zusätzlich hatte Und dann kam Mirna am Staatstheater Nürnberg Premiere (Regie: Anne Bader). 12 Bergs Wutbürger-Text Viel gut essen, 2014 am Schauspiel Köln uraufgeführt (Regie: Rafael Sanchez), wurde 2015 / 16 u. a. nachgespielt am Theater Münster (Regie: Max Claessen), ETA Hoffmann Theater Bamberg (Regie: Niklas Ritter), Theater Ulm (Regie: Fanny Brunner), Theater Freiburg (Regie: Heike M. Götze) und am Schauspielhaus Zürich (Regie: Sebastian Nübling; Schweizer Erstaufführung), 2016 / 17 bisher gefolgt von Pro­duk­ tio­nen am Theater Erlangen (Regie: Katrin Lindner) und LTT Landestheater Tübingen (Regie: Marlene Anna Schäfer). Mein ziemlich seltsamer Freund Walter, das 2015 für den Mülheimer KinderStückePreis nominiert war, ist ab Dezember 2016 an den Hamburger Kammerspielen zu sehen (Regie: Frauke Thielecke). Auch im Ausland gab und gibt es zahlreiche BergInszenierungen, u. a. die tschechische Erstaufführung von Und jetzt: die Welt! am Theater Divadlo X10, Prag, die dänische am Husets Teater, Kopenhagen, sowie die norwegische am Nye Teater, Oslo. Zuletzt hat Sibylle Berg im Oktober 2015 in eigener Regie ihr Stück How to Sell a Murder House am Theater Neumarkt, Zürich, uraufgeführt: «Mit gewohnt spitzer Feder skizziert Berg eine aus den Fugen geratene Welt … Eine wunderbar boshafte Demontage von Gender-Diskurs und verkorksten Beziehungen zwischen Männern und Frauen.» (Neue Zürcher Zeitung) «Ein Ungeheuer mit tau­ send Nullen, die herren­ losen Billionen, die sinn­ los um unseren Erdball rasen, sst sst sst, jede Sekunde. Nomadenzaster, Billionen, die es gibt und nicht gibt zugleich, Billionen, die keinem gehören, an nichts in der Welt mehr gebunden, kei­ nen Wert, keinen Markt, keinen Boden, kein einzi­ ges Wesen! Und trotzdem arbeiten die, nur weiß keiner, woran. Wir sind nicht mehr in der Lage, gie: Tilman Gersch) und am Staatsschauspiel Dresden (Regie: Christian von Borries). ■ Auch Die Schutzbefohlenen werden 2016 / 17 weiter nachgespielt, u. a. am Landestheater Mecklenburg, Neustrelitz (Regie: Eberhard Köhler), an der Landesbühne Niedersachsen Nord, Wilhelmshaven (Regie: Eva Lange), am Pfalztheater Kaiserslautern (Regie: Yvonne Kespohl) und am Tiroler Landestheater, Innsbruck (Regie: Elke Hartmann). Im Frühjahr 2017 hat das Stück belgische Erstaufführung am Toneelhuis Antwerpen in der Regie von Guy Cassiers. Theresia Walser ■■ Die Unsichtbaren oder Im Turm zu Basel 3D – 4H Auftragswerk für das Theater Basel U: 15.09.2016 Theater Basel (Regie: Sebastian Schug) Die Unsichtbaren oder Im Turm zu Basel, Theater Basel das zu beherrschen. Es wird der Tag kommen, an dem wir uns selbst nicht mehr gehören, an dem wir bloß noch Schatten von Schatten sind.» THERESIA WALSER Die Unsichtbaren oder Im Turm zu Basel G öttern gleich lenken Zentralbanker in ihren Wolkenkratzern die Geschicke ganzer Staaten. Doch wie Zeus im griechischen Olymp ist auch Theresia Walsers «Finanzweltpapst» Mr. Greeper Angriffen ausgesetzt. Draußen vor seinem Turm protestieren Demonstranten gegen seine undurchschaubare Politik, und intern arbeiten zwei seiner Untergebenen hinterrücks an seinem Sturz. Guston möchte am liebsten sofort das Bargeld abschaffen, statt wie Greeper ständig neue «Baumwolllappen» nachzudrucken; Ferchl, der kassandrahaft bereits die letzte Krise vorhergesagt hatte, hält den Kapitalmarkt mittlerweile für völlig unbeherrschbar und fordert noch viel massivere Reformen. Allein Tronje, die «Turmherrin», steht zu Greeper – hauptsächlich, weil sie ihrerseits seinen Posten will. Zwischen all diesen Fraktionen spuken die alterslosen Dienerinnen Lynn und Fine, die im Laufe der Jahrzehnte taub und stumm geworden und zugleich allwissend sind. Als Greeper verkündet, das bankrotte Schwellenland Argentinien in den «inner circle» aufzunehmen, kommt es zum offenen Machtkampf, der geräuschlos tödlich endet. Wahre Ereignisse gießt Theresia Walser um in ein komödiantisches Albtraum-Spiel. In ihrer unnachahmlichen Sprache porträtiert sie Menschen, die als «Auserwählte» über Schicksale entscheiden und dabei so erbärmlich normal sind wie wir «Sterblichen». Im winzigen Detail entdeckt sie das große Ganze, bis sich am Ende nicht nur unser Blick auf die Finanzwelt grundlegend verschiebt. Kurz nach Die Unsichtbaren oder Im Turm zu Basel hatte am Theater Basel außerdem Walsers Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel Premiere, dessen Tourneeproduktion 2016 / 17 in die dritte Wiederholung geht und das am Thalia Theater Hamburg in der letzten Spielzeit wegen des großen Erfolgs von der Garage in die Gaußstraße gewechselt ist. Im September 2016 hatte das Stück griechische Erstaufführung am Theater Thessaloniki (Regie: Sarantos Zervoulakos), in Norwegen lief es zuletzt am Nye Centralteatret Oslo, in Schweden am Uppsala Stads­teater, und 2017 zeigt das Stadttheater Reykja­ vik die isländische Erstaufführung. ■ 13 Laura Naumann ■■ Grand Prix de la Vision L AUR A NAUM ANN Grand Prix de la Vision 4D Auftragswerk für das Schauspiel Leipzig U: 25.11.2016 Schauspiel Leipzig (Regie: Alexandra Wilke) Laura Naumann ■■ Manchmal hat die Liebe regiert und manchmal einfach niemand 4D – 3H Auftragswerk für das Schauspielhaus Bochum U: 18.09.2016 Schauspielhaus Bochum (Regie: Jan Gehler) «ich will zurück dahin wo ich mein Unglück kenne» V ier Frauen sind mit einer handzahmen Kampfdrohne unterwegs, um die Welt zu retten. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Carla, Ende 50, war mal bei der Fremdenlegion und hat auch sonst eine ziemlich obskure Ver­ gangenheit. Die als Junge aufgewachsene Halbgar hat mit 19 die Weltkrieg-Reenactments ihrer Eltern endgültig satt. Anna, 30, als Kind aus Kabul geflohen, jagt Trolle im Internet, und Skart, Mitte 20, säße heute noch in Bischofswerda, wäre ihr nicht wegen extremen Liebeskummers ohnehin ­ alles egal. Gemeinsam haben sie nichts außer dem Wissen, dass die Welt um sie herum kaputt ist und es so nicht weitergeht. Doch auch die Weltrettung gibt es dieser Tage nur als Castingshow: Beim Grand Prix de la Vision werden die ganz großen Ideen gekürt. Obwohl ihre Pläne alles andere als ausgereift sind, treten die vier an– aber schon dass die Frauen trotz aller Differenzen gemeinsam nach Veränderung suchen, ist offenbar radikaler, als ihre Umwelt es aushält. Mit subversivem Witz zeigt Laura Naumann in Grand Prix de la Vision, wie schwierig Verständigung und Solidarität sein können und wo echter Wandel beginnt. Manchmal hat die Liebe regiert und manchmal einfach niemand W as war der schönste Moment in deinem Leben? Was der schlimmste? Gibt es die eine große Geschichte, oder ist alles nur ein ­Chaos aus zufälligen Ereignissen? Das Helene-Fischer-Konzert mit dem neuen, noch ein bisschen fremden 14 Mann – war das am besten? Dein Stolz, als deine Schüler eine politische Bewegung gegründet haben? Wovon träumst du – vom Neuanfang, wenn das Kind aus dem Haus ist? Von deiner Familie vor zerbombten Häusern? Dass alles endlich Sinn ergibt? Sieben Figuren suchen in Laura Naumanns Stück nach dem, was ihr Leben ausmacht: Johanna, engagierte Lehrerin und am Boden zerstört, weil Cleo sich von ihr trennt; Cleo, unglücklich, ohne zu wissen, warum. Pia, die Johanna politische Agitation vorwirft und vehement ihre Entlassung aus dem Schuldienst betreibt, Tom, der Pia zuliebe dabei mitmacht. Der Hotelanimateur Mathias, der gegen Geld mit Touristinnen schläft, sein Vater Heinz und die Ukrainerin Alina, die sich gemeinsam gegen das Alleinsein entscheiden. Mit Leichtigkeit und Präg­ nanz entwirft Laura Naumann einen Reigen aus Begegnungen, Sehnsuchts- und Verlustmomenten, in dem zumindest die Möglichkeit aufscheint, dass hin und wieder auch die Liebe regiert. »Ein Stück, das mit leichter Hand, aber nie leichtgewichtig Fragen stellt: Was steuert unsere Entscheidungen – Zufall oder Schicksal? Das, was wir ‹Ich› nennen? Oder manchmal doch die Liebe? … Bei aller gebotenen Ernsthaftigkeit scheint eine sommerlich-heitere Stimmung über Jan Gehlers Inszenierung zu liegen … Das gut aufgelegte Ensemble gibt sich dem charmantironischen Stück hin und berührt so die Herzen der Zuschauer auf besondere Art.» (Der Westen) Ich warte schon seit drei Fantas auf meinen Auftritt D ie meisten Dramen der Weltliteratur haben sie: Nebenfiguren, deren Darsteller_innen viel Zeit in der Kantine verbringen, bis ihr Stichwort kommt. Drei von ihnen verhilft Laura Naumann zu einem eigenen Auftritt, in dem sie die Lage endlich mal aus ihrer Sicht erklären können: Hänsel und Gretels Vater, der an seinen schulschwänzenden «Albtraum-Kindern» verzweifelt und in letzter Not auf ein fürchterliches Reality-TV-Format setzt, das ihm ein handhabbares Familienleben verschaffen soll. Hamlets Mutter Gertrud, die die trotzig schweigende Ophelia beschwört, ihre Stimme zu finden inmitten all der Männer, die für sie sprechen «Zwischendrin versuch ich was Sinnvolles zu tun und beginne eine Tabelle, in der ich Handlungen sammle, die nicht schaden, die aus­ schließlich positiv sind, und Handlungen, die negative Konsequenzen ­haben. Rechts ist fast voll, links steht bis jetzt nur: Die Pflanzen gießen. Ich bleib dran.» Laura Naumann ■■ Ich warte schon seit drei Fantas auf meinen Auftritt Rip-off Monologe Auftragswerk für das Hessische Staatstheater Wiesbaden Hänsel und Gretel bei Kabel 1 Die strengsten Eltern der Welt 1H Lass uns reden Ophelia lass dich nicht hängen Manchmal hat die Liebe regiert …, Schauspielhaus Bochum 1D wollen. Die von Brechts stummer Katrin inspirierte Figur in all the silent ladies hingegen steht für den entgegengesetzten Weg: Stellvertetend für alle von sexueller Gewalt betroffenen Frauen, spricht sie ein einziges und letztes Mal, bevor sie ein selbstbewusstes Verstummen vorschlägt, die Verweigerung jeder Reaktion. Naumanns «Rip-off Monologe» sind Bonusmaterial, Zusatztexte zu den jeweiligen Stücken, können aber auch unabhängig davon einzeln oder in ­Kombination gespielt werden. Im April 2016 gewann Zwischen den Dingen sind wir sicher den Autorenwettbewerb des Düsseldorfer Schauspielhauses. Aus der Begründung der Jury: «Ungewöhnlich und bewegend ist, wie eine so junge Autorin das Zusammenleben einer dysfunktionalen Familie zeichnet, die verzweifelt versucht, Normalität zu finden, wo keine mehr ist.» Die Uraufführung war im Oktober 2016 am Landestheater Memmingen (Regie: Oliver D. Endreß). All the silent ladies all the silent ladies now put your hands up 1D U: 04.06.2016 Hessisches Staatstheater Wiesbaden (Regie: Sophia Stürmer) ■ demut vor deinen taten baby hat in der Saison 2016 / 17 u. a. am Theater Lüneburg (Regie: André Rößler) und am Theater Münster (Regie: Anne Bader) Premiere. ■ Laura Naumann ist außerdem Teil des Autorinnen- / Performerinnen-Kollektivs Henrike Iglesias. Ihre aktuelle Produktion GRRRRRL entstand mit dem Roxy Birsfelden (CH) und den Berliner Sophiensaelen und wurde zum Festival BODY TALK der Münchner Kammerspiele eingeladen. In der Spielzeit 2016 / 17 arbeitet Henrike Iglesias mit dem Theater Junge Generation Dresden und dem Theater Bielefeld zusammen. Gerhild Steinbuch GERHILD STEINBUCH Gute Geständnisse besserer Menschen ■■ Gute Geständnisse besserer Menschen Besetzung variabel «Aber mit mir passiert nichts mehr, ich passiere Menschen und Dingen ­gleichermaßen» D er Hass ist allgegenwärtig. Er fließt offen in den Kommentarspalten im Internet, bricht sich immer wieder gewalttätig Bahn, gärt dumpf unter scheinbar gewöhnlichen Begegnungen. Gute Geständnisse besserer Menschen steigt hinab in die Abgründe des Alltäglichen, folgt realen Ereignissen, verdichtet und überhöht sie und erschafft dabei ein poetisches Psychogramm eines höchst unangenehmen Menschenschlags. Nicht die viel zitierten «Verlierer der Gesellschaft» sind hier das Problem, sondern diejenigen, deren Privilegien schwinden. In einem vielstimmigen Text, der den Gedankenspiralen aus Selbstmitleid, Hybris und Wut noch in die dunkelsten Ecken folgt, ziehen sich die Schlin 15 Magdalena Schrefel, geboren 1984, aufgewachsen in Wien, studierte nach längeren Arbeitsaufenthalten in Vukovar und Göteborg an der Universität Wien sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Ihr Stück Danke, dass ich jetzt Ihren Hund halten darf wurde 2013 an den Münchner Kammerspielen im Rahmen des Münchner Förderpreises für deutschsprachige Dramatik ausgezeichnet. Außerdem war sie für Die Bergung der Land­ schaft für den Heidelberger Stückepreis 2014 nominiert, das im Rahmen des Festivals Neues Volkstheater vom Volkstheater Wien auch in einer szenischen Lesung präsentiert wurde. Magdalena Schrefel ■■ Sprengkörperballade Besetzung variabel, mind. 2D U: 05.05.2017 Schauspiel Köln (Regie: Andrea Imler) Magdalena Schrefel ■■ Die Bergung der Landschaft 2D – 3H gen immer enger zusammen, erscheint der Alltag als fortdauernde Demütigung, aus der man sich nur mit Gewalt befreien kann. In einer perfiden Volte wird daher der literarisch so oft bemühte Waldspaziergang auch in Steinbuchs Text Ort der Erlösung von der Kultur: Hier wird der Mensch zur Kreatur, hier fallen die Fassaden, die Natur bricht sich Bahn. Das Wissen um die eigene Erbärmlichkeit, Stumpfheit und Ödnis, das alles zählt nicht mehr, wenn man gemeinsam auf die Jagd geht, wenn der Gegner vor einem steht, wenn Fleisch auf Fleisch trifft, bis der erste Knochen bricht – und Täter und Opfer, Zärtlichkeit und Brutalität endlich in eins fallen dürfen. Gerhild Steinbuch erhielt 2016 gemeinsam mit der Komponistin Jagoda