Übersicht Sind Gesichtsfelddefekte doch reversibel? – Visuelle Rehabilitation mit Gehirn Autor B. A. Sabel Institut Institut für Medizinische Psychologie, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Schlüsselwörter " Glaukom l " Neuroophthalmologie l " Elektrophysiologie l " Trauma l Zusammenfassung Abstract ! ! Gesichtsfelddefekte (GFD) gelten als irreversibel, da sich Retina und N. opticus nicht regenerieren. Dennoch ist eine (Teil-)Erholung von GFD möglich, da das Gehirn, welches retinale Signale auswertet und interpretiert, die residualen Signale über Mechanismen der Neuroplastizität dauerhaft verstärken kann. Unter Neuroplastizität versteht man die Fähigkeit des Gehirns, seine funktionelle Architektur durch Modulation synaptischer Übertragung zu verändern. Das ist auch die biologische Grundlage normalen Lernens. Plastizität bleibt ein Leben lang erhalten und kann durch eine wiederholte Stimulation neuronaler Schaltkreise (Training) angeregt werden. Wie aber kann Plastizität Restsehen verstärken, um so eine Behandlung von GFD zu ermöglichen? Wie auch in der modernen Neurorehabilitation können GFD, z. B. bei Glaukom, diabetischer Retinopathie oder Optikusneuropathie, durch „Postläsionsplastizität“ moduliert werden. Da bei fast allen Patienten noch Restsehleistungen („Residualsehen“) vorhanden sind, ist es das Ziel, über die Verbesserung synaptischer Übertragung die Restleistungen zu stärken. In klinischen Studien wurden hierzu neue Behandlungsverfahren des Sehtrainings oder der Wechselstromstimulation erprobt. Während beim Sehtraining selektiv die Stimulation der „relativen Defekte“ durch tägliche Verhaltensübungen (Training) für 6 Monate erfolgt, werden bei der Wechselstrombehandlung (30 min. täglich für nur 10 Tage) die gesamte Retina und das Gehirn aktiviert und synchronisiert. Auch wenn eine völlige Normalisierung des GFD nicht möglich ist, so fanden sich sowohl subjektiv als auch objektiv deutliche Sehleistungssteigerungen: Gesichtsfelderweiterungen, Verbesserungen von Sehschärfe und Reaktionszeit, Zunahme der Orientierungsfähigkeit und Verbesserung der sehbedingten Lebensqualität. Etwa 70% der Patienten sprechen auf beide Therapieformen Visual field defects are considered irreversible because the retina and optic nerve do not regenerate. Nevertheless, there is some potential for recovery of the visual fields. This can be accomplished by the brain, which analyses and interprets visual information and is able to amplify residual signals through neuroplasticity. Neuroplasticity refers to the ability of the brain to change its own functional architecture by modulating synaptic efficacy. This is actually the neurobiological basis of normal learning. Plasticity is maintained throughout life and can be induced by repetitively stimulating (training) brain circuits. The question now arises as to how plasticity can be utilised to activate residual vision for the treatment of visual field loss. Just as in neurorehabilitation, visual field defects can be modulated by post-lesion plasticity to improve vision in glaucoma, diabetic retinopathy or optic neuropathy. Because almost all patients have some residual vision, the goal is to strengthen residual capacities by enhancing synaptic efficacy. New treatment paradigms have been tested in clinical studies, including vision restoration training and non-invasive alternating current stimulation. While vision training is a behavioural task to selectively stimulate “relative defects” with daily vision exercises for the duration of 6 months, treatment with alternating current stimulation (30 min. daily for 10 days) activates and synchronises the entire retina and brain. Though full restoration of vision is not possible, such treatments improve vision, both subjectively and objectively. This includes visual field enlargements, improved acuity and reaction time, improved orientation and vision related quality of life. About 70% of the patients respond to the therapies and there are no serious adverse events. Physiological studies of the effect of alternating current stimulation using EEG and fMRI reveal massive local and global changes in the brain. Key words " glaucoma l " neuroophthalmology l " electrophysiology l " trauma l eingereicht 22. 1. 2016 akzeptiert 26. 2. 2016 Bibliografie DOI http://dx.doi.org/ 10.1055/s-0042-104588 Online-publiziert Klin Monatsbl Augenheilkd © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 0023-2165 Korrespondenzadresse Prof. Bernhard A. Sabel Institut für Medizinische Psychologie Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg Tel.: + 49/(0)3 91/6 72-18 00 Fax: + 49/(0)3 91/6 72 18 03 [email protected] Sabel BA. Sind Gesichtsfelddefekte doch … Klin Monatsbl Augenheilkd Heruntergeladen von: Medizinische Fakultät der Universität Magdeburg. Urheberrechtlich geschützt. Are Visual Field Defects Reversible? – Visual Rehabilitation with Brains gut an und es wurden keine nennenswerten Nebenwirkungen berichtet. Physiologische Untersuchungen der Mechanismen von Wechselstrom mit EEG und fMRT weisen auf massive lokale und globale Änderungen des Gehirns hin: eine lokale Aktivierung des visuellen Kortexes sowie eine globale Reorganisation neuronaler Netzwerke im Gehirn. Da über die Modulation der Neuroplastizität das Residualsehen gestärkt