Geologischer Wanderweg Roggenstock Oberiberg / Hoch-Ybrig Liebe Leserinnen, liebe Leser Inhaltsverzeichnis Allgemeine Angaben und Ergänzungen 1 Einführung in die Geologie 2 von Lukas Inderbitzin, Geologe, Schwyz Die Erde ist in Bewegung 3 – Ozeane entstehen 4 – Gebirge enstehen 5 Gesteine enstehen 6 – Plutonische und vulkanische Gesteine 7 – Sedimente 8 Von längst vergangenen Zeiten 10 – Das Präkambrium 10 – Das Erdaltertum (Paläozoikum) 10 – Das Erdmittelalter (Mesozoikum) 11 – Die Erdneuzeit (Känozoikum) 11 Tektonische Karte 12 Bergwanderer staunen immer wieder über die Schönheit unserer Berge. Ewig und unvergänglich scheinen sie gegen den Himmel zu streben, so auch der Roggenstock in Oberiberg/Hoch-Ybrig. Der geologische Wanderweg am Roggenstock bietet dem interessierten Wanderer den wohl vielfältigsten Einblick in das Werden unserer Alpen auf kleinstem Raum. Zehn Schautafeln, die in Wort und Bild auf die jeweiligen geologischen und botanischen Besonderheiten der Standorte aufmerksam machen, treffen wir auf der Wanderung rund um den Roggenstock. An allen Standorten sind die Tafeln mit speziellen Hinweisen und Bildern auf die Flora unserer Gegend ausgestattet. Die Anforderungen an die Wanderer sind hoch, und oft bereitet die komplizierte Materie jungen Wanderern und Familien Mühe, in so kurzer Zeit alles zu verstehen. Mit dem vorliegenden Büchlein versuchen wir auf sehr einfache Art, das Interesse und Verständnis der jungen Menschen, Familien und Schulen für die Geologie und für die Vorgänge in der Natur zu fördern. 14 Grosser Dank gebührt den beiden Verfassern dieser Schrift, den Geologen Elsbeth Kuriger, Einsiedeln und Lukas Inderbitzin, Schwyz und den Sponsoren. In diesem Sinne viel Spass auf der Wanderung am Roggenstock und der Beschäftigung mit dem Wissen über die Entstehung unserer Alpen. Woher die Gesteine kommen 14 Oktober 2007, Verein Geologischer Wanderweg Roggenstock Vom Meer auf den Roggenstock 14 Eine Wanderung von Europa nach Afrika 15 Afrika! Auf dem Gipfel des Roggenstock 16 Ozeanische Kruste im Ybrig 18 Kalke, im flachen Meer gebildet 19 Untermeerische Sandstürme 20 Der Berggeist heilt allerlei Gebresten 21 Eiszeiten 22 Moor 23 Höhlen – oder wie Gesteine verwittern 24 Landeskarte mit Route 1:25’000 Wanderung am Roggenstock 13 von Elsbeth Kuriger, Geologin, Einsiedeln Danke Ein herzliches Dankeschön gilt allen Freunden, Bekannten und Sponsoren, die mit ihren wertvollen Hinweisen und Spenden Allgemeine Angaben und Ergänzungen Die geologische Wanderung empfiehlt sich in den Monaten Juni bis Oktober. Vom Juli bis Oktober (Bahnbetrieb der Hoch-Ybrig AG) fahren Jugendliche bis 16 Jahre gratis. Empfohlen wird Oberiberg (Talstation Laucherenbahn) über Steinboden (mit Sesselbahn) – Berggeistquelle – Fuederegg (Steinausstellung) – Roggenhütte – Ober Roggen – Roggenstock – Ober Roggen – Roggenegg – Tubenmoos – Schlipfauweid – Oberiberg (Wanderzeit ca. 2 1/4 Std.) oder Oberiberg (Schulhaus) in umgekehrter Richtung (Wanderzeit ca. 3 Std.). Möglich ist auch nur eine teilweise Begehung des Wanderweges ab Hoch-Ybrig, Seebli. (Siehe Kartenausschnitt Seite 13) Anreise mit Postauto ab Einsiedeln nach Oberiberg Post oder Oberiberg Talstation Laucheren. wesentlich zum Gelingen dieser Broschüre beigetragen haben. Auf der Fuederegg gibt es eine Ausstellung der verschiedenen Gesteine am Roggenstock und seiner Umgebung. Die darfst du ja nicht verpassen. Auskünfte, Prospekte durch das regionale Verkehrsbüro in Oberiberg Tel. 055 414 26 26 / Fax 055 414 21 41 [email protected] www.ybrig.ch 1 Einführung in die Geologie Die Erde ist in Bewegung Der Roggenstock ist nicht so imposant wie das Matterhorn, nicht so hoch wie der Mount Everest und seine Felswände sind nicht so steil wie die Eiger Nordwand. Wirft man aber einen Blick auf die Entstehungsgeschichte des Roggenstocks, so wird er zum schönsten, höchsten und steilsten Berg der ganzen Alpen. Berge geben einem oft das Gefühl von Ruhe, Stabilität, Festigkeit und Dauer. Doch der Schein trügt. Bilder von feuerspeienden Vulkanen oder von verheerenden Erdbeben zeigen, dass unter unseren Füssen nicht alles so ruhig ist, wie es scheint. Vor 100 Millionen Jahren war zum Beispiel da, wo der Roggenstock heute steht, ein riesiges Meer, und es standen weit und breit keine Berge! Übrigens: seit der Gründung der Eidgenossenschaft vor rund 700 Jahren ist eine Reise von Europa nach Amerika 35 Meter länger geworden... Aber wie sieht es denn unter der Erdoberfläche überhaupt aus? Mantel Kruste Kern Die Gesteine des Roggenstocks entstanden am Rande des europäischen Kontinents, in einem riesigen Ozean und sogar auf dem afrikanischen Kontinent. Dass