Szmytka das HannsmannPoethen Literaturstipendium der Landeshauptstadt Stuttgart für ein gemeinsames musikdramatisches Projekt, dessen Premiere im Frühjahr 2017 in Stuttgart geplant ist. ■ 16 M AGDALENA SCHREFEL Sprengkörperballade «Das sagt man so, das kannst du nicht wissen Aber wenn ein Mann dich mag Dann sagt er das Dann sagt er Fisch zu dir Bei uns ist das so Bei uns in der Sprache» M agdalena Schrefel entwirft ein ausgeklügeltes Rollenspiel mit sechs Frauenfiguren, um Gewaltstrukturen und Formen von Gender-Identität aufzuzeigen. Die Freundinnen Bine und Zabina spielen in Szenarien, mit denen sie sich gegenseitig herausfordern, genüsslich die Möglichkeiten von Verführung und Betrug durch. Während sie durch die Stadt streifen, gehen Zabinas Mutter und die jüngere Tochter Gina nicht aus dem Haus. Die Mutter zwingt Gina, immer wieder vergangene Momente von Familienglück, Ehekrise und dem folgenden Verschwinden des Vaters nachzustellen; die Außenwelt würde da nur stören. Cookie und Fuzzi hingegen können gar nicht mehr rausgehen, so alt sind sie. Sie kennen sich schon seit Ewigkeiten, sind vielleicht sogar Schwestern und scheinen in Kinderspielen und Abzählreimen gefangen. Leider sind ihre skurril mädchenhaften Rituale ein Spaß mit tödlichen Folgen. Statt drei Frauenpaaren sehen wir vielleicht auch nur einzelnen Frauen zu, die mit ihren Alter Egos wie mit Puppen spielen und in einer zwanghaften Wiederholung gefangen sind. In jedem Fall ergänzen und spiegeln sich die drei Handlungsebenen, sodass Sprengkörperballade zu einem eindringlichen und gewitzten Kaleidoskop weiblicher Identität wird. Die Bergung der Landschaft «Hier bei uns ist es, als läge nichts zwischen dem Auge und der Landschaft, als gäbe es keinen Raum dazwischen, auch keine Zeit und keinen Halt.» I n der heimatlichen Landschaft, die keine Distanz zu ihrem Betrachter zulässt und deren Schönheit von vornherein fadenscheinig ist, wirkt der kauzige Vater als Fremdkörper und Störfaktor. Seit seine Frau tot ist, zieht er sich zunehmend von der alltäglichen Arbeit in seine eigene Vorstellungswelt zurück. Der Sohn, dem es immer weniger gelingt, seinen Vater zu erreichen, ist mit der Bewirtschaftung des Hofs überfordert. Dem Bürgermeister, der halb freundschaftlich, halb autoritär staatliche Hilfe anbietet, kann er trotzdem nur mit großer Skepsis gegenübertreten. Und während der Vater weiter an seiner Maschine baut, die die Landschaft, ja die ganze Welt und zuletzt auch ihn selbst in sich aufnehmen soll, bahnt sich eine Katastrophe an, die über den vertrauten Horizont weit hinausreicht. Von der Zeit nach dem Unglück künden möglicherweise die beiden Mädchen, die aus der Stadt gekommen sind, der Natur mit staunenden Augen gegenüberstehen und in deren Welt ganz neue Grenzen gezogen wurden. Magdalena Schrefel hat ein hintergründiges, wenn nicht hinterhältiges Heimatstück geschrieben, das mit den Klischees von Beschaulichkeit und Geborgenheit gründlich aufräumt und von Mechanismen der Aus- und Begrenzung erzählt. Die Maschine, die der Vater baut, gibt es übrigens wirklich: Sie ist als «Weltmaschine», gebaut von Franz Gsellmann, in einer kleinen Gemeinde in der Steiermark zu besichtigen. NURK AN ERPUL AT / JENS HILL JE Verrücktes Blut «Eine ‹Amok-Komödie› vom Zusammenprall der Kulturen.» DER SPI EGEL W as passiert, wenn eine Lehrerin, von ihrer pöbelnden Klasse völlig überfordert, eher zufällig Kontrolle über die Waffe eines Schülers erlangt? Sie unterrichtet mit vorgehaltener Knarre Schillers Räuber und entpuppt sich dabei als gnadenlose Verfechterin freiheitlicher Werte, bis auch der letzte «Kanake» Schiller’sche «Vernunft» angenommen hat. Nurkan Erpulat / Jens Hillje ■■ Verrücktes Blut Nach dem Film La Journée de la jupe von Jean-Paul Lilienfeld 3D – 5H U: 02.09.2010 Ballhaus Naunynstraße, Berlin, in Koproduktion mit der Ruhrtriennale (Regie: Nurkan Erpulat) Verrücktes Blut ist nach der Einladung zum Theatertreffen 2011, dem Publikumspreis der Mülheimer «Stücke 2011», der Ausstrahlung im Fernsehen (3sat), zahlreichen Inszenierungen in Deutschland und international quasi zum Klassiker des post­ migran­ti­schen Theaters geworden. Die Uraufführungsinszenierung des Ballhaus Naunynstraße ist noch immer im Maxim Gorki Theater zu sehen. «Schillers ‹Ästhetische Erziehung des Menschen›, der ‹nur da ganz Mensch ist, wo er spielt›, wird in einer rabiat angelegten Paradoxie zur sarkastisch kalkulierten Versuchsanordnung.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) «Die Produktion ist durchgeknallt und unverschämt … und gnadenlos witzig.» (Süddeutsche Zeitung) «Ein aberwitziger Theaterspaß, ein ‹Well-made play› voller überraschender Wendungen und greller Scherze.» (Der Spiegel) 17 Feridun Zaimoglu / Günter Senkel ■■ Antigone Frei nach Sophokles 3D – 4H oder 2D – 5H Auftragswerk für das Schauspielhaus Zürich U: 10.09.2016 Schauspielhaus Zürich (Regie: Stefan Pucher) FERIDUN ZAIMOGLU / GÜNTER SENKEL Antigone D ucken, dulden oder dienen» heißen die Alternativen für das Volk, seit Kreon in Theben mit harter Hand regiert. Nach dem Scheitern von Polyneikes’ Putschversuch wurden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft, um weitere Unruhen zu verhindern. Militärs patrouillieren die Straßen, der Geheimdienst führt Säuberungsaktionen durch, kritische Journalisten werden ausgeschaltet. Trotzdem gibt es unverändert Widerstand, und besonders vehement weigert sich Antigone, Polyneikes’ Schwester, die neuen Gesetze zu befolgen. Von den einen als Hure denunziert, von den anderen zur Heiligen verklärt, bringt sie Chaos in die innere Ordnung und zwingt Kreon zum Handeln. Denn dessen Macht ist keineswegs so unangefochten, wie es scheint … «Im Zeitalter brutalster Kriege, humanitärer Kata­ strophen, machtgeiler Herrscher und durchgedrehter Medien geht der Konflikt zwischen radikaler Staatsmacht und kompromisslosem Individuum unvermindert unter die Haut. Ganz besonders, weil es Feridun Zaimoglu und Günter Senkel gelungen ist, den Text des Sophokles ins Heute zu transponieren: durch eine direkt-verständliche Sprache und mit starken Bildern.» (sda) «Ihre Fassung beschreibt eine verrohte Gesellschaft irgendwo zwischen Pegida und IS … Vor allem aber verdeutlicht sich darin, wie Gereiztheit in Hybris umschlägt und diese Hybris zu unauflösbaren Konflikten führt … (Doch) die wahre Herrschaft liegt hier gar nicht bei einem Tyrannen. Sie liegt in den Händen von diskreten Tischrunden in Banken-Etagen und Unternehmensverbänden, Börsenkreisen und Waffen-Lobbyisten.» (Südkurier) Im April 2016 war am Theater Kiel die Uraufführung von Die zehn Gebote (Regie: Annette Pullen), das im belagerten Leningrad des Zweiten Weltkriegs spielt. «Zaimoglu und Senkel gehen hart mit ihren Figuren ins Gericht … Ein gütiger Gott, ein mitmenschlicher Glaube existieren nicht mehr. Religion wird in der alttestamentarischen Lesart e­ ines ‹Auge um Auge› zur Rechtfertigung des Krieges instrumentalisiert.» (Theater der Zeit) «Dürr sind die Sätze, karg und archaisch die Worte, in denen sich die fortschreitende Brutalisierung eindrucksvoll spiegelt.» (Die deutsche Bühne) ■ «Für sein sprachgewaltiges erzählerisches und dramatisches Werk», so die Jury, wurde Feridun Zaimoglu 2016 mit dem Berliner Literaturpreis ausgezeichnet. «Gegen des Herrschers Erlass sind wir machtlos. Es sitzt nicht, wie in alten Zeiten, ein einz’ger Mann in Gottes Gnaden auf dem Thron. Der Männer sind viele, die ihn stützen.» Antigone, Schauspielhaus Zürich 18 JOHN VON DÜFFEL Römische Trilogie «Der Krieg, in dem wir sind, ist einer ohne Gegner, Ein Schlachten ohne Schlacht mit einer ganzen Stadt als Geisel und Morden, wahllos, überall.» D ie Republik ist in einer schweren Krise: Machtverhältnisse sind instabil, die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander, Rebellen drohen mit Terroranschlägen. Rufe nach einem neuen starken Mann werden laut, der am besten gleich den Ausnahmezustand verhängen soll, um autokratisch durchzugreifen. Im Gegenzug rufen Populisten das Volk zum Protest gegen «die da oben» auf … Was nach sehr heutigen Angriffen auf unsere Freiheit klingt, spielt in Wahrheit im antiken Rom. Schon in Ödipus Stadt hatte John von Düffel er­ folgreich drei Dramen von Sophokles, Euripides und Aischylos zu einem neuen Ganzen gefügt. Noch konsequenter bündelt er nun in Römische Trilogie die Shakespeare-Stücke ­Coriolan, Julius Cäsar und An­ tonius und Cleopatra zu einem großen Panorama, in dessen Zentrum der Siegeszug von Demagogen und Despoten über demokratische Errungenschaften steht. Ohne plumpe Aktualisierungen und geschrieben in einer streng gebundenen, aber schnörkellos direkten und zeitlosen Sprache, beleuchtet John von Düffel das «PolitikGeschäft», erzählt von Putschisten, Spin-Doktoren, nicht eingelösten Wahlversprechen oder fatalen Bündnisfällen. Die handelnden Personen mögen Brutus, Oktavius oder Agrippina heißen, das Gesellschaftssystem ein anderes sein, doch gerade in der historischen Distanz treten die Ähnlichkeiten zum Hier und Jetzt umso plastischer und erschreckender hervor. John von Düffel ■■ Römische Trilogie Nach Coriolan, Julius Cäsar und Antonius und Cleopatra von William Shakespeare Besetzung variabel, mindestens 2D – 5H Auftragswerk für das Staatstheater Nürnberg U: 22.10.2016 Staatstheater Nürnberg (Regie: Klaus Kusenberg) Die Songs von Peter Fox’ Kult-Album Stadtaffe hat John von Düffel gemeinsam mit dem Regisseur Fabian Gerhardt zu dem «Theater-Trip» AFFE verwoben, der im November 2016 an der Neuköllner Oper, Berlin, Uraufführung haben wird. ■ Gerald Reschs Kinderoper Gullivers Reise, für die John von Düffel das Libretto geschrieben hat (basierend auf seinem gleichnamigen Theaterstück), wird im Mai 2017 an der Oper Dortmund in Koproduktion mit der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf / Duisburg und der Oper Bonn uraufgeführt (Regie: Marcelo Diaz). ■ Orest, Staatstheater Stuttgart 19 Alexander Eisenach, geboren 1984 in Berlin, studierte Theaterwissenschaft und Germanistik in Leipzig und Paris. Er war Regieassistent am Centraltheater Leipzig und 2013 / 2014 Mitglied des Regiestudios am Schauspiel Frankfurt. Seit 2014 arbeitet er als freier Regisseur, u. a. am Schauspiel Hannover, am Schauspiel Graz, am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Deutschen Thea­ ter Berlin. 2014 wurde sein erstes Theaterstück Das Leben des Joyless Pleasure am Schauspiel Frankfurt uraufgeführt. 2015 / 16 nahm Eisenach dort am Autorenstudio teil, in dessen Rahmen Der goldene Fleiß entstand. Im Februar 2017 ist am Theater Bonn die Uraufführung des Auftragswerks Der Zorn der Wälder (Regie: Marco Štorman). Alexander Eisenach ■■ Der goldene Fleiß Besetzung variabel, mindestens vier Darsteller_innen U: 06.03.2016 Schauspiel Frankfurt (Regie: Daniel Foerster) Alexander Eisenach ■■ Der kalte Hauch des Geldes Ein Finanzwestern 2D – 3H Auftragswerk für das Schauspiel Frankfurt U: 11.11.2016 Schauspiel Frankfurt (Regie: Alexander Eisenach) In der vergangenen Spielzeit hatte John von Düffels Neufassung von Orest (Trojas Schatten) am Theater Koblenz (Regie: Markus Dietze) sowie am Staatstheater Stuttgart (Regie: Stephan Kimmig) Premiere: «Eine neue, erstaunlich kohärente Orestie … Wo bei Aischylos und Euripides noch die Grausamkeit des Mythos regierte, herrscht bei Düffel eine fast schon bürgerliche Psychologie. Sein Text hält die Balance zwischen der Wut und Wucht der Vorlagen und einer zeitgemäßeren Logik der Leidenschaften.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) «Präzise und bildreich schildert Düffels Text nicht allein die mörderischen Familienkonflikte in antiken Zeiten, sondern lässt zwischen den Zeilen auch Grundsätzliches durchblitzen: das Aufbegehren der jungen Generation gegenüber den Eltern, deren Erbe sie doch weiter trägt.» (Süddeutsche Zeitung) ■ Der goldene Fleiß, Schauspiel Frankfurt 20 ALEX ANDER EISENACH Der goldene Fleiß «Die Frage ist nicht, wie wir Helden werden, ­sondern wie wir überleben in dieser Sauerei.» I n den Eingeweiden eines Schafes erkennt ein Voodoo-Priester in Darfur deutlich die Probleme Afrikas: Die Gesellschaft schaut dem eigenen Verfall zu, verharrt in der Lethargie der Kolo­nial­ zeit, gibt dem Westen die Schuld an der eigenen Unfähigkeit und bekämpft sich lieber wechselseitig, als gemeinsam Besserung zu schaffen. Doch das Orakel weiß einen Ausweg: Der goldene Fleiß, der Europa seit Jahrhunderten seine Vormachtstellung sichert, muss geraubt werden, damit Afrika sein Schicksal endlich selbst in die Hand nehmen kann. Also werden Jayson und Marbadu auf dem Schlepperschiff Gora auf den gefährlichen Weg übers Mittelmeer geschickt: eine «Argonautenfahrt von Afrika aus als Versuch, den Klischees zu entrinnen, den Spieß irgendwie kühn umzudrehen, nicht mehr als Bittsteller an eine vermeintliche Paradiestür zu hämmern, «Es gibt da dieses Zitat von Karl Marx, dass sich Geschichte immer zweimal ereignet. 