werden kann, hat das Gehirn für die visuelle Rehabilitation in der Augenheilkunde einen besseren Ruf verdient. Für Patienten mit GFD ist nun mehr Licht am Ende des Tunnels, denn Teilbereiche der geschädigten Gesichtsfelddefekte sind reversibel. These include local activation of the visual cortex and global reorganisation of neuronal brain networks. Because modulation of neuroplasticity can strengthen residual vision, the brain deserves a better reputation in ophthalmology for its role in visual rehabilitation. For patients, there is now more light at the end of the tunnel, because vision loss in some areas of the visual field defect is indeed reversible. Einleitung Die überragende Bedeutung des Gehirns für das normale Sehen ist offensichtlich. Vergleichen wir etwa das Gewicht der Retina (~1 g) mit dem des Sehsystems im Gehirn (~300 g) und erinnern uns daran, dass mehr als die Hälfte des menschlichen Hirnkortexes am Sehen beteiligt ist, dann erscheint es durchaus lohnenswert, herauszufinden, welche Funktionen diese 300 g Gewebe haben, wenn Retina oder Sehnerv teilgeschädigt sind. Ob ein Patient etwas subjektiv gut sehen kann (z. B. in der Perimetrie oder beim Lesen), ist daher nicht allein Angelegenheit der retinalen „Sensorik“, sondern auch Resultat der Reizverarbeitung und Interpretation im Gehirn. ! Um die Frage des Titels kurz und knapp zu beantworten: komplett reversibel sind Gesichtsfelddefekte (GFD) nicht, denn das Nervensystem kann sich nicht regenerieren. Die Erholung der Sehfunktionen kann jedoch auch ohne Regeneration erfolgen, und zwar über eine Aktivierung des Restsehvermögens, oder „Residualsehens“. Hierbei spielt das Gehirn eine entscheidende Rolle, denn dort wird die visuelle Information der Retina analysiert, interpretiert und in das bewusste Seherlebnis übersetzt. Wir müssen deshalb die Bedeutung des Gehirns bei „Augenerkrankungen“ besser verstehen lernen, insbesondere hinsichtlich der Rolle des Gehirns bei Gesichtsfelddefekten (GFD). Sehbeeinträchtigungen durch Schäden des Nervensystems (Retina, N. opticus, Gehirn) sind ein Problem epidemischen Ausmaßes in unserer alternden Gesellschaft und treten auch bei neurologischen Erkrankungen wie M. Alzheimer, M. Parkinson und ADHS auf. Allein in Deutschland erkranken jährlich ca. 10 000 Personen an Sehbehinderungen (engl.: „low vision“), die Prävalenz liegt bei geschätzten 1,2 Mio. [1], evtl. sogar darüber. Die überwiegende Zahl der Patienten ist nicht komplett erblindet sondern mehr oder weniger teilerblindet (= sehbehindert). Gesichtsfelddefekte gelten allerdings als irreversibel ohne Chance auf Erholung, ein fest etabliertes Dogma. Erkenntnisse der modernen Neurowissenschaften begründen jedoch eine optimistischere Sichtweise, denn die Neuroplastizität des Gehirns ermöglicht eine Teilerholung der Sehfunktionen. Dies ist Gegenstand des vorliegenden Beitrags. Unter Neuroplastizität versteht man die Veränderlichkeit der Gehirnstruktur und ‑funktion, sie ist die Grundlage normalen Lernens der modernen Neurorehabilitation [2, 3]. Plastizität ist Gegenstand intensiver Forschung in den Neurowissenschaften mit insgesamt 29 000 Publikationen weltweit, davon 2700 allein im letzten Jahr. Da das Gehirn ganz wesentlich an der Verarbeitung visueller Informationen beteiligt ist, kommt der Neuroplastizität eine zukunftsweisende Bedeutung in der Ophthalmologie zu. Denn das Veränderungspotenzial zentralnervöser Verarbeitung visueller Impulse schafft die Voraussetzung für die Erholungsfähigkeit von GFD. Zur Erholung oder Wiederherstellung der Sehleistung gibt es 2 grundsätzliche Vorgehensweisen: 1. der Ersatz (Augmentation) des verlorenen Nervengewebes selbst (insbesondere der Retina) mittels axonaler Regeneration (ist nur tierexperimentell möglich), Stammzelltransplantation oder Retinachipimplantate („bionisches Auge“). Der 2. Ansatz zielt auf die effizientere Nutzung des noch vorhandenen Hirngewebes durch „Umprogrammierung“ oder „Reorganisation“ von Nervenzellen und deren Verbindungen mit dem Ziel der Aktivierung des Residualsehens. Sabel BA. Sind Gesichtsfelddefekte doch … Klin Monatsbl Augenheilkd Residualsehen ! Eine Komplettschädigung (z. B. vollständiger Verlust der Retina) erholt sich selbstverständlich nicht. Aber die meisten Patienten haben Teilschädigungen des Sehsystems und verfügen noch über ein mehr oder weniger gut ausgeprägtes „Residualsehen“. Auch allgemein bekannt unter dem Begriff „relativer Defekt“ sind Gebiete des Residualsehens durch Teilfunktionen charakterisiert, etwa erhöhte Wahrnehmungsschwellen. Der Begriff „Residualsehen“ [4] ist aber im Gegensatz zum Begriff des „relativen Defekts“ optimistischer, da er das noch vorhandene Sehpotenzial betont und nicht den Verlust. Residualsehen ist in Gesichtsfeld" Abb. 1) und von intakten Arealen karten grau dargestellt (l (weiß) und absoluten Defekten (schwarz) zu trennen. Diese Graubereiche sind kein Resultat perimetrischer Messfehler, sondern es handelt sich hierbei um noch vorhandene Teilleistungen überlebender Neuronenverbände oder Photorezeptoren " Abb. 1 a). Gebiete des Residualsehens können sich bei wieder(l holter Messung variabel in ihrer Ausprägung darstellen, denn – im Gegensatz zum gesunden Sehsystem – sind sie besonders anfällig für Einflüsse wie dem zirkadianen Rhythmus (tageszeitliche