diese Gesteine heute so nahe beieinander liegen, haben wir einem riesigen Unfall zu verdanken, der sich vor Millionen von Jahren zwischen dem europäischen und dem afrikanischen Kontinent ereignet hat. Die Entstehung des Roggenstocks ist auch für Erdwissenschafter nicht einfach zu verstehen. Darum ist es wichtig, dass man zuerst einige grundlegende Sachen über die Geologie erfährt. NNE SSW Tubenmoos Roggenstock Farenstöckli Ozeanische Kruste ist mit 10 bis 30 Kilometer Mächtigkeit eher dünn im Vergleich zu der kontinentalen Kruste mit ihren 30 bis 60 km. Der Aufbau unserer Erdkugel kann man mit demjenigen eines Apfels vergleichen: Die äussere Schicht der Erde mit ihren vielfältigen Gesteinen bezeichnet man als Erdkruste. Sie bildet so zu sagen die «Schale» der Erde. Es gibt zwei verschiedene Typen von Erdkruste: während die ozeanische Erdkruste unterhalb von Ozeanen zu finden ist, liegt die kontinentale Kruste dort, wo die Erdoberfläche höher liegt als der Meeresspiegel – auf den Kontinenten. Fuederegg Direkt unterhalb der Erdkruste folgt das «Fruchtfleisch» der Erde. Diesen Teil nennt man Erdmantel. Er besteht aus Gesteinen, die schwerer sind als die der Erdkruste. Im Erdmantel ist es so heiss, dass die Gesteine teilweise flüssig sind. Noch tiefer im Erdinneren, in rund 2900 Kilometer Tiefe, beginnt der Erdkern. Er besteht fast vollständig aus Eisen! Gesteine des Afrikanischen Kontinents Ozeanische Gesteine 2 Gesteine des Europäischen Kontinents 3 Im Erdkern herrschen Temperaturen von über 6’000 Grad Celsius. Die Platten bestehen aus der Erdkruste und dem oberen Teil des Erdmantels. Zusammen werden sie als Lithosphäre bezeichnet. Nordamerikanische Platte Pazifische Platte Unser Planet ist alles andere als ein starres Gebilde. Die Erdoberfläche besteht aus einzelnen Platten (siehe folgende Abbildung), die wie Flosse auf dem teilweise aufgeschmolzenen Untergrund schwimmen. Die Bewegung der Platten ist auf den ersten Blick langsam: einige Zentimeter im Jahr. In Millionen von Jahren verschieben sich Tausende von Kilometern. Gebirge entstehen Wenn sich Platten voneinander wegbewegen, entstehen Ozeane. Was passiert aber, wenn sie sich wieder aufeinander zu bewegen? Die dünne, ozeanische Kruste wird unter die kontinentale Erdkruste in den Erdmantel geschoben. Dieser Prozess wird Subduktion genannt. Der Vorgang setzt sich solange fort, bis die gesamte ozeanische Kruste im Mantel verschwunden ist. Weil die kontinentale Kruste viel dicker ist als die ozeanische, kann sie nicht in den Erdmantel gedrückt werden. Die beiden Kontinente stossen frontal aufeinander und verzahnen sich. Riesige Gesteinspakete werden verschoben und verfaltet, gepresst und gestaucht – es entstehen Gebirge. Eurasische Platte Arabische Platte Afrikanische Platte Südamerikanische Platte Nasca Platte Philippinen Platte Der Ozean schliesst sich wieder Die beiden Platten bewegen sich aufeinander zu. Die ozeanische Kruste schiebt sich unter die kontinentale Kruste (Subduktion). Australische Platte Antarktische Platte Ozeane öffnen sich Ozeane schliessen sich, Gebirge entstehen Ein Gebirge entsteht Die Platten verkeilen sich ineinander. Teile der einen Platte werden auf die andere geschoben. Ozeane entstehen Wenn kontinentale Platten auseinanderbrechen, entstehen dazwischen tiefe Gräben. Das Zentrum der Gräben wird von Spalten durchzogen, durch welche flüssiges Gestein aus dem Erdmantel aufsteigt und diese wieder verschliessen. Gleiten die Platten weiter auseinander, so entstehen neue Spalten, die wiederum mit Magma aus dem Erdmantel aufgefüllt werden. Zwischen den auseinander gleitenden Platten entsteht durch diesen Vorgang neue Erdkruste – ozeanische Erdkruste. Gleichzeitig bildet sich auch ein tiefes und breites Becken, welches sich mit Wasser füllt. So entstehen riesige Ozeane. Kontinentale Platte Noch ist nichts von einem Aufbrechen der Platte zu sehen. Der Ozean öffnet sich Die kontinentale Platte bricht auseinander und es bildet sich dazwischen neue ozeanische Kruste und ein riesiger Ozean. 4 Berge entstehen Gleichzeitig mit der Bildung des Gebirges beginnen Wasser und Eis dieses wieder abzutragen. Bei der Gebirgsbildung werden auch Gesteine des einen Kontinents und des Ozeans weit auf den anderen Kontinent geschoben. Dieser Prozess wird als Überschiebung bezeichnet und die überschobenen Gesteinspakete nennt man Decken. Dieser Vorgang ist für das Verständnis der Geologie rund um den Roggenstock sehr wichtig. 