20 Mal. Genau, dass sich Geschichte immer 20 Mal ereignet. Einmal als Tragödie, einmal als Farce, einmal als Tragikomödie, einmal als ZDFZweiteiler, einmal als BBC-Miniserie, einmal als Telenovela, einmal als Eventmovie, einmal als Kriminalkomödie, einmal als ZDFZweiteiler sondern auf Beutezug auszugehen und mit dem Besten zurückkehren» (Frankfurter Rundschau). Doch auch die heldenhafteste Selbstermächtigung kommt nur schwer gegen die Beharrungsmacht der Verhältnisse an, die für am Strand angeschwemmte Afrikaner nur eine einzige Rolle vorsehen … Der kalte Hauch des Geldes Ein Finanzwestern W ilder Westen: starke Männer, schöne ­Frauen, Kampf, Gefahr und vor allem: Gold. Wer sein Glück machen will, sucht es hier. Man wird reich, oder man arbeitet für jemanden, der es schon ist, Kapital akkumuliert sich, es gibt Gewalt, aber keine Unklarheiten, das Recht schützt den Besitz und damit basta. Doch auch in die kleine Goldgräberstadt mitten im Nirgendwo zieht der Fortschritt ein: Die Eisenbahnschienen reichen schon fast an den Ort heran, die Bodenschätze gehen zur Neige. Was liegt da näher, als eine Bank zu gründen? Was soll das Starren auf den Goldpreis von heute, wenn ich eine Wette auf den von morgen abschließen kann? Was taugt der Handel mit Waren, wenn der Handel selbst zur Ware wird? Aber selbst aus dem Umkreis des lokalen Geldhais regt sich leiser Widerstand gegen die Durchökonomisierung der Gesellschaft – und wer ist der mysteriöse Fremde, der in seinem Zimmer über dem Saloon offenbar ganz eigene Ziele verfolgt? Die Verhältnisse beginnen zu tanzen und die Diskurse mit ihnen, wenn im anspielungsreichen Miteinander von Filmzitaten und Wirt­schafts­theo­ rie in den staubigen Straßen des wilden Westens der Finanzkapitalismus entsteht – bis hin zum obligatorischen Showdown. ZDF-Zweiteiler hattest du schon! Unterbrich mich nicht! Einmal als ZDF-Dreiteiler, einmal als amerikanisches Serienhighlight, einmal als Dokumentarfilm, einmal als Geschichts­fälschung und einmal als Geschichte. Ja, denn Geschichte ereignet sich manchmal auch als Geschichte.» MICHEL DECAR Schere Faust Papier A lles beginnt mit einem Zeitsprung: Mindestens drei (bzw. endlos viele) namenlos bleibende Figuren sind davon überzeugt, dass sie in ihrem Atombunker im wahrsten Sinne des Wortes in die Steinzeit zurückgebombt wurden. «Vielleicht sind es Rollenspieler, die in einem falschen Level gelandet sind. Sie erzählen sich die Geschichte der Welt, spielen sich etwas vor: am Anfang ein Kratzen, dann ein Mensch, riesige Herden in einer verlassenen Wald- und Seelenlandschaft, brennende Felder, ein Pferd aus Holz, Kreuzzüge, die Eroberung eines neuen Kontinents, Tyrannensturz und Revolution, großdeutsche Ohrläppchen, polnische und weißrussische Urwälder, Indochina, Terrorstaaten und Raketenabschusscodes. Michel Decars Stück ist ein faustisches Unterfangen. Umgeben von einer Vielzahl von Überschriften und Namen, Reihen und Listen gilt es, aus der Fülle der Welt zu tieferer Einsicht und brauchbaren Ergebnissen zu kommen. Decar setzt Dialoge in Gang mit plötzlichen Richtungswechseln und Wendungen: Große Myste­ rien­spiele werden veranstaltet, Höhlengleichnisse verunstaltet, Satyrspiele aufgeführt, Botenberichte hingequatscht, Pressekonferenzen improvisiert. So ungefähr.» (Matthias Günther im Jahrbuch 2016 von Theater heute) «Wir leben in einer Zeit der Fragmente, der Reste, des Eindrucksmülls, der Splitter, und haben die Sehnsucht, das alles wie die Bruchstücke von antiken Statuen zu kitten. Das schaffen wir auch, indem wir sehend blind werden.» (Ersan Mondtag) Michel Decar ■■ Schere Faust Papier Besetzung variabel U: 18.12.2016 Thalia Theater Hamburg (Regie: Ersan Mondtag) ÖE: 28.04.2017 Landestheater Niederösterreich, St. Pölten (Regie: Matthias Rippert) 21 Necati Öziri Decars Stück Jenny Jannowitz wird in der aktuellen Spielzeit am Rheinischen Landestheater Neuss inszeniert (Regie: Franziska Maria Gramss), Das Tierreich von Nolte Decar ist mit mittlerweile über 15 Produktionen weiterhin auf vielen Bühnen zu sehen, neue Produktionen kommen u. a. am Theater der Keller, Köln (Regie: Charlotte Sprenger), und am FFT, Düsseldorf, ­her­aus. ■ ■■ get deutsch or die tryin’ Besetzung variabel Auftragswerk für das Maxim Gorki Theater, Berlin, gefördert durch den HKF im Rahmen der Literaturwerkstatt «Flucht, die mich ­bedingt» des Maxim Gorki Theaters U: Mai 2017 Maxim Gorki Theater, Berlin (Regie: Sebastian Nübling) NECATI ÖZIRI THOM AS ARZT get deutsch or die tryin’ Die Neigung des Peter Rosegger E in Sommer, eine Jugend, ein Beat: Arda und seine Kumpels Bojan, Danny und Savaş verbringen die Tage auf ihrer Bank am Bahnhof. Sie dealen Gras, pfeifen Mädchen hinterher und tanzen in der Sonne mit halbgaren Nazis. Was sie nicht wissen: Es wird ihr letzter gemeinsamer Sommer sein. Als ein Freund nach dem anderen verschwindet, muss Arda sich seiner eigenen Biographie stellen und findet in den Wirren des türkischen Putsches von 1980 eine Familiengeschichte zwischen ewiger Flucht und Irgendwie-Ankommen. Necati Öziri blättert ein knallbuntes Album deutscher Identitäten auf, eine Best-of-Platte der Integration, zu der neben dem Upbeat-Tempo der vier Jungs auf der A-Seite unweigerlich auch eine Familiengeschichte in Moll auf der B-Seite gehört. get deutsch or die tryin’ ist Musik für Mütter, die auf Columbo und Wodka stehen, für Väter, deren Revolution gescheitert ist, für Freunde, abgeschoben in Länder, die es nicht mehr gibt, und für Geburts­ tage auf den Fluren des Ausländeramts, ist HipHop, Soul, Gewalt und erzählt vom Leben in einer Sprache, die nicht dir gehört. «aber du bist 18 und deine Freunde sterben in den Zeitungen mit Balken vor den Augen» 22 «Keine Tektonik der Welt trennt mir die Steiermark.» A uf dem Marktplatz einer österreichischen Kleinstadt hängt plötzlich der Heimatsegen schief. Die Statue des steirischen Dichterfürsten Peter Rosegger neigt sich gefährlich nach rechts. Die Bürgermeisterin fürchtet um die Sicherheit der Bürger, die Hauptstadt schickt einen Professor, der wissenschaftliche Klarheit schaffen soll und tektonische Verschiebungen europäischen Ausmaßes für die Schieflage verantwortlich macht. Wiesinger, Inhaber eines traditionsreichen Familienunternehmens und großzügiger Förderer der Gemeinde, will vor allem Aufregung vermeiden, schließlich steht der Besuch einer UNESCO-Delegation an, die den Stadtkern zum Kulturerbe ernennen will. Das Standbild erweist sich derweil als labil: Nachdem es mit einem Kran gerade gerückt wurde, sackt es über Nacht erneut nach rechts. Beschwichtigungen der Bürgermeisterin, Notmaßnahmen des Professors und Aufregung in den sozialen Netzwerken tra- Totes Gebirge, Theater in der Josefstadt, Wien gen nur zur Eskalation bei. So sieht sich Wiesinger schließlich gezwungen, selbst für Ruhe zu sorgen, notfalls mit Waffengewalt. Die Neigung des Peter Rosegger ist eine Politsatire, die den allgegenwärtigen Rechtsruck in ein steinernes Sinnbild übersetzt und genüsslich in seine Einzelteile zerlegt. Rosegger (1843 – 1918) dient dabei als Lieferant eines widersprüchlichen Heimatbegriffs, wie er ihn in seinem literarischen Werk postuliert hat: ländliche Idylle und bescheidene Naturverbundenheit, aber auch Abschottung und Schutz gegen Bedrohungen von außen. «Arzt hat ein kompaktes Stück vorgelegt, in dem der umstrittene Mythos des Heimatdichters als Schablone dient. Auf ihr werden Nationalismus, Fremdenhass, persönliche Befindlichkeiten, Komplexe und der diffuse Heimatbegriff, den so viele gefährdet sehen, mit Wortwitz verhandelt.» (Der Standard) «Arzt kann mit heiklen Themen schonungslos, aber unverkrampft umgehen und schaut dem Volk sprachgewitzt aufs Maul.» (Die Presse) Der nackte Felsen S ieht die Welt nicht ganz anders aus, wenn man vom Berg auf sie herabblickt? Die scheinbar festgefügten Zusammenhänge aus der Distanz zu betrachten und als veränderlich zu erkennen, diese Sehnsucht hat vier Glückssucher dazu bewogen, eine geführte Bergwanderung zu buchen. Alle vier schleppen ihre Ängste, Verzweiflungen, ihren Ballast mit ins Gebirge. Ihre Erwartungen werden jedoch zunächst enttäuscht. Der Bergführer Wolf würde am liebsten gar nicht reden, und die eigentliche Leiterin der Exkursion, die einstige Gipfel­ stürmerin Marie, kämpft seit einem tragischen Kletterunglück mit eigenen Traumata und scheint für ihre Schützlinge nur wenig Interesse aufzubringen. Oder lassen Marie und Wolf die Teilnehmer bewusst im Unklaren über Ziel und Zweck der Wanderung? Die gruppendynamischen Prozesse und die Extremsituationen, die sich im Verlauf der Tour ergeben, verfehlen jedenfalls nicht ihre Wirkung – die Figuren müssen sich immer wieder der Frage stellen, wie sie leben wollen. Thomas Arzt gelingt tatsächlich, was sich seine Protagonisten erträumen: Er wirft einen Blick auf individuelle Probleme und gesellschaftliche Krisen, beleuchtet ihre Zusammenhänge und stellt die Frage nach ihrer Veränderbarkeit. «Von verpfuschten Leben weiß der Autor erschreckend viel und detailliert zu berichten. In lakonisch knappen Szenen mit oft klugem Wortwitz lernen die Zuschauer die Protagonisten kennen – ihre Dämonen, ihre Träume. Arzt orientiert sich dicht am Puls seiner Generation.» (WAZ) Im Januar 2016 wurde Thomas Arzts Totes Gebirge mit Kompositionen der Musikband Franui am Theater in der Josefstadt, Wien, uraufgeführt (Regie: Stephanie Mohr). «Literarisch ist dieser Text hervorragend. Er zelebriert einen unverkennbaren eigenen Ton und ist fein rhythmisiert. Eine Steilvorlage für die SchauspielerInnen.» (Nachtkritik) «Die chorischen Passagen sind jeweils auch handwerkliche Höhepunkte. Die Liedstrophen sind in ihrer fremdartigen dialektalen Rhythmik der ideale Soundtrack für dieses Spiegelstück einer Gesellschaft zum Verrücktwerden.» (Der Standard) ■ Thomas Arzt ■■ Die Neigung des Peter Rosegger 3D – 3H Auftragswerk für das Schauspielhaus Graz U: 15.09.2016 Schauspielhaus Graz (Regie: Nina Gühlstorff) Thomas Arzt ■■ Der nackte Felsen 2D – 4H Auftragswerk für das Pfalztheater Kaiserslautern U: 12.06.2016 Pfalztheater Kaiserslautern in Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen (Regie: Harald Demmer) 23 David Gieselmann ■■ Sissy Murnau – Die Serie im Theater 2D – 2H Auftragswerk für das Theater Bielefeld ■■ Folge 1: Ich möchte glauben U: 17.03.2016 Theater Bielefeld (Regie: Henner Kallmeyer) «Thomas Arzt hat großartige Figuren erfunden, die einem sofort ans Herz wachsen … Er kreiert starke Bilder voll mit bedrohlichen, aber auch komischen Stimmungen, er ist ein Meister der Atmosphäre.» (Kurier) Außerdem war im Mai 2016 die Uraufführung von Werther lieben im Theater Phoenix, Linz (Regie: Johannes Maile). «Die Themen, die Goethe verhandelte, sind auch heute eindringlich. Besonders in den Händen von Thomas Arzt.» (Oberösterreichische Nachrichten) «Diesem Abend fehlt die Sprache nie.» (Nachtkritik) ■ ■■ Folge 2: Ich werde kämpfen U: 07.04.2016 Theater Bielefeld (Regie: Henner Kallmeyer) ■■ Folge 3: Ich möchte lieben U: 17.09.2016 Theater Bielefeld (Regie: Christian Schlüter) ■■ Folge 4: Ich will leben U: 24.09.2016 Theater Bielefeld (Regie: Christian Schlüter) Sissy Murnau, Theater Bielefeld «Die Frage, wie wir leben wollen, wird doch wohl noch gestattet sein.» 24 DAVID GIESELM ANN Sissy Murnau – Die Serie im Theater D avid Gieselmann hat sich gemeinsam mit dem Theater Bielefeld auf ein Abenteuer eingelassen. Alle sprechen von neuen Erzählformen, von «Binge Watching» und staffelübergreifenden Spannungsbögen. Aber wie lässt sich das serielle Format aufs Theater übertragen? Mit großem Sucht­poten­ tial, wie Sissy Murnau zeigt. Die Titelfigur, die in den ersten zwei Folgen noch gar nicht auftritt, übt auf alle handelnden Charaktere eine starke Faszination aus. Sie ist Freundin, Kollegin, Konkurrentin – begehrt, beneidet und von vielen geliebt. Ob sie selbst überhaupt liebesfähig ist, scheint fraglich. Stattdessen wird sie aber von einem festen Glauben beseelt, an sich selbst und an einen geheimnisvollen Ort, der für eine gänzlich veränderte Lebensführung steht: Nara. Während die Suche nach der verschwundenen Sissy Murnau immer mehr Menschen beschäftigt, greift die Sehnsucht nach Nara wie ein Virus um sich. Partnerschaften drohen daran zu zerbrechen, Reisen ins Ungewisse werden unternommen, die Figuren verlieren einander und gelegentlich auch den Kontakt zur Realität – bis zum Staffelfinale (fast) alle wieder vereint und auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt sind. Doch was wäre eine Serie ohne Cliffhanger? So drängt sich am Ende die Frage auf, wie haltbar die Einigkeit angesichts divergierender Vorstellungen von Leben und Liebe wirklich ist. To be continued. «Wer sich diesen Blockbuster entgehen lässt, der verpasst etwas. Schon die erste Folge macht seriensüchtig. Das liegt auch an der subtilen, menschenkennenden, vor allem zum lauten Lachen komischen Stückvorlage.» (Neue Westfälische) «Eine Liebeserklärung an das Serienformat und das Thea­ter gleichermaßen.» (WestfalenBlatt) David Gieselmann hat für das Theater Eisenach das Jugendstück Ablass geschrieben (siehe S. 32) und arbeitet derzeit an einem Auftragswerk für das Theater Heidelberg mit dem Arbeitstitel Der blaue Würfel. ■ Wir sind keine Barbaren! in verschiedenen Inszenierungen. oben: Theater Halle Staatsschauspiel Dresden Wallgraben Theater, Freiburg PHILIPP LÖHLE Du (Norma) «Ich habe doch jetzt wirklich schon alles durch­ gemacht … hört das denn nie auf? Das muss doch nicht sein … Kannst du mich nicht einfach gehen lassen?» G leichberechtigung zwischen den Geschlechtern ist eine Illusion – das verdeutlicht Philipp Löhle anschaulich am Beispiel seiner Titelfigur. Auf Du (Normen), uraufgeführt 2013 am Natio­nal­thea­ ter Mannheim, folgt nun der zweite Teil der «Dulogie». Und der Unterschied zwischen den beiden «Du’s» könnte krasser nicht sein. Während Normen mit viel Glück, wenig Aufwand und einigem quasi-kriminellen Geschick durchs Leben segelte, wird Norma früh in ihrer