Gadoliniumhaltige Kontrastmittel in der Magnetresonanztomographie Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist heute eine unverzichtbare Bildgebungsmethode in der medizinischen Diagnostik. Dabei kommen extrazelluläre gadoliniumhaltige Kontrastmittel zum Einsatz, die für viele Fragestellungen unverzichtbar sind. Derzeit sind neun dieser Kontrastmittelpräparate auf dem deutschen Markt zugelassen (siehe Anlage 1). Die für die MRT verfügbaren extrazellulären Gadoliniumchelate sind dabei von ihrer chemischen und physikalischen Struktur entweder linear (kettenartig) oder makrozyklisch (ringförmig) aufgebaut und unterscheiden sich zusätzlich in ihrer Ladung (ionisch/nicht-ionisch) und in ihrer T1-Relaxivität. Die Präparate werden vorwiegend renal ausgeschieden. Anwendungseinschränkungen Bei insgesamt sehr guter Verträglichkeit aller zugelassenen MR-Kontrastmittel werden selbst allergische Reaktionen als häufigste Nebenwirkung nur sehr selten beobachtet. Die wichtigste Anwendungsbeschränkung der vergangenen Jahre bezog sich auf Patienten mit einer eingeschränkten Nierenfunktion, da in diesen Fällen die Ausscheidung der Kontrastmittel verzögert ist. Bei wiederholter Anwendung einiger MR-Kontrastmittel kann es zu GadoliniumAblagerungen in Geweben kommen, die in sehr seltenen Fällen eine nephrogene systemische Fibrose (NSF) auslösen können. Die MR-Kontrastmittel wurden von der „European Medicines Agency“ (EMA) in Präparate mit hohem, mittlerem und niedrigerem NSF-Risiko eingestuft. Für die Anwendung der linearen Kontrastmittel Gadoversetamid, Gadodiamid, GadopentetatDimeglumin und deren Generika hat sie eine Kontraindikation bei einer Glomerulären Filtrationsrate (GFR) <30 ml/min eingeführt. Bei allen anderen MR-Kontrastmitteln soll die zugelassene Standarddosis nicht überschritten werden. Mehrmalige Anwendung Bei den in der MRT verwendeten gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln handelt es sich in der Regel um unspezifische extrazelluläre Kontrastmittel, die sich nach intravenöser Verabreichung im Intravasalraum verteilen, in den interstitiellen Raum diffundieren und über die Nieren wieder ausgeschieden werden. Bei hepatobiliären Substanzen (sogenannte spezifische extrazelluläre bzw. leberspezifische Kontrastmittel) erfolgt eine partielle Ausscheidung über das Gallenwegsystem. Der Ausscheidungsprozess über die Niere kann insbesondere bei Patienten mit einer Niereninsuffizienz verlangsamt oder – bei wiederholter Anwendung eines MR-Kontrastmittels – auch unvollständig erfolgen, sodass Ablagerungen möglich sind. 12.02.2016 Seite 1 von 3 Zerebrale Ablagerungen In einer Erstveröffentlichung wurde vor zwei Jahren über Signalerhöhungen in bestimmten Hirnarealen in T1-gewichteten Aufnahmen durch zerebrale Ablagerungen von Gadolinium in unklarem chemischem Zustand berichtet. Diese Signalerhöhungen wurden insbesondere bei Patienten festgestellt, bei denen aufgrund ihrer Grunderkrankung eine mehrfache Kontrastmittelapplikation erforderlich war. Dazu zählen beispielsweise Kontrolluntersuchungen im Rahmen von Tumorerkrankungen oder von entzündlichen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose. Die vermuteten Gadolinium-Anlagerungen scheinen laut der bisher veröffentlichten Studienergebnisse in erster Linie im Nucleus dentatus (im Kleinhirn) und im Globus pallidus (in den Stammganglien) vorzukommen. Die „Food and Drug Administration“ (FDA) in den USA hat diese und nachfolgende Publikationen aufgegriffen und in einer Drug Safety Communication von Juli 2015 darauf hingewiesen, dass sich bestimmte extrazelluläre Gadolinium-Kontrastmittel bei einer mehrmaligen, d. h. mehr als viermaligen Anwendung auch in bestimmten Hirnarealen anreichern könnten. Die bisherigen Publikationen beschreiben zwar entsprechende Signalveränderungen, ein Krankheitsbild oder irgendwelche Symptome gehen damit bisher nicht einher. Deshalb wurden auch von der FDA keine Änderungen an der Packungsbeilage von gadoliniumhaltigen MRKontrastmitteln vorgenommen. Derzeit werden von vielen erfahrenen Forschergruppen weltweit weitere Untersuchungen durchgeführt. Eine Zusammenstellung der relevanten Literatur findet sich im Anhang (siehe Anlage 2). Die Deutsche Röntgengesellschaft hat eine Task Force ins Leben gerufen, die die weiteren Entwicklungen in diesem Prozess beobachtet und den jeweils aktuellen Stand zusammenfasst. Immer eine Einzelfallentscheidung Handlungsleitend für alle Radiologen in Deutschland ist das gemeinsame Ziel, ein Höchstmaß an diagnostischer Qualität mit der größtmöglichen Sicherheit für die Patienten zu verbinden. Bei MRT-Untersuchungen verbessern Kontrastmittel die Aussagekraft in erheblichem, nicht selten in entscheidendem Maße. In jedem Einzelfall gilt es daher, das Risiko, ohne MR-Kontrastmittel einen wichtigen, unter Umständen auch lebensbedrohlichen Befund zu übersehen, gegenüber den durch ihren Einsatz möglichen Nebenwirkungen abzuwägen. 12.02.2016 Seite 2 von 3 Dabei befolgen Radiologen folgende Grundsätze: Der Einsatz eines Kontrastmittels erfolgt immer nach genauer Überlegung, ob sich dadurch potentiell zusätzliche Informationen gewinnen lassen. Es wird grundsätzlich die geringste mögliche Menge eines Kontrastmittels verabreicht. Die Entscheidung über den Einsatz von Kontrastmitteln sollte immer auf der Grundlage der Kenntnis der bei einem Patienten individuell bestehenden Risikofaktoren wie z. B. Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus oder Allergien erfolgen. Anwendungsrichtlinien und Empfehlungen Die Radiologie in Deutschland orientiert sich an nationalen und internationalen Standards, Richtlinien und Empfehlungen – u. a. des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), des „Committee for Medicinal Products for Human Use“ (CHMP), der „European Medicines Agency“ (EMA), der „European Society of Urogenital Radiology“ (ESUR), des „American College of Radiology“ (ACR) und der FDA. Hervorzuheben sind die EMA sowie die ESUR, welche sich schon lange mit dem Thema Kontrastmittel beschäftigen und sehr umfangreiche Richtlinien zum Umgang mit Kontrastmitteln herausgegeben haben. Hierzu zählen auch Empfehlungen zum Einsatz von gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln bei Schwangeren und Neugeborenen oder bei dialysepflichtigen Patienten. So sollen nach diesen Empfehlungen beispielsweise die linearen Kontrastmittel Gadodiamid, Gadopentetat-Dimeglumin und Gadoversetamid nicht bei Neugeborenen und schwangeren Patientinnen angewendet werden. Im Falle einer notwendigen Hämodialyse empfiehlt die ESUR, diesen Zeitpunkt mit der Gabe eines gadoliniumhaltigen Kontrastmittels abzustimmen und diese so früh wie möglich nach der Kontrastmittelapplikation durchzuführen. 12.02.2016 Seite 3 von 3