Klaus Schellberg Vom Ideal zur Zahl Betriebswirtschaftliche Aspekte der Organisationen der Sozialen Arbeit Soziale Organisationen werden Unternehmen immer ähnlicher: Die Geschäftsführer/innen lesen Bilanzen, Vorstände befürchten die Überschuldung, Controller/-innen basteln an Kennzahlen, Verwaltungsleiter/-innen verlangen Einsparungen, Kostenträger/-innen drängen auf Kürzungen. Betriebswirtschaftliches Denken und betriebswirtschaftliche Instrumente werden eingeführt und von Unternehmen anderer Branchen übernommen. Angesichts dieser schnellen Verbreitung stellt sich die Frage, ob das gängige Instrumentenrepertoire der Betriebswirtschaft für soziale Organisationen geeignet ist. Im folgenden Beitrag soll an einem Beispiel dargestellt werden, inwieweit betriebswirtschaftliche Instrumentarien auf soziale Organisationen übertragbar sind und welche Anpassungen vorzunehmen sind. Abschließend sollen dann Überlegungen zu integrierten Steuerungssystemen in der Sozialwirtschaft abgeleitet werden. Die Überlebensfrage sozialer Organisationen - ein Beispiel Sehen wir uns zunächst ein Beispiel an: Der Zukunft e.V. ist eine Jugendhilfeeinrichtung, die neben ambulanten Hilfen eine Jugendwerkstatt betreibt und über eine kleine Wohngruppe verfügt. Der Verein gehört einem kirchlichen Wohlfahrtsverband an. Die Lage ist in einer mittleren Industriestadt mit einem hohen Bedarf an Jugendhilfe. Kostenträger sind das Jugendamt, die Arbeitsagenturen (für die Werkstatt) sowie aufgrund eines Modellprojekts im ambulanten Bereich das Land. Die evangelische Kirche bezuschusst die Einrichtung regelmäßig aus einem speziellen Spendenprogramm für die Jugendberufshilfe. Die Einrichtung wird von einer Sozialarbeiterin geleitet. Die Arbeitsbereiche „Werkstatt“, „ambulante Hilfen“ und „Wohngruppe“ werden von eigenen Leitungskräften geleitet. Insgesamt arbeiten in der Einrichtung ca. 20 Mitarbeiter/innen sowie die geförderten Mitarbeiter/-innen im Werkstattbereich. In den vergangenen Jahren arbeitete die Einrichtung regelmäßig kostendeckend. Jetzt jedoch geben vier Entwicklungen Anlass zur Sorge: Zum einen läuft das Modellprojekt des Landes aus, wodurch vier Stellen nicht mehr refinanziert sind. Für die bisher von der Einrichtung kostenlos genutzten Gebäude werden in Zukunft vom Eigentümer Kirche Mietzahlungen erwartet. Drittens werden die Arbeitsagenturen die Kurse im Werkstattbereich neu ausschreiben und nicht zwingend an lokale Einrichtungen vergeben. Letztlich hat das Jugendamt als zentraler Sozialleistungsträger angekündigt, in den kommenden Jahren keinesfalls Erhöhungen der Maßnahmekosten zuzulassen. Eher ist mit einer Kürzung der Tagessätze bzw. Sätze der Fachleistungsstunden zu rechnen. Mit dem Modellprojekt wurden bisher vier Stellen abgesichert, die in Zukunft anderweitig finanziert werden müssen. Durch die Mieterhöhung entsteht eine zusätzliche Kostenbelastung, die so in den Fachleistungsstunden, Zuschüssen, Tagessätzen nicht einkalkuliert ist. Im Hinblick auf die Ausschreibungen der Arbeitsagenturen muss nun das eigene Profil in Konkurrenz mit anderen Anbietern dargestellt werden. Letztlich hat die Einrichtung schlichtweg Einsparungen bei gleichen Leistungen vorzunehmen, um so der geringeren Zahlungsbereitschaft des Sozialleistungsträgers entgegen zu kommen. Insgesamt könnten die drei Entwicklungen interpretiert werden als „Ökonomisierung sozialer Organisationen“ oder als Auswirkungen einer allgemeinen Finanzknappheit, die zu einem Abbau von Sozialstaat führt. Bei genauerem Hinsehen sind hier jedoch unterschiedliche Kräfte am Wirken: a) Soziale Einrichtungen haben in der Vergangenheit manchmal nur unzureichend finanziell geplant. Vielfältige verschiedene Zuschüsse oder die kostenlose Bereitstellung von Ressourcen führte dazu, dass nicht ausreichend Rückstellungen oder Abschreibungen gebildet wurden. Nur so ist erklärbar, dass die geforderte Mietzahlung für das bisher kostenlos genutzte Gebäude zu einem finanziellen Problem wird. b) In anderen Fällen wurden soziale Einrichtungen aufgebaut, Mitarbeiter/-innen langfristig für bestimmte Angebote und Dienste eingestellt und haben sich damit langfristig an einzelne Arbeitsfelder gebunden, etwa wie in unserem Beispiel beim Auslaufen des Modellprojekts. Auf Umstrukturierungen, etwa aufgrund neuer politischer Prioritäten, sind die Einrichtungen oft nicht vorbereitet. c) Das Handeln unter Wettbewerbsbedingungen – der Sozialleistungsträger oder gar der einzelne Leistungsempfänger wählt zwischen den