Biographie vom Leben übel mitgespielt. Gemobbt, benachteiligt oder aus zweifelhaften Motiven verführt, von ihrem Bruder ausgenutzt und von den Eltern nicht gefördert: Der Autor erspart seiner Hauptfigur bzw. uns wenig. Aber schließlich, vielleicht viel zu spät, begehrt die Protagonistin auf und wendet sich gegen das Schicksal – und gegen denjenigen, der ihre Geschichte schreibt. Denn das Stück ist auch ein hintersinniges dramatisches Spiel. Was sich zunächst als Regieanweisungen ausnimmt, entpuppt sich zunehmend als auktorialer und autoritärer Erzähltext, den Norma nicht mehr ungefragt hinnehmen kann, wenn sie überleben will. Die drastische Zuspitzung einer Biographie ist, wie ein Blick auf die aktuellen Statistiken der euro­päi­ schen Agentur für Grundrechte zeigt, nicht weit von der bitteren Realität entfernt: Jede dritte Frau in der EU war bereits körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Mit Du (Norma) ist die Hoffnung verbunden, dass eine Figur den (männlichen) Text hinterfragen kann, dass ein bewusster Ausstieg aus vorgegebenen (Gewalt-)Strukturen möglich ist. Feuerschlange «Der Beachtung der Menschen­rechte im Be­stim­ mungs- und End­verbleibs­land wird bei den Entscheidungen über Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungs­gütern besonderes Gewicht beigemessen.» Grundsätze der Bundes­ regierung für den Export von Kriegs­waffen und sonstigen Rüstungs­gütern, zitiert nach dem Rüstungs­export­bericht für 2015 vom Juni 2016 I n einer kleinen Stadt produziert ein schwäbischer Vorzeigebetrieb eines der weltweit meistverkauften Sturmgewehre. Etwa 640 Personen verdienen ihren Lebensunterhalt mit einem Gerät, das dazu dient, zu töten. Der Betrieb in der baden-württembergischen Provinz erwirtschaftete nach Eigenaussage 235 Millionen Euro im Jahr 2012. Trotz strenger deutscher Richtlinien für den Rüstungsexport tauchen die Gewehre aus schwäbischer Produktion immer wieder in den Krisengebieten dieser Welt, z. B. in den Händen mexikanischer Drogendealer Philipp Löhle ■■ Du (Norma) Besetzung variabel, mind. 4 Darsteller_innen Auftragswerk für das Nationaltheater Mannheim U: 12.11.2016 Nationaltheater Mannheim (Regie: Jan Philipp Gloger) ÖE: März 2017 Schauspielhaus Graz (Regie: Dominic Friedel) Philipp Löhle ■■ Feuerschlange Besetzung variabel Auftragswerk für das Staatstheater Stuttgart U: 29.10.2016 Staatstheater Stuttgart (Regie: Dominic Friedel) 25 Theater Magdeburg Wir sind keine Barbaren! in verschiedenen Inszenierungen. oben: Theater Heilbronn Philipp Löhle ■■ Schlaraffenland Ein autobiographisches Stück 2D – 3H Auftragswerk für das Theater Basel U: 05.05.2017 Theater Basel (Regie: Claudia Bauer) Männer damit beschäftigt, den Gang der Geschichte – oder die Theatervorstellung? – reibungslos am Laufen zu halten. Was folgt, ist eine umfassende Verstörung. Nicht nur wird der Sohn, der bisher als Ich-Erzähler seines eigenen Lebens agiert hat, nachhaltig deRheinisches Landestheater Neuss konstruiert und muss sich einem veränderten Erzählrhythmus unterordnen. Auch alle anderen Figuren (Eltern, Schwester, Onkel) oder auf den Videos syrischer IS-Kämpfer auf. Phi- empfinden die veränderte Weltsicht als Zumutung. lipp Löhle hat 15 Episoden geschrieben, die sich Denn seit der vermeintlichen Epiphanie müssen auf ganz unterschiedliche Weise – in dokumentari- sie sich ständig Vorwürfe über den bisherigen Lescher Form, als Märchenspiel, Erzähltheater bis hin benswandel an­hören. Dabei verstehen sie nicht, zur Detektiv-Story – den Geschichten hinter dem was bei dem Sohn eine solch radikale Veränderung deutschen Exportschlager annähern. der Sichtweise bewirkt hat, denn schließlich wissen doch alle, worauf unser Wohlstand und weitestgehend sorgenfreies Leben gegründet ist. Um diese Gleichgültigkeit zu durchbrechen, greift der Sohn zu einem letzten drastischen Mittel. Schlaraffenland «Es ist so einfach, glücklich zu sein … Man muss es sich nur nehmen. Oder so machen, wie man es braucht … In allen Bereichen …» I n Philipp Löhles jüngstem Stück leben wir tatsächlich alle im Schlaraffenland, wie sich am Lebensweg des exemplarischen Sohnes zeigt: Der Sohn ist in einer heilen Familie aufgewachsen, die immer zusammen zu Abend isst. Wenn etwas kaputt geht, kaufen seine Eltern es neu, aber größer. Wenn seine Mutter altert, korrigiert das der Schönheits­ chirurg. Wenn seine Oma stirbt, steht der Familie eine Trauerberaterin zur Seite. Seine Schwester heiratet karrierefördernd seinen Vorgesetzten, und er hat eine Affäre mit seiner Sekretärin. Alles läuft wie am Schnürchen, bis ihm eines Nachts ein Blick hinter die Kulissen gewährt wird. Dort sind dunkle 26 Wir sind keine Barbaren! ist mit mittlerweile über 30 Inszenierungen weiterhin auf vielen Bühnen zu sehen. Premieren stehen in dieser Spielzeit u. a. am Theater Ravensburg (Regie: Erik Rastetter), Salzburger Landestheater (Regie: Claus Tröger), Anhaltischen Theater Dessau (Regie: Wolfgang Hagemann) und Deutsch Sorbischen Theater, Bautzen (Regie: Stefan Wolfram), auf dem Programm. Löhles Stück Das Ding wurde bzw. wird in der aktuellen Spielzeit in Kanada (Canadian Stage, Toronto), Dänemark (Stadttheater Aalborg) und Estland (Endla Teater, Pärnu) inszeniert. Du (Normen) wird an der Badischen Landesbühne, Bruchsal, gezeigt (Regie: Judith Kriebel), supernova (wie gold entsteht) hat am Theater Pforzheim Premiere (Regie: Tom Gerber), und Löhles Märchenbearbeitung Peterchens Mondfahrt kommt am Landestheater Memmingen heraus (Regie: Ingrid Gündisch). ■ LEIF R ANDT Planet Magnon W ir schreiben das Jahr 48 n. AS. Seit fast 50 Jahren regiert das Computerprogramm Actual Sanity eine Gemeinschaft von sechs bewohnbaren Planeten; alle Entscheidungen werden aufgrund perfekter Statistik zum Wohle aller getroffen. Frieden, Fairness und Wohlstand sind die Konsequenz. Statt sich in Nationen oder Ethnien zu gruppieren, haben sich die Menschen zu Kollektiven zusammengeschlossen, die auf unterschiedliche Weise an der Vervollkommnung ihrer Mitglieder arbeiten. Doch dem postdemokratischen Paradies droht Gefahr: Die Mitglieder des Kollektivs der gebrochenen Herzen (Hank) wollen dem Leiden wieder zu seinem Recht verhelfen. Seltsame Anschläge erschüttern die Planetengemeinschaft, und offenbar findet das Untergrundkollektiv immer mehr Zulauf. Marten Eliot und Emma Glendale, die beiden jungen Spitzenfellows des Dolfin-Kollektivs, reisen von Planet zu Planet, um neue Mitglieder anzuwerben, und kommen dabei den Hanks gefährlich nahe … «Planet Magnon wirkt wie eine kluge Fortschreibung [von] Der Circle.» (Spiegel Online) «Leif Randt liefert hier nicht nur eine äußerst clever konstruierte Sci-Fi-Geschichte, sondern auch e­ inen überaus hellsichtigen Ideenroman, der nach dem Wert des menschlichen Makels fragt.» (Zeit Online) «Ein Trauerspiel, gewiss. Aber eines, das vorzüglich konstruiert und abgründig komisch ist.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung). Leif Randt hat seinen Roman für das Düsseldorfer Schauspielhaus selbst dramatisiert. «Randt beschreibt einen gesellschaftlichen Zustand, in dem Affirmation und Kritik ununterscheidbar sind … Randts Bühnen­fassung weicht erheblich von seiner Vorlage ab. Der Roman endet unentschieden … die Theaterfassung verdeutlicht aber die Synthese. Der Konflikt zwischen den Kollektiven wird als von der AS gesteuert erkannt.» (Nachtkritik) Leif Randt ■■ Planet Magnon Bühnenfassung von Leif Randt Besetzung variabel, mind. 2D – 3H Auftragswerk für das Düsseldorfer Schauspielhaus U: 24.09.2016 Düsseldorfer Schauspielhaus (Regie: Alexander Eisenach) Der Roman Planet Magnon ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienen. Rafael Sanchez / ­petschinka R AFAEL SANCHEZ / PETSCHINK A Mohamed Achour erzählt Casablanca ■■ Mohamed Achour erzählt Casablanca 1 – 3 Darsteller_innen U: 06.10.2016 Schauspiel Köln (Regie: Rafael Sanchez) «Weißt du, wenn ich nicht zurückkehre, habe ich das Gefühl, dass ich hier sterbe vor Scham und Ohnmacht.» M Planet Magnon, Düsseldorfer Schauspielhaus ohamed Achour hat den «Chamlet» für sein Vorsprechen vorbereitet. Doch statt ­eines Shakespeare-Monologs wollen Intendant und Dramaturgin viel lieber hören, was es mit seiner verworrenen Biographie, die sie seinem Lebenslauf entnommen haben, auf sich hat. Und so drängen sie ihn, zu erzählen. Von seiner behüteten Kindheit in Damaskus. Von dem kleinen Programmkino gegenüber, wo er zum ersten Mal Casablanca gesehen hat. Und von seiner Mutter Rania, von deren Existenz er erst im Alter von acht Jahren erfährt und auf die sich in den folgenden Jahren seine ganze Sehnsucht richtet. Rania, nach ihrer sehr frühen Schwangerschaft von ihrem Vater verstoßen, hat sich den Traum einer Sängerinnenkarriere erfüllt und führt ein glamouröses Leben in Casablanca. Mit 15 reist ihr Mohamed endlich hinterher. Die nordafrikanische Stadt wird wie in dem legendären Filmklassiker auch für ihn zu einem Schicksalsort. Hier geht die abenteuerliche Reise erst richtig los, 27 Mohamed Achour erzählt Casablanca, Schauspiel Köln Leonhard Koppelmann ■■ Klaus Barbie – Begegnung mit dem Bösen Auf Basis der Recherchen von Peter F. Müller Nach originalen Selbstzeugnissen und Interviews 1H U: 13.02.2016 Düsseldorfer Schauspielhaus (Regie: Leonhard Koppelmann) Rafael Sanchez, 1975 in Basel geboren, arbeitet als Regisseur an zahlreichen Theatern, leitete (gemeinsam mit Barbara Weber) von 2008 bis 2013 das Theater am Neumarkt, Zürich, und ist seit 2013 Hausregisseur am Schauspiel Köln. Eberhard Petschinka, 1953 in Niederösterreich geboren, arbeitet als Schriftsteller, Regisseur und Maler. ­Gemeinsam schrieben sie das Stück Rafael Sanchez erzählt «Spiel mir das Lied vom Tod», uraufgeführt 1997 am Theater Basel, dessen Radiofassung mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden und dem internationalen Premios Ondas ausgezeichnet wurde. Leonhard Koppelmann, 1970 geboren, studierte in Hamburg Regie und inszeniert u. a. am Thalia Theater Hamburg, Staatsschauspiel Dresden und am Schauspielhaus Zürich. Darüber hinaus zählt er seit Mitte der 1990er Jahre zu den renommiertesten Hörspielautoren und -regisseuren, darunter mit zahlreichen Adaptionen der Texte von Elfriede Jelinek. Außerdem arbeitet er eng mit dem Schauspieler und Autor Peter Jordan zusammen, zuletzt bei der Uraufführung von Jordans Jules-Verne-Fassung In 80 Tagen um die Welt (siehe S. 40). die Mohamed in den folgenden Jahren erst nach München, dann zur Rettung des Heimatlandes zurück nach Syrien und wieder retour nach Deutschland führen wird. Mohamed Achour erzählt Casablanca ist eine fabulierfreudige Geschichte über innere und äußere Heimat. Mohameds strenger Großvater und vor allem die kapriziöse Mutter werden zu Sinnbildern eines «Vaterlands», das noch viel versehrter ist als seine über mehrere Länder versprengte Familie. Der Text lässt sich als Monolog oder mit zwei bis drei Darsteller_innen umsetzen. LEONHARD KOPPELM ANN Klaus Barbie – Begeg­ nung mit dem Bösen D er Prozess gegen Klaus Barbie, den «Schlächter von Lyon», erregte 1987 weltweit Aufsehen. Hier stand ein NS-Täter vor Gericht, der nicht die geringste Reue zeigte, sondern sein Handeln 28 kaltschnäuzig rechtfertigte. «Ich war nie ein Verantwortlich war Barbie, fanatischer der als Gestapo-Chef im beAntisemit in rüchtigten Hotel Terminus dem Sinne, u. a. gegen die französische wir alle nicht, Résistance vorging, für grauaber nach dem same Massaker, DeportatioKriege bin ich es nen, Morde und Folterungen. ­geworden.» 