Organisationsentwicklung Das ineinander greifende Handeln der Führungskräfte einer Organisation verlangt einen einheitlichen Umgang mit den organisationsinternen Regeln und mit ihren Interpretationen. Die argumentative Begründung einer dieser Regeln oder ihrer Interpretation läuft wieder auf eine Suchbewegung hinaus, bei der das gezeigte Trilemma wirksam ist. Entwicklungsprozesse Trilemma und Commitment Prof. Dr. Falko Wilms Ein Ziel von Trainings- und Beratungsmaßnahmen liegt in der bewussten Arbeit an organisationsinternen kommunizierbaren Begründungsstrukturen. Hierbei ist insbesondere für Führungskräfte das Erzielen von Commitments erfolgsentscheidend. Ausgangssituation Training und Beratung sind sprachgebundene Dienstleistungen bei der es u.a. gilt, Probleme verbal zu erfassen, Erwartungen und Annahmen der Beteiligten zu formulieren oder begründete Stellungnahmen abzugeben. Begründungsprozesse Wie bei jedem sprachgebundenen Vorgehen ist grundsätzlich zu beachten, dass es logisch betrachtet nur drei Begründungsstrategien gibt:i a) Unendlicher Regress: der Trainer / Berater verwendet für jede Stellungnahme / für jeden Tipp eine Begründung, die selbst wiederum begründet wird ... . Dieser Prozess nimmt kein Ende. b) Logischer Zirkel: der Trainer / Berater verwendet bei einer Begründung Aussagen, die er vorher als begründungsbedürftig klassifiziert hatte. c) Dogma: der Trainer / Berater verwendet eine von ihm nicht begründete Annahme, die er (warum auch immer) nicht hinterfragt. Sowohl im Training als auch in einer Beratung ist der unendliche Regress prinzipiell undurchführbar. Der logische Zirkel gilt nicht als Begründung. Dem Trainer / Berater bleibt also nur der gezielte Abbruch des unendlichen Regresses unter Anerkennung der Vorläufigkeit dieses Abbruchs mit dem Hinweis, dass jede weitere Begründung in den unendlichen Regress zurückführt. Diesen grundlegenden Sachzusammenhang nennt man Trilemma. Es gilt für alle Arten von Aussagen und daher auch für die Suche nach Kriterien zur Unterscheidbarkeit zwischen "wahren" und "falschen" Aussagen in Trainings- und Beratungsprozessen. Für die Beteiligten einer Trainings- und Beratungssituation ist es also unvermeidlich, Aussagen zunächst als "wahr" zu akzeptieren, die unbegründet sind. Die Beteiligten haben die erforderliche Begründung zunächst zu zurückzustellen; wie weit diese Zu- Trainer-Kontakt-Brief 12/03 - Nr. 45 rückstellung reicht, hängt in entscheidendem Maße von den wechselseitigen Erwartungen der Beteiligten aneinander ab, bzw. von dem zwischen ihnen bestehendem Vertrauensverhältnis. Kommunikationsprozesse Jede begründete Aussage bedarf zunächst unbegründeter Aussagen und ist so zu formulieren, dass sie widerlegbar ist.ii So gesehen ist sowohl Training als auch Beratung eine kommunikative Suchbewegung nach Begründungen. Vergleichbares gilt für Arbeitsdefinitionen: In Kommunikationsprozessen müssen bei der Definition eines Wortes andere Worte verwendet werden, die letztlich wieder zu definieren wären ... usw. Dies bedeutet für Trainer und Beratung u. a.: a) Jeder Prozessbeteiligte kann nicht anders, als bei seinen Aussagen Worte zu verwenden, deren Bedeutung grundsätzlich nicht zuvor definiert werden konnten. b) Jeder Beteiligte entscheidet, an welcher Stelle er den unendlichen Regress anhält und undefinierte Worte verwendet. c) Jedes im Rahmen eines Kommunikationsprozesses bewirkte Verständnis ist untrennbar damit verbunden, dass die Beteiligten die Ähnlichkeit ihrer Entscheidungen (b) erkennen. d) Jeder erfolgreiche Trainings- und Beratungsprozess benötigt Commitments der Beteiligten über Definitionen (a) und Vorgehensweisen (b und c). Jeder erfolgreiche Trainings- und Beratungsprozess ist insbesondere bei der Begleitung von Führungskräften untrennbar verbunden mit der bewussten Herbeiführung von kommunizierbaren Commitments, die sich auf (Arbeits-) Definitionen, Vorgehensweisen oder auf Begründungen beziehen. Jedes durch ein Training oder durcheine Beratung bewirkte intersubjektive Verständnis über einen Sachzusammenhang (z.B. der Aufbau einer Organisation oder der Funktionszusammenhang eines Verantwortungsbereiches) ist damit verbunden, dass die Beteiligten in für sie nachvollziehbarer Weise Commitments erarbeiten und deren Resultate anerkennen. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum jede Veränderung einer Organisation (= Entwicklung!) letztlich nur über die Änderung der bislang akzeptierten und kommunizierten Regeln möglich ist oder einer veränderten Begründung dieser Regelungen bedarf. Die bewusste Gestaltung oder Veränderung derartiger (oftmals wechselseitig aufeinander verweisender) Kommunikationsprozesse in einer Organisation mit dem darin enthaltenen Umgang mit dem Trilemma nennt man Training oder Beratung. Prof. Dr. Wilms arbeitet mit seiner Studiengruppe für Organisations-Entwicklung (SOE) als Hochschullehrer, Trainer und Berater. Fachhochschule Vorarlberg Achstr. 1, A-6850 Dornbirn (Österreich) [email protected] www.fh-vorarlberg.ac.at/wf i Vgl.: Albert, H: Traktat über kritische Vernunft, Tübingen, 5. Aufl. 1991 ii Vgl.: Popper, K. R.: Logik der Forschung, Wien 1935 iii Vgl.: Ulrich, H.: Management (gesammelte Aufsätze) Bern 1984 Führungsprozesse Führungskräfte arbeiten an der (Re)Konstruktion des organisationsinternen Regelwerkes und damit zugleich an den dadurch bewirkten und intern (schriftlich/mündlich) wechselseitig kommunizierten Strukturen.iii Diese dienen den Beteiligten als Orientierungsrahmen zur Kanalisierung ihrer Erwartungen und Verhaltensweisen und genau dies ist für eine zusammenhängende Leistungserstellung unumgänglich. 31