mein haus, mein auto, mein müsli

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Mass Customization
MEIN HAUS,
MEIN AUTO,
MEIN MÜSLI
Maßgeschneidertes vom Fließband
Bernd Zipper ist Geschäftsführer des Essener Beratungsunternehmens zipcon consulting GmbH und
schon seit Jahren ein ausgewiesener Spezialist für Online-Print. Doch das ist nur eine Facette seiner
vielfältigen Aktivitäten. Er war und ist der Branche und der Zeit immer einen Schritt voraus.
Nicht umsonst gilt er als einer der Vordenker und Innovatoren in der Druckbranche. Wer also sollte
die Themen Mass Customization und Personalisierung besser erläutern können als er?
Printspiration: Mass Customization und Personalisierung
schwimmen, sondern genau das machen, was andere nicht tun –
gelten als weltweite Mega-Trends. Wie sind diese Trends
eben individuell sein.
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eigentlich zu verstehen?
Bernd Zipper: Man muss dazu schon einige Zeit zurückblicken.
Aber wenn es um Individualität geht, warum dann Mass
Ausgangspunkt waren die industrielle Revolution, das Fließband,
Customization?
das die Massenproduktion möglich machte und wodurch Waren
Customizing ist das Anpassen eines Produktes an individuelle
für jedermann erschwinglich wurden. Das ist bis heute so, hat
Wünsche der Kunden und wird auch als Personalisierung oder
aber mit immer preiswerteren Produkten auch zu der absurden
Individualisierung bezeichnet. Häuser werden seit jeher so ge-
„Geiz-ist-geil“-Mentalität geführt. Hersteller von Massenware
baut. Customizing kann sich auf ein einzelnes Produkt beziehen,
möchten einen breiten Markt bedienen und den Durchschnitts-
wird inzwischen jedoch auch auf industrielle Erzeugnisse ange-
kunden erreichen. Aber die Strategie „One size fits for all“ trifft
wendet. Wird das individualisierte Produkt mit Techniken der
die Wünsche vieler Kunden nicht mehr. So lief der Markt irgend-
Massenproduktion hergestellt, spricht man von Mass Customi-
wann „aus dem Ruder“, weil die Konsumenten unberechenbar
zation. Ein gutes Bespiel sind hier auch Standardverpackungen,
wurden. Sie interessierten sich nicht mehr für das Nötige, sie
die für den Massenmarkt dann mit Namen versehen werden –
wollten den Kick der Abwechslung, sie wollen nicht mit dem Strom
wie dies etwa Coca Cola vor zwei Jahren gemacht hat.
Mass Customization
Ist das nur ein vorübergehendes Phänomen?
te den Kunden einen Zusatznutzen bieten, was zur Bereitschaft
Die Frage ist durchaus berechtigt, denn in Zeiten der Digitalisie-
führt, einen höheren Preis zu zahlen. Produkte aus diesem Seg-
rung verschwinden Trends oft schneller als sie entstehen. Doch
ment sind im Schnitt um 20 bis 50 % teurer als Massenware.
Mass Customization ist nicht plötzlich hochgepoppt, sondern
hat sich in den letzten rund 20 Jahren relativ behutsam entwi-
Gibt es Beispiele oder ist das alles noch Theorie?
ckelt. Und wird sich noch verstärken, weil viele Märkte gesättigt
Es ist gelebte Praxis! Nehmen wir die Bekleidungsindustrie, von
sind, Qualität kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist, die Ange-
der große Teile nach Asien ausgelagert sind. Diese Produkte
bote der Anbieter immer austauschbarer werden und eine Dif-
kaufe ich von der Stange. Will ich aber einen individuellen An-
ferenzierung vom Wettbewerb immer schwieriger wird. Daher
zug, muss ich zum Schneider mit der klassischen und teuren
werden noch mehr Unternehmen gezwungen sein, sich diesem
Maßanfertigung gehen. Oder zum Internet-Schneider, der mit-
Trend anzuschließen.
tels Konfigurator nach meinen Vorstellungen günstig fertigt.