1951 floh er nach Südamerika und half dort als eingefleischter Antikommunist CIA und BND bei der Partisanenabwehr, sehr wahrscheinlich sogar bei der Jagd auf Che Guevara. Trotz des frühen Protests jüdischer Aktivisten wurde er erst 1983 von der bolivianischen Polizei festgesetzt und nach Frankreich ausgeliefert. Leonhard Koppelmann hat seinen Barbie-Monolog ganz aus O-Tönen und basierend auf Recherchen des Journalisten Peter F. Müller montiert: «Weniger ein Doku-Spiel mit erhobenem Zeigefinger denn ein packendes Theatererlebnis … Unerwartet drastisch fällt das Wechselbad der Gefühle aus, das Koppelmann dem Zuschauer zumutet … (Er) zeigt, wie aus einem unauffälligen, durchschnittlichen Menschen ein Verbrecher werden kann.» (Westdeutsche Zeitung) «Die Uraufführung überzeugt gerade wegen ihrer ‹Neutralität›. Aus ihr heraus erwächst das Bild eines Mannes, dessen scheinbare Normalität viel erschreckender ist als der Gedanke an einen ‹Henker›.» (Rhein-Neckar-Zeitung) «Eine dramatische Aufforderung zur Aneignung abstoßender Geschichte.» (WAZ) «Tuğsal Moğul legt die Schmerzpunkte der deutschen Migranten­ gesellschaft frei.» Theater heute TUĞSAL MOĞUL Der goldene Schnitt Deutsche Konvertiten A aron litt als Kind in Afghanistan unter der Gewaltherrschaft der Taliban; später, in Deutschland, entscheidet er sich für Jesus’ Botschaft der Vergebung. Anders geht es Sarah, die ihr protestantisches Elternhaus als kühl und distanziert erlebt und erst im Islam Geborgenheit findet. Die rationale Christin Ida forscht immer weiter «in die Tiefe» und konvertiert schließlich zum Judentum. Und der Ingenieur Marc lässt sich nach der überstandenen Krebserkrankung seiner Frau katholisch taufen. Ein Fest rund um die Vorhaut Tuğsal Moğul ■■ Deutsche Konvertiten 2D – 2H E s soll ein großes Fest werden: Ibrahim, ein Anästhesist muslimischer Abstammung, und seine Frau Judith, eine Ärztin mit jüdischen Wurzeln, haben zur Beschneidung ihres Sohnes eingeladen. Aber schnell mischen sich Misstöne in die ausgelassene Stimmung. Geht es hier wirklich um die Fortführung eines identitätsstiftenden Rituals? Oder verletzt der Eingriff das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit? Auftragswerk für das Theater Münster U: 03.06.2016 Theater Münster in Koproduktion mit dem Theater im Pumpenhaus, Münster (Regie: Tuğsal Moğul) Tuğsal Moğul «Ein wichtiges Stück … Tuğsal Moğul thematisiert etwas grundlegend Menschliches, das in unserer säkularisierten, multikulturellen Gesellschaft mehr und mehr in den Blickpunkt rückt: die Suche nach Halt und Struktur in einer Religion.» (Westfälische Nachrichten) «Wie schon Die deutsche Ayşe bricht auch Deutsche Konvertiten mit erstarrten Diskursen. Wenn in den Medien von Konvertiten die Rede ist, dann geht es meist um bärtige junge Männer, die sich als Salafisten radikalisiert haben. Diesem Schreckensbild stellt Moğul vier auf realen Biographien basierende Lebensgeschichten entgegen. Aaron, Ida, Marc und Sarah wollen niemanden missionieren. Sie legen einfach auf ihre Weise Zeugnis von einem Leben ab, das erst durch den neuen Glauben vollständig geworden ist. In dem gegenwärtig derart aufgeheizten gesellschaftlichen Klima geht von Moğuls Projekt eine ungeheure politische Kraft aus. Wie Lessings Nathan der Weise ist Deutsche Konvertiten ein rückhaltloses Plädoyer für gegenseitige Toleranz.» (Nachtkritik) ■■ Der goldene Schnitt Ein Fest rund um die Vorhaut 1D – 1H Auftragswerk für das Theater Dortmund U: 16.04.2016 Theater Dortmund (Regie: Tuğsal Moğul) Deutsche Konvertiten, Theater Münster 29 KINDER- UND JUGENDTHEATER Thilo Reffert ■■ Mr. Handicap 3D – 3H ab 10 Jahre Auftragswerk für das Junge Düsseldorfer Schauspielhaus U: März 2017 Düsseldorfer Schauspielhaus (Regie: Frank Panhans) Thilo Reffert ■■ Der große Sprung oder Drei Dinger, du fliegst 3D – 3H ab 8 Jahre Auftragswerk für Next Liberty Graz U: 29.04.2017 Next Liberty Graz (Regie: Helge Stradner) «Der goldene Schnitt holt die Diskussion nach, die die Gesetzgebung 2012 eher abgewürgt hat, als dass sie ihr Resultat gewesen wäre … Alle Argumente für (und gegen) die Beschneidung werden vorgebracht, (und Tuğsal Moğul) sieht mit empathischem ethnologischen Blick auf die Verwirrungen der orientalischen Religionen.» (Theater heute) «Moğul gelingt es mit dieser Arbeit sehr gut, einen Konflikt auf den Punkt zu bringen, den sicherlich viele Migranten kennen: Wie westlich modern will ich sein? Wie viel Tradition aus der Heimat meiner Vorfahren möchte ich in mein Leben bringen, um meine Wurzeln nicht zu verleugnen? … Ein kurzer und unterhaltsamer Theaterabend über ein ernstes Thema» (WAZ) und «eine Aufforderung zum Selber-Denken» (Deutschlandfunk). Tuğsal Moğuls Stück über den NSU Auch Deutsche unter den Opfern war 2016 in der Inszenierung des Zimmertheaters Tübingen zum Heidelberger Stückemarkt sowie zu den Hamburger Privattheatertagen eingeladen, wo es den MonicaBleibtreu-Preis in der Kategorie «(Zeitgenössisches) Drama» gewann. ■ Im Juni 2017 hat am Staatstheater Nürnberg Moğuls Stück 2023 – Atatürks Erben in seiner Regie Uraufführung. ■ Open Werther, Theater Aalen 30 THILO REFFERT Mr. Handicap «Meine Oma, die hatte ihre Mohrrüben noch im Garten. Die wusste noch, dass jede Rübe anders ist, die hat keine aussortiert, da ­kamen alle in die Küche. Das war Inklusion, die wusste das bloß nicht.» V incent sabbert. Vieles kann er nicht allein, und manchmal fällt er einfach um. Jeder in der Klasse war schon mal als Vincents freiwilliger Pate dran, nur Hannes nicht. Bis Frau Kripke ihn dazu verdonnert. Dabei können die beiden sich nicht ausstehen! Und nicht genug, dass sich immer alles um Vincent dreht, er macht sich auch noch vor Hannes’ Freunden über ihn lustig – bis Hannes ihm eine reinhaut. Dass das kein vorbildliches Verhalten war, weiß er selbst; aber den Aufstand, den alle deswegen machen, findet er dann doch übertrieben. Trotz seiner Proteste lädt seine Mutter Vincent zu ihm nach Hause ein, um die Sache zu bereinigen. Dabei hatte Hannes für das Wochenende ganz andere Pläne. Wie es dann aber dazu kommt, dass die Jungs, plötzlich auf sich gestellt, zusammen mit dem Nachbarsmädchen Emine einen aben­teuer­lichen Trip zum Flughafen unternehmen, fiese Typen besiegen, ein Geheimnis über Hannes’ ­Vater erfahren und dabei ziemlich viel über Behinderung, Zusammenhalten und Anderssein lernen, das erzählt Thilo Reffert temporeich und komisch in einem Stück, in dem Inklusion zumindest für die drei neugefundenen Freund_innen am Ende kein Thema mehr ist. KINDER- UND JUGENDTHEATER «Mit Eltern muss man Kirchen anschauen, Mit kleinen Geschwistern Sandburgen bauen. Mit Omas spielt man endlos Karten, Muss im Museum auf sie warten. Mit Onkeln und Tanten im Biergarten sitzen, Im ewigen Kreislauf von Trinken und Schwitzen, Und die Cousins und die Cousinen Sind so nett nicht, wie sie schienen. Familienurlaub ist manchmal famos, Doch auf Klassenfahrt, da ist immer was los.» Der große Sprung oder Drei Dinger, du fliegst K lassenreisen sind die besten Reisen: Ferien mit Freunden, jede Menge Gelegenheit für Blödsinn, und die Erwachsenen sind eindeutig in der Unterzahl. Allerdings hat Karls leidgeprüfte Lehrerin Frau Heller klare Regeln für die Klassenfahrt aufgestellt – die wichtigste lautet: «Drei Dinger, du fliegst.» Und weil Karls Vater Ecke ihn letztes Jahr nach drei Regelverstößen mitten in der Nacht abholen kommen musste, ist er dieses Mal vor­sichts­ halber gleich selbst mitgefahren, als Aufsichtsperson. Eigentlich kann also gar nichts passieren. Aber gleich am ersten Tag hat jemand die Seifenspender mit grüner Tinte befüllt und Juckpulver in alle Schuhe gestreut. Karl ist diesmal völlig unschuldig. Hinter den Attacken steckt ganz offensichtlich Tami, die Neue, die noch keiner wirklich kennt. Das Ganze könnte Karl also völlig schnurz sein, aber er hat ein seltsames Gefühl bei der Sache. Niemand möchte doch freiwillig schon am ersten Tag abgeholt werden – oder? Mit Witz, Feingefühl und viel Musik hat Thilo Reffert ein Stück über Freundschaft und Mut geschrieben: den Mut, sich auf Neues einzulassen, und eine Freundschaft, die mutig macht – und in dem ganz nebenbei selbst den Erwachsenen klar wird, dass Regeln manchmal nicht das Wichtigste sind. Im März 2016 war am Theater Aalen die Uraufführung von Thilo Refferts Open Werther (Regie: Jonathan Giele). «Reffert will in der Reibung d ­ reier Seelen – Lotte, Albert, Werther – der narzisshaften Welt einer Internet-Generation nachspüren, in der alle Grenzen des Ich sich zugleich auflösen und zu Spielmaterial werden.» (Die deutsche Bühne) «Der Blick auf den 250 Jahre alten Text bekommt so in der Tat neue Perspektiven. Sehr raffiniert: ‹Seelenverwandtschaften› XXL.» (Aalener Nachrichten) «Selten war die Geschichte einer verbotenen Liebe unterhaltsamer.» (Schwäbische Post) ■ Im April 2017 wird am LTT Landestheater Tübingen das Auftragswerk Milas Welt (Regie: Michael Miensopust) uraufgeführt. Außerdem haben in dieser Saison Ronny von Welt am Theater Baden-Baden (Regie: Michael Miensopust) und Mein Jahr in Trallalabad (Regie: Laura Jakschas) an der Landesbühne Niedersachsen Nord in Wilhelmshaven Premiere. ■ Tim Staffel ■■ Im Netz 2D – 3H ab 14 Jahre Auftragswerk für das Theater Heilbronn U: 03.06.2016 Theater Heilbronn (Regie: Prinzip Gonzo) TIM STAFFEL Im Netz M uss der Staat wissen, was seine Bürger_innen treiben? Und sollten Eltern alles erfahren, was ihre Kinder tun? Sicherheit versus Freiheit, Überwachung versus Privatsphäre: Im Netz posi­tio­ niert sich auf einem der am heftigsten umstrittenen Spannungsfelder der Gegenwart. «Das Internet ist der zweite Urknall. Alles ist möglich, weil alles frei ist», schreibt der 15-jährige Joris. Als er über seinen Freund Emil an die Datenkontaktlinse Iris herankommt, ist er begeistert: Mit Iris im Auge ist man immer vernetzt, gesteuert wird durch Augenbewegungen und Gedankenbefehle. Emil und Joris tauchen damit bei ihren gemeinsamen Computerspielen ganz in die virtuellen Welten ein, Joris’ 31 KINDER- UND JUGENDTHEATER David Gieselmann ■■ Ablass 2D – 3H ab 12 Jahre Auftragswerk für das Theater Eisenach U: 18.03.2017, Theater Eisenach (Regie: Boris C. Motzki) Schwester Ida kann endlich bessere Musik komponieren – und die Hausaufgaben sind jetzt natürlich auch kein Problem mehr. Als dann durch einen Systemfehler der Avatar K. I. entsteht, eröffnen sich Joris noch ganz andere Möglichkeiten, die Datenströme des Internets zu durchschauen und zu manipulieren. Doch seine Aktivitäten bleiben nicht lange unentdeckt. Und als der Druck auf Joris steigt, müssen auch Emil und Ida feststellen, dass das System hinter Iris höchst private Dinge von ihnen weiß und nicht zögert, sie gegen sie zu verwenden. «Staffels Text ist direkt, klar und in einer Sprache geschrieben, die nicht nur ein junges Publikum berührt. Der Autor, Regisseur und Blogger reiht die Sequenzen so rasant wie im Drehbuch für einen Action-Thriller aneinander … In diesem dystopischen Setting geben die Figuren ihr letztes bisschen Intimsphäre preis. Gnadenlos werden ihre Gefühle zur Schau gestellt. Heraus kommt ein Abend über Identität im Zeitalter der Vernetzung und ihre Bedrohung durch die Gefahr medialer Überwachung. Und all das, zum Glück, ohne pädagogische Keule.» (Nachtkritik) DAVID GIESELM ANN Ablass «Freiheitliches Modell, wenn ich das schon höre, halt doch die Fresse mit deinem freiheitlichen Modell!» D avid Gieselmann schickt eine Bilderbuchfamilie (Vater, Mutter, Tochter, Sohn) auf die Suche nach transzendentalen Wahrheiten. Vor allem den Sohn treibt eine nagende Orientierungslosigkeit und Unzufriedenheit um. Die Eltern sind ihm mit ihrer sanften, eher passiven Art keine Hilfe bei seinen Fragen nach einer zielgerichteten Weltsicht, und seine Schwester nimmt seine Sorgen zu Beginn überhaupt nicht ernst. Also hat er online eine Gemeinschaft aufgetan, die eine krude Mischung aus digitaler Enthaltsamkeit und familiärer Dreieinigkeit predigt. Als «Wir kriegen es doch nicht mit. Wir sehen die ja nicht. Wir wissen gar nicht, wer sich sich ein Vertreter der Sekte wie ein unsere Sachen anhört oder anguckt. Dann ist es auch nicht so schlimm.» moderner Tartuffe bei der Familie einnistet, fordert er ganz unterschiedliche Reaktionen der Fami­ lien­mit­glie­der heraus. Die Tochter entdeckt ihren Widerstandsgeist und ihre revolutionäre Energie, während sich der Sohn dem neu gefundenen Weltbild fügt und dadurch in der patriarchalen Hierarchie die Karriereleiter erklimmt. Aber schließlich sind es doch die Kinder, die dem Spuk ein Ende bereiten, kurz bevor die Situation völlig eskaliert. Im Netz, Theater Heilbronn 32 David Gieselmann gelingt es besonders, die Ambivalenz der Figuren deutlich zu machen. Die letztlich reaktionäre Sehnsucht des Sohns nach festen Werten ist Ausdruck seiner im Grunde unschuldigen KINDER- UND JUGENDTHEATER «Verrückt, wie manche Leute so tun, als wüssten sie Bescheid über den Islam, obwohl sie keinen Schimmer haben.» Marcus Youssef Sinnsuche. Und die verständnisvolle Offenheit der Eltern erscheint den Kindern unentschieden und kraftlos. Gieselmann nimmt diese weltanschauliche Leere, der sich die junge Generation gegenübersieht, zum Anlass für eine Glaubenskomödie, die in letzter Konsequenz alle gleichermaßen auf die Palme bringt. ■■ Dschabber (Jabber) ab 14 Jahre Deutsch von Bastian Häfner 1D – 2H oder 2D – 1H M ARCUS YOUSSEF Marcus Youssef leitet seit 2005 das Theater Neworld in Vancouver. Als Autor und Regisseur arbeitet er in ganz Kanada. Er war Hausautor am Banff Centre sowie Haus­autor / Lecturer an der National Theatre School, Montreal, und wurde u. a. mit dem Chalmer’s Canadian Play Award ausgezeichnet. Dschabber M it einer einfachen Perspektivverschiebung erreicht Marcus Youssef etwas Unerhörtes: Die Hauptfigur in Dschabber ist eine junge, selbstbewusste Muslima, die sich für das Kopftuch, den Hidschab, entschieden hat. Die 16-jährige Fatima ist vor zwei Jahren mit ihren Eltern aus Ägypten geflohen, und selbst wenn sie ihre alte Heimat gelegentlich vermisst, hat sie sich an ihre neue Umgebung recht mühelos angepasst. Die Einschränkungen, die ihr kultureller Hintergrund mit sich bringt, sind ihr durchaus bewusst, sie akzeptiert sie aber als Teil ihrer Identität. Ernsthafte Probleme ergeben sich erst, nachdem ihre Eltern sie wegen eines anti-muslimischen Graffitis die Schule wechseln lassen. Fatima vermisst nicht nur ihre besten Freundinnen, die sich selbstironisch die «Dschabber» nennen, sondern muss sich mit ihrem neuen Mitschüler Jonas herumschlagen, der ihr mit seiner Mischung aus Ignoranz und Hartnäckigkeit auf den Geist geht. Doch vielleicht gerade weil die beiden unterschiedlicher kaum sein könnten, lässt Jonas, dem ein Ruf als Troublemaker vorauseilt, auch seine sanften Seiten erkennen, und zwischen den beiden Teenagern entwickelt sich eine vorsichtige Liebesgeschichte. Die Schwierigkeiten aber, die ihre Freundschaft mit sich bringt, werden zur größten Herausforderung ihres Lebens, an der beide beinah zerbrechen. Mit spielerischer Leichtigkeit schlüpfen drei Darsteller_innen in die verschiedenen Rollen und machen gelegentlich auch ihre eigene Haltung zur Geschichte deutlich, was dem Geschehen zusätz- Annika Hartmann / Jens Paulsen ■■ Die Schneekönigin Nach Hans Christian Andersen Musik: Birgit Rohrbeck 3D – 5H ab 6 Jahre lich erzählerische Verve verleiht. Marcus Youssef erzählt unaufgeregt und zugleich einfühlsam von