Schwankungen von Aufmerksamkeit, Sauerstoff- und Blutzuckerspiegel, Blutdruck und Perfusion, Intrakranialdruck) und externen Einflüssen wie Stress, Temperatur und Änderungen im Atmosphärendruck („Wetterfühligkeit“). Diese intervenierenden („Stör“-) Variablen verursachen deshalb gewisse Spontanschwankungen in der Perimetrie, da die teilgeschädigten Bereiche an ihrem Stoffwechsellimit sind. Die typische Form des Residualsehens sind die klassischen „relativen Defekte“ mit erhöhter Wahrnehmungsschwelle, verringerter Reaktionsschnelligkeit oder Detektionsgenauigkeit [5] " Abb. 1). Eine andere Form des Residualsehens ist das „Blind(l sehen“, bei dem Patienten im scheinbar „blinden“ Skotom – etwa nach Schlaganfall – dennoch auf Sehreize korrekt reagieren, ohne sich dessen bewusst zu sein: sie „raten“ überzufällig richtig [6]. Diese Restsehleistungen sind Basis der Reversibilität von GFD [7]. Heruntergeladen von: Medizinische Fakultät der Universität Magdeburg. Urheberrechtlich geschützt. Übersicht Übersicht Residualsehen ist manchmal recht subtil und kann mit üblichen Perimetern nicht immer erfasst werden. Denn auch wenn sich perimetrische Areale des GFD als „komplett blind“ darstellen, so können doch noch Residualleistungen messbar sein, wenn man mit helleren oder größeren (= leichter erkennbaren) Reizen testet " Abb. 1 a). Dies ist der Grund, warum Patienten gelegentlich (l von Sehleistungen berichten, die dem Arzt aufgrund der „absoluten Defekte“ im perimetrischen Befund als unglaubwürdige „Fantasie“ erscheinen. Aber sie sind real! Das Gehirn: ein Verstärker von Sehsignalen? ! Um die Bedeutung des Residualsehens und dessen Chancen zur Verbesserung von Sehleistungen zu verstehen, betrachten wir einmal das Gehirn als einen Verstärker von Restsehimpulsen " Abb. 2). Wie kann man sich das vorstellen? Das Gehirn verfügt (l über eine große Vielzahl von komplexen, neuronalen Schaltkreisen, die gut kalibriert wie präzise Zahnräder zusammenarbeiten. Gemeinhin wird angenommen, dass das Sehsystem in Aufbau und Funktion nicht veränderlich ist und wie eine rigide Computerplatine Sehimpulse strikt retinotop verarbeitet. Neueste Ergebnisse zeigen aber, dass das Sehsystem veränderlich ist, wie dies auch bei anderen Hirnsystemen (wie Gedächtnis, Motorik, Kognition) der Fall ist. Im Gegensatz zu Zahnrädern sind neuronale Schaltkreise über den Mechanismus der Neuroplastizität veränderbar, und es ist gerade das Sehsystem, in dem vor Jahrzehnten die Neuroplastizität des Gehirns erstmals überzeugend dargestellt wurde [7]. Trotzdem: obgleich motorische, kognitive und auditorische Plastizität bereits eine breite Anwendung in der Rehabilitation neurologischer Erkrankungen findet, gab es lange keine systematische Neurorehabilitation des Sehsystems. Die Augenarztpraxis hat die Plastizität jedenfalls noch nicht erreicht. Wenn Retina oder Sehnerv komplett geschädigt sind, dann ist eine Erholung natürlich unmöglich. Wenn aber eine Teilschädi- gung (Residualsehen) vorliegt, und das ist bei fast allen Patienten der Fall, dann stellt sich die Frage, wie das Gehirn die reduzierte Information, die es über den Sehnerv noch erhält, mit seiner Plastizität optimieren kann. Wir können das Gehirn als eine Art „Verstärker“ betrachten, da es neuronale Impulse der Retina zunächst extrahiert und „übersetzt“, bevor die Seherfahrung im Bewusstsein „Sinn“ ergibt. Dies ist gerade bei Teilerblindungen wichtig, denn hier ist eine optimale Verarbeitung der reduzierten Restsehleistungen von besonderem Wert. So wie ein Nachtsichtgerät die geringsten Lichtquellen ausnutzen kann, stellt auch das Gehirn gerade dann seine Verstärkertalente unter Beweis, wenn z. B. nach Sehnervschädigung die neuronale Informationsmenge verringert ist. Dieser „Verstärkereffekt“ wird durch funktionelle Hirnnetzwerke vermittelt. Erhalten die Netzwerke einen reduzierten Input aus der Peripherie, sind sie gestört: neurophysiologische Abläufe werden desynchronisiert [8], die Schaltkreise laufen nicht mehr im Takt, und die Residualfunktionen werden nicht zu etwas Sinnvollem verarbeitet. Das Gehirn erhält zwar noch subtile Sehimpulse, diese sind aber für bewusstes Sehen nicht ausreichend. Patienten mit GFD haben also ein Doppelproblem: weniger Informationen von der Peripherie einerseits und eine gestörte zentrale Verarbeitung durch Netzwerkdesynchronisation im Gehirn andererseits. Auch wenn sich der periphere Schaden nicht verbessert, so kann doch der Synchronisationszustand des Hirnnetzwerks moduliert werden. Durch Plastizität und Reorganisation erhöht sich somit die Sensibilität gegenüber physiologischen Impulsen aus der Peripherie [2, 7]. Synchronisation der Gehirnaktivität ! Synchronisation ist eine Grundvoraussetzung für das Sehen. Zur reibungslosen Verarbeitung neuronaler Sehimpulse im Gehirn ist nämlich eine optimale räumliche Vernetzung und zeitliche Taktung („Kohärenz“) erforderlich, um die Aktivitäten aller beteilig- Sabel BA. Sind Gesichtsfelddefekte doch … Klin Monatsbl Augenheilkd Heruntergeladen von: Medizinische Fakultät der Universität Magdeburg. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 1 Die obere Abb. (a) zeigt eine computergestützte Perimetrie mit überschwelligen Reizen (HRP) in den zentralen 20/27 Sehwinkelgrad bei einem Patienten mit Optikusneuropathie. Abhängig von der Größe des Testreizes ist der Gesichtsfelddefekt mehr oder weniger stark ausgeprägt. Bei kleiner Reizgröße kann der Patient mit Residualsehen kaum auf Reize reagieren, bei größeren (leichteren) Reizen aber sehr wohl. Mit größeren Reizen kann also das Ausmaß des Residualsehens besser gemessen werden. Die untere Abb. (b) zeigt symbolisch, wie das Ausmaß des relativen Sehverlusts von der Zahl überlebender Inputs in das Gehirn abhängt. Gebiete des „Residualsehens“ in der Perimetrie sind daher Ausdruck einer Teilschädigung des Gewebes. Abb. 2 Diese Abbildung zeigt die Kooperation von Retina und Gehirn bei der Erzeugung einer visuellen Wahrnehmung. Teil a diese einfachen Sinuswellen repräsentieren neuronale Schaltkreisaktivitäten im Gehirn. Laufen diese synchronisiert (= im Gleichtakt), so addieren sich diese zu einem gemeinsamen Signal doppelter Amplitude. Laufen Sie aber asynchron, so heben sich beide Schaltkreise gegenseitig auf. Das Gesamtergebnis ist „null“. Teil b Wenn neuronale Aktivität der Retina, ebenfalls dargestellt in Wellenform, auf desynchrone Hirnaktivität trifft, so kann das Signal nicht verstärkt werden, da sich alle Wellen zusammen, aufgrund der zufälligen Phasenverschiebungen im Gehirn, zu „null“ addieren. Das Retinasignal wird dann nicht verstärkt und bleibt unterschwellig, also unerkannt. Ist jedoch die Hirnaktivität synchron, d. h. die Wellen sind „in Phase“, so addieren sich das retinale Signal und die Hirnwellen zu einer Gesamtaktivität, die die Wahrnehmungsschwelle überschreitet. Nun wird der Reiz erkannt. Die visuelle Wahrnehmung ist somit nicht nur von der Stärke des Retinasignals sondern auch vom Synchronisationszustand des Gehirns abhängig. ten Hirnareale zu koordinieren bzw. zu synchronisieren [9]. Diese Kohärenz kann mit dem MRT oder EEG gemessen werden. Stark vereinfacht ist es so: je kohärenter die neuronale Verarbeitung im Gehirn abläuft, umso besser ist die Sehleistung. " Abb. 2 a zeigt das Grundprinzip anhand von 2 simplen „Hirnl wellen“. Laufen 2 neuronale Schaltkreise (dargestellt als „Welle“) exakt synchron, so addieren sie sich zu einem Signal mit verdoppelter Amplitude. Treffen aber die gleichen Wellen exakt „antisynchron“ aufeinander, so neutralisieren sich beide Wellen gegenseitig auf „null“, trotz gleichbleibender Aktivität beider Wellen. Das heißt, bei gleicher Aktivität im Gehirn kann sich die Funktion im Fall der Synchronisation entfalten, im Fall der Desynchronisation jedoch nicht: gleiche Aktivität, aber schlechtes Timing. Im Gehirn gibt es viele neuronale Schaltkreise, die jeweils unterschiedliche Teilfunktionen (= viele „Informationswellen“) zum Sehen beitragen. Nur über das geordnete zeitliche und räumliche Zusammenspiel, sprich optimale Synchronisation, dieser unterschiedlichen Hirnfunktionen ist normales Sehen möglich. Durch die starke Vernetzung des Gehirns können selbst lokal begrenzte Läsionen im Sehsystem Auswirkung auf weit entfernte Hirnareale zur Folge haben [10]. Um die Interaktion neuronaler Schaltkreise im Gehirn zu verdeutlichen, betrachten wir die Verarbeitung eines sehr rudimentären Sehreizes im Gehirn eines Glaukompatienten: einen perimetrischen Testpunkt. Damit der Patient nach Reizpräsentation zur Bestätigung eine Taste drücken kann, muss das Gehirn für das reibungslose Zusammenspiel verschiedener Teilfunktionen sorgen: der sensorischen Aufnahme durch die Retina und der ungestörten Weiterleitung der Sehimpulse über den N. opticus an das Gehirn, einer ausreichenden Vigilanz („hinreichend wach“), der Motivation („ich will den Test mitmachen“), der Aufmerk- Sabel BA. Sind Gesichtsfelddefekte doch … Klin Monatsbl Augenheilkd samkeit auf die Aufgabe („drücke immer, wenn der Punkt kommt, sonst nicht“), dem Abrufen von visuellen Gedächtnisinhalten („wie sieht ein Punkt aus?“) und der Interpretation („ist es ein Punkt?“), während sich die Augen auf den Fixationspunkt richten („Augen nicht bewegen“). Schließlich bedarf es noch der Koordination und Exekution einer motorischen Reaktion („Taste drücken“). Jede dieser neuropsychologischen Teilfunktionen bedarf eigener Schaltkreise, die im komplexen Hirnnetzwerk mit allen anderen Schaltkreisen zeitlich und räumlich exakt koordiniert bzw. synchronisiert werden müssen, und das innerhalb einer Reaktionszeit von 200–500 ms [11]. Ist das Hirnnetzwerk desynchronisiert, etwa bei einer Aufmerksamkeitsablenkung, bei Müdigkeit, oder durch eine organische Schädigung (z. B. Glaukom oder Optikusneuropathie), dann nützt auch das schönste Retinasignal nichts, da die Information vom Gehirn nicht synchronisiert verarbeitet wird. Gerade in den Gebieten des relativen Defekts ist die Störung dieser Synchronisation von besonderer Bedeutung. Nun zum klinischen Fall: nach Teilschädigungen des zentralen Sehsystems sind in Gebieten des Residualsehens noch Neuronen vorhanden. Die Menge der Impulse (sprich: die Stärke des Signals) und/oder deren Synchronisation ist aber nicht ausreichend, um sich (zeitgleich) zu einem überschwelligen Signal zu addieren. Das Signal ist zu schwach oder zu verrauscht. Gleiches gilt für die Netzwerke im Gehirn. Daher liegt genau hier – über die Verbesserung der Kohärenz retinaler Signalweiterleitung und der Verarbeitung im Gehirn – das Restitutionspotenzial von Teilleistungsstörungen: mehr Synchronisation, mehr