5 Gesteine entstehen Wir begegnen ihnen überall: am Seeufer, in den Flüssen, auf den Bergen und sogar in unseren Wohnungen: den Steinen. Ihr Aussehen ist sehr vielfältig. Sie sind grau, braun, rot, grün, schwarz, blau, gelb oder auch ein buntes Durcheinander davon; sie sind kantig, rund, schwer, leicht, gross, klein und vieles mehr (siehe folgendes Bild). Das Erkennen von Mineralien ist nicht immer einfach. Im Gebiet des Roggenstocks findet man vor allem Kalkgesteine. Diese bestehen hauptsächlich aus dem Mineral Calcit. Weil sich die einzelnen Calcitminerale farblich nicht unterscheiden und weil sie auch meist sehr klein sind, lassen sie sich von blossem Auge und sogar mit einer Lupe kaum erkennen. Im Steingarten auf der Fuederegg sind Gesteine zu finden, deren Mineralien sehr gut zu erkennen sind. Genau hinschauen ist wichtig! In den Gesteinen gibt es nicht nur Mineralien zu entdecken, sondern auch Überreste von Tieren und Pflanzen. Man nennt diese Fossilien. Wie die Fossilien in die Gesteine gelangen, lernen wir im folgenden Kapitel. Auf unserer Erde findet man viele verschiedene Gesteine. Wie ein Gestein aussieht, ist nicht ein Zufall, sondern durch Vorgänge gesteuert, die in und auf unserer Erde ablaufen. Einige dieser Vorgänge und die dadurch entstehenden Gesteine werden nachfolgend beschrieben. Plutonische und vulkanische Gesteine Ihre Entstehung beginnt tief unten im Erdmantel. Die Gesteine im Mantel sind so heiss, dass sie teilweise aufschmelzen. Die Schmelztropfen bleiben aber nicht im Mantel, sondern bewegen sich aufwärts Richtung Erdkruste. Auf diesem Weg sammeln sich viele Tropfen und bilden zusammen riesige Blasen aus flüssigem Gestein (sog. Magmakammern). Die Gesteine haben unterschiedliche Farben, weil sie wie ein Kuchen aus verschiedenen Zutaten zusammengesetzt sind. Diese Zutaten bezeichnet man als Minerale. Es gibt den Granat, den Glimmer, den Diamanten und viele mehr. Eines der bekanntesten Minerale ist der Quarz, auch bekannt als Bergkristall. Kochsalz ist übrigens auch ein Mineral. Der Granit (siehe folgendes Bild) ist ein Gestein und besteht aus drei Mineralen: Quarz, Feldspat und Glimmer. Vulkanische Gesteine rasche Abkühlung – kleine Kristalle Feldspat aufsteigendes Magma Quarz Plutonische Gesteine langsame Abkühlung – grosse Kristalle Magmakammer Glimmer Mineralkörner suchen wir in den vulkanischen Gesteinen mit blossem Auge meist vergeblich, hatten die Mineralkörner doch durch das schnelle Abkühlen zu wenig Zeit zum Wachsen. 6 7 Magma Flüssiges Gesteine mit einer Temperatur von mehr als 1’000° Celcius. Von blossem Auge gut erkennbar Während der Zeit des Abkühlens können aus anfänglich winzig kleinen Mineralkörnern richtig grosse Minerale heranwachsen. So entstehen wunderschöne Gesteine wie der Granit. Bleibt das flüssige Gestein auf seinem Weg zur Oberfläche in der Erdkruste stecken, so dauert es Millionen von Jahren, bis es abkühlt und festes Gestein entsteht. Es wird als plutonisches Gestein bezeichnet. Meist sind ihre Mineralkörner von blossem Auge gut erkennbar. Der Fluss bringt immer mehr Material und die Ablagerungen werden immer dicker und schwerer. Sand und Ton werden durch ihr eigenes Gewicht zu neuem Fels gepresst (siehe folgendes Bild). Aber warum finden wir die plutonischen Gesteine an der Erdoberfläche, wo sie doch tief in der Erde entstanden? Weil das darüber liegende Gestein durch Eis, Wasser und Wind zerstört und abtransportiert wird. Bis ein Granit durch diesen Prozess an die Erdoberfläche gelangt, dauert es aber einige Millionen Jahre. Dringt das flüssige Gestein aus dem Mantel bis an die Erdoberfläche, kühlt es sehr schnell ab und erstarrt zu einer eintönigen, meist schwarzen Masse, welche als vulkanisches Gestein bezeichnet wird. Sedimente Die Entstehung der Sedimentgesteine beginnt beim Zerfall der plutonischen und vulkanischen Gesteine. Man könnte sagen, die Sedimente sind die Abfallprodukte der vulkanischen und plutonischen Gesteine. Wasser, Sonne und Wind zerstören ganze Gebirge. Vor allem starke Temperaturwechsel setzen den Gesteinen zu. Die Felsen werden spröde und zerfallen zu Steinen und Sand. Flüsse transportieren die Bruchstücke. Auf diesem Weg werden sie immer kleiner, bis nur noch Sand und Ton übrig bleibt. Dieses feine Material gelangt schliesslich in Seen und ins Meer und wird dort auf dem Grund abgelagert. Gestein, das durch die Ablagerung eines Flusses entstand. (Nagelfluh) Weit draussen im Meer, wo die Fracht der Flüsse nicht hinkommt, entsteht ein anderer Typ von Sedimentgestein – der Kalkstein. Ausgangspunkt der Entstehung bilden kleinste Lebewesen im Meer. Teile dieser Tiere wie Skelett und Schalen bestehen oft aus Kalk. Sterben die Tiere, sinken ihre Skelette auf den Meeresgrund. Es entstehen kalkige Schlammschichten und mit der Zeit harter Fels (siehe folgendes Bild). Durch Flüsse wird das Material Richtung Meer