Schilddrüse Autor: Dr. med. Günter Gerhardt 25.10.2005Klein aber oho - die rotbraune Hormondrüse an unserem Hals ist zwar nur ca. 20 g leicht, aber ein Leben ohne sie nicht vorstellbar. Kaum ein Stoffwechselprozess, in den sie nicht eingreift. Bei Neugeborenen, die mit einer Unterfunktion der Schilddrüse zur Welt kommen, kann es unbehandelt zu schweren Entwicklungsstörungen kommen: Kleinwuchs und geistige Zurückgebliebenheit sind mögliche Folgen. Die rechtzeitige Gabe von Schilddrüsenhormonen ist daher unverzichtbar - heutzutage gehört die Überprüfung der Schilddrüsenfunktion zum Glück zu den Routineuntersuchungen nach jeder Geburt.Wie ein Schmetterling liegt die Schilddrüse vor unserer Luftröhre, direkt unterhalb des Kehlkopfes. Sie besteht aus einem rechten und einem linken Lappen (den "Flügeln"), die über ein fingerförmiges Querstück ("Körper" des Schmetterlings) miteinander verbunden sind. Umgeben wird sie von zwei übereinanderliegenden bindegewebigen Kapseln: die innere davon ist sehr zart und ist fest mit dem Drüsengewebe verwachsen. Darüber legt sich die äußere Kapsel, die aus straffem, derbem Bindegewebe besteht und die Schilddrüse mit den umliegenden Strukturen verbindet. Besonders fest ist sie mit der Luftröhre und dem Kehlkopf verwachsen, weshalb die Schilddrüse allen Kehlkopfbewegungen automatisch folgt. Zwischen den beiden Kapseln befinden sich Blutgefäße, Bindegewebe und, meist auf der Rückseite der Schilddrüse, die Nebenschilddrüsen. Das sind vier linsengroße, gelbliche Körperchen, die das so genannte Parathormon produzieren, ein Hormon, welches den Kalzium- und Phosphatspiegel im Blut reguliert.Mit Hilfe eines Mikroskops kann man den Feinbau der Schilddrüse erkennen: sie besteht aus vielen kleinen Läppchen, die wiederum in kleine Bläschen unterteilt sind, die so genannten Follikel insgesamt besitzt die Schilddrüse etwa drei Millionen davon. Zwischen den Follikeln schlängeln sich haarfeine Blutgefäße, die den Stoffaustausch ermöglichen. Die Wand der kreisrunden Bläschen besteht aus einer dünnen Schicht aus Follikelzellen: dies ist die Produktionsstätte der Schilddrüsenhormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3). Der Innenraum der Follikel fungiert als eine Art Vorratskammer: hier werden die produzierten Hormone - dicht gepackt - gelagert, und portionsweise, je nach Bedarf des Körpers, in die Blutbahn abgegeben. Zwischen den Follikelzellen verstreut findet man noch eine andere Zellart, die C-Zellen. Sie stellen das dritte Schilddrüsenhormon her, das so genannte Kalzitonin. Es reguliert zusammen mit dem Parathormon der Nebenschilddrüsen den Kalziumstoffwechsel des Körpers.Hauptaufgabe der Schilddrüse ist es, die Hormone T3 und T4 zu produzieren. Beide haben nahezu die gleichen Aufgaben, wobei T4 als eine weniger wirksame Vorstufe von dem biologisch sehr viel aktiveren T3 aufgefasst werden kann. Die Wirkungen dieser Hormone sind sehr vielfältig: sie veranlassen unsere Körperzellen dazu, mehr Energie und Sauerstoff zu verbrauchen und mehr Wärme zu produzieren. Außerdem wird der Zucker- und Fettstoffwechsel angekurbelt und auch unser Herz schlägt schneller und kräftiger. Kurz: sie bringen unseren Körper gehörig auf Trab. Nebenbei sind sie beim Kind essentiell für ein normales Wachstum von Knochen, inneren Organen und Gehirn.Unser Körper besitzt ein ausgeklügeltes System, um Hormonangebot und - nachfrage optimal zu steuern. Sinkt die Konzentration von T3 und T4 im Blut, wird vom Zwischenhirn ein Hormon ausgeschüttet, das seinerseits die Abgabe eines "schilddrüsenstimulierenden" Hormons auslöst. Dieses so genannte TSH (= thyreoidea-stimulierendes Hormon) regt die Schilddrüse zur Freisetzung ihrer gespeicherten Hormone T3 und T4 an, außerdem fördert es ihr Wachstum und ihre Durchblutung. Zusätzlich unterstützt es die Jodaufnahme in die Schilddrüse und damit die Hormonproduktion - Jod ist nämlich eine unentbehrliche "Zutat" zur Herstellung von T3 und T4. Es steckt in der Nahrung, der tägliche Bedarf eines Erwachsenen liegt bei etwa 200 µg. In Jodmangelgebieten jedoch, wozu auch große Teile Deutschlands gehören, kann dieser Bedarf oft nicht gedeckt werden. Damit die Schilddrüse aber trotz des knappen Jodangebots noch genügend T3 und T4 herstellen kann, wird vermehrt TSH ausgeschüttet. Dauerhaft hat dies wiederum zur Folge, dass die Schilddrüse immer größer wird: es entsteht der so genannte Kropf (Struma). Das stört zunächst nur optisch durch den "dicken Hals", später kann es jedoch auch zu einer Einengung umliegender Organe kommen. Um einem Jodmangel vorzubeugen, sollte man jodiertes Speisesalz verwenden und am besten zweimal pro Woche frischen Fisch essen.Krankheiten der SchilddrüseUnterfunktion: Mangel an Schilddrüsenhormonen, oft schleichender Beginn. Symptome: Gewichtszunahme, Kälteintoleranz, Antriebsarmut, teigige Haut, struppige Haare. Behandlung mit SchilddrüsenhormonenÜberfunktion: Überschuss von Schilddrüsenhormonen. Mögliche Beschwerden: Reizbarkeit, Gewichtsverlust, Wärmeintoleranz mit Schweißneigung, Herzrasen, Durchfall, Haarausfall, Zittrigkeit. Je nach Ursache unterschiedliche BehandlungEntzündung: eine akute Schilddrüsenentzündung geht mit Schmerzen und Fieber einher. Häufiger ist die schmerzlose chronische Entzündung. Diese wird oft von einer Schilddrüsenvergrößerung und -unterfunktion begleitetWann Sie besser zum Arzt gehen solltenBei einigen Schilddrüsenerkrankungen kommt es zu einer Vergrößerung des Organs (Kropf). Dies merkt man zum Beispiel daran, dass die Kette oder der Hemdkragen enger wird, in schwereren Fällen drückt die wachsende Schilddrüse auf Luft- und Speiseröhre, manchmal sogar auf den Stimmbandnerv: es kommt zu Atem-, Schluckstörungen oder Heiserkeit. Diese Symptome sind ein eindeutiges Signal für einen Arztbesuch. Doch auch weniger spezifische Beschwerden wie unklare Gewichtsveränderungen, Haarausfall, Herzrasen, aber auch Nervosität und Schlafstörungen können auf eine kranke Schilddrüse hinweisen und sollten abgeklärt werden.