Funktion. Es ist die bessere „Taktung“ dieser neuronalen, elektrischen Impulse (Aktionspotenziale) von der Retina zum Gehirn – und die Synchronisation der Hirnareale untereinander –, welche die neurophysiologische Grundlage der Reversibilität von Gesichtsfelddefekten erklären kann. Heruntergeladen von: Medizinische Fakultät der Universität Magdeburg. Urheberrechtlich geschützt. Übersicht Sind die Hirnnetzwerke und deren Synchronisation aber ausreichend modifizierbar, damit eine Reorganisation auch langfristig erhalten bleibt? Hier kommt das Konzept der „Neuroplastizität“ ins Spiel, dessen klinische Bedeutung in der Neurologie, nicht aber in der Ophthalmologie, fest verankert ist und schon weiter oben beschrieben wurde [2, 3]. Plastizität bedeutet nachhaltige Veränderlichkeit, im vorliegenden Fall der Hirnnetzwerke. Aktivierung des Residualsehens durch Neuroplastizität ! Wie kann Residualsehen aktiviert oder gestärkt werden? Hier kommt der Modulation der Hirnnetzwerke eine entscheidende Bedeutung zu. Denn nicht nur im Normalzustand versteht sich das Gehirn bestens darauf, visuelle Information zu selektieren, zu verstärken, auszuwerten und abzuspeichern, sondern die funktionellen Netzwerke des Gehirns passen sich ständig an neue Bedingungen der Umwelt an. Täglich ist Neues zu lernen und abzuspeichern (z. B. im Gehirn des Lesers meines Beitrags). Diese Anpassungsfähigkeit des Gehirns, auch Plastizität genannt, kann für die Ophthalmologie nutzbar gemacht werden. Über Sehtraining oder Neuromodulation mittels schwacher Wechselströme können teilgeschädigte visuelle Funktionen über den Prozess der Neuroplastizität gestärkt werden – auch ohne Regeneration. Neuroplastizität spielt in der Neurorehabilitation schon seit den 1990er-Jahren eine wichtige Rolle und gilt als der entscheidende Mechanismus für die Wirksamkeit von Rehatraining [3]. Unter Plastizität versteht man die Fähigkeit des Gehirns, sich an Änderungen anzupassen. „Anpassungsvorgänge“ finden täglich statt, z. B. dann, wenn wir etwas Neues lernen oder Erfahrungen sammeln. Und das Gehirn kann sich auch erstaunlich gut an neuronale Schädigungen adaptieren [3]. Biologische Grundlage dieser Plastizität sind subtile Veränderungen auf synaptischer Ebene neuronaler Verschaltungen: Synapsen, die vermehrt genutzt werden, stärken dauerhaft ihre Übertragungsleitfähigkeit durch die Freisetzung sog. „neurotropher“ Faktoren [12]. Andererseits werden nicht genutzte Synapsen wieder geschwächt und abgebaut. Gemäß dem Slogan „use it or lose it“ funktionieren also nur solche Hirnnetzwerke optimal, die regelmäßig in Gebrauch sind. Schon das Sprichwort sagt: „Übung macht den Meister“ und „wer rastet, der rostet“. Der Bauplan des menschlichen Gehirns (und damit des Sehsystems) ist nicht genetisch determiniert rigide und unveränderlich wie eine Computerplatine, sondern durch täglich neue Erfahrungen und Lernen (Training) gibt es eine hohe Dynamik im gesamten Gehirn. Es ist ein ständiges „Kommen und Gehen“ synaptischer Verknüpfungen und Konnektivitäten. Die Hirnstruktur ist extrem dynamisch und funktionelle (nicht anatomische) Netzwerke können sich je nach aktuellem Bedarf innerhalb von Millisekunden verändern [11]. Diese enorm flexible und dynamische Veränderungsfähigkeit macht die Einzigartigkeit des Gehirns gegenüber allen anderen Organen aus. In der Ophthalmologie ist das Konzept der Neuroplastizität aber bisher noch nicht angekommen, denn die tradierte Lehrmeinung eines rigide verschalteten, unveränderlichen neuronalen Sehsystems ist immer noch Standard. Dieses Dogma entspricht aber nicht mehr dem Stand der Technik, denn in den letzten Jahrzehnten ist die Plastizität des Sehsystems gut erforscht worden. Eine Umsetzung in die Praxis lässt aber noch auf sich warten. Bahnbrechende Ergebnisse zur Plastizität des visuellen Systems wurden schon in den 1980er-Jahren von Ulf Eysel (Universität Bochum) [13] beschrieben. In adulten Katzen wurden zunächst die rezeptiven Felder im Gehirn bestimmt. Das sind diejenigen Bereiche im Gesichtsfeld, die von einem retinotop zugeordneten Zellverband im Gehirn „verarbeitet“ werden. Nach einer binokularen Retinaläsion konnten Zellgruppen, denen der retinotope Bereich durch die Retinaläsionen abhandengekommen war, nach einer gewissen Zeit der Erholung wieder auf Sehreize reagieren. Sie reagierten nun auf andere Gesichtsfeldareale, also solche, auf die sie vorher nicht reagiert hatten. Die rezeptiven Felder hatten sich spontan reorganisiert. Neuere Forschungen zeigen [14], dass sich selbst weitreichende Hirnnetzwerke nach Läsionen reorganisieren können. Zahlreiche unabhängige Forscher haben seither die Plastizität des Sehsystems ausführlich untersucht und bestätigt [7], u. a. der Nobelpreisträger Torsten Wiesel (Rockefeller University, New York) [15]. Er beobachtete sowohl nach Retinaläsionen als auch nach Hirnläsionen in adulten Katzen oder Affen eine massive Reorganisation neuronaler Verschaltung rezeptiver Felder. Andere Hinweise auf die Plastizität nach Läsionen im Sehsystem ergaben Versuche an Laborratten, die eine erstaunliche Spontanerholung in der frühen Phase nach einer Schädigung des Sehnervs durchliefen [16], obwohl die Zellzahl noch weiter abnahm [17]. Dies kann durch eine leichtere Erregbarkeit retinaler Ganglienzellen erklärt werden [18]. Spontanerholung von Schädigungen des Sehsystems können auch erfahrene Kliniker bestätigen: akute Fälle von Sehverlusten können in den ersten Wochen eine oft erstaunliche (und nicht erklärbare) Spontanerholung durchlaufen, etwa nach Schlaganfall oder traumatischer Optikusneuropathie [19]. Wie ich im Folgenden aufzeigen möchte, ist die Neuroplastizität, die übrigens bis ins hohe Lebensalter erhalten bleibt, nicht nur für die Forschung sondern auch für die Praxis der Ophthalmologie relevant. Denn ähnlich der neurologischen Rehabilitation können auch GFD und andere Sehbeeinträchtigungen über die Modulation der Neuroplastizität behandelbar werden. Das ist eine gute Nachricht für Patienten. Perzeptuelles Lernen bei Normalprobanden ! Neuroplastizität ist kein Sonderereignis der Gehirnaktivität, sondern sie ist die Basis von sensorischem Lernen. Darum kann sogar normales Sehen durch Training noch verbessert werden. Dazu muss sich das Sehen in der kindlichen Entwicklung durch Erfahrung und Lernen erst ausbilden. Auch wenn die grundlegende Anatomie der Augen und des Gehirns genetisch vorbestimmt sind, so führt doch erst die Seherfahrung (Sehtraining) zur Ausbildung der notwendigen neuronalen Feinstrukturen im Gehirn. Die Sehleistung ist also sowohl genetisch vorbestimmt als auch durch die Interaktion des Gehirns mit seiner visuellen Umwelt determiniert. Darum ist perzeptuelles Lernen für die Entwicklung des Sehsystems kritisch. Fehlt die Seherfahrung, bleiben dauerhafte Schäden zurück. Aber die sensorische Leistungsfähigkeit kann auch im Erwachsenenalter durch perzeptuelles Lernen (Training) gestärkt werden. Trainierbar sind z. B. die Detektion schwellennaher Reize, Mustererkennung, Sehschärfe, Bewe" Tab. 1). Pergungssehen, Texturerkennung, 3-D-Sehen usw. (l zeptuelles Lernen kann zu „supernormalen“ Sehleistungen führen, die für die Ausübung mancher Berufe besonders wichtig ist, etwa bei Uhrmachern, Künstlern, Piloten oder Scharfschützen. Perzeptuelles Lernen ist schon lange Gegenstand psychologischer Forschung, u. a. auch im Bereich der visuellen Wahrnehmung [20–22]. Sabel BA. Sind Gesichtsfelddefekte doch … Klin Monatsbl Augenheilkd Heruntergeladen von: Medizinische Fakultät der Universität Magdeburg. Urheberrechtlich geschützt. Übersicht Übersicht Tab. 1 Übersicht von Beispielpublikationen zur Verbesserung von Gesichtsfelddefekten und perzeptuellem Lernen. Der Begriff „Verbesserung“ bezieht sich nur auf Werte mit statistischer Signifikanz. Referenz Erkrankung Methoden Ergebnisse Polat, Sagi (1994) [22] Otto, Michelson (2014) [23] gesund perzeptuelles Lernen mit Gabor-Mustern, 40 Sitzungen repetitive Tests visueller Funktionen innerhalb 5 Wochen (10 Sessions), n = 10, 2 Sessions/Woche à 30 min perzeptuelles Lernen von Diskriminationsaufgaben Erleichterung in der Wahrnehmung und Unterscheidung von Gabor-Patches " verbesserter Visus (Verbesserung um 32%) " verbesserte Kontrastsensitivität (Verbesserung um 40%) Beard et al. (1994) [21] gesund Chung et al. (2004) [20] gesund " " " Jung et al. (2008) [31] AION perzeptuelles Lernen 10° im oberen bzw. unteren Gesichtsfeld 2 Gruppen mit je n = 18 4 Tage à ca. 1,5 Std VRT im sehenden Gesichtsfeld (SF; n = 5) vs. VRT im Bereich des residualen Sehens (ARV; n = 5) " " " " " " " " Polat et al. (2004) [8] Amblyopie Sabel, Gudlin (2014) [28] Glaukom Sahraie et al. (2006) [30] Kortikale Blindheit Sabel et al. (2011) [35] Optikusneuropathie perzeptuelles Lernen mit Gabor-Mustern (n = 77) Kontrollgruppe (n = 16) Vision Restoration Training (VRT) (n = 15) vs. visuelles Diskriminationstraining (n = 15) 6 ×/Woche, 2 × tägl. à 30 min Detektionstraining (n = 12) täglich 3 Monate " " " " " " " " " nicht invasive Wechselstromstimulation (rtACS; n = 12) 10 Tage à 40 min vs. Kontrollgruppe (n = 10) " " " " " " Gall et al. (2011) [33] Optikusneuropathie rtACS (rtACS; n = 24) 10 Tage à 20–40 min vs. Kontrollgruppe (n = 18) Zihl, von Cramon (1979) [24] Postchiasmaläsion Lichtsensitivitätstraining mit Tübinger Perimeter (n = 12) " " " " " " " " " Kasten et al. (1998) [25] Postchiasmaläsion Läsionen des N. opticus VRT (n = 19) vs. altersgematchte Kontrollgruppe (n = 19) 1 h tägl., 6 Monate " " Verbesserung in den Aufgabenbearbeitungen Verbesserungen abhängig von Art der Aufgabe Transfer auf andere Aufgaben und auf untrainiertes Auge Erweiterung der visuellen Spanne Erhöhung der Lesegeschwindigkeit Transferleistung auf untrainiertes Auge verbesserter Visus in Trainingsgruppe der ARV kein Effekt in der Trainingsgruppe SF verbessertes binokulares Lesen in der Trainingsgruppe ARV leichte Verbesserung der fovealen Sensitivität in Humphrey-Perimetrie beider Gruppen (ARVprä: 32,1; ARVpost: 33,0/34,0; SFprä: 30,4; SFpost: 33,9/33,3) leichte Verbesserung der Accuracy im HRP beider Gruppen (+ 17,1 % in ARV-Gruppe; + 16,4 % in SF-Gruppe) verbesserte Kontrastsensitivität Verbesserung des Visus (ETDRS; Verbesserung um 0,15 logMAR) verbesserte visuelle Repräsentation verbesserte Genauigkeit (Accuracy) im HRP (prä: 37,45; post: 44,17) verbesserte Reaktionszeit im HRP (prä: 579,73 ms; post: 541,67 ms) verbesserte Accuracy in der Perimetrie (prä: 76,13; post: 78,65) verbesserte Detektion und Diskrimination (Kontrast) verbessertes Wahrnehmungsbewusstsein in einer Detektionsaufgabe und einer Diskriminationsaufgabe (Kontrast) verbesserte Sensitivität in der Humphrey-Perimetrie verbesserte Accuracy in defekten GF im HRP (+ 69,25%) verbesserte Accuracy im gesamten GF im HRP (+ 36,79 %) verbesserte Reaktionszeit (Verbesserung um 19,63 ms) und Fixation (+ 7,19%) im HRP verbesserte Sensitivität in statischer Perimetrie (+ 0,54) verbesserte Nah- und Fernsicht Alphawellenänderungen im EEG verbesserte Accuracy im HRP Vergrößerung des Gesichtsfelds verbesserte foveale Schwelle in Perimetrie verbesserte Lichtsensitivität Verbesserung der Kontrastsensitivität höher in der Peripherie des GF patientenabhängige Vergrößerung des GF Verbesserung von Visus und Farbwahrnehmung Verbesserungen nicht stabil verbesserte Accuracy in HRP besonders bei Patienten mit Läsionen des N. opticus (postchiasmatische Läsion prä: 19,46 %; postchiasmatische Läsion post: 23,38; Läsion N. opticus prä: 40,64 %; Läsion N. opticus post: 62,56 %) vergrößertes GF ARV: Areas of residual Vision; HRP: computergestützte Perimetrie mit überschwelligen Reizen; rtACS: nicht invasive Wechselstromstimulation; SF: Seeing Field; VRT: Vision Restoration Training Für den Bereich der Ophthalmologie sei hier eine Arbeit zum perzeptuellen Lernen von Otto und Michelson [23] erwähnt, die 10 junge Probandinnen mit Übungen zur Sehschärfe und Kontrastsensitivität in 10 Sitzungen à 30 Minuten 5 Wochen trainierten. Es fanden sich signifikante Leistungssteigerungen um 32 % in der Sehschärfe und 47 % in der Kontrastsensitivität. Diese Verbesserungen traten aber nicht bei allen Versuchspersonen auf, denn 1–2 der Probandinnen verbesserten sich nicht. Sabel BA. Sind Gesichtsfelddefekte doch … Klin Monatsbl Augenheilkd Wenn also normales Sehen trainierbar ist, kann dann nicht die gleiche perzeptuelle Lernfähigkeit und Plastizität auch bei Teilleistungsstörungen des Sehsystems hilfreich sein, die Residualleistungen zu stärken? Heruntergeladen von: Medizinische Fakultät der Universität Magdeburg. Urheberrechtlich geschützt. gesund Sehtraining nach Schädigung des Sehsystems Nicht invasive Wechselstrombehandlung ! ! Es liegen Belege vor, dass auch die Sehleistung bei verschiedenen Erkrankungen des Sehsystems durch Training verbessert werden kann. In jüngster Zeit haben wir Verfahren zu Resynchronisation der Netzwerkaktivität des Gehirns mittels Wechselstromimpulsen erprobt und bei teilerblindeten Patienten getestet. Hierbei wird Wechselstrom mittels Wasserelektroden an der Stirn nicht invasiv für 10 Tage à 20–40 Minuten verabreicht (siehe Video: www. youtube.com/watch?v=g8p3mWsLvAI). Der Wechselstrom fließt von der Elektrode zum Auge und regt dort retinale Ganglienzellen dazu an, in vorbestimmten Frequenzen zu feuern mit dem Ziel der Resynchronisation von Hirnnetzwerken [14]. Eine Schädigung des N. opticus führt nämlich zu einer Desorganisation funktioneller Netzwerke im Gehirn [10, 32], was sich durch eine neurophysiologische Desynchronisation im EEG bemerkbar macht. Behandlungen mittels Wechselstrom können diesen Zustand über eine Resynchronisation von Hirnnetzwerkaktivität verbessern [14]. Inzwischen liegen kontrollierte klinische Studien zur Wechselstromtherapie vor [33–35], in denen Glaukom- und N.-opticusPatienten mit Wechselstrom oder einer Placebotherapie behandelt wurden. Es fanden sich in der behandelten Gruppe eine signifikant verbesserte Detektionsleistung um 20–40 % in der überschwelligen Perimetrie, schnellere Reaktionsgeschwindigkeiten, sowie eine Verringerung der mittleren Sehschwelle, was die seh" Abb. 3). bedingte Lebensqualität (inkl. Leseleistung) steigerte (l Selbst einige Patienten mit sehr starken Beeinträchtigungen ha" Tab. 1). Sie beben z. T. deutlich von der Behandlung profitiert (l richteten subjektiv von verbesserter Mobilität und Orientierung im Raum, erhöhter Farbsättigung, geringerer Blendung, Aufklaren des optisch nicht erklärbaren „Nebels“ und einem erweiterten Sehfeld. Nebenwirkungen sind minimal; manche Patienten erleben gelegentliches Kribbeln unter der Stimulationselektrode und kurzzeitige Blutdruckschwankungen (selten). Ernste Nebenwirkungen wurden aber in keinem einzigen Fall beobachtet. Die Restitution der Sehleistung ist individuell sehr unterschiedlich. Sie hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Topografie des Sehschadens und relativer Größe der Gebiete des Residual" Abb. 1). Interessanterweise spresehens (grau dargestellt in l chen Patienten mit hohem Stressniveau auf die Therapie kaum an, wozu es bisher keine Erklärung gibt. Insgesamt ist der Erfolg zufriedenstellend, denn 70–80 % der Patienten erzielten messund spürbare Verbesserungen ihrer Sehleistung, was unlängst in einer randomisierten, multizentrischen Studie bestätigt wurde (Gall, Schmidt, Schittkowski et al., unveröffentlicht). Das Ausmaß des Therapieerfolgs ist unabhängig von Faktoren wie der Ursache des Sehverlusts, der Dauer der Erkrankung oder dem Alter des Patienten. Aber wie auch beim Sehtraining ist die Stabilität der Sehverbesserungen individuell recht unterschiedlich und variiert zwischen Wochen und Jahren. Voraussetzung für den Erfolg der Therapie ist in jedem Fall das Vorhandensein von Restsehen („Residualsehen“), denn eine komplette Erblindung hat keine Chance auf Verbesserung. Wichtig ist die realistische Aufklärung der Patienten über die Prognose der Therapie, und