transportiert Kalkgestein mit vielen Muschelschalenbruchstücken. (Schrattenkalk) 8 9 Von längst vergangenen Zeiten Erdmittelalter (Mesozoikum) Die Gesteine des Roggenstocks sind durchschnittlich etwa 100 Millionen Jahre alt. Ausgeschrieben sieht diese Zahl so aus: 100'000'000. Niemand kann sich vorstellen, welch lange Zeit dies ist. Für uns scheint manchmal schon ein Jahr eine lange Zeit. Um die Geschichte der Erde zu verstehen, ist es nicht nötig zu wissen, wie lange eine Million Jahre dauern. Wichtiger ist, dass man einschneidende Ereignisse wie zum Beispiel das Auftreten der ersten Menschen, das Aussterben der Saurier oder die Entstehung der Alpen am richtigen Ort in das Gerüst der Erdgeschichte einbauen kann. Das Erdmittelalter ist die Zeit der Dinosaurier. Sie waren die unangefochtenen Herrscher. Auch die Säugetiere entwickelten sich während des Mesozoikums. Sie waren klein und unauffällig. Gewaltige fliegende Reptilien und erste Vögel tauchten am Himmel auf. Am Ende des Erdmittelalters gab es – wie am Ende des Erdaltertums – ein riesiges Massensterben, das die Dinosaurier nicht überlebten. Der Grund für dieses Ereignis ist nicht geklärt. Möglicherweise gab es einen gewaltigen Meteoriteneinschlag, welcher das Klima so veränderte, dass die Dinosaurier nicht überleben konnten. 65 540 Trias Präkambrium Erdaltertum Jura Erdmittelalter Kreide Tertiär Quartär Erdneuzeit Das Präkambrium Ganz am Anfang war unsere Erde kein schöner Platz zum Leben. Es war sehr heiss, es gab keinen Sauerstoff zum Atmen und es schlugen unzählige Meteoriten ein, die die Oberfläche wie eine Kraterlandschaft aussehen liessen. Erstes Leben entstand darum erst später. Erste Organismen waren Bakterien. Darauf folgten Algen und wurmartige Tiere. Das Erdaltertum (Paläozoikum) Am Anfang des Erdaltertums vor rund 540 Millionen Jahren hat für die Tier- und Pflanzenwelt eine enorme Entwicklung begonnen. Es entstanden immer mehr und immer neue Arten. Von Säugetieren und Sauriern gab es noch keine Spur. Es lebten Kreaturen wie Trilobiten und Brachiopoden (siehe folgende Abbildung). Auch Fische, Insekten und erste Reptilien spielen im Erdaltertum eine Rolle. Ein grosser Teil der Arten, die das Erdaltertum dominiert haben, sind heute ausgestorben. Trilobiten 10 Die Dinosaurier beherrschten während rund 200 Millionen Jahren die gesamte Erde, der Mensch seit rund 2 Millionen Jahren – 100x weniger lang! 1,8 Heute Gerüst der Erdgeschichte 250 Mio Jahre 4500 Mio Jahre Brachiopoden Am Anfang des Erdmittelalters waren alle Kontinente zu einem Grosskontinent verbunden: dem Superkontinent Pangäa. Schon bald begann dieser wieder auseinander zu brechen. So entstand ein neues Meer – das Ur-Mittelmeer (Tethys, siehe auch Seite 14). Wie das heutige Mittelmeer lag es zwischen Afrika und Europa. Gegen Ende des Mesozoikums haben die Kontinente ihre Bewegungen jedoch so geändert, dass das Ur-Mittelmeer wieder geschlossen wurde und die Kontinente Europa und Afrika miteinander zusammenstiessen. Die Entstehung der Alpen begann. Die Erdneuzeit (Känozoikum) Nach dem Aussterben der Dinosaurier am Ende des Erdmittelalters übernahmen die Säugetiere die Macht und entwickelten ihr heutiges Aussehen. Bis zur Entstehung des Menschen dauerte es noch viele Millionen Jahre. Erste menschenähnliche Gestalten entstanden vermutlich vor 6 Millionen Jahren. Den modernen Menschen gibt es erst seit 100'000 Jahren. Im Vergleich zu seinen Vorfahren zeichnet er sich durch ein leistungsfähigeres Hirn und durch einen feineren Körperbau aus. Während der Erdneuzeit dauert der Crash zwischen Europa und Afrika an. Die beiden Kontinente verzahnten sich tief ineinander. Die Alpen wuchsen in die Höhe. Noch heute wachsen die Alpen jährlich einige Millimeter im Jahr. Da die Berge gleichzeitig auch verwitterten, werden sie jedoch nicht höher. 11 Tektonische Karte Landeskarte 1:25’000 mit Route und Tafelstandorten Nach Trümpy 2006 mit Bewilligung des Bundesamtes für Landestopografie swisstopo Gesteine des Penninikum Gesteine des Ostalpin Arosa-Zone Klippendecke Gesteine des Helvetikum Flysch Wildflysch Basislinien / Trennlinien 12 Reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA071782) Wanderung am Roggenstock Eine Wanderung von Europa nach Afrika Woher die Gesteine im Ybrig kommen Geologisch betrachtet ist der Roggenstock alles andere als einfach: Ein wahres Kunstwerk der Alpenfaltung! Zwischen der Roggenhütte (1538 m ü. M.) und dem Roggenstock (1778 m ü. M.) wandert man von Europa (Helvetikum) mitten durch den Tethys-Ozean (Penninikum) nach Afrika (Ostalpin). Die ältesten Gesteine im Ybrig, die Raibler Schichten des Ostalpin, wurden vor 220 Millionen Jahren