zwei Jugendlichen, deren Unterschiede für sie selbst zwar nicht unproblematisch, aber überbrückbar sind. Für ihre Umgebung jedoch scheint ihre Beziehung eine unerträgliche Provokation zu sein. U: 21.11.2015 Theater Kiel (Regie: Jan Steinbach) ANNIK A HARTM ANN / JENS PAULSEN Die Schneekönigin I m kalten Nordland wohnen die Kinder Gerda und Kay bei ihrer Großmutter. Alles ist gut, bis eines Tages Kay verschwindet, verzaubert und entführt von der Schneekönigin. In ihrem Palast soll er die letzte Scherbe ihres zerbrochenen Zauberspiegels finden, mit dem sie ewige Kälte über die Welt bringen will. Trotz der Warnungen ihrer Großmutter macht Gerda sich auf den gefährlichen Weg nach Norden, um ihren Bruder zu su- 33 KINDER- UND JUGENDTHEATER PETER R AFFALT Der Zauberer von Oz I Die Schneekönigin, Theater Kiel Peter Raffalt ■■ Der Zauberer von Oz Nach L. Frank Baum 3D – 4H ab 6 Jahre U: 28.10.2016 Wuppertaler Bühnen (Regie: Peter Raffalt) chen. Eine Reise voller Abenteuer beginnt: Zusammen mit dem tollpatschigen Rentier Fritjof besiegt Gerda die schläfrigen Baumgeister und rettet den kleinen Borkentroll Blonk. Zu dritt treten sie den Eiszapfensoldaten entgegen und erreichen schließlich den Palast der Schneekönigin. Doch Kay hat die Scherbe bereits gefunden – können die Kinder die böse Königin noch aufhalten? n der grauen Einöde von Kansas sitzt Dorothy und vergeht vor Langeweile. Plötzlich reißt ein Wirbelsturm das Mädchen fort in ein farbenfrohes und sonderbares Land. In Oz kämpfen ein Zauberer und vier Hexen um die Macht. Auf ihrem Weg in die Smaragdstadt zum Zauberer, der ihr als Einziger den Weg nach Hause weisen kann, trifft Dorothy drei Weggefährten und noch viele weitere merkwürdige Gestalten. Peter Raffalt entdeckt in Baums Klassiker die zeitlose Geschichte von Freundschaft, Selbstvertrauen und Mut, die Generationen von Kindern und Erwachsenen immer wieder in ihren Bann zieht. Peter Raffalts Bühnenfassung Peter Pan, die im Oktober 2015 an den Wuppertaler Bühnen uraufgeführt wurde, hatte in dieser Spielzeit am Theater Next Liberty, Graz, Premiere. ■ «Gut gegen Böse, Herzenswärme gegen Herzenskälte – auf der Suche nach ihrem Bruder wächst die kleine Gerda über sich hinaus.» (NDR) «Was dem Märchen eine wunderschöne Farbe verleiht, ist die Deutlichkeit, mit der Werte wie Liebe, Loyalität, Mut, Freundschaft und Familie verhandelt werden … Als weitere tragende Säule des Abends erweist sich der von Bettina Rohrbeck exklusiv komponierte ‹Soundtrack›. Musikalisch vielgestaltig, eingängig und unterhaltsam.» (Kieler Nachrichten) Peter Pan, Wuppertaler Bühnen 34 STOFFRECHTE «Stärke durch Disziplin! Stärke durch Gemeinschaft! Stärke durch Aktion!» ZDF Aspekte-Literaturpreis 2016 PHILIPP WINKLER RON JONES / MORTON RHUE / REINHOLD TRIT T Die Welle I m Jahr 1967 machte der junge Lehrer Ron Jones mit seinen Schülerinnen und Schülern in einer kalifornischen Highschool ein Experiment, um ihnen die Mechanismen des Dritten Reichs vor Augen zu führen. Über die Verführungskraft, die seine erfundene Bewegung «Die Welle» für wenige Tage entfaltete, hat Jones eine Kurzgeschichte geschrieben (The Third Wave), die seit ihrem Erscheinen ihre ganz eigene Sogwirkung entwickelt hat. Der Stoff wurde unzählige Male auf vielfältige Weise bearbeitet. Es entstanden Bühnenstücke, musikalische Werke und Filme. Zu den berühmtesten Adaptionen gehört der Roman Die Welle von Morton Rhue, der in deutscher Übersetzung im Ravensburger Verlag erschienen ist. In Deutschland wurde das Buch mehr als drei Millionen Mal verkauft und ist fester Bestandteil des Schullektüre-Kanons. Die Bühnenfassung von Reinhold Tritt hat sich als Jugendtheaterstück bewährt. Neben der von Tritt sind mittlerweile aber auch weitere Dramatisierungen möglich, die auf Ron Jones’ Kurzgeschichte und Morton Rhues Roman basieren. Eine erste Neuadaption wird im Juni 2017 am Ernst Deutsch Theater, Hamburg, Premiere haben. Wolf-Dietrich Sprenger schreibt dafür eigens eine Fassung, die er auch selbst inszenieren wird. Hool* M it Hool ist dem 30-jährigen Philipp Winkler die Sensation des Bücherherbsts 2016 gelungen: «Ein Buch wie ein Schlag» (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung), das es aus dem Stand auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises schaffte. Hart, direkt und dennoch poe­tisch erzählt Hool aus der Perspektive Heiko Kolbes, Hooligan mit Leib und Seele. Hannover 96 ist Heikos Verein, aber das Eigentliche passiert nach dem Spiel: Weitab von Gelegenheitsfans und Polizei trifft man sich zum Kampf Mann gegen Mann – bis einer liegenbleibt, so will es der Ehrenkodex. Doch die Szene ändert sich. Alte Verbindlichkeiten gelten nicht mehr, und Heiko muss zusehen, wie seine harte Männerwelt mit strengen Regeln, das Gefüge, mit dem er sein Leben zusammenhält, langsam, aber sicher auseinanderfällt. Ein Freund wird schwer verletzt, andere steigen aus, für Heiko aber gibt es keine Alternative. Ron Jones / Morton Rhue ■■ Die Welle Bühnenfassung von Reinhold Tritt 4D – 6H ab 14 Jahre Philipp Winkler ■■ Hool Der Roman Hool ist im Aufbau Verlag ­erschienen. «Diesen Heiko Kolbe stattet Philipp Winkler mit so vielen Facetten aus, wie sie die Gegenwartsliteratur sonst nur Mittelschichtfiguren zutraut. Brutalität und Empathie, Lebenstumbheit und Witz, Verbohrtheit und Einsicht in die Lage – das alles steht hart nebeneinander.» (die tageszeitung) «Winkler hat mit Hool eine Leuchtrakete abgeschossen … Ihm gelingt: die Geschichte der Freundschaften aus dem Geiste der Gewalt zu erzählen. Aus dem Vakuum eines verlassenen Lebens.» (Der Spiegel) «Hool trägt Züge eines Bildungsromans, eines gezielt unvollständigen allerdings, da sich sein Held mit aller Macht gegen eine Erziehung der Gefühle und des Lebens wehrt.» (Deutschlandradio) «Der Roman führt uns hinter die Kulissen einer archaischen Subkultur … Noch beeindruckender aber ist die sprachliche Konsequenz, mit der er das tut.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) * Dieser Titel liegt nicht als Textbuch vor 35 STOFFRECHTE «Ein ‹Fänger im Roggen› unserer Zeit.» hierher fliehen, um «Entschleunigung» zu suchen. Als jedoch eine Investmentfirma in unmittelbarer Nähe einen Windpark errichten will, brechen lang unterdrückte Streitigkeiten aus – zwischen alteingesessenen Ostlern und zugezogenen Westlern, zwischen Generationen, bei denen der Riss quer durch die eigene Familie geht, zwischen fanatischen Naturschützern und Vertretern eines ungebremsten Neoliberalismus. TH E OBSERVER Jeffrey Eugenides ■■ Die Selbstmord- Schwestern (The Virgin Suicides) DSE: 23.02.2017 Münchner Kammerspiele (Regie: Susanne Kennedy) Der Roman Die Selbstmord-Schwestern ist im Rowohlt Taschenbuch Verlag ­erschienen. Juli Zeh ■■ Unterleuten Der Roman Unter­leuten ist im Luchter­hand Literatur­verlag München in der Verlagsgruppe ­Random House erschienen. Daniel Kehlmann ■■ F U: 09.09.2016 Theater Bielefeld (Regie: Clara Weyde) Der Roman F ist im Rowohlt Verlag ­erschienen. * Dieser Titel liegt nicht als Textbuch vor 36 JEFFREY EUGENIDES Die SelbstmordSchwestern* I m Vorstadthaus der Familie Lisbon leben fünf schöne Töchter: die gescheite Therese, die pingelige Mary, die asketische Bonnie, die lebens­ frohe Lux und die blasse, lammfromme Cecilia. Sie wachsen streng behütet auf, jeder Versuch des Ausbruchs aus der Enge wird bestraft, jede Regung ist Kon­trolle und Regeln unterworfen, während die wilden Jungs der Nachbarschaft heftig um die Mädchen werben. Als sich Cecilia, die jüngste von ihnen, aus dem Fenster stürzt, beginnt das «Jahr der Selbstmorde», das alle Beteiligten und Beobachter für immer verändern wird. Jahrelang standen die Theaterrechte an Jeffrey Euge­ni­des’ Kultroman, der 1999 von Sofia Coppola kongenial verfilmt wurde, nicht zur Verfügung; nun ist es endlich möglich, das Porträt einer Jugend, die ihre Unschuld verloren hat, auf die Bühne zu bringen. «Es gibt nur wenige zeitgenössische Autoren, die so brillant, so präzise und unerbittlich schrei­ben können wie Eugenides.» (Financial Times Deutschland) «Die Selbstmord-Schwestern ist sein bestes Buch.» (Der Stern) JULI ZEH Unterleuten* U nterleuten: ein Dorf irgendwo in Brandenburg. Ein idyllischer Ort, umgeben von unberührter Natur und bevölkert von liebenswert-schrulligen Originalen. Kein Wunder, dass erschöpfte Städter Seit seinem Erscheinen im März 2016 steht Unterleuten auf den vordersten Plätzen der Bestsellerliste und hat sich bis heute über 150 000 Mal verkauft. «Juli Zeh hat das Buch der Stunde geschrieben: über die große Gereiztheit, über Politikverachtung und Resignation.» (Der Spiegel) «Ein großer Gesellschaftsroman, der ins Herz der bundesrepublikanischen Wirklichkeit zielt – ein literarischer Triumph.» (Der Tagesspiegel) «Spannend, lebendig, lehr- und kenntnisreich zum Platzen.» (Die Zeit) «Ein Bild gestriger und heutiger Zustände im Großen und Kleinen, berührende und schreckliche Schicksale, eine Erzählung über Moral, Gemeinwohl und Eigen­inter­essen.» (Der Standard) DANIEL KEHLM ANN F J ahre später, sie waren längst erwachsen und ein jeder verstrickt in sein eigenes Unglück, wusste keiner von Arthur Friedlands Söhnen mehr, wessen Idee es eigentlich gewesen war, an jenem Nachmittag zum Hypnotiseur zu gehen.» Mit diesem Satz beginnt Daniel Kehlmanns Roman über drei Brüder, die auf je eigene Weise Heuchler, Betrüger, Fälscher sind. Ihr Vater verschwand nach diesem Nachmittag, gab alle Beziehungen und Verbindlichkeiten auf und lebte nur noch fürs Schreiben. Wäre es anders gekommen, wenn sie diesen gemeinsamen Tag nicht so verbracht hätten? Wäre Martin, der älteste, je ungläubiger katholischer Priester geworden, hätte Erik sich mit seinen Finanzgeschäften um Kopf und Kragen spekuliert, und wäre Iwan vielleicht Künstler statt gewiefter Kunstfälscher geworden? Was bestimmt über ein Leben, und ist das, was wie Schicksal wirkt, nicht doch nur Zufall? STOFF RECHTE Kehlmann spinnt in F ein Netz aus flirrenden Bezügen, «bewundernswert konstruiert, locker und fest gefügt zugleich, wie ein Musikstück, das ständig mit neuen Einfällen überrascht und doch motivisch streng zusammenhängt» (Tagesanzeiger). «F ist ein Buch von funkelnder Klugheit, listig, boshaft und doch voller Freundlichkeit: ein großer, unterhaltsamer Roman über die unlösbaren Rätsel des Lebens.» (die tageszeitung) «Wie alle großen Romane ist F vielfältig deutbar, ein im besten Sinne irrwitziges Metawerk, in dem es schlechterdings um alles geht.» (Die Zeit) Für das Theater Bielefeld haben Katrin Enders und Clara Weyde eine Bühnenfassung für 1D – 3H erstellt. Eigene Dramatisierungen sind ebenfalls möglich. Der Weltensammler, Staatsschauspiel Dresden ILIJA TROJANOW Der Weltensammler* S ir Richard Francis Burton ist eine der exzen­ trisch­sten Figuren des 19. Jahrhunderts. Anstatt in den Kolonien die westlichen Lebensgewohnheiten fortzuführen, lernt er Sprachen, vertieft sich in fremde Religionen und reist zum Schrecken der Behörden anonym in geografisch wie kulturell unbekannte Regionen. Er übersetzt erstmals das Kamasutra und die Geschichten aus «Tausendundeiner Nacht». Als einer der ersten Europäer betritt er die heiligen Stätten von Mekka und Medina. Offizier, Abenteurer, Spion – Burton ist ein begierig Lernender, der unaufhörlich suchen, aber auf gar keinen Fall finden will. Trojanow nutzt für seinen Roman unterschiedliche Perspektiven und zeigt dabei die Ambivalenz dieses schillernden Außenseiters. Ilija Trojanow ■■ Der Weltensammler Der Roman Der Weltensammler ist im Hanser Verlag ­erschienen. «Was das Buch so besonders macht, ist nicht bloß sein Held, es ist vor allem Trojanows raffinierte Porträttechnik. Er schlüpft nicht einfach in Burtons Haut. Er inszeniert die drei Teile des Romans jeweils als einen mittelbaren Dialog zweier Perspektiven.» (Frankfurter Allgemeine Zeitung) «Ein Versuch, sich das Fremde quasi einzuverleiben, vermittelt manch neue Sicht auf heutige Diskussionen über Heimat und Integration. Exotik und Romantik gibt es in dieser Bühnenfassung nicht … Äußerst gelungen.» (Deutschlandradio) «Eine kluge, sensible, betörende, ja hinreißende Darstellung des ebenso beglückenden wie manchmal bestürzenden Zusammenpralls der Kulturen.» (Neue Zürcher Zeitung) * Dieser Titel liegt nicht als Textbuch vor 37 STOFFRECHTE Abbas Khider «Ein aktuelles, trauriges, nachdenkliches, aber auch witziges Buch von einem stimmge­ waltigen und authentischen Autor.» SÜ DDEUTSCH E ZEITU NG ■■ Ohrfeige Der Roman Ohrfeige ist im Hanser Verlag ­erschienen. war der Flüchtling Opfer, nun ist er Täter. Ohr­ feige fügt beide Bilder zusammen. Damit ist der deutschsprachige Flüchtlingsroman in der Realität angekommen, seine Figuren sind Individuen, widersprüchlich, Menschen – wie wir.» (Der Spiegel) «Ohne die Grenzen des Realismus zu überschreiten, schildert Abbas Khider in diesem ebenso eindringlichen wie raffinierten Roman einen Fall, der hochaktuell ist.» (Deutschlandradio) Semiya Simsek / Peter Schwarz ■■ Schmerzliche Heimat Bühnenfassung von Christian Scholze 2D – 1H U: 03.10.2014 Westfälisches Landestheater Castrop-Rauxel (Regie: Christian Scholze) Das Buch Schmerzliche Heimat ist im Rowohlt Berlin Verlag erschienen. ABBAS KHIDER Ohrfeige* E in Flüchtling betritt die Ausländerbehörde, um ein letztes Mal seine zuständige Sachbearbeiterin aufzusuchen. Er hat nur einen Wunsch: dass ihm endlich jemand zuhört. Als Karim drei Jahre zuvor von der Ladefläche eines Transporters ins Freie springt, glaubt