Angeboten aus – ist für viele soziale Organisationen ungewohnt. Angebote leben unter Wettbewerbsbedingungen weniger aus dem Selbstbild (etwa dem Leitbild, der pädagogischen Fachlichkeit oder einer politischen Akzeptanz), sondern aus der Bereitschaft von Sozialleistungsträgern, hierfür zu zahlen. d) Die Kürzung von Kostensätzen kann Ausdruck veränderter politischer Präferenzen oder einer generellen Einnahmeschwäche der öffentlichen Hand sein. Mit solchen Phasen ist angesichts wirtschaftlicher Schwankungen immer wieder und angesichts der hohen Schuldenlast der öffentlichen Haushalte wohl auch dauerhaft zu rechnen. Organisationen stehen daher vor der Entscheidung, ob sie auf diesen wenig attraktiven Märkten überhaupt noch tätig sein wollen. Die für die soziale Organisation anstehende Bedrohung ist die finanzielle Überlebensbedingung. Jede Organisation muss das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht beachten, d.h. der Zufluss an Finanzmitteln muss dem Abfluss an Finanzmitteln entsprechen. Wird dies nicht erfüllt, ist keine Organisation – sei sie gewinnorientiert oder nicht – überlebensfähig. Diese Nebenbedingung des sozialen Handelns geriet in finanziell besseren Zeiten allzu leicht aus dem Blickfeld, sie war jedoch stets existent. Das Systemmodell einer sozialen Organisation Eine soziale Organisation ist aus ökonomischer Sicht ein „Betrieb“, d.h. ein System mit eigenen Zielen, eigener Systemsteuerung und abgegrenztem wirtschaftlichen Bereich („Autonomie“ 1). Sie sind „Regelsysteme (Ordnungen) und Handlungssysteme (Organisationen)“2. Sie produzieren Dienstleistungen nicht für eigenen Bedarf, sondern für Dritte (Leistungsempfänger, den Staat) und erhalten hierfür eine Vergütung. Der Betrieb ist auf Ressourcen angewiesen, die in den von Geld geprägten Wirtschaften mit Geld bezahlt werden (natürlich ist auch Naturaltausch oder zentrale Planzuweisung denkbar). Die Betriebe sind von einem Leistungsprozess gekennzeichnet, in dem „Werte“ geschaffen werden, d.h. aus den Ressourcen, die von der Umwelt zur Verfügung gestellt werden, werden Leistungen erzeugt, die der Umwelt Nutzen stiften. Umwelt Betrieb Ressourcenausstattung Vergütung der Ressourcen Leistungswirtschaftliche Ebene Wertschöpfung Finanzwirtschaftliche Ebene finanzwirtschaftliches Gleichgewicht Umwelt Leistungen Vergütung der Leistungen Abb.: Systemmodell des Betriebs Im Betrieb kann man unterscheiden zwischen der leistungswirtschaftlichen Ebene, den Leistungen, die im Betrieb erbracht werden, und der finanzwirtschaftlichen Ebene, in dem es um die Finanzmittel geht. In der sozialen Organisation heißt dies: Zum Betrieb gehört die Soziale Arbeit als eigentlicher „wertschöpfender Prozess“ und die finanziellen Aspekte, die überhaupt erst ermöglichen, dass Ressourcen eingekauft werden können. Beide Aspekte können nicht voneinander entkoppelt werden – weder im gewinnorientierten noch im Non-Profit-Unternehmen: Ohne Leistungen keine Vergütung der Leistungen und damit kein Gewinn oder ohne Vergütung keine Ressourcen, mit denen die Leistung erstellt werden kann. Auch hier findet sich wieder die Überlebensbedingung, das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht, das zum ersten Mal aufgetreten ist, an dem Ressourcen, Human Ressourcen oder Sachmittel, bezahlt werden mussten. Kritisch wurde die Überlebensbedingung, da soziale Organisationen sich auf ihre Leistungen eingestellt haben und nun diese Leistungen entweder von der Umwelt nicht mehr ausreichend nachgefragt werden oder nicht mehr entsprechend vergütet werden. Der Umgang mit dieser Überlebensbedingung erfordert neue zwei neue Steuerungsbereiche, nämlich 1 2 Wöhe, Günter, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, München 1993, S. 6 Schneider, Dieter, Stichwort Betriebswirtschaftslehre, in: Gabler Wirtschaftslexikon, S. 467 ff. (1) die unternehmenspolitische Entscheidung, welche Ziele die Organisation verfolgen will. Diese Entscheidung bedarf eben stärker der besonderen Abstimmung zwischen den wirtschaftlichen Zielen und dem sozialen Auftrag; (2) ein geeignetes Instrumentenset des Managements, das auch den Umgang mit den wirtschaftlichen Fragestellungen erlaubt. Unternehmenspolitische Entscheidungen Am Anfang des betriebswirtschaftlichen Handelns steht stets die Frage nach den grundsätzlichen Zielsetzungen einer Organisation: Welche grundlegenden Ziele verfolgt eine Organisation? Mit welchen grundsätzlichen Mitteln sollen diese Ziele erreicht werden? Gewinnorientiert arbeitende