abgelagert, die jüngsten (Flysch) vor 35 Millionen Jahren. Sämtliche Gesteinseinheiten bildeten sich in einem Ur-Mittelmeer, der sogenannten Tethys. Helvetikum Jura Penninikum Ostalpin Südalpin c Tethys-Ozean Ur-Europa Schrattenkalk Seewen Kalk Ur-Afrika Radiolarit, Ophiolith Sulzfluh-Kalk Couches Rouges Der hier dargestellte Schnitt durch die Tethys ist stark vereinfacht, da sie ihr Aussehen ständig veränderte. Die Tethys wird in verschieden tiefe Ablagerungsräume aufgeteilt, in denen sich je nach Meerestiefe unterschiedliche Gesteine ablagerten. Die Ablagerungsräume der Gesteine, die im Ybrig zu finden sind, nennt man Helvetikum, Penninikum und Ostalpin. Die Gesteine, die den verschiedenen Ablagerungsräumen zugeteilt werden, sind in der Skizze aufgelistet. Sie werden später im Text beschrieben. Die Tethys (benannt nach einer Meeresgöttin der griech. Mythologie) ist ein kompliziert gegliedertes Meeresbecken, das sich hauptsächlich im Erdmittelalter (Mesozoikum: zirka 250 – 65 Mio Jahren vor heute) zwischen einem Ur-Afrika und Ur-Europa erstreckte. Vom Meer auf den Roggenstock Jura und Molassebecken 1 Ur-Afrika 1 Ostalpin 2 Penninikum 3 Helvetikum Vor zirka 100 Millionen Jahren, am Ende des Erdmittelalters, begann die Alpenfaltung und dauert heute noch an! Sie lässt sich, ebenfalls vereinfacht, mit der Wirkung eines Schneepflugs vergleichen. Die auf dem Meeresboden abgelagerten Gesteine sind der Schnee, Ur-Afrika ist der Schneepflug. Dabei werden die Gesteine der südlichen Ablagerungsräume auf die nördlichen überschoben. Es bildet sich ein Deckenstapel mit dem südlichen zuoberst, dem nördlichen zuunterst. 14 a Blick vom Tubenmoos Richtung Roggenstock. In der Umgebung des Tubenmoos findet man helvetische Gesteine (a), die Felsen im Aufstieg gehören zum Penninikum (b) und der Gipfel des Roggenstock besteht aus ostalpinen Gesteinen (c). Die in der Tethys abgelagerten Gesteine wurden bei der Gebirgsbildung stark verformt. Es bilden sich einzelne Gesteinsschollen, sogenannte Decken. Jetzt wird die Geologie kompliziert: Gesteine der einzelnen Ablagerungsräume werden weiter in Decken unterteilt. Sind die Decken sehr klein, redet man von Schuppen. Nachfolgend aufgelistet sind die sieben Decken, die am Roggenstock zu finden sind (I zuunterst, VII zuoberst). Für Details wird auf die Literatur Trümpy 2006 verwiesen. Die in der Tabelle fett gedruckten Gesteine werden nachfolgend detailliert beschrieben. WAS WANN WO Vll Ober Ostalpine Decke: Sandsteine, Raibler Schichten, Dolomit Trias Ostalpin Vl Schuppe von Ober Roggen: Kalke Trias / Lias (ältester Jura) Ostalpin V Arosa-Zone: Kalke / Schiefer / Radiolarit, Ophiolith Malm (jüngster Jura) / Kreide Südpenninikum IV Klippendecke: Sulzfluh-Kalk / Flysch / Fleckenkalke und Couches Rouges Jura / Kreide / Paläogen* Mittelpenninikum lll Flysch Kreide / Paläogen* Nordpenninikum ll Wildflysch (Iberg-Mélange) l Drusbergdecke: z.B. Schrattenkalk Garschella-Formation, Seewen-Fm 2 3 Ur-Europa b Dolomit Kreide / Paläogen* Helvetikum * Der bekannte Begriff Tertiär wird heute in Paläogen und Neogen (älteres und jüngeres Tertiär) aufgeteilt. 15 Afrika! Auf dem Gipfel des Roggenstock Twäriberg Legt man die letzten Höhenmeter bis zum Gipfel des Roggenstock zurück, fühlt man sich in einer anderen Welt. Es sind nicht mehr die Fichten, die sonst im Ybrig dominieren, plötzlich ist man umgeben von Föhrenbeständen. Es erinnert an den Nationalpark im Engadin oder an die Dolomiten in Italien. Der Gesteinsuntergrund bestimmt die Vegetation. Dolomit unterscheidet sich vom Kalkstein einzig durch seine chemische Zusammensetzung. Kalk ist ein reines KalziumKarbonat CaCO3. Dolomit ist ein Magnesium-Kalzium-Karbonat CaMg(CO3)2, d.h. die Hälfte des Kalziums ist durch Magnesium ersetzt. Druesberg Bergsturz Bergsturz am Druesberg Im März 1989 lösten sich von der NWSeite des Druesberg 50'000-70'000 m3 Fels und stürzten talwärts. Zum Glück war die Alp Chalberalpeli zu jener Jahreszeit nicht bestossen und niemand kam zu Schaden. Die gesamte Gipfelregion des Roggenstock besteht aus Dolomit, ein Gestein, das – wie der Name sagt – hauptsächlich in den Dolomiten, in den östlichen Alpen vorkommt, deshalb der Name Ostalpin für seinen Ablagerungsraum. Wir stehen auf einem Stück Ur-Afrika! Klippen nennt man geologische Einheiten, die als isolierte Relikte oben im Deckenstapel liegen. Es können ältere Gesteine sein, umgeben von jüngeren Gesteinen oder Gesteine eines südlichen Ablagerungsraumes, die isoliert auf solchen nördlicher Herkunft liegen. Ostalpin Penninikum Helvetikum 16 Ein Bergsturz geht mit hoher Geschwindigkeit aus Bergflanken nieder. Die Gesteinsmassen stürzen in