er, in Frankreich zu sein. Bis dorthin hat er für seine Flucht aus dem Irak bezahlt. Stattdessen ist er mitten in der bayerischen Provinz gelandet. Er kämpft sich durch Formulare und Asyl­unter­künfte, bis er plötzlich seinen Widerruf erhält und abgeschoben werden soll. Jetzt steht er wieder ganz am Anfang. Was bedeutet es für einen Menschen, wenn er weder in der Heimat noch in der Fremde leben darf? «Khiders Buch ist differenziert und vielschichtig, irritierend, teils poetisch, teils abgründig, berührend, derb oder bitter-ironisch.» (Die Presse) «Erst * Dieser Titel liegt nicht als Textbuch vor 38 SEMIYA SIMSEK / PETER SCHWARZ Schmerzliche Heimat «Elf Jahre durften wir nicht einmal reinen Gewissens Opfer sein.» Z weimal brach für Semiya Simsek eine Welt zusammen: das erste Mal am 9. September 2000, als ihr Vater Enver Simsek erschossen wurde. Da war sie 14 Jahre alt. Und dann, als nach über elf Jahren die Hintergründe der Tat ans Licht kamen: Es war vermutlich der erste von zehn Morden des NSU. Semiya Simsek beschreibt, wie das Verbrechen ihr Leben und ihr Vertrauen in Deutschland erschütterte – das Leben einer türkischen Einwandererfamilie, für die dieses Land längst Heimat war. Enver Simsek hatte es vom Hilfsarbeiter zum Blumengroßhändler gebracht – eine deutsche Karriere. Doch nach seiner Ermordung wurde seine Familie Schmerzliche Heimat, Westfälisches Landestheater Castrop-Rauxel STOFF RECHTE Thees Uhlmann von der Polizei, die Mafiakontakte vermutete, jahrelang verdächtigt, bedrängt und ausspioniert. Ein Buch über einen der größten politischen Skandale der letzten Jahrzehnte und das aufwühlende Schicksal einer Familie. «Natürlich ist Schmerzliche Heimat eine subjektive Erzählung. Eben das ist die Stärke. Denn die Nachrichten vermitteln nicht, was ein Mordanschlag in der Familie auslöst. Und wie unterschwelliger Rassismus in diesem Fall das Vorgehen der Ermittler lenkte. Sie habe nie Ausgrenzungen erfahren, sagt Frau Simsek im Stück. Über Integration habe sie sich nie Gedanken gemacht, weil sie scheinbar selbstverständlich war … Es ging (dem Bearbeiter) Christian Scholze nicht um eine minutiöse Nach­erzählung, sondern um eine ver­all­ge­mei­ner­ bare Geschichte, die über den Einzelfall hinausweist.» (Welt am Sonntag) «Ein Buch der Trauer, das Deutschland den Spiegel vorhält.» (Die Zeit) THEES UHLM ANN Sophia, der Tod und ich* W enn am Morgen schon der Tod vor der Tür steht, ist der Tag wohl gelaufen. Uhlmanns Erzähler jedenfalls hat zu diesem Zeitpunkt eigent­ lich nur noch drei Minuten zu leben; doch dann platzt seine Exfreundin Sophia herein, und alles kommt anders. Wenig später sind die großartig schlecht gelaunte Sophia, der vom Leben restlos begeisterte Tod und «ich» unterwegs durch Deutschland, um Johnny, den achtjährigen Sohn des Erzählers, zu besuchen, den er nie sieht, dem er aber täglich eine Postkarte schickt. Auch die Mutter des Mannes kommt mit auf den skurrilen Roadtrip. Doch wie sich herausstellt, hat der Tod schwerwiegendere Probleme als ein vermasseltes Ableben: Jemand ist hinter seinem Job her – und hinter Johnny. Thees Uhlmann, Sänger und Texter der Band Tomte, ist mit seinem ersten Roman ein Wurf geglückt, «unglaublich komisch und voller Melancholie» (Frankfurter Allgemeine Zeitung), «ein spielerischer Text über letzte, aber auch ganz normale Dinge, witzig, berührend, mitunter erhellend» ■■ Sophia, der Tod und ich U: 03.03.2017 Schauspiel Essen (Regie: Tilman Gersch) Weitere Produktionen: Altonaer Theater, Hamburg (Regie: Hans Schernthaner) (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung). «Ein richtig gutes Buch, im besten Sinne unterhaltsam, nachdenklich und zu Tränen rührend.» (NDR) Der Roman Sophia, der Tod und ich ist im Verlag Kiepenheuer & Witsch ­erschienen. Renate Bergmann ■■ Ich bin nicht süß, ich RENATE BERGM ANN Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker* R enate Bergmann, 82, aus Berlin-Spandau ist «Deutschlands bekannteste Twitter-Omi» (Bild). Sie hat Zucker und «Ossiporose», schläft unter einer Heizdecke und hat den Krieg nicht überlebt, um Kunstfleisch aus Soja zu essen. Im Grunde ist sie eine normale Rentnerin, die sich über die liederliche Nachbarin aufregt und regelmäßig zum Friseur und zum Seniorenturnen geht. Die Leute wundern sich nur, dass sie sich ein bisschen mit Internet und Händitelefon auskennt. Seitdem ihr Neffe Stephan ihr ein «Tomatentelefon» geschenkt hat, ist sie ständig bei «Zwitter» oder «Fäßbuck» unterwegs. hab bloß Zucker 1D Das Buch Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker ist im Rowohlt Taschenbuch Verlag ­erschienen. Die Kunstfigur Renate Bergmann, die vom Autor Torsten Rohde erdacht wurde und die inzwischen ein Eigenleben in den sozialen Netzwerken zu führen scheint, kam im April 2015 in der Theaterei Herrlingen, Ulm, erstmals auf die Bühne (Regie: Wolfgang Schukraft). Seit September 2016 ist eine weitere Theaterfassung am Theater Weisser Wind, Zürich (Regie: Siegmund Tischendorf), zu sehen. * Dieser Titel liegt nicht als Textbuch vor 39 STOFFRECHTE «Wir machen ’nen Blog. Diesmal rich­ tig. Zwei Jungs, die sterben. Die das System reinlegen. Wir holen uns Geld, und dann machen wir alles, was wir uns nie hätten träu­ men lassen. Und alles das posten wir. Und dann, wenn wir beide sagen, das war der geilste Tag unseres Lebens. Dann machen wir Schluss.» Florian David Fitz ■■ Der geilste Tag Peter Jordan ■■ In 80 Tagen um die Welt Nach Jules Verne Dramatisiert und mit Liedern versehen von Peter Jordan Durchgeschaut und ­ergänzt von Leonhard Koppelmann 2D – 5H U: 25.09.2016 Düsseldorfer Schauspielhaus (Regie: Leonhard Koppelmann und Peter Jordan) FLORIAN DAVID FITZ Der geilste Tag B enno ist nicht gerade vom Glück geküsst: Seine Freundin ist weg, seine Tochter hat er noch nie gesehen, er ist vorbestraft, pleite und nach Aussage seines Arztes außerdem bald tot. Ein unentdeckter Krebs hat gestreut, Diagnose: aussichtslos. Im Hospiz hält Benno es trotzdem kaum aus: zu still, zu öde, zu deprimierend. Andi, der im Nebenzimmer am Sauerstoffgerät hängt, möchte sein Bett dagegen am liebsten gar nicht verlassen: Was, wenn er die Spenderlunge verpasst, auf die er seit Jahren wartet? Dennoch lässt sich Andi von Benno zu ­einem Deal überreden: Gemeinsam gehen sie auf eine letzte große Reise. Geld zu beschaffen ist nur halb so schwierig, wenn man nichts mehr zu verlieren hat. Und sterben kann man schließlich erst, wenn man sicher ist, nichts verpasst zu haben – aber wann kann man sicher sein, dass es wirklich schon am schönsten ist? Florian David Fitz hat sein Drehbuch zu Der geilste Tag mit Matthias Schweighöfer als Andi und sich selbst in der Rolle des Benno verfilmt und wurde 2016 mit dem österreichischen Filmpreis Romy in der Kategorie «Bestes Buch Kinofilm» ausgezeichnet. Der Film stieg am Eröffnungswochenende direkt auf Platz 1 der deutschen Kinocharts ein und wurde von der Filmbewertungsstelle mit dem Prädikat «besonders wertvoll» versehen. Florian David Fitz’ vincent will meer wurde 2014 am Staatstheater Wiesbaden uraufgeführt (Regie: Dirk Schirdewahn) und bisher am Landestheater ■ 40 Detmold nachgespielt (Regie: Johannes Wenzel). Im Juni 2017 hat vincent will meer Premiere an den Schauspielbühnen in Stuttgart (Regie: Jens Pesel). PETER JORDAN In 80 Tagen um die Welt E s gibt viele Bühnenfassungen von Jules Vernes Romanklassiker, in dem der Gentleman Phileas Fogg sein Vermögen wettet, dass es ihm gelingen werde, in 80 Tagen einmal die Welt zu umrunden – doch keine dürfte so subversiv, witzig und heutig sein wie diese. Peter Jordan verwandelt Vernes Buch in «ein beschleunigtes Reisespektakel und vor allem: ein Fest des puren Spiels. Sieben Darsteller schlüpfen in rasantem Tempo durch Rollen und Klischees, persiflieren nationale Stereotype, zitieren Popkultur, dass dem Zuschauer schwindlig wird. Das ist übermütig, laut, rücksichtslos und um keinerlei politische Korrektheit bemüht, wenn die Reisegesellschaft etwa den Nahen Osten überfliegt und dann bewaffnete Beduinen einen STOFF RECHTE Peter Jordan, 1967 in Dortmund geboren, war als Schauspieler u. a. am Schauspielhaus Bochum und von 2000 bis 2009 am Thalia Theater Hamburg engagiert. Neben dem Theater war und ist er in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen zu sehen. Gemeinsam mit Leonhard Koppelmann (s. S. 28) arbeitet er zudem seit geraumer Zeit als Autor und ­Regisseur. In 80 Tagen um die Welt, Düsseldorfer Schauspielhaus absurden Dialog führen über Schiiten, Sunniten, Aleviten … Doch auch Deutschland gerät in den Satire­wolf, und während vorne geblödelt wird, fahren im Hintergrund Panzer … Nach mindestens 1000 blitzschnellen Abenteuern, nach geglückten Bestechungsversuchen auf dem Balkan, einer abgewendeten Witwenverbrennung in Indien und sogar einem Abstecher zum Mond stranden Fogg und seine Gefährten in der amerikanischen Provinz … Diese Reise um die Welt ist keine feinsinnige Adaption eines Abenteuerklassikers aus einer fortschritts­seligen Epoche. (Jordan und sein Regisseur Leonhard Koppelmann) nutzen den Roman, um zu beweisen, was Theater kann: alles» (Rheinische Post). «Ein Abend für alle Altersklassen, voller ­bunter, manchmal krasser Einfälle, beherzt und auch schamlos albern … mit Musik, die fabelhaft eingängig und vielfarbig ist.» (Süddeutsche Zeitung) STEFAN OT TENI Das Leben der Boheme I dealismus und Prekariat liegen nahe beieinander – das müssen der Musiker Alexandre, der Maler Marcel, die Philosophin Colline und der Dichter Rodolphe am eigenen Leib erfahren. Konventionen sind den vier Freunden ebenso verhasst wie ein rundum abgesichertes Leben. Doch von irgendetwas müssen irgendwann auch sie die Miete zahlen, und allmählich schwindet die Bereitschaft zum Außenseitertum, zumal wenn obendrein das Liebesleben kompliziert wird … Stefan Otteni ■■ Das Leben der Boheme Nach Henri Murger und Giacomo Puccini Ein Schauspiel mit möglichst viel Musik 2D – 6H oder 3D – 5H U: 18.04.2015 Staatstheater Nürnberg (Regie: Stefan Otteni) Nach Alexandre Dumas’ Roman Die Kameliendame, der Giuseppe Verdi zu La Traviata inspirierte, und Victorien Sardous Tosca, Basis der gleichnamigen Oper von Giacomo Puccini, hat Stefan Otteni zum dritten Mal einen großen Opernstoff in musikalisches Sprechtheater verwandelt. Frei nach Henri Murgers Scènes de la vie de bohème, die Vorlage für Puccinis La Bohème, nimmt er «mit überquellender Ironie die Spur des Künstlers in der Gesellschaft auf» (Die deutsche Bühne): «Was ist von der Boheme geblieben im Jahr 2015, außer vielleicht dem dünnen, reichlich unromantischen Begriff der Subkultur? Otteni folgt im Wesentlichen der bekannten Liebesgeschichte um die todkranke Mimi und den 41 STOFFRECHTE «Ist das überhaupt ein Leben, das wir führen? Diese Unabhängigkeit, diese Freiheit, auf die wir uns so viel einbilden – haben wir die? Nein. Der erstbeste Arsch, mit dem wir keine fünf Minuten tauschen möchten, b ­ eherrscht uns ab dem Tag, an dem wir ihn um zehn Euro ­anbetteln ­müssen.» Das Leben der Boheme, Staatstheater Nürnberg Dichter Rodolphe, pumpt die Figuren aber kraftvoll in die Gegenwart … (Der Abend) changiert zwischen Showbiz, Künstlerparty, Musical, Event und Abgesang, Klischees von freier Liebe und Promiskuität bei gleichbleibender EuroEbbe. Ein Satire-Kanon, in dem sich im postmodernen Crossover Indie-Pop mit Puccinis Topschlagern mischt.» (Bayerischer Rundfunk) Die Räuber, Theater Kiel ■■ Die Räuber Eine Rockoper Nach Friedrich Schiller Mit Songs von Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff («Kettcar») Textfassung von Daniel Karasek und Jens Paulsen 3D – 10H, 4 Musiker U: 01.07.2016 Theater Kiel (Regie: Daniel Karasek) Die Räuber M arcus Wiebusch und Reimer Bustorff sind die beiden Hauptsongwriter von «Kettcar», einer der erfolgreichsten deutschen Indie-Rockbands. Daniel Karasek und Jens Paulsen konnten sie dafür gewinnen, erstmals Musik für ein Theaterstück zu schreiben – ein gelungenes Experiment. Text und Komposition entdecken neue Seiten an Schillers Erstlingswerk, lassen jugendlichen Furor und Widerstand, Freiheit und Rebellion eindrucksvoll und so noch nie gehört hervortreten. Die Songs geben dem idealistischen Ungestüm der Räuber, aber auch der emotionalen Verstrickung der Figuren bis hin zu tiefer Verzweiflung Ausdruck. Und die Textfassung schlägt mühelos die Brücke zur Gegenwart und nimmt z. B. auch Frauen ganz selbstverständlich in die Räuberbande mit auf. «Ein kraftvoller Zugriff, der die Energie der Vorlage zur ­Blüte bringt. Wiebusch und Bustorff gelingt es, Schillers Pathos in zeitgemäße Songs zu übersetzen. Was da­­­­bei hilft und immer wieder durch­scheint, ist die pathetische Melancholie, für die Kettcar bekannt ist.» (die tageszeitung) «Das Drama ist hier durchweg auf höchstem Niveau aktualisiert … und macht die emotionale Seite, die Verzweiflung der Gesetzesbrecher aus Gerechtigkeitsliebe, nachvollziehbar.» (Die Welt) «Wir atmen Guillotine. Wir schmecken einen Galgen. Zerfetzt unsere Körper, Brecht unsere Knochen. Ihr könnt uns niemals aufhalten. Uns kann nichts töten. Nichts – Kein Heer und keine Armee. Wir sind eine Idee.» 42 KLASSIKER M A XIM GORKIJ WILLIA M SHAKESPEARE Wassa Schelesnowa Ein Sommernachtstraum Das Wintermärchen N ach der zweiten Version von 1935 hat Ulrike Zemme nun auch die Urfassung von Wassa Schelesnowa aus dem Jahr 1910 neu ins Deutsche übertragen. Erstaufführung ist im Januar 2017 am Theater Freiburg (Regie: Tom Kühnel). Zemmes