Regisseurin Alice Asper im Interview.

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SCHAUSPIEL
: SÄMTLICHE ERZÄHLUNGEN
DAS FANTASIEFENSTER
„SÄMTLICHE ERZÄHLUNGEN“
VON JAKOB NOLTE IN DER BLUEBOX
Wenn die Realität zu traumatisch wird, um ihr direkt ins Auge zu blicken, lässt
sie sich am besten in Gestalt der Fiktion ertragen. Das dachte sich wohl auch der junge,
preisgekrönte Autor Jakob Nolte und schrieb ein Stück darüber, dass gute Geschichten
beileibe die beste Medizin in ausweglosen Lebenssituationen sind: Der todkranke Frederik
Meisel und die an der Glasknochenkrankheit leidende Elena Niide bilden eine brisante
Notgemeinschaft. Wäre da nicht Frederik Meisels Erzähltalent, das die sture Frau Niide
in ihren Bann zieht. Regie führt Alice Asper, die vor einigen Jahren als Regisseurin in
Nürnberg ihr Debüt gab und nun mit dieser Uraufführung zurückkehrt. Mit Dramaturgin
Katja Prussas sprach sie über Weltwahrnehmung, komplexe Figuren und fantasievolle
Momente:
Jakob Nolte hat ein sehr feines und poetisches Stück über den Umgang mit dem
Sterben und die Kraft der Fantasie geschrieben. Alice, was interessiert Dich an dem Stoff?
ALICE ASPER: An einer Stelle im Stück wird die Frage gestellt: Wenn du nur eine
Erinnerung mitnehmen könntest, welche wäre das? Und weitere Fragen interessieren
mich: Wie begegnen wir der Angst vor dem Sterben und wie dem Tod selber? „Was
bedeutet Lebensqualität, wenn man durch Krankheit bis zur Bewegungslosigkeit eingeschränkt ist? Was passiert, wenn die ganze Welt nur aus einem Krankenzimmer, das
man auch noch teilen muss, und dem Ausblick durch ein Fenster besteht? Verzweifeln wir
an der Realität unserer kranken Körper oder können wir dieser etwas entgegensetzen?
Die Figuren des Stückes, Herr Meisel (gespielt von Kammerschauspieler Pius Maria Cüppers), Frau Niide (gespielt von Kammerschauspielerin Adeline Schebesch) und
Schwester Heuveldop (gespielt von Karen Dahmen), bilden eine Schicksalsgemeinschaft.
Was zeichnet sie aus?
A. A.: Zuallererst sind die drei Figuren mit einer Extremsituation, dem Sterben,
konfrontiert. Wie jede Figur damit umgeht, oder besser, was diese Situation jeweils in
ihr auslöst, wie sie dabei mit Sprache und Vorstellungskraft umgeht, das finde ich das
Faszinierende an diesem Stück.
Die Themen des Stückes gehen unter die Haut, wie gehst Du vor?
A. A.: Themen wie Tod, Krankheit, Verlust, Einsamkeit klingen erst mal sehr düster.
Aber Jakob Nolte ist es gelungen, dieser Düsternis überraschende, unerwartete, humorvolle, kämpferische, fantasievolle Momente entgegenzusetzen, und diesen Widerspruch
oder diesen Dialog heraus zu arbeiten, darauf freu‘ ich mich sehr.
Das Stück ist zwischen Realismus und Surrealismus angesiedelt. Welchen Raum hast
Du mit Deiner Ausstatterin Linda Siegismund konzipiert?
A. A.: Einen Raum, der beide Perspektiven möglich machen soll. Der Raum stellt
zwar das Krankenzimmer dar, aber er bietet weitaus mehr. Und da die Realität in dem
Stück immer wieder in Frage gestellt und mit anderen Vorstellungsräumen konfrontiert
wird, schien uns dies sinnig. Und natürlich steht die Frage, ob subjektive Wahrnehmung
eben auch eine Form, eine Variante von Realität sein kann, immer im Raum.
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» DER DÜSTERNIS ÜBERRASCHENDE, HUMORVOLLE, KÄMPFERISCHE,
FANTASIEVOLLE
MOMENTE ENTGEGENZUSETZEN «
Du hast bereits als junge Regisseurin „Die
Kopien“ in Nürnberg inszeniert und kehrst nun mit
der Uraufführung zurück, wie ist das für Dich?
A. A.: Ich freu mich sehr, in Nürnberg arbeiten
zu können. Es ist das Haus, in dem ich als Assistentin
gearbeitet und gelernt und meine ersten Schritte
als freie Regisseurin gemacht habe. Es ist aber auch
ein neues Haus für mich, durch den Umbau und viele
neue Mitarbeiter und ich bin auf die Begegnung mit
dem Nürnberger Theater jetzt sehr gespannt.
Dein Lieblingssatz im Stück?
A. A.: Bei Bienen weiß man nie.
URAUFFÜHRUNG
Die in Münster geborene
Alice Asper assistierte zunächst
bei Frank-Patrick Steckel und Robert Wilson und war Regieassistentin am Staatstheater Nürnberg u.a. bei Klaus Kusenberg,
Titus Georgi, Georg Schmiedleitner, Stefan Otteni.
Zudem arbeitete sie bei der RuhrTriennale unter
der Intendanz von Jürgen Flimm. Am Staatstheater Nürnberg zeigte sie ihre ersten Regiearbeiten
und erhielt den Preis des Fördervereins sowie den
Hauptpreis bei den Bayerischen Theatertagen.
Seitdem inszeniert sie u.a. in Ingolstadt, Gießen,
Celle, Bamberg und Halle (Saale).
: 15. DEZEMBER 2016, 20.15 UHR, BLUEBOX
SÄMTLICHE ERZÄHLUNGEN Jakob Nolte
Inszenierung: Alice Asper Bühne und Kostüme: Linda Siegismund Dramaturgie: Katja Prussas
Mit: Karen Dahmen (Marina Heuveldop), Ksch. Adeline Schebesch (Elena Niide);
Ksch. Pius Maria Cüppers (Frederick Meisel)
WEITERE VORSTELLUNGEN: 17., 21.12.2016; 12., 15.01.2017
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