freiem Fall. Rutschen sie hingegen auf einer Gleitschicht, spricht man von einem Bergrutsch, in der Mundart von einem «Schlipf». Die Gesteine legen sich in Falten Zur Zeit, als die alpine Gebirgsbildung im Ybrig sehr aktiv war (vor zirka 60 Millionen Jahren), lagen die heute sichtbaren Gesteine unter einem Gesteinspaket von 1.5 – 5 km begraben. Deshalb waren die Gesteine «weich» genug, um sich in Falten zu legen, wie man sie heute an der Totenplangg sieht. Bei der verfalteten Gesteinsschicht handelt es sich um Schrattenkalk. Chöpfenberg Fluebrig Aussicht vom Roggenstock in westliche Richtung Forstberg Biet Fidisberg Schülberg Hantke 1996 Der Roggenstock gehört zu den Zentralschweizer Klippen, da Gesteine des Ostalpin und Penninikum isoliert wie eine Insel im «Meer des Helvetikum» liegen. Die bekanntesten Klippen der Region sind jedoch zweifellos die Mythen (Penninikum isoliert auf Helvetikum). Die rote Gipfelmütze der Mythen besteht aus Couches Rouges, ein Gestein, das auch am Roggenstock vorkommt. Totenplangg Wie lange dauert es, bis sich 200 m dicker Kalk gebildet hat? Der Schrattenkalk ist ein typischer Kalk des helvetischen Ablagerungsraumes, der im Alpenraum markante 50 – 200 m hohe Felswände bildet. Viele Höhlensysteme befinden sich im Schrattenkalk. Am Kontinentalrand, wie es beim Schrattenkalk am Rande des TethysOzeans der Fall war, beträgt die Bildungsrate von Kalk 2 – 5 cm pro 1000 Jahre. Eine 200 m mächtige Wand braucht 10 – 40 Millionen Jahre Zeit zum Wachsen! 17 Ozeanische Kruste im Ybrig Kalke, im flachen Meer gebildet Gesteine aus der Tiefe der Tethys Im Zentrum des Tethys-Ozean gab es eine Hochzone, auf der sich Flachwasserkalke bildeten. Die Gesteine des Mittelpenninikum fallen durch die hellgrau anwitternden Kalke auf. Man nennt sie auch «Sulzfluh-Kalke», weil sie an der Sulzfluh bei St. Antönien dominant vorkommen. Zusammen mit den Sulzfluh-Kalken sind die Couches Rouges die verbreiteste Gesteinsgruppe des Mittelpenninikum. Am Roggenstock und seiner Umgebung sind Gesteine vorhanden, die man heute mitten im Atlantik findet. Dies deutet darauf hin, dass sie sich einst an einem tiefen Meeresboden gebildet haben. Man findet Ophiolithe und erkaltete Lava mit Kissenstrukturen (Pillow-Lava). Auch Radiolarit, ein typisches Gestein aus der Tiefsee, kommt im Ybrig vor. All diese Gesteine wurden im tiefen Ozean des Südpenninikum gebildet. Weder Ophiolithe noch Pillow-Lava sind beim Wandern rund um den Roggenstock leicht erkenntlich. Sie kommen unzusammenhängend vor und sind selbst für Experten nur schwer auffindbar. Sie werden hier erklärt, weil sie für das Verständnis wichtig sind. Couches Rouges Roggenstock Pillow-Lava oder auch KissenLava genannt, bildet sich bei einem untermeerischen Vulkanausbruch. Die Lava kommt in Kontakt mit Wasser und kühlt sehr schnell ab. Dies führt zur Bildung von Wülsten und Kissen. Ophiolithe sind eine Gruppe von Gesteinen, die sich durch basische Ergüsse (Basalte) in der Tiefe des Ozeans bilden, wenn sich zwei Platten auseinander bewegen. Es sind mehrheitlich grüne Gesteine, im Ybrig jedoch sind sie meist violettbraun. Radiolarien, deutsch Strahlentierchen, sind Kleinstlebewesen, die ausschliesslich im Ozean vorkommen. Ihr Skelett besteht aus SiO2 (Siliziumdioxid). Sie bilden den sogenannten Radiolarit in einer Meerestiefe, in der Kalk nur in gelöster Form vorkommt (heute in 4–5 km Tiefe). Blick von der Roggenhütte Couches Rouges werden rötliche Mergelkalke (tonhaltiger Kalk) genannt. Gebildet wurden sie am Ende der Kreidezeit im Ablagerungsraum des Mittelpenninikum. Die auffallendste Couches Rouges ist am Gipfel des Grossen Mythen zu sehen. Das Fundament des Roggenstock wird von Gesteinen des Helvetikums gebildet. Es sind vorwiegend Kalke, die am flachen Schelf am Nordrand des Tethys-Ozeans gebildet wurden. Der Schrattenkalk, der die Falte an der Totenplangg bildet und die SeewenFormation, die im Tubenmoos vorkommt, sind zwei wichtige Vertreter aller helvetischen Kalke. Mit etwas Glück kann man Radiolarit im Gesteinsschutt rund um den Roggenstock finden. Radiolarit ist rötlich, manchmal grünlichgrau und sehr hart. Aber Achtung: Nicht jeder rote Stein ist Radiolarit. Wer sicher sein will, nimmt sein Taschenmesser. Kann man den Stein ritzen, ist es nicht Radiolarit, denn dieser ist härter als die Klinge und hinterlässt auf dieser Ritzspuren. Radiolarit bei der Gesteinsausstellung auf der Fuederegg. 18 «Sulzfluh-Kalk» Seewen-Kalk beim Tafelstandort 2 im Tubenmoos. Ein sehr heller feiner Kalk, oft mit feinen, schwarzen Tonhäutchen. 