Unternehmen haben auf den ersten Blick ein einfaches Zielsystem: Das unternehmerische Handeln ist auf das Erwirtschaften von Gewinnen gerichtet, dem sich alles andere unterordnet. Die Unternehmenspolitik scheint klar. Auf den zweiten Blick wird jedoch auch dieses Zielsystem komplex: Gewinne entstehen nur durch ausreichend Umsätze. Umsätze entstehen durch gute Leistungen, für die der Kunde bereit ist zu zahlen, durch Effizienz und Qualität der internen Prozesse, und durch die Weiterentwicklung der eigenen Organisation. Die reine Gewinnerzielungsperspektive ist also ein unzureichendes Steuerungskriterium für gewinnorientierte Unternehmen. In der heißen Phase des Shareholder Value sorgte die kurzfristige Orientierung an Gewinnen regelmäßig für Unterinvestitionen in Kunden/-innen- und Mitarbeiter/-innenzufriedenheit und in zukünftige Entwicklungen. Eine solche Mehrdimensionalität der Ziele gilt umso mehr für soziale Organisationen. Bei ihnen stehen meist nicht die Gewinnerwartungen, sondern der soziale Auftrag im Mittelpunkt. Dieser kann jedoch nur mit den zur Verfügung stehenden Mitteln erfüllt werden. Meist gibt auch der Träger eine Höchstgrenze für das Defizit vor, das er bereit ist mit diesem Dienst zu tragen. In manchen Fällen haben sich Unternehmen auch noch einen besonderen Anspruch an die Mitarbeiter/-innenführung – besondere Fürsorgepflichten, die Idee der „Dienstgemeinschaft“ - gegeben. In anderen Fällen wiederum findet man eine besondere gesellschaftliche Verantwortung. Insgesamt bedarf es daher Instrumente, die diese mehrdimensionalen Ziele analysieren und in Beziehung zueinander setzen können. Hierfür hat das betriebswirtschaftliche Management insbesondere die Stakeholder-Analyse, die Portfolio-Analyse und die Balanced Scorecard entwickelt. Die Stakeholder Analyse Bei der Stakeholder Aanlyse werden die Interessen und Einflusspotenziale der verschiedenen Interessentengruppen („Stakeholder“) einer Organisation analysiert. Ein Stakeholder ist dabei gekennzeichnet von - Ansprüchen in Form von Nutzenvorstellungen; und - Machtkompetenz (Machtexistenz und Wille zur Machtausübung)3. Der Stakeholder kann durch seine Macht Einfluss auf die Organisation nehmen und sie in seiner Existenz bedrohen. Er ist andererseits derjenige, der auch Erwartungen an die Organisation hat und an seiner Existenz Interesse hat. Stakeholder sind z.B. 3 Tiebel, Christoph, Strategisches Controlling in Non Profit Organisationen, München 1998, S. 88 - Öffentliche Zuschussgeber, die bestimmte politische Ziele verwirklicht sehen wollen - Private Spender, die konkrete soziale Hilfe leisten wollen - Leistungsempfänger, die konkrete Dienstleistungen erwarten - Träger der Einrichtungen, die bestimmte soziale Ziele verwirklichen wollen - Aufsichtsbehörden, die gesetzliche Standards verwirklicht sehen wollen - (Ehrenamtliche) Gremien, die persönliche oder soziale Motive der Gremienmitglieder verfolgen. Für jeden Stakeholder stellt sich die Frage, welche Nutzenerwartung er hat, welche Machtkompetenz und welchen Willen zur Durchsetzung seiner Macht. Insbesondere die Frage nach der Machtkompetenz ist entscheidend: Ein Stakeholder ohne Macht bleibt ein „zahnloser Tiger“. So hat der Leistungsempfänger nur dann wirklich Einfluss, wenn er sich gegen die Einrichtung entscheiden kann und die geringe Inanspruchnahme der Einrichtung auch Konsequenzen hat. Angewendet auf unser Eingangsbeispiel wird die Jugendhilfeeinrichtung „Zukunft e.V.“ etwa folgende Stakeholder Analyse vornehmen: Wer hat Ansprüche an die Arbeit der Organisation? Welche Nutzenerwartungen haben Anspruchsgruppen? Welche Machtkompetenz haben Anspruchsgruppen? Welchen Willen zur Machtdurchsetzung haben die Anspruchsgruppen? Jugendliche Auskommen mit Familie, Schulfortschritt, Freunde Einfluss über Äußerung der Wünsche bei Hilfeplanung. Eher gering. Gering, da Gestaltungsmöglichkeit oft noch nicht erkannt wird Familien Entwicklung des Kindes, Vorbereitung auf Schule, Unterbringung, Beibehalten Kindergeld, keine Eigenbeiträge, Verwirklichung eigener Freizeitinteressen Einfluss über Äußerung der Wünsche bei Hilfeplanung sowie bei Kooperation mit ambulanten Hilfen. Mittel Bei ambulanten Hilfen hoch, da Eingriff in den häuslichen Bereich. Bei stationären Hilfen eher gering. Kommune Erfüllung der Jugendhilfeleistung Hoch über Zuschüsse Hoch, da kostenträchtige und Leistungsentgelt, Pflichtaufgabe niedrig in pädagogischem Konzept Arbeit Vermeiden künftiger Probleme (Deliquenz, Sozialhilfebezug) Träger