Reflexionen und stehende Wellen.indb - beam

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Vorgänge bei komplexen Abschlusswiderständen von Leitungen
3. Vorgänge bei komplexen Abschlusswiderständen von Leitungen
Bei komplexen Abschlusswiderständen von Leitungen sind die Vorgänge am Generator, an seinem
Innenwiderstand und am Eingangswiderstand der Leitung deutlich komplizierter als bei ohmschen
Widerständen und daher schwerer zu durchschauen. Das führt dazu, dass leicht Fehlschlüsse in Bezug
auf das Verhalten der reflektierten Signale der Leitung gezogen werden. Es ist daher angebracht,
zunächst nur das Zusammenspiel von Generator, ohmschem Innenwiderstand und komplexem
Lastwiderstand zu betrachten. Wenn dieses Zusammenspiel geklärt ist, wird die Gesamtanordnung mit
Leitung leicht überschaubar.
Bild 3.1 zeigt einen einfachen Stromkreis mit UG = 100 V, f = 10 MHz, Ri = 50 Ω und Za = j Xa = j 50 Ω.
Man kann diesen Stromkreis mit elementaren Kenntnissen der Wechselstromtechnik berechnen. Bild
3.2 zeigt das zugehörige Zeigerdiagramm mit den Widerständen und Spannungen der Schaltung zur
Berechnung der Spannungen URi und Ua sowie des Stroms I. Die Leistungen werden bei Wechselstrom
aus der komplexen Spannung und dem konjugiert komplexen Strom I* berechnet, bei dem der
Imaginärteil sein Vorzeichen gegenüber dem Quotienten UG/Z umkehrt. Der folgende Kasten zeigt die
Berechnung.
e jϕ = cos ϕ + jsin ϕ
e -jϕ = e j-ϕ = cos ϕ − jsin ϕ
e j45 = 0, 707 + j0, 707
e j90 = 0 + j1 = j
Bild 3.1: Generator mit
Innenwiderstand und
Induktivität als Last
Z = Ri + jX a = 50Ω + j50Ω = Z ×e jϕ = 70, 71 Ω ×e j45°
Z =
Re 2 + Im 2 =
(50Ω )2 + (50Ω ) 2 = 50Ω × 2 = 70, 71Ω
Im
50Ω
= arctan
= arctan1 = 45°
Re
50Ω
U
100V
= 1, 414 A ×e j-45°
I= G =
Z
70, 71Ω ×e j45°
ϕ = arctan
I * = 1, 414 A ×e j45°
U a = j X a × I = j50Ω ×1,414A ×e j-45° = e j90° ×70, 71V ×e j-45° = 70, 71V ×e j45°
U Ri = Ri × I = 50 Ω ×1, 414 A ×e j-45° = 70, 71V ×e j-45°
PRi = U Ri × I * = 70, 71V ×e j-45° ×1, 414 A ×e j45° = 100 W = PW
Bild 3.2: Zeigerdiagramm für
Widerstände und Spannungen
der Schaltung aus Bild 3.1
Pa = U a × I * = 70, 71V ×e j45° ×1, 414 A ×e j45° = e j90° ×100 VA = j ×100 VA =j PB
PG = U G × I * = 100 V ×1, 414 A ×e j45° = 141, 4 VA ×(cos 45° + jsin 45° )
= 141, 4 VA ×(0, 707 + j0, 707) = 100 W + j100 VA = PS = PW + j PB
In den Ausdrücken ejφ gibt der Winkel φ mit seinem Vorzeichen die Phasenverschiebung der jeweiligen
Größen gegenüber der Generatorspannung UG an. I und URi eilen also der Generatorspannung UG um
45° nach, Ua hingegen um 45° voraus. Die vom Generator erzeugte Leistung besteht aus dem
Wirkanteil PW und dem Blindanteil PB. Der Wirkanteil wird im Innenwiderstand Ri in Wärme
umgesetzt, der Blindanteil pendelt zwischen dem Generator und der Induktivität hin und her. Bild 3.3
zeigt noch den zeitlichen Verlauf der Größen UG, I, PG, URi, PRi, Ua und Pa. Man findet die
Rechenergebnisse aus dem Kasten sowohl in Bezug auf die Beträge als auch auf die
Phasenbeziehungen bestätigt.
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Bild 3.3: Zeitlicher Verlauf der Größen UG, I, PG, URi, PRi , Ua und Pa aus Bild 3.1
In Bild 3.4 ist zwischen Generator und Last eine
verlustlose Lambda-Halbe-Leitung mit ZW = Ri =
50 Ω geschaltet. Diese Leitung transformiert den
Lastwiderstand Xa unverändert an ihren Eingang
(s. auch Kap. 1.3). Daher muss der zeitliche
Verlauf der Größen UG, I1, PG, URi, PRi, U1 und P1
bis auf den Einschwingvorgang mit denen aus
Bild 3.3 übereinstimmen, wobei I1 die Rolle von
I sowie P1 die von Pa übernimmt. Bild 3.5
bestätigt diese Schlussfolgerung.