19 Untermeerische Sandstürme Der Berggeist heilt allerlei Gebresten Flysche sind Zeugen untermeerischer Schlammlawinen. Es ist eine Gesteinsart, die die geologischen Verhältnisse einer Gegend erschweren, selten an der Oberfläche klar ersichtlich sind und einen Boden bilden, der bei Regenwetter schnell schlammig und rutschig wird. Die Mineralquelle «Berggeist» ist eine stark schwefelhaltige Quelle, die bereits 1794 in einer DoktorDissertation untersucht wurde. Mancherlei Gebresten konnten offenbar durch Trinken dieses Wassers geheilt werden. Eine 1912 durchgeführte wissenschaftliche Analyse bestätigte den Wert der Quelle als Trinkkur. Der Schwefel des Quellwassers stammt aus Gips, der im Wildflysch vorkommt. Entstehung von Flyschsedimenten (Vorlage des Naturhist. Museums Bern) Flysch entsteht während gebirgsbildenden Prozessen. An der Front der sich bildenden Alpen wird der Meeresboden immer steiler. Untermeerische Rutschungen sind die Folge. Diese sogenannten Turbidite oder Trübeströme lagern sich wieder ab. Flysch entsteht. Flysch besteht oft aus sich abwechselnden Schichten von Sandstein und Tonzwischenlagen. Biet Fidisberg Schülberg Gips, ein wasserhaltiges Kalziumsulfat (Ca[SO4]•2H2O), entsteht durch Fällung aus Meerwasser durch Verdunstung. Gips ist ein sehr weiches Mineral und wird im Baugewerbe und für die Herstellung von Schwefelsäure verwendet. Alte überlieferte Sprüche: Über Kater und andere Geister wird sicher nur der Berggeist Meister Gesunde, die über den Berggeist spotten sieht man als Kranke zur Quelle trotten Verblühende Frauen malens Gesicht Sie kennen leider den Berggeist nicht komm schöne Frau und trinke dann brauchst du keine Schminke Adler Hirsch und Sihlforellen sind blutsverwante Trinkgesellen solls Dir wohl wie diesen sein schenk ein Gläschen Berggeist ein Ohne Berggeist welkt die Kraft, dagegen hilft kein Gerstensaft Wildflysch Roggenegg Wildflysch hat nur indirekt mit eigentlichem Flysch zu tun. Er bezeichnet ein «tektonisches Mélange», d.h. bei der Gebirgsbildung zwischen zwei Decken eingepresstes Gesteinsmaterial. Der Wildflysch kann eigentlichen Flysch enthalten, aber auch ortsfremde Gesteinsblöcke. 20 Die ortsfremden Gesteine nordöstlich der Roggenegg gehören zum Wildflysch. Ein roter knolliger Kalk bildet einen über 500 m3 grossen Block, der wenig abseits des Weges gut zu erkunden ist. Die Berggeistquelle befindet sich im Wildflysch. Dass der Begriff «Flysch» mit dem Wort «fliessen» verwandt ist, wird auf dem Weg zur Quelle sichtbar. Flysch ist nämlich sehr leicht erodierbar, und die Hänge neigen zu Sackungen und Rutschungen. Wanderwege in Flyschhängen müssen oft repariert werden. 21 Eiszeiten Moor Wasserundurchlässiger Boden als Voraussetzung Farenstöckli Historischer Bergsturz Endmoräne Alp Ober Roggen Kleine Endmoräne der letzten Eiszeit bei Alp Ober Roggen. Zu sehen ist auch ein alter Bergsturz am Farenstöckli. Spitalhöchi 4 1 Charenstock Regenegg Gschwändstock 3 l. -G ter ns i M Leimgütsch Furggelenstock Waa g - Gl. Stock Fahrenstock Schwarzstock Fidisberg Roggenstock Gr. Schijen Mördergruebi Sternenegg Spirstock Schülberg Twäriberg Druesberg Forstberg Gr. Sternen Weshalb gibt es Eiszeiten? Planetare Ursachen sind für Schwankungen der Intensität der Sonneneinstrahlung verantwortlich. Unter anderem ändern sich die Schiefe der Erdachse und die Form der Ellipse, mit der die Erde um die Sonne kreist, in Zyklen von mehreren Tausend Jahren. Auch veränderte Meeresströmungen können eine entscheidende Rolle spielen. Noch sind nicht alle Fragen restlos geklärt. 22 Hochmoor . Gl Zur Zeit der maximalsten Eisstände vor zirka 150’000 Jahren war das Gebiet des Ybrig fast vollständig mit Eis bedeckt. Nur die Gipfelpartien ragten als sogenannte «Nunataker» aus dem Eis heraus. Vergletscherung im Ybrig zur Zeit der maximalsten Eisstände vor 150’000 Jahren lSih Das Eiszeitalter begann vor etwa 2 Millionen Jahren und umfasst Kalt- und Warmzeiten. Nach heutigen Erkenntnissen gab es mindestens 15 Kaltzeiten mit markanten Gletschervorstössen. Der letzte grosse Vorstoss endete vor zirka 10’000 Jahren. Die klassische Unterteilung in die vier Eiszeiten Günz, Mindel, Riss und Würm ist heute überholt, gerne aber spricht man noch von der «RissEiszeit» und meint damit die grösste Vergletscherung, oder von der «Würm-Eiszeit» als der letzten Vergletscherung. Für die Entstehung von Mooren ist reichlich Niederschlag und ein wasserdichter Untergrund die Voraussetzung. Dies führt zu Sauerstoffmangel und die Zersetzung von abgestorbenen Pflanzen wird gehemmt. Das organische Material häuft sich an, und im Verlaufe der Jahrhunderte bildete sich eine Torfschicht. Im Gebiet des Roggenstock sind das Hochmoor Tubenmoos (Tafelstandort 3) und die Flachmoore Fuederegg und Seebli (Tafelstandort 