In Deutschland gibt es laut dem Online-Magazin www.egoo.de
Ähnliches gibt es auch für Möbel und andere Dinge, von denen
bereits mehr als 550 Shops, die sich ausschließlich mit indivi-
wir glaubten, sie seien unwiederbringlich in Billiglohnländer
duell personalisierbaren Produkten
abgewandert. Unternehmer, die den
beschäftigen. Dazu gehören Mode-
Weg der kundenindividuellen Produk-
kolade, Interieur, Schmuck und vieles
andere mehr.
Allerdings wird das heute gigantische
Wachstum endlich sein. Studien gehen davon aus, dass sich das Marktpotenzial für Mass Customization
selbst in Ländern, in denen individuelle Produkte prinzipiell gefragt sind,
bei etwa 30% des Gesamtmarktes
„DIE STRATEGIE
‚ONE SIZE FITS FOR ALL‘
TRIFFT DIE WÜNSCHE
VIELER KUNDEN
NICHT MEHR.“
tion gehen, zeigen jedoch, dass auch
in Europa nah am Kunden und günstig hergestellt werden kann.
Und warum sollte es solche Angebote
nicht auch bei Nahrungsmitteln geben? Bei mymuesli.com zum Beispiel
kann sich der Kunde im Internet sein
persönliches Müsli nach eigenem Geschmack und unter Berücksichtigung
von Vorlieben oder Allergien zusam-
einpendeln wird. Wirtschaftlich at-
menstellen. Das so kreierte Müsli
traktiv ist es dennoch, da die Produk-
wird exakt nach den Kundenvorgaben
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und Sportartikel genauso wie Scho-
Mass Customization
gemischt und in einer Dose geliefert. Und mymuesli setzt jetzt
sätzlich individuell sind. Es gibt nicht die Massen-Visitenkarte,
noch einen drauf. Nicht nur das Müsli, auch die Dose kann indi-
sondern immer nur die vom Herrn Zipper, Müller, Meier etc. Es
vidualisiert werden. Der Kunde wählt dabei eigene Bilder, Texte
gibt auch nicht die eine Einladung, sondern immer nur die vom
und Farben – und die Dose wird direkt und individuell bedruckt.
Unternehmen XY zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem
mymuesli ist ein fantastisches Beispiel dafür, wie verschiede-
bestimmten Ort. Druckprodukte werden also – von Büchern
ne Partner mit unterschiedlichen Kompetenzen zusammenar-
und Magazinen vielleicht einmal abgesehen – nie auf Vorrat
beiten. Das Müsli-Mischen ist eine Sache. Doch um den Inter-
hergestellt. Druckereien stellen Produktionskapazitäten bereit
net-Shop herum, der das persönliche Einkaufserlebnis möglich
und erst wenn der Kunde einen Inhalt liefert, kann daraus eine
macht, arbeiten Designer, Software-Profis, Logistiker und auch
Drucksache werden. Diesen Weg, der schon immer Merkmal der
Druck-Experten am weiteren Erfolg des Shops.
grafischen Industrie war, gehen jetzt auch andere Industrien, indem sie ihre Kunden dazu animieren, ihre eigenen Wünsche zu
Das sind Beispiele für den Consumer-Markt.
definieren und herstellen zu lassen.
Wie sieht es im Business-to-Business-Bereich aus?
Genauso vielfältig. Zum Beispiel beim
Welche Folgen hat das für eine Un-
Fahrzeugbau und -kauf. Es stehen
ternehmens-, Vertriebs- und Mar-
möglichst viele Varianten bei der Motorisierung, Farbe und Ausstattung
zur Verfügung, aus denen der Kunde
sein Auto zusammenstellt. Ähnlich
auch bei PCs, Büromöbeln, Tapeten
etc. Komplizierter wird es, wenn der
Kunde aktiv eine Veränderung oder
die Gestaltung des Produktes vornimmt.