der Einrichtung (Kirche) Erfüllung des eigenen humanitären Auftrages, Missionsauftrag (Kirchen), „Aushängeschild“ und Profilierungsmöglichke it in der Kommune, niedriger Zuschussbedarf Hoch durch institutionalisierte, organisatorische Einflussnahme Gering, da Jugendhilfeeinrichtungen im Vergleich zu „echten“ kirchlichen Einrichtungen nur wenig wahrgenommen wird Abb.: Stakeholder-Analyse am Beispiel eines Kindergartens Die beispielhaften Ergebnisse erlauben nun präziser ein Zielsystem zu entwickeln. Man wird sich demnach stark an den Erwartungen der Kommune orientieren, da die übrigen Anspruchsgruppen zwar schon Erwartungen formulieren, jedoch nicht den Willen zur Machtausübung haben. Die Grenze des Stakeholder Ansatzes ist damit ebenfalls beschrieben: Er basiert darauf, dass die Stakeholder „bedient“ werden, die ihre Erwartungen äußern, Macht haben und diese durchsetzen wollen. Die übrigen Interessengruppen werden vernachlässigt – Anspruchsgruppen ohne Macht werden nicht bedient. Der Ansatz ist somit ein Ansatz, der zwar zutiefst pluralistisch ist, jedoch im Hinblick auf Fachlichkeit oder eine transzendent bestimmte Ethik problematisch sein kann. Andererseits verhindert die Stakeholder Analyse eben auch, dass Eigeninteressen der Organisation oder ihrer Mitarbeiter/-innen unantastbar werden. Portfolio Analyse In Portfolio-Analysen werden die einzelnen Leistungen (Leistungsgruppen, Geschäftsfelder) eines Unternehmens dargestellt. Die Portfolioanalyse ist in der Regel eine zweidimensionale Darstellung, bei der verschiedene Einflussfaktoren angetragen werden. Bei der klassischen Portfolio-Analyse werden die Geschäftsfelder in einer Matrix dargestellt, bei der an einer Koordinate der Marktanteil, an der anderen das Marktwachstum angetragen wird. In dieses Portfolio werden dann die einzelnen Geschäftsfelder angezeichnet. Aus der Positionierung der Geschäftsfelder würden dann Norm-Strategien abgeleitet. Für den nicht gewinnorientiert arbeitenden sozialen Dienstleister stellt sich jedoch weniger die Frage nach der strategischen Positionierung im Wettbewerb, sondern eher nach dem Verhältnis von „sozialem Auftrag“ und Refinanzierbarkeit der sozialen Leistung. So könnte ein angepasstes Portfolio für einen sozialen Dienstleister beispielsweise wie folgt aussehen: Sozialer Auftrag hoch „Nirwana„Prüfsteine“ -> Engagieren, Geschäftsfelder“ -> Engagieren quersubErträge ventionieren abschöpfen „Kröpfe“ -> Aussondern niedrig niedrig „Cash Cows“ -> Beibehalten, Erträge abschöpfen hoch Refinanzierbarkeit Abb.: Portfolio eines nicht gewinnorientierten sozialen Dienstleisters Demnach wären die Kategorien „sozialer Auftrag“ und „Refinanzierbarkeit“ die zwei Charakteristika des Geschäftsfelds eines sozialen Dienstleisters. Geschäftsfelder mit hoher Kostendeckung, gleichzeitig hohem ethischen Auftrag sind Idealsituationen. Geschäftsfelder mit niedrigem sozialem Auftrag, jedoch hohem Kostendeckungsgrad sind die Bereiche, die sich ein Sozialunternehmen aufbauen sollte, um Überschüsse für andere zu erwirtschaften (eine „Cash-Kuh“, die man „melken“ kann). Bereiche mit niedriger Kostendeckung und niedrigem sozialen Auftrag sollte ein Sozialunternehmen gar nicht erst beginnen und – falls sie schon existieren – aussortieren. Letztlich gibt es die Felder, in denen die Kostendeckung niedrig, der ethische Auftrag aber hoch ist. Hier ist das Unternehmen wirklich „Non-ProfitUnternehmen“; dies sind die Prüfsteine, an denen man sehen kann, ob es mit der Wahrnehmung des sozialen Auftrags auch bei schlechten finanziellen Bedingungen besonders ernst ist. In unserem Beispiel könnte sich z.B. der Träger von Zukunft e.V. sehr wohl überlegen, ob der Betrieb von Jugendhilfeeinrichtungen angesichts schwieriger Finanzierungsbedingungen eine kirchliche Aufgabe ist, man also dies als Prüfstein nimmt – oder nicht eher andere Aufgabenfelder vorrangig abdecken will. Auf Ebene von Zukunft e.V. könnte die Portfolio-Analyse Antworten auf die Frage geben, ob die einzelnen Arbeitsbereiche zueinander richtig gewichtet sind. Der große Vorteil einer Portfolio-Analyse ist die Zusammenschau von verschiedenen Arbeitsbereichen und die Möglichkeit, mehrere Zieldimensionen zu kombinieren (wobei es bei mehr als drei Dimensionen auch wieder schwierig wird). Die Einfachheit und Klarheit der Portfolio-Analyse verleitet dazu, auch die Normstrategien ungefragt zu übernehmen und nicht konkrete Alternativen zu überlegen. Die Balanced Scorecard Die Balanced Scorecard wurde als