Blick in das Universum Am Samstag, dem 17.01.2009, eröffnete Prof. Dr. Alfred Müller mit seinem Vortrag Blick in das Universum die diesjährige Runde der Veranstaltungsreihe Physik im Blick, die zum zehnten Mal in jährlicher Folge von den Physikern des Fachbereichs 07 -Mathematik und Informatik, Physik, Geographie- der Justus-Liebig-Universität ausgerichtet wird. Die an den Samstagen vom 17.01. bis zum 14.02. stattfindenden Veranstaltungen stehen unter dem Motto Kosmische Dimensionen. Sie greifen einerseits die Thematik auf, die im Internationalen Jahr der Astronomie 2009 im Vordergrund steht und zeigen im Übergang vom Makro- zum Mikrokosmos auch die verschiedenen Arbeitsgebiete der Gießener Physiker auf. Professor Müller ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Atom- und Molekülphysik (IAMP) am Fachbereich 07. Ausgehend von der Internetseite http://www.unigiessen.de/cms/fbz/fb07/fachgebiete/physik/einrichtungen/iamp/ kann man sich über die Forschungs- und Lehraktivitäten des Instituts informieren. Enge Zusammenarbeit besteht seit mehr als 10 Jahren mit dem Astrophysik-Labor der Columbia Universität in New York. An den Apparaturen im IAMP oder an auswärtigen Großforschungseinrichtungen wird untersucht, was sich auf atomarer Ebene beispielsweise in der Umgebung von Schwarzen Löchern oder auch in Sternatmosphären abspielt. Wissenschaftliche Grundlagen werden auch mit Blick auf die Entwicklung der 13,5 nm Technologie zukünftiger Computerchips erarbeitet. Im Vortrag Blick in das Universum ging Prof. Müller von der in der französischen Revolution verfassten Definition eines Meters aus, das der zehnmillionste Teil eines Viertelmeridians durch Paris sein sollte. Nach genauen Messungen des Erdumfangs wurde der Ur-Meter in Platin gegossen und als Referenzmaßstab in Paris aufgehoben. Heute wird 1 Meter über die Lichtgeschwindigkeit festgelegt. Mit dieser Längeneinheit werden Entfernungen auf der Erde, in unserem Planetensystem und im gesamten Universum gemessen. Schon auf der Erde kann man große Entfernungen nicht durch Anlegen eines Metermaßstabs erfassen. Die erste Methode, welche die Messung des Abstands zu unzugänglichen Objekten erlaubt, ist die Triangulation, die Messung von Abständen unter Nutzung der Gesetze der Trigonometrie. Diese Methode ist durch die Winkelauflösung und Winkelgenauigkeit der verfügbaren Instrumente begrenzt. Immerhin konnte die Satellitenmission Hipparcos in den 1990iger Jahren 120 000 Sterne mit einer Winkelgenauigkeit von 0,001 Winkelsekunden vermessen. Unter diesem kleinen Winkel würde man von der Erde aus den Mann im Mond sehen. Sterne bis zu einer Entfernung von 1000 Lichtjahren konnten damit erfasst werden. Neben der Sonne ist der nächste Fixstern, Proxima Centauri, etwa 4 Lichtjahre von der Erde entfernt. Die Strecke von 500 Lichtsekunden zwischen Erde und Sonne, entsprechend der ununterbrochenen Flugzeit eines Jumbojets von 21 Jahren, erscheint von Proxima aus gesehen so groß wie die Breite eines Haars aus einer Entfernung von 30 m. Bereits die Milchstraße, die Galaxie, in der wir leben, ist 100 mal größer als die genauesten Hipparcos Messungen erfassen konnten. Um solche Entfernungen zu vermessen, werden neue Maßstäbe gebraucht. Dies sind zum Beispiel die sogenannten Cepheiden, variable Sterne mit periodischen Änderungen von Farbe, Größe und Helligkeit. Solche veränderlichen Sterne kommen in großer Zahl überall im Universum vor. Schon vor ca. 100 Jahren wurde entdeckt, dass Helligkeit und Schwingungsperiode dieser schweren Sterne in einem einfachen mathematischen Zusammenhang stehen. Diesen Zusammenhang kann man nutzen, um den Abstand eines von der Erde aus beobachteten Cepheiden zu bestimmen. Dabei wird ausgenutzt, dass die beobachtete Helligkeit einer Lichtquelle quadratisch mit dem Abstand d abnimmt. Ein Stern erscheint bei verdoppeltem Abstand nur noch ein Viertel so hell wie zuvor. Die Cepheiden als Sterne bekannter Leuchtkraft reichen für Entfernungsmessungen bis zu 60 Millionen Lichtjahren. Weit innerhalb dieser Entfernung liegt unsere Milchstraße, die mit ihren ca. 30 Nachbargalaxien die Lokale Gruppe bildet, welche einen Bereich von 5-7 Millionen Lichtjahren umfasst. Mehrere solche Gruppen bilden einen Galaxienhaufen. Ansammlungen solcher Galaxienhaufen oder Galaxiencluster bilden wiederum eine noch größere Einheit, einen Supercluster. Die Ausdehnung solcher Galaxienansammlungen kann nicht mehr mit der Beobachtung von Cepheiden erfasst werden. Obwohl viele dieser veränderlichen Sterne mehr als 1000 mal heller als unsere Sonne sind, kann man einzelne Sterne dieser Größe in Entfernungen jenseits von 60 Millionen Lichtjahren einfach nicht mehr sehen. Noch hellere Standardlichtquellen bekannter Helligkeit werden benötigt. Supernova-Sternexplosionen bieten sich mit ihrer unvorstellbaren Helligkeit als geeignete Lichtquellen für die Bestimmung sehr großer Entfernungen an. Speziell haben solche gigantische Explosionen, bei denen ein weißer Zwergstern von einem großen Begleitstern Materie aufsaugt, bis er instabil wird und in einer gigantischen Atombombenexplosion detoniert, immer die gleiche Helligkeitskurve. Ein solches Ereignis überstrahlt ganze Galaxien mit ihren 100 Milliarden Sternen. Mit solchen "Scheinwerfern" kann man auch sehr weit entfernte Ecken des Universums ausleuchten. Es zeigt sich bei diesem Ausleuchten, dass es im Universum ganze Mauern von Superclustern aus Galaxien gibt, eingelagert zwischen ungeheuren Leerräumen. Die am weitesten entfernten heute sichtbaren Objekte im Universum haben vor 13 Milliarden Jahren das Licht emittiert, das wir jetzt sehen können. Dieses Licht machte sich auf die Reise lange bevor Erde und Sonne entstanden sind. Ein Blick in die Tiefen des Weltalls ist also immer auch ein Blick in die Vergangenheit des Universums, das nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Verständnis vor 13,7 Milliarden Jahren in einem Urknall entstanden ist. Unsere kleine Welt, die ein Lichtpuls in einer siebtel Sekunde umrunden könnte, ist ein Nichts gegenüber den Dimensionen des Universums. Selbst unsere Milchstraße, für deren Durchquerung Licht hunderttausend Jahre benötigen würde, kann man nur als ein Staubkorn im Universum bezeichnen, das geschätzte 80 Milliarden solcher Galaxien enthält. Würde man unsere Galaxie auf die Fläche der Erdscheibe projizieren, dann würde unser gesamtes Sonnensystem auf einen Bierdeckel passen. Die Bahn der Erde um die Sonne mit ihren dreihundertmillionen Kilometern Durchmesser hätte bei gleicher Verkleinerung bequem auf einem Konfetti-Schnipsel Platz.