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Drucksachen sind in diesem Zusam-
„DIE KUNDEN WERDEN
DAZU ANIMIERT,
IHRE EIGENEN WÜNSCHE
ZU DEFINIEREN UND
HERSTELLEN ZU LASSEN.“
keting-Strategie?
Kundenindividuelle Massenproduktion ist über alles betrachtet ein strategisches Unternehmens- und Produktionskonzept, bei dem herkömmliche
Denkweisen nicht mehr greifen. Es
müssen die Vorteile der Massenproduktion wie Skaleneffekte und Automatisierung genutzt werden, um den
Wunsch der Kunden nach auf seine
menhang eine typische B2B-Anwen-
Bedürfnisse zugeschnittene individu-
dung – wobei Drucksachen ja grund-
elle Produkte zu erfüllen.
Mass Customization
Im Klartext: Massenmedien mit gleichen Inhalten für alle Emp-
Jahrzehnte auch hier die Devise. Einkäufer machten davon
fänger setzen identische Interessen, identische Bedürfnisse und
bis zur Absurdität Gebrauch, so dass gut und gerne ein Drit-
ein identisches Verhalten der Menschen voraus. Genau das ist
tel der Drucksachen letztlich ungelesen im Müll landeten, weil
aber nicht mehr der Fall. Die Definition von Zielgruppen läuft
das Verbrauchen einer Massenauflage länger dauert, als ein
ins Leere, weil nicht mehr Gruppen, sondern der Einzelne ange-
Inhalt aktuell bleiben kann. Also werden die Auflagen kleiner,
sprochen werden muss. Folglich kann auch einheitliche Werbung
die Aktualisierungszyklen nehmen zu und die Anzahl kleinerer
nicht mehr funktionieren. Vertrieb und Marketing müssen seg-
Druckaufträge wächst, weil bedarfsorientiert gedruckt wird. So
mentiert denken und handeln und den Kunden situationsrele-
werden Ressourcen wie Papier, Energie etc. geschont – und das
vant ansprechen. Das geht nicht mit Massendrucksachen. Wenn
passt wiederum zur kundenindividuellen Produktion.
wir heute von Mass Customization sprechen, ist auch eine völlig
andere Art von Marketing, Werbung und Vertrieb notwendig.
Also weg mit Massendrucksachen und der Massenproduk-
Für das Unternehmen selbst bedeutet es: Wer Erfolg hat, muss
tion?
plötzlich 500 statt 20 Aufträge pro Tag abarbeiten. Das sollte in
Ja – aber nur vordergründig. Denn ein individualisiertes Mailing
den Griff zu bekommen sein. Das eigentliche Problem ist es, die
mit 100.000 mal einem Exemplar ist auch eine Großproduktion.
Prozesse zu beherrschen und zu optimieren. Vor allem aber ist
Mit dem Unterschied, dass es keine 100.000 gleichen, sondern
es ein Kraftakt, die Kultur des Unter-
100.000 unterschiedliche Drucksa-
nehmens auf die individuelle Bedie-
chen sind.
„NICHT MEHR GRUPPEN,
So betrachtet, ist es traumhaft,
was Technik zu leisten vermag.
Technik sollte aber kein Selbstzweck sein, sondern auch Nutzen
stiften. Welche wären das zum Beispiel?
Bleiben
wir
beim
Drucken.
„Je
mehr, desto preiswerter“ war über
SONDERN DER EINZELNE
MUSS ANGESPROCHEN
WERDEN.“
Also machen wir jetzt wieder genau das, was vor der industriellen
Revolution
selbstverständlich
war.
Allerdings mit anderen Techniken,
unterstützt von Computern und dem
Internet sowie einem deutlich breiter
gefächerten Angebot. Durchsetzen
werden sich dabei allerdings nur die
Angebote, die dem Kunden auch einen Zusatznutzen bieten.
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nung der Kunden abzustimmen.
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