Antwort auf Controllingansätze, die rein mit finanzwirtschaftlichen Kennziffern steuern, gebildet. Die Balanced Scorecard, die „ausbalancierte Kennzahlenkarte“, bildet mehrdimensionale Zielsysteme in verschiedenen Kategorien ab und will sie miteinander in Beziehung setzen, sie „ausbalancieren“ 4. Die Kernmerkmale der Balanced Scorecard sind: - Die Strategie („Vision“, „Mission“) eines Unternehmens wird in Zielperspektiven übersetzt; - Die Zielperspektiven werden in ein „ausbalanciertes“ System eingebracht, das ein mehrdimensionales Management-Informationssystem ermöglicht; - Die Steuerungsgrößen werden als „Leistungstreiber“ verstanden – sie sind also die für den Erfolg des Unternehmens bestimmenden Größen (analog den Kostentreibern) - Die einzelnen Perspektiven werden messbar gemacht – finanzwirtschaftlichen Kennziffern, jedoch mit klaren Kenngrößen; nicht mit - Für jede Zielperspektive werden Ziele, Kenngrößen, Vorgaben und Maßnahmen formuliert; 4 entwickelt wurde die Balanced Scorecard von Kaplan, R.S./Norton, D.P.: Balanced Scorecard, Stuttgart 1997 - Die Zielperspektiven werden miteinander verknüpft und diese Beziehungen beschrieben. Die klassische Balanced Scorecard formuliert die vier Zielperspektiven „Finanzwirtschaftliche Perspektive“, „Kundenperspektive“, „Interne Geschäftsprozessperspektive“ und „Lern- und Entwicklungsperspektive“. h me n Maßna zahle n Vo rg Ziele Kenn „Wie sollen wir gegenüber Teilhabern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben?“ aben Finanziell h me n Maßna ahlen Vo rg „In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden zu befriedigen?“ Ziele Vision und Strategie aben Interne Geschäftsprozesse Kennz h me n Maßna zahle n Vo rg Ziele Kenn „Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirklichen?“ aben Kunde h m en Maßna aben Vo rg Ziele Kenn „Wie können wir unsere Veränderungsund Wachstumspotentiale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen?“ zahle n Lernen und Entwicklung Abb.: Balanced Scorecard nach Kaplan/Norton5 In der finanzwirtschaftlichen Perspektive werden auf der Grundlage des traditionellen Rechnungswesens die finanzwirtschaftlichen Erfolgsindikatoren zusammengefasst. Dazu gehören Kennzahlen zu Rentabilität, Eigenkapitalrendite, Cash Flow etc. Die Kundenperspektive betrachtet das Unternehmen aus der Sicht des/ der Kunden/-in. Hier stehen Kennzahlen zu Kundenzufriedenheit, Marktanteilen, Wiederkäufe, Wartezeiten etc. im Mittelpunkt. Aus dem Blickwinkel der internen Prozesse werden die Kernprozesse analysiert, die den größten Einfluss auf die Unternehmensziele haben. Hierzu können z.B. die Durchlauf- und Bearbeitungszeiten, die Mitarbeiterzufriedenheit und die Prozesskosten gehören. Die Innovations- und Lernperspektive sucht nach den Schlüsselgrößen für den zukünftigen Geschäftserfolg, um ihre Entwicklung und Verbesserung nachhaltig zu fördern und zu entwickeln. Typische Indikatoren sind z.B. die vorhandenen Qualifikationen der Mitarbeiter/-innen, die Fortbildungsbereitschaft, die Zahl der Innovationen im Unternehmen. 5 Quelle: Robert S. Kaplan und David P. Norton, „Using the Balanced Scorecard as a Strategic Management System“, Harvard Business Review (January-February 1996), S. 76. Grundsätzlich sollte eine Balanced Scorecard stets individuell auf ein Unternehmen abgestimmt werden; die Kategorien also unternehmensindividuell formuliert werden. Für Sozialunternehmen haben sich Balanced-Scorecards als praktikabel erwiesen, die folgende Struktur aufweisen: Balanced-Scorecards für Sozialunternehmen 1. Die Finanzperspektive wird sowohl Finanzierungsfragen (durch Sozialleistungsträger, Spender) als auch die Rentabilitätsfragen (Interessen des Eigentümers, Trägers) einbeziehen. 2. Die Kundenperspektive bezieht in der Regel die Fachlichkeit der Leistung mit ein. Häufig wird die Kundenperspektive jedoch auch geteilt werden, etwa in eine Kundengruppe „Klient, Patient“, eine Kundengruppe „Sozialleistungsträger“, eine Kundengruppe „Angehörige“. 3. Die interne Prozessperspektive wird sehr stark auf die interne Organisation eingehen, z.B. auch die Verfügbarkeit von Ressourcen u.a. Sie nimmt generell die Hintergrundaktivitäten auf, die nicht direkt am Kunden stattfinden. 4. Die vierte Perspektive wird häufig sinnvoll als „Mitarbeiter und Entwicklung“ bezeichnet, um die für Dienstleistungen spezifische Bedeutung der Mitarbeiter als Leistungs- und Know-How-Träger herauszustellen. 