Bild 3.4: Verlustlose Lambdahalbe-Leitung zwischen
Generator und Last
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Bild 3.5: Zeitlicher Verlauf der Größen UG, I1, PG, URi, PRi, U1 und P1 aus Bild 3.4
Die Signallaufzeit einer Lambdahalbe-Leitung ist gleich der halben Periodendauer und die
Einschwingzeit im vorliegenden Falle (ohne Anpassschaltung) gleich zwei Signallaufzeiten, also gleich
der Periodendauer. Ab der zweiten Periode der Generatorspannung decken sich die Kurvenverläufe der
Bilder 3.3 und 3.5, wobei sich I und I1 sowie Pa und P1 entsprechen. Es ergibt sich also für den
Eingangskreis vor der Leitung bis auf das Einschwingverhalten keine Veränderung gegenüber der
einfachen Schaltung aus Bild 3.1.
Das Verhalten der Signale auf der Leitung ist so wie in Kapitel 2. beschrieben. Aus Bild 3.6 entnimmt
man, dass U1h und I1h in Phase, U1r und I1r jedoch in Gegenphase sowie P1h positiv und P1r negativ sind.
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Bild 3.6: Eingangsgrößen auf der Leitung aus Bild 3.4
In der Praxis ist der eben beschriebene Fall des rein imaginären Abschlusswiderstands der
Ausnahmefall und eine Kombination aus Real- und Imaginärteil der Regelfall, wobei der Realteil auch
noch ungleich dem Innenwiderstand des Generators ist. Damit möglichst viel von der Senderleistung
an den Realteil des Lastwiderstands kommt, muss zwischen Sender und Last eine Anpassschaltung AP
eingefügt werden, die den Imaginärteil Xa des Abschlusswiderstands kompensiert und den Realteil Ra
auf den Wert des Innenwiderstands Ri
transformiert. Diese Anpassschaltung
befindet sich im Regelfall bei
Handbedienung in unmittelbarer Nähe des
Senders, also im Shack zwischen
Generator und Leitung. Bild 3.7 zeigt die
gesamte Schaltungsanordnung, Bild 3.8
den zeitlichen Verlauf der Größen PG, PRi,
Bild 3.7: Verlustlose Lambdahalbe-Leitung zwischen Generator
P
1, P2 und PRa ohne und Bild 3.9 mit
und Last mit Real- und Imaginärteil (UG = 100 V, Ri = ZW = 50 Ω,
Anpassschaltung.
Ra= 300 Ω, Xa = j 300 Ω, XLs = 166 Ω, XCp = 139 Ω)
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Bild 3.8: Zeitlicher Verlauf der Größen PG, PRi, P1, P2 und PRa aus Bild 3.7 ohne Anpassschaltung
Bild 3.9: Zeitlicher Verlauf der Größen PG, PRi, P1, P2 und PRa aus Bild 3.7 mit Anpassschaltung
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Vorgänge bei komplexen Abschlusswiderständen von Leitungen
Man erkennt aus Bild 3.9 sehr deutlich, dass das gesteckte Ziel der Leistungsanpassung erreicht wurde.
Der Spitzenwert der Leistung PRa an Ra pendelt sich allerdings erst im Laufe des Einschwingvorgangs
von anfangs 5 W auf den maximal möglichen Anpasswert von 50 W ein. Ohne Anpassung wäre der
Maximalwert gerade einmal 14,12 W. Der Generator liefert im eingeschwungenen Zustand 100 W
Spitzenleistung, die sich zu gleichen Teilen auf die ungleichen Wirkwiderstände Ri = 50 Ω und Ra =
300 Ω verteilen. Die Leistungen P1 am Eingang und P2 am Ausgang der Leitung sind in der
Einschwingphase leicht unterschiedlich, im eingeschwungenen Zustand aber gleich. Beide enthalten
wegen des Blindwiderstands Xa außer der transportierten Wirkleistung auch noch Blindleistung, zu
erkennen an den negativen Anteilen der Leistungskurven.
Bild 3.10: Zeitlicher Verlauf der Leitungsgrößen U1h, I1h, U1r, I1r, P1h und P1r aus Bild 3.7 mit Anpassschaltung AP.
Die Maximalwerte der Größen sind: U1h max = 94,1V, I1h max = 1,88A, U1r max = 79,76V, I1r max = 1,59A, P1h max = 177,4W und
P1r rmax = -127,3W.
Bild 3.10 zeigt noch den Verlauf der Leitungsgrößen U1h, I1h, U1r, I1r, P1h und P1r. Auch hier zeigt sich
wieder, dass das Verhalten der Signale auf der Leitung so ist wie in Kapitel 2. beschrieben, dass also
U1h und I1h in Phase, U1r und I1r jedoch in Gegenphase sowie P1h positiv und P1r negativ sind.
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