Übersetzung der zweiten Wassa-Fassung war zuletzt u. a. am Schauspielhaus Bochum (Regie: Jan Neumann) und am Deutschen Schauspielhaus Hamburg zu sehen (Regie: Dieter Giesing). Zemmes Übersetzung von Gorkijs Kinder der Sonne lief in den vergangenen Spielzeiten u. a. am Deutschen Theater Berlin (Regie: Stephan Kimmig), Schauspielhaus Zürich (Regie: Daniela Löffner), Maxim Gorki Thea­ter, Berlin (Regie: Nurkan Erpulat), Volkstheater München (Regie: Csaba Polgár), Schauspiel Frankfurt (Regie: Andrea Moses & Oliver Reese), Staatstheater Nürnberg (Regie: Sascha Hawemann) und am Staatstheater Darmstadt (Regie: Michael Helle). ■ Nachtasyl hatte 2015 / 16 am Schauspiel Frankfurt (Regie: Johanna Wehner) und am Staatstheater Kassel (Regie: Markus Dietz) Premiere; ebenso Sommergäste am Landestheater Niederösterreich, St. Pölten (Regie: Michael Sturminger). ■ A ngelika Gundlach hat nach Der Kaufmann von Venedig, das in ihrer Übersetzung zuletzt am Theater Erlangen (Regie: Robin Telfer) sowie am Rheinischen Landestheater Neuss (Regie: Catja Baumann) zu sehen war, und Was ihr wollt, das in der vergangenen Saison am Theater Hof Premiere hatte (Regie: Katharina Ramser), nun auch Shakespeares Ein Sommernachtstraum und Das Winter­ märchen neu in ein heutiges, direktes und dennoch versmaß-gebundenes Deutsch übertragen. Maxim Gorkij ■■ Wassa Schelesnowa (Die Mutter) Szenen Urfassung von 1910 Deutsch von Ulrike Zemme 7D – 4H Erstaufführung: 28.01.2017 Theater Freiburg (Regie: Tom Kühnel) William Shakespeare THESEUS Bei Verliebten – und Verrückten – glüht das Hirn und blüht die Fantasie; sie sehen Dinge, die ein kühler Kopf nicht sieht. Verliebte, Irre, ja, und die Poeten bestehen aus Fantasie und Einbildung. Der eine sieht mehr Teufel, als die Hölle fassen kann – verrückt; und der Verliebte, ganz genau so außer sich, sieht in der Hässlichkeit die Schönheit Helenas. ■■ Ein Sommer­nachts­ traum (A Midsummer Night’s Dream) Deutsch von Angelika Gundlach William Shakespeare ■■ Das Wintermärchen Die Augen des Poeten, irre zuckend, (The Winter’s Tale) durchmessen Himmel, Firmament und Erde. Deutsch von Angelika Gundlach So wie die wilde Fantasie noch nie Gesehenes gebiert, gibt diesem Nichts aus Luft der Dichter Form, Gestalt und Namen. So trickreich ist die Fantasie, dass sie, kaum dass sie irgendeine Freude spürt, schon ahnt, wer sie ihr bringt; und in der Nacht, wenn wir von Angst zerfressen sind – wie leicht hält man den dunklen Busch für einen Bären. HIPPOLYTA Doch alles, was sie uns von dieser Nacht erzählen, dass sie gleichzeitig, ja, wie verwandelt waren, weist auf mehr hin als nur Einbildung, es wirkt schon sehr konkret; verrückt, doch irgendwie auch wunderschön. 43 UR- UND ERSTAUFFÜHRUNGEN 2016 / 17 Uraufführungen: Thomas Arzt ■■ DIE NEIGUNG DES PETER ROSEGGER 15.09.2016, Schauspiel­ haus Graz, Regie: Nina Gühlstorff Lisa Danulat Thomas Freyer ■■ KEIN LAND. AUGUST Januar 2017, Staats­ schauspiel Dresden, Regie: Jan Gehler Kirsten Fuchs ■■ KLICKDRECK (ARBEITSTITEL) * VON 60 MINUTEN 18.05.2017, Grips Theater, Berlin, Regie: Robert Neumann 20.08.2016, Staats­ schauspiel Dresden, Regie: Sapir Heller ■■ DIE SERIE IM THEATER – ■■ RALF – DIE ABENTEUER Michel Decar ■■ SCHERE FAUST PAPIER 18.12.2016, Thalia Theater Hamburg, Regie: Ersan Mondtag John von Düffel ■■ RÖMISCHE TRILOGIE Nach Shakespeare 22.10.2016, Staatstheater Nürnberg, Regie: Klaus Kusenberg John von Düffel / Fabian Gerhardt / Peter Fox ■■ AFFE 23.11.2016, Neuköllner Oper, Berlin, Regie: Fabian Gerhardt John von Düffel ■■ GULLIVERS REISE Familienoper von Gerald Resch (Musik) 21.05.2017, Oper Dortmund in Kooperation mit der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf / Duisburg und dem Theater Bonn, Regie: Marcelo Diaz Alexander Eisenach ■■ DER KALTE HAUCH DES GELDES Ein Finanzwestern 11.11.2016, Schauspiel Frankfurt, Regie: Alexander Eisenach Alexander Eisenach ■■ DER ZORN DER WÄLDER * 10.02.2017, Theater Bonn, Regie: Marco Štorman Thomas Freyer ■■ FROSCHKÖNIG Frei nach den Brüdern Grimm 20.06.2017, Theater Heidelberg, Regie: Natascha Kalmbach Die mit * markierten Titel liegen nicht oder noch nicht als Textbuch vor. 44 David Gieselmann TEIL 3 UND 4 17.09. + 24.09.2016, Theater Bielefeld, Regie: Christian Schlüter David Gieselmann ■■ ABLASS 18.03.2017, Landes­theater Eisenach, Regie: Boris C. Motzki David Gieselmann ■■ DER BLAUE WÜRFEL * 23.04.2017, Theater Heidelberg, Regie: Christian Brey Elfriede Jelinek ■■ DAS LICHT IM KASTEN 14.01.2017, Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie: Jan Philipp Gloger Peter Jordan ■■ IN 80 TAGEN UM DIE WELT Nach Jules Verne 25.09.2016, Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie: Peter Jordan und Leonhard Koppelmann Regina Kaiser / Uwe Karlstedt ■■ ZWÖLF HEISST «ICH LIEBE DICH» 28.10.2016, Theater der Altmark, Stendal, Regie: Yaron Goldstein Daniel Kehlmann ■■ F 09.09.2016, Theater Bielefeld, Regie: Clara Weyde Michael Köhlmeier ■■ DIE ABENTEUER DES JOEL SPAZIERER * 04.02.2017, Theater Koblenz, Regie: Olga Wildgruber Philipp Löhle ■■ DU (NORMA) 12.11.2016, Nationaltheater Mannheim, Regie: Jan Philipp Gloger Philipp Löhle ■■ FEUERSCHLANGE 29.10.2016, Staatstheater Stuttgart, Regie: Dominic Friedel Philipp Löhle ■■ SCHLARAFFENLAND 05.05.2017, Theater Basel, Regie: Claudia Bauer Thomas Melle ■■ DIE WELT IM RÜCKEN * Februar 2017, Burgtheater (Akademietheater) Wien, Regie: Jan Bosse Tuğsal Moğul ■■ 2023 – ATATÜRKS ERBEN * 08.06.2017, Staatstheater Nürnberg, Regie: Tuğsal Moğul Tina Müller ■■ GESPRÄCHE ÜBER UNS * 05.05.2017, Theater Freiburg, Regie: Sascha Flocken Laura Naumann ■■ MANCHMAL HAT DIE LIEBE REGIERT UND MANCHMAL EINFACH NIEMAND 18.09.2016, Schauspielhaus Bochum, Regie: Jan Gehler Laura Naumann ■■ ZWISCHEN DEN DINGEN SIND WIR SICHER 01.10.2016, Landestheater Memmingen, Regie: Oliver Endreß Laura Naumann ■■ GRAND PRIX DE LA VISION 25.11.2016, Schauspiel Leipzig, Regie: Alexandra Wilke Karl-Heinz Ott ■■ DIE AUFERSTEHUNG * 17.03.2017, WLB Esslingen, Regie: Matthias Fontheim René Pollesch ■■ DISKURS ÜBER DIE SERIE UND REFLEXIONS­B UDE (ES BEGINNT ERST BEI DREI), DIE DAS QUALIFIZIERT VERARSCHT WERDEN GREAT AGAIN GEMACHT HAT ETC. KURZ: VOLKSBÜHNENDISKURS. TEIL 1: ICH SPRECHE ZU DEN WÄNDEN. TEIL 2: ES BEGINNT ERST BEI DREI * 18.10. + 20.10.2016, Volksbühne am RosaLuxemburg-Platz, Berlin, Regie: René Pollesch René Pollesch ■■ HIGH (DU WEISST WOVON) * 07.01.2017, Schauspielhaus Zürich, Regie: René Pollesch René Pollesch ■■ ICH KANN NICHT MEHR * 25.02.2017, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, Regie: René Pollesch René Pollesch ■■ CAROL REED (ARBEITSTITEL) * 28.04.2017, Burgtheater (Akademietheater) Wien, Regie: René Pollesch Leif Randt ■■ PLANET MAGNON 24.09.2016, Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie: Alexander Eisenach Thilo Reffert ■■ DER GROSSE SPRUNG ODER DREI DINGER, DU FLIEGST 29.04.2017, Next Liberty Graz, Regie: Helge Stradner Thilo Reffert ■■ MR. HANDICAP März 2017, Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie: Frank Panhans Thilo Reffert ■■ MILAS WELT * 22.04.2017, LTT Landestheater Tübingen, Regie: Michael Miensopust Erich Maria Remarque ■■ ARC DE TRIOMPHE * 10.03.2017, Schauspielhaus Bochum, Regie: Fabian Gerhardt Charlotte Roos ■■ JEMAND WIE ICH * 03.12.2016, Schauspiel Köln, Regie: Bruno Cathomas Magdalena Schrefel ■■ SPRENGKÖRPER­ BALLADE 05.05.2017, Schauspiel Köln, Regie: Andrea Imler Simon Stephens ■■ RAGE 16.09.2016, Thalia Theater Hamburg, gemeinsam mit Wut von Elfriede Jelinek, Regie: Sebastian Nübling Henning Sußebach / Amir Baitar ■■ UNTER EINEM DACH 26.11.2016, Theater Paderborn, Regie: Katharina Kreuzhage Ilija Trojanow / Juli Zeh ■■ ANGRIFF AUF DIE FREIHEIT * 06.04.2017, Badisches Staatstheater Karlsruhe, Regie: Patrick Wengenroth Ilija Trojanow ■■ DER WELTEN­ SAMMLER * 21.08.2016, Staats­ schauspiel Dresden, Regie: Johannes Enders Thees Uhlmann ■■ SOPHIA, DER TOD UND ICH * 03.03.2017, Schauspiel Essen, Regie: Tilman Gersch Theresia Walser ■■ DIE UNSICHTBAREN ODER IM TURM ZU BASEL 15.09.2016, Theater Basel, Regie: Sebastian Schug Peter Wawerzinek ■■ SCHLUCKSPECHT * 09.12.2016, Hessisches Landestheater Marburg, Regie: Simon Meienreis Feridun Zaimoglu / Günter Senkel ■■ ANTIGONE Nach Sophokles 10.09.2016, Schauspielhaus Zürich, Regie: Stefan Pucher UR- UND ERSTAUFFÜHRUNGEN IN DER SPIELZEIT 2016 / 17 Erstaufführungen: Alan Ayckbourn ■■ RONDO 05.11.2016, Theater Biele­ feld, Regie: Michael Heicks Annie Baker ■■ THE FLICK 19.05.2017, Staatstheater Kassel, Regie: Sebastian Schug Michel Marc Bouchard ■■ TOM AUF DEM LANDE 29.12.2016, Theater Münster, Regie: Michael Letmathe Martin Crimp Duncan Macmillan ■■ IM HAUS / IM TAL 13.10.2016, Theaterhaus Jena, Regie: Moritz Schönecker ■■ ALL DAS SCHÖNE 21.10.2016, Staatstheater Mainz, Regie: Jana Vetten Jeffrey Eugenides ■■ DER ROTE LÖWE 25.02.2017, Staatstheater Nürnberg, Regie: Klaus Kusenberg ■■ DIE SELBSTMORD- SCHWESTERN * 23.02.2017, Münchner Kammerspiele, Regie: Susanne Kennedy Neil LaBute ■■ GANZKÖRPEREINSATZ 29.01.2017, Hamburger Kammerspiele, Regie: Kai Wessel Patrick Marber Patrick Marber ■■ DREI TAGE AUF DEM LAND Nach Turgenjew März 2017, Schauspiel Frankfurt, Regie: Andreas Kriegenburg Bildnachweise: lsd-berlin.de / Lenore Blievernicht (Cover: Szenenfoto aus Service / No Service von René Pollesch, Volksbühne Berlin) Marc Brenner (S. 1) Dav Stewart (S. 2 ) Marion Bührle (S. 3 unten) Nick Leyland (S. 4) Kevin Cummins (S. 5 oben) Krafft Angerer (S. 5 unten) Gautier Deblonde / nb Pictures (S. 6 oben) Killa Schuetze (S. 6 unten) Fran Hergessal (S. 7) Adrian Gatie (S. 8 oben) Thomas Aurin (S. 8 unten) Steve Alcemi (S. 10 links) Julie Perreault (S. 10 rechts) Karin Rocholl (S. 11 oben) Thomas Aurin (S. 11 unten) Katharina Lütscher (S. 12 oben) Simon Hallström (S. 13 oben) Karin Rocholl (S. 13 Mitte) Paula Reissig (S. 14) Diana Küster (S. 15 oben) Tobias Bohm (S. 15 unten) Sarah Horvath (S. 16) Esra Rotthoff (S. 17 beide Fotos) Iko Freese / drama-berlin.de. (S. 18 oben) Tanja Dorendorf / T+T Fotografie (S. 18 unten) Katja von Düffel (S. 19 oben) Conny Mirbach (S. 19 unten) Claudia Balsters (S. 20 oben) Birgit Hupfeld (S. 20 unten) Hans Goedecke (S. 21) Anne-Marie Sanders (S. 22 links) Nina Grünberger (S. 22 rechts) Astrid Knie / Theater in der Josefstadt (S. 23) Philipp Ottendörfer (S. 24) Socalled Alistair McDowall ■■ POMONA 11.11.2016, Nationaltheater Mannheim, Regie: Robert Teufel ■■ THE SEASON 17.12.2016, Theater Junge Generation, Dresden, Regie: Moritz Sostmann Mark St. Germain Hannah Moscovitch ■■ KLEINES 03.02.2017, Schauspiel Köln, Regie: Charlotte Sprenger ■■ DIE TANZSTUNDE 04.09.2016, Schlosstheater Celle, Regie: Petra Jenni Simon Stephens Chris Thorpe ■■ BESTÄTIGUNG 23.09.2016, Theater Erlangen, Regie: Pascal Wieandt ■■ HEISENBERG 21.10.2016, Düsseldorfer Schauspielhaus, Regie: Lore Stefanek Impressum: Fernando Perez Re (S. 25 oben) Falk Wenzel (S. 25 mitte links) Matthias Horn (S. 25 mitte rechts) duARTE / Wallgraben Theater (S. 25 unten) Falk Wenzel (S. 26 oben) Nilz Böhme (S. 26 rechts) Björn Hickmann / stage picture (S. 26 unten) Thomas Braun (S. 26 links) Zuzanna Kaluzna (S. 27 oben) Sebastian Hoppe (S. 27 unten) Thomás Wild / Wild-Fotografie (S. 28 links) Sebastian Hoppe (S. 28 rechts) Achim Hehn (S. 29 oben) Oliver Berg (S. 29 unten) Peter Schlipf (S. 30) gezett (S. 31 oben) Jochen Jezussek (S. 31 unten) Thomas Braun (S. 32 unten) Simon Hayter (S. 33) Olaf Struck (S. 34 oben) Claudia Kempf (S. 34 unten) Kat Kaufmann (S. 35) Gasper Tringale (S. 36 links) David Finckh (S. 36 rechts) Heji Shin (S. 37 oben links) Peter-Andreas Hassiepen (S. 37 oben rechts) Krafft Angerer (S. 37 unten) Peter-Andreas Hassiepen (S. 38 oben) Volker Beushausen (S. 38 unten) Ingo Pertramer (S. 39) Nadja Klier (S. 40) Peter Jordan (S. 41 oben) Sebastian Hoppe (S. 41 unten) Marion Bührle (S. 42 oben) Olaf Struck (S. 42 unten) Rowohlt Theater Verlag Hamburger Straße 17 D-21465 Reinbek bei Hamburg Tel: 040-7272-270 Fax: 040-7272-276 [email protected] www.rowohlt-theater.de Leitung: Nils Tabert ([email protected]) Lektorat: Maren Zindel ([email protected]) Bastian Häfner ([email protected]) Aufführungsverträge: Tanja Müller ([email protected]) Assistenz: Kathrina Gruyters ([email protected]) Redaktion: Kathrina Gruyters, Bastian Häfner, Nils Tabert, Maren Zindel Layout: Das Herstellungsbüro, Hamburg Druck: Bartels Druck, Lüneburg Maya Arad Yasur Thomas Arzt Alan Ayckbourn Annie Baker Sibylle Berg Renate Bergmann Michel Marc Bouchard Reimer Bustorff Caryl Churchill Martin Crimp Michel Decar John von Düffel Alexander Eisenach Nurkan Erpulat Jeffrey Eugenides Florian David Fitz David Gieselmann Maxim Gorkij Annika Hartmann Jens Hillje Elfriede Jelinek Ron Jones Peter Jordan Daniel Karasek Daniel Kehlmann Abbas Khider Leonhard Koppelmann Philipp Löhle Duncan Macmillan Patrick Marber Alistair McDowall Tuğsal Moğul Laura Naumann Stefan Otteni Necati Öziri Jens Paulsen petschinka René Pollesch Peter Raffalt Leif Randt Thilo Reffert Morton Rhue Rafael Sanchez Magdalena Schrefel Peter Schwarz Günter Senkel Semiya Simsek William Shakespeare Tim Staffel Gerhild Steinbuch Simon Stephens Kate Tempest Reinhold Tritt Ilija Trojanow Thees Uhlmann Theresia Walser Marcus Wiebusch Philipp Winkler Marcus Youssef Feridun Zaimoglu Juli Zeh Rowohlt Theater Verlag · Hamburger Straße 17 · D-21465 Reinbek · Tel. 040-72 72 270 · Fax 040-72 72 276 E-Mail: [email protected] · www.rowohlt-theater.de