5. Letztlich kann es für einzelne Sozialunternehmen sinnvoll sein, eigene, zusätzliche Perspektiven zu entwickeln. So könnten z.B. „Werte und Leitbild“ eine eigene Perspektive bilden (sofern sie nicht als Querschnitt in alle anderen Perspektiven einfließen). Die Kategorien werden anschließend mit Kennziffern („Leistungstreiber“) gefüllt und hierfür Zielwerte und Verantwortliche benannt. Entscheidend für die Praktikabilität der Balanced Scorecard ist allerdings, dass die Beziehungen von Kategorien und Kennziffern untereinander definiert werden. Begünstigen sich Ziele untereinander oder schließen sie sich aus? Wie werden Prioritäten gesetzt? Ist das Zielsystem insgesamt stimmig? Die entscheidenden Wirkungen der Balanced Scorecard in Sozialunternehmen sind - Die Schaffung eines in sich konsistenten und kohärenten Zielsystems; - Erzeugen eines Kommunikations- und Abstimmungsprozess über Ziele: - Zielorientierung durch Festlegung messbarer Größen; - Ausrichtung des Managements an das Zielsystem; Umsetzung in Einzelmaßnahmen (z.B. Personalgespräche entlang der BSC, Herunterbrechen von Abteilungszielen anhand der BSC) - Möglichkeit der Schaffung von Management-Informationssystemen. Betriebswirtschaftliche Instrumente Nun gilt es zu überlegen, welche Ansatzpunkte betriebswirtschaftliche Instrumente in sozialen Organisationen finden. Hierzu wollen wir zunächst einmal eine Klassifizierung versuchen. Kehren wir noch mal zu unserem Beispiel zurück: Ein erstes Problem war die unzureichende finanzielle Planung, z.B. die fehlende Bildung von Rückstellung, die fehlende Planung für das Auslaufen von Zuschüssen. Hier setzt die erste Gruppe von betriebswirtschaftlichen Instrumenten an. Diese Gruppe hat unmittelbar mit der Frage der Finanzierung oder der Liquidität zu tun. Dazu gehört z.B. die Einführung einer Finanz- und Liquiditätsplanung, Vergütungsverhandlungen, der Umgang mit Banken, die Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens. Ein zweites Problem war das „Verkaufen von Leistungen“ unter Wettbewerbsbedingungen oder die geringere Zahlungsbereitschaft der Kostenträger. Hier setzt eine zweite Gruppe von Instrumenten an. Sie setzen an der Steuerung und Verknüpfung von leistungs- und finanzwirtschaftlicher Seite an. Dazu gehören z.B. Controlling oder Marketing. Woran erkennt die soziale Organisation z.B. frühzeitig, dass bestimmte Leistungen nicht mehr nachgefragt oder zu teuer „produziert“ werden? Ein drittes Problem war die Ausrichtung der Einrichtung auf bestimmte Angebote, Leistungen und womöglich Arbeitsformen. Mitarbeiter/-innen haben ihre Arbeitsformen nicht angepasst, um z.B. andere Modellprojekte zu ermöglichen. Diese dritte Gruppe von Instrumenten setzt am leistungswirtschaftlichen Aspekt, dem sozialarbeiterischen Aspekt an. Bei dieser Gruppe geht es um die Frage der Steuerung der sozialen Arbeit auch unter dem Aspekt der finanziellen Überlebensbedingung. Öffnen wir die „Black Box“ unseres Systems Betrieb finden wir folgendes Bild: Vorbereitende Prozesse Ressourcenausstattung Aufnahme Hilfeplanung Einsatzplanung Fallbesprechung Sozialarbeiterischer Kernprozess Nachbereitende Prozesse Beratung Gruppenarbeit Kurs … Dokumentation Entlassung Abrechnung Leistungsabgabe an Umwelt Organisatorische Unterstützungsprozesse Infrastrukturmanagement, Organisation Personalmangement Finanzmanagement Vergütung der Ressourcen Führungsprozesse Unternehmensführung, Personalführung Arbeits-, Dienst-, Einsatzplanung Controlling Marketing Vergütung der Leistungen Betrieb Abb.: Aufgabengruppen in sozialen Organisationen. Die Gruppe der rein finanzwirtschaftlich ausgerichteten Instrumente bezieht sich in erster Linie auf organisatorische Unterstützungsprozesse, etwa das Finanzmanagement oder die Buchhaltung. Die Gruppe der leistungs- und finanzwirtschaftliche Fragen verknüpfende Instrumente fließen in die Unternehmensführung ein. Die dritte Gruppe setzt dagegen an den sozialarbeiterischen Prozessen an. Im nun folgenden sollen kurz einzelne, keineswegs Vollständigkeit beanspruchende Beispiele für Instrumente der jeweiligen Gruppen angeführt werden. Finanzwirtschaftliche Instrumente – Das Rechnungswesen Das Rechnungswesen ist die zentrale Informationsbasis der Betriebswirtschaft. In ihm bilden sich alle finanziellen Vorgänge ab. Es soll über die „Lage des Unternehmens“6 informieren. Das Rechnungswesen kann in folgende Stufen unterschieden werden: (1) Ausgangspunkt der systematischen Erfassung ist die Buchhaltung. Die Buchhaltung erfasst die Vorgänge des realen Geschäftsbetriebs systematisch, allerdings