3a) von Bedeutung. Der notwendige wasserundurchlässige Boden ist geologisch bedingt. Wasserundurchlässiger Mergel (Gesteinsschicht aus Kalk und Ton) und/oder die eiszeitliche Lage einer Gletscherzunge können verantwortlich sein. Beim Rückzug eines Gletschers bildet sich oft ein Gletscherrandsee, in dem sich feines Material ablagert, das von Gletscherbächen geliefert wird. Es sind dies Sand, Lehm und feinste Staubpartikel, welche am Grunde des Gletschers durch Reibung entstehen. Die dadurch getrübten Gletscherwässer werden im Volksmund Gletschermilch genannt. Nicht zufällig sind viele der in der Schweiz bekannten Moore dort zu finden, wo einst eiszeitliche Gletscher das Gebiet bedeckten (z.B. Schwantenau bei Einsiedeln, Rothenthurmer Hochmoor). Die Hochmoore hatten somit mehrere 1000 Jahre Zeit, zur heutigen Mächtigkeit anzuwachsen Tubenmoos mit dem Wanderweg zwischen Schlipfauweid und Roggenegg. Hochmoore entstehen direkt auf durchnässten Böden oder indirekt aus einem Flachmoor. Sie sind nicht mit dem Grundwasserspiegel verbunden. Die Pflanzen werden ausschliesslich von nährstoffarmem Regenwasser ernährt. Typisch sind Torfmoose, die ein hohes Wasserspeichervermögen aufweisen. Ein Hochmoor wächst zirka 1mm/Jahr. Flachmoor 4 2 3 1 2 3 4 Torf Grundwasserspiegel Wasserundurchlässige Stauschicht Moor Flachmoore entstehen meist aus verlandeten Seen oder Tümpeln. Die Pflanzen erreichen mit ihren Wurzeln das Grundwasser. Sie sind nährstoffreich, und die Vegetation ist vielfältiger als jene der Hochmoore. 23 Höhlen – oder wie Gesteine verwittern Futter für Bücherwürmer Kalkreiches Gestein ist anfällig auf chemische Verwitterung. In Kontakt mit Wasser wird Kalkgestein aufgelöst. Im Ybrig sind es vor allem der Schrattenkalk und die Seewen-Formation, die gut verkarstungsfähig sind. Ersichtlich ist dies einerseits an der Oberfläche, wenn sich Dolinen bilden. Typisch ist auch, dass oft eine Oberflächenentwässerung fehlt, d. h. das Wasser fliesst unterirdisch weiter. So hat z. B. der Seeblisee keinen oberirdischen Abfluss. Nicht zufällig also, dass unweit der Bergstation der Hoch-Ybrig-Luftseilbahn ein ausgedehntes System unterirdischer Gänge entdeckt wurde. Geeignet für Schüler und Wanderer Schülberg Pfannenstöckli Rütistein Twäriberg Auf der Maur, F. & Jordan, P. 1992 Geotope. Fenster in die Urzeit, ISBN 978-3-7225-6417-3 Hantke, R. & Kuriger, E. 2003 Überblick über die Geologie des Kantons Schwyz und seiner Nachbargebiete. In: Geologie und Geotope im Kanton Schwyz (S. Lienert, ed.). Ber. Schwyz. Natf. Ges. 14, S. 9-34 Hottinger, L. 1980 Wenn Steine sprechen, Birkhäuser Verlag Basel Labhart, T. 2001 Geologie der Schweiz, ISBN 978-3-7225-0007-2 Marthaler, M. 2005 Das Matterhorn in Afrika, die Entstehung der Alpen in der Erdgeschichte. h.e.p.Verlag, 2. Auflage Press & Siever 1995 Allgemeine Geologie: Eine Einführung, Spektrum, Heidelberg Weitere empfohlene Literatur Hantke, R. 1991 Landschaftsgeschichte der Schweiz und ihrer Nachbargebiete – Erde – Klima – und Vegetationsgeschichte der letzten 30 Millionen Jahre, Ott Verlag Thun Der Seeblisee hat keinen oberirdischen Abfluss, was auf unterirdische Entwässerung und mögliche Höhlenbildung hindeutet. Ein System unterirdischer Gänge wurde unweit der Bergstation der Hoch-Ybrig-Luftseilbahn entdeckt. Heierli, H. 1982/83 Geologischer Wanderführer Schweiz. Band 1, Die geologischen Grundlagen Band 2, 14 Geologische Wanderungen, Ott Verlag Thun Trümpy, R. 1985 Die Plattentektonik und die Entstehung der Alpen Neujahrsblatt, Naturf. Ges. Zürich, S. 187 Trümpy, R. 2006: Geologie der Iberger Klippen und ihrer Flysch Unterlage. Eclogae Geol. Helv. 99/1, S. 79-121 Karst Dolinen sind an der Oberfläche sichtbare Einsturztrichter. Im Untergrund wird das Gestein gelöst bis die Hohlräume zu gross werden, sodass der Boden einsackt. 24 Karst wird eine Landschaftsform bezeichnet, die durch chemische Verwitterung von hauptsächlich kalkreichem Gestein entsteht. Impressum Herausgeber Verein Geologischer Wanderweg Roggenstock Oberiberg Verkehrsverein Oberiberg Konzept, Text und Fotos Elsbeth Kuriger, Dipl. Natw. ETH, Geologin, Einsiedeln Lukas Inderbitzin, Dipl. phil. nat., Geologe, Schwyz Redaktion Karl Faber, Oberiberg Layout Holdi Art, Koni Holdener, Oberiberg Druck Druckerei Franz Kälin AG, Einsiedeln 1. Auflage 2007, 5000 Ex. 2. Auflage 2008, 5000 Ex. Mitglieder genies geniessen ssen exklusive V Vorteile. orteilee. Raiffeisenbank Yber Yberg g / Oberiberg Oberiberrg / Unteriberg Unteriberg Hauptsitz Oberiberg Oberiberg Geschäftsstelle Unteriber g Unteriberg 055 414 61 21 yber [email protected] www.raiffeisen.ch/yberg www.raiffeiseen.ch/yberg [email protected]