in monetären Größen und insoweit sie für die Buchhaltung relevant sind. So wird z.B. von der Buchhaltung nicht der tägliche Personaleinsatz erfasst, jedoch die monatliche Personalabrechnung und natürlich die Abrechnung der Leistungen. Die Buchhaltung als erste systematische Erfassungsquelle ist für die Genauigkeit der späteren Auswertungen von hoher Bedeutung. Zentrales Hilfsmittel hierfür ist der Kontenplan, in dem die einzelnen Konten („Haushaltsstellen“, Rechnungsbereiche, Untergliederungen) verzeichnet sind. (2) Im zweiten Schritt werden die Daten der Buchhaltung zu einem jährlichen Rechnungsabschluss (Jahresabschluss) verdichtet. Bei kaufmännischen Unternehmen sind dies die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Lagebericht. Vereine unterliegen gesetzlich einer vereinfachten Buchführungspflicht. Öffentliche Einrichtungen wenden bislang die öffentliche Buchhaltung, die „Kameralistik“ an. Kommunen führen derzeit ein stark an das kaufmännische Rechnungswesen angelehnte neues kommunales Haushaltswesen ein. In manchen Fällen werden hieraus auch die Grundlagen für Vergütungsverhandlungen abgeleitet. (3) Aus den Buchhaltungsdaten werden im dritten Schritt Informationen für das Management abgeleitet. Dies geschieht im Rahmen der Kostenrechnung (manchmal wird Controlling mit Kostenrechnung verwechselt). Hier sollen die Daten als Informationsgrundlage für Managemententscheidungen aufbereitet werden. An unserem Beispiel des Zukunft e.V. lassen sich die Veränderungen in der Arbeit einer sozialen Organisation infolge des Rechnungswesens darstellen: - Die Buchhaltung wird genauer und umfassender; es werden Kostenarten genauer erfasst oder die Kosten einzelnen Kostenstellen genauer zugerechnet. Hierdurch soll z.B. dokumentiert werden können, welchen Finanzbedarf das Projekt hat und welchen Finanzbedarf andere Arbeitsbereiche - In der Buchhaltung werden künftig Kosten dann erfasst, wenn der Ressourcenverbrauch stattgefunden hat, nicht zum Zeitpunkt der Anschaffung. Es werden dann z.B. neue PCs leichter kalkulierbar: Wie viel wird investiert, wie viel entstehen dadurch Be- oder Entlastungen für die Nutzungsdauer? - Es wird möglich, Kostendaten täglich abzurufen und praktisch täglich festzustellen, welche Erträge und Kosten einzelne Arbeitsbereiche hatten. 6 § 238 HGB - An kaufmännischen Jahresabschlüssen orientieren sich zunehmend Träger und Banken. Die Beschäftigung mit Jahresabschlüssen nimmt daher immer mehr Raum ein. Kennziffern als Controllinginstrument Das Denkschema des Controlling kann mit dem Regelkreis-Modell beschrieben werden. Das Management hat die Aufgabe, die Unternehmensprozesse zu steuern. Hierzu bedarf es regelmäßiger Informationen über die Ergebnisse, die Prozesse und die Inputs. Entsprechend dieser Informationen trifft das Management seine Entscheidungen. Die Aufgabe des Controlling ist es, (1) Ziele eindeutig und messbar zu formulieren, (2) Unterstützung bei der Planung und Auswahl der Handlungsalternativen zu geben, (3) die laufende Informationsversorgung über mögliche Abweichungen von Planungen sicherzustellen und (4) sicherzustellen, dass bei Abweichungen gegensteuernde Maßnahmen ergriffen werden. Aufgabe des Controlling ist nicht, Ziele vorzugeben, zu planen, zu entscheiden oder Maßnahmen zu ergreifen; dies bleibt Aufgabe der Fachverantwortlichen. Controlling versteht seine Funktion in der Bereitstellung eines methodischen Werkzeugs und der erforderlichen Informationen. Insgesamt geht Controlling über die reine Informationsversorgung hinaus. In vielen Unternehmen liegen die Kernprobleme weniger in der „Versorgung“ mit Informationen, sondern in der zu großen, unkoordinierten Verfügbarkeit und in der fehlenden Verwendung. Das Controlling sieht dann seine Aufgabe in der Informationsverdichtung und der Koordination der Planungs-, Informations- und Entscheidungssysteme. Für das Controlling von Sozialunternehmen entscheidend ist die Schaffung von integrierten Steuerungssystemen, die sowohl eine fachliche als auch betriebswirtschaftliche Steuerung ermöglichen. Controlling findet zwar schnell einen Ansatzpunkt im betriebswirtschaftlichen Bereich – dies ist ja seine Domäne – aber es würde dann seiner Planungs- und Koordinationsfunktion nicht gerecht werden. Einer der Ansatzpunkte ist die Schaffung von Kennzahlensystemen, die sowohl finanz- als auch leistungswirtschaftliche Daten kombinieren. Kennzahlen setzen betriebliche Größen – nicht nur ökonomische Größen – in ein sinnvolles Verhältnis zueinander. Kennzahlensysteme können sich auf verschiedene betriebliche Funktionen beziehen, so z.B. - Rentabilitätskennzahlen - Kostenkennzahlen - Personalkennzahlen - Zufriedenheitskennzahlen - Leistungskennzahlen - Wirkungs-, Outcome-Kennzahlen. Der Vorteil von Kennzahlen besteht stets darin, dass Ziele eindeutig festgelegt werden und damit überprüfbar werden. Die in Sozialunternehmen häufig anzutreffende „Sowohl-als-auch-Mentalität“ (Wir erfüllen unseren sozialen Auftrag wirtschaftlich unter Berücksichtigung der Mitarbeiter/-inneninteressen) wird zu größerer Schärfe, Klarheit und Transparenz der Ziele (Wirtschaftlichkeit heißt Kostendeckung, sozialer Auftrag heißt ein bestimmter Leistungsumfang) gezwungen. Erst hierdurch kann das Management überhaupt erst Steuerungssignale bekommen und verarbeiten. Kennzahlen ermöglichen – bei geeigneter Beschaffenheit – auch den Aufbau von Frühwarnsystemen (wenn sie wirklich frühzeitig warnen und auch früh verfügbar sind) und den Vergleich mit früheren Perioden oder anderen Unternehmen (Benchmarking). Kennzahlen verdichten und reduzieren die System- und Umweltkomplexität und ermöglichen so erst Orientierung. In diesem Vorteil setzt die zentrale Kritik an Kennzahlen an: Sie sind eben eine Reduktion und Vereinfachung und implizieren häufig vereinfachte lineare Zusammenhänge. Kennzahlen wollen aber auch nicht mehr sein: Sie wollen schnell und klar Orientierung ermöglichen und Anhaltspunkte für weitergehende – auch systemische – Analysen sein. Hierin bestehen nun aber auch die Schwierigkeit oder die Grenzen von Kennzahlen. So stellen sich Fragen wie - Messen die Kennzahlen das Richtige, treffen sie tatsächlich eine Aussage über die Realität? - Insbesondere bei Wirkungs- oder Outcome-Kennzahlen ist die spannende Frage, ob es überhaupt allgemein gültige Kennzahlen gibt. - Messen die Kennzahlen richtig oder werden Zahlen falsch erhoben? - Sind die Informationen überhaupt steuerungsrelevant; kann man überhaupt anhand der Daten Managemententscheidungen treffen? - Hat die Messung von Kennzahlen Rückwirkungen auf das Verhalten von Mitarbeiter/-innen? (Beobachtungs-, Erhebungseffekte). Dienstleistungsproduktion In die dritte Gruppe fallen Managementinstrumente, die sich auf den sozialarbeiterischen Prozess beziehen – nicht auf die Organisation oder die Verknüpfung mit finanzwirtschaftlichen Zielen. Hier findet sich die derzeit größte Diskrepanz zwischen Sozialer Arbeit und betriebswirtschaftlichem Instrumentarium. Zum einen sieht die Soziale Arbeit einen Zugriff auf ihre Prozesse als „Fremdbestimmung“, „Abkehr von Fachlichkeit“ und lässt diese Zugriffe aus anderen als sozialarbeiterischen Erwägungen nicht zu. Weiterhin bedarf es auch tatsächlich besonders scharfer und ausgefeilter Instrumente, um die individuelle Arbeit mit dem Menschen erfassbar oder für das Management steuerbar zu machen. Und drittens, und dies mag der gewichtigste Grund sein, die Betriebswirtschaft hat diese Instrumentarien schlichtweg nicht. Die Folge ist, dass Sozialarbeiter/-innen ihre Prozesse möglichst lange unabhängig steuern, bis ein finanzielles Diktat zu Veränderungen zwingt. Das Gefühl der „Fremdsteuerung“ ist so auch nicht unbegründet. Der Druck auf ein Überdenken von sozialarbeiterischen Prozessen unter Managementaspekten wird auch nicht nachlassen, solange das finanzwirtschaftliche Gleichgewicht überlebenskritisch ist. Entwicklung sozialarbeiterischer Managementinstrumente Um sozialen Organisationen ihren Charakter zu erhalten, bedarf es daher der Entwicklung von Managementinstrumenten zur Steuerung dieser sozialarbeiterischen Kernprozesse. Welche Arbeitsorganisation ist sinnvoll? Welche Prozessschritte sind Engpässe? Welche Standardisierung ist möglich? Welche informationstechnische Unterstützung ist sinnvoll? Welche Kompetenzen, welcher Personalbedarf ist notwendig? Die Antworten auf diese Fragen benötigt das Management und wird Antworten finden müssen. Dem besonderen Charakter sozialer Organisationen einträglicher wäre, die Antworten fänden Sozialarbeiter/-innen. Andererseits können andere, betriebswirtschaftliche Managementinstrumente auch vorurteils- und vielleicht angstfreier eingesetzt werden. Sie müssen nicht für die soziale Organisation neu erfunden werden, nur an die jeweiligen Spezifika angepasst werden. Dies wiederum ist die bislang vernachlässigte Entwicklungsaufgabe der Betriebswirtschaft als Wissenschaft, der Berater/-innen und der Managementpraktiker/-innen in sozialen Organisationen.