dass mit einer Normalisierung der Sehleistung auf keinen Fall zu rechnen ist. GFD werden immer zurückbleiben, auch wenn eine spürbare Verbesserung die Regel ist. Auch andere Arbeitsgruppen haben Studien zur Wechselstromtherapie vorgelegt: in Deutschland zur Makuladegeneration [36] und Retinitis pigmentosa [37] mit eher bescheidenen Erfolgen und zur optischen Neuropathie in Russland [38] und Japan [39], wobei es sich hier nicht um kontrollierte Studien handelte. Amblyopie Gerade in der frühen Kindheit ist die Plastizität des Gehirns, und damit die Fähigkeit zum perzeptuellen Lernen, besonders gut ausgeprägt. Daher gilt auch die Lehrmeinung, dass die Behandlung der Amblyopie nur während einer kritischen Phase im Kindesalter durch das (zeitweise) Abdecken des intakten Auges mit einer Augenklappe möglich ist, um so dem geschwächten Auge die Chance zu geben, seine Funktion durch Nutzung zu stärken. Heute aber wissen wir, dass auch im Erwachsenenalter Amblyopietraining wirksam ist. Polat et al. [8] trainierten erwachsene Amblyopiepatienten mit einem Kontrastdiskriminationstraining und fanden eine Verbesserungen der Sehschärfe um 78%. GF-Defekte nach Schlaganfall und Hirntrauma Selbst in der chronischen Phase nach Schlaganfall oder Hirntrauma können GFD von Hemianopikern durch regelmäßiges Training verbessert werden. So fanden Zihl und v. Cramon eine Verschiebung der Gesichtsfeldgrenze bei Hemianopikern durch wiederholtes Testen in der Perimetrie (= Training) [24]. In den 1990er-Jahren trainierten Kasten und Sabel [25, 26] Hemianopiker am Heimcomputer 1 Stunde täglich für die Dauer von 6 Monaten. In dieser ersten randomisierten Studie fanden sich Gesichtsfelderweiterungen von durchschnittlich ca. 5 Sehwinkelgrad, aber das Ausmaß der Verbesserung war sehr unterschied" Tab. 1). Während manche Patienten keine Verbesserung lich (l erzielten, waren diese bei anderen sehr deutlich (> 20°). Eine zusätzliche Anregung der Erholung konnte durch gezielte Aufmerksamkeitslenkung auf die Gesichtsfeldgrenze hin erreicht werden [27]. N.-opticus-Schädigungen und Glaukom Auch wenn die Vermutung naheliegt, dass sich periphere Schädigungen im N. opticus schlechter erholen können, so ist doch erstaunlicherweise das Gegenteil der Fall: Sehtraining verbessert die Wahrnehmungsleistung bei N.-opticus-Schädigungen [25] und Glaukom [28] und das Erholungspotenzial ist sogar größer als bei Läsionen im Gehirn. Gemessen wurden (i) Erweiterungen des Gesichtsfelds, (ii) schnellere Reaktionszeiten, (iii) Zunahme " Tab. 1). der Sehschärfe, und (iv) verbesserte Fixationsleistung (l Subjektiv berichteten Patienten von Sehfelderweiterungen, weniger „Nebel“, verbesserter Sehschärfe, schnellerer Reaktionsfähigkeit oder Verbesserung der Leseleistung. Welche dieser Parameter sich erholen, ist aber individuell sehr unterschiedlich. Auch wenn diese Befunde zunächst skeptisch aufgenommen wurden, stiegen das Interesse und die internationale Akzeptanz des Themas „Gesichtsfeldrestitution“, wie man an Publikationen in hochrangigen Journalen wie Nature Medicine [25], Neurology [14, 27], und JAMA Ophthalmology [28] sehen kann. Außerdem liegen inzwischen auch unabhängige Bestätigungen anderer Arbeitsgruppen vor [29–31]. Da jedoch ein Sehtraining vom Patienten einen hohen Zeitaufwand von monatelangem Training erfordert, wird das Verfahren bisher nur in neurologischen Rehabilitationskliniken für die Dauer von einigen Wochen angeboten. In der augenärztlichen Praxis wird Sehtraining bisher nicht eingesetzt, was die Suche nach alternativen, weniger aufwendigen Verfahren motiviert. Sabel BA. Sind Gesichtsfelddefekte doch … Klin Monatsbl Augenheilkd Heruntergeladen von: Medizinische Fakultät der Universität Magdeburg. Urheberrechtlich geschützt. Übersicht Übersicht Mechanismen der Wechselstromtherapie Wie kann man sich die Mechanismen einer Wechselstromtherapie vorstellen? Das Gehirn kann, wie bei normalem Lernen auch, bei repetitiver Aktivierung (etwa durch Elektrostimulation) synchrone Rhythmen wiedererlernen, die auch über die Stimulationszeit hinaus aufrechterhalten bleiben [14, 35]. Dies ist eine Art „Nachhall“-Effekt („after-effect“), der auch bei normalen Probanden beobachtet werden kann [5, 40]. Die Folge ist eine physiologische Resynchronisation und damit eine Stärkung des Resi" Abb. 2 zeigt, wie die neuronale Information der dualsehens. l Retina (symbolisch dargestellt in Form einer Sinuswelle) von einem desynchronen Gehirn nicht ausreichend verstärkt werden kann, um eine bewusste Seherfahrung zu erzeugen. Wenn hingegen das Gehirn gut synchronisiert ist, so werden die unterschwelligen Impulse der teilgeschädigten Gesichtsfeldareale vom „Gehirnverstärker“ entsprechend amplifiziert und die Sehleistung verbessert sich. Auf diese Weise kann Hirnsynchronisation Restsehen verstärken, auch wenn die retinalen Impulse nicht stärker geworden sind. So wie bei einem Nachtsichtgerät kann Residualsehen durch zentrale Verarbeitung im Gehirn amplifiziert werden, obwohl sich die retinalen Impulse nicht regeneriert haben. Dass die Synchronisation neuronaler Schaltkreise sowohl zu lokalen als auch globalen Aktivierungen im Gehirn führen kann, zeigen funktionelle MRT-Untersuchungen (fMRT). Hier fand sich sowohl während der Stimulation [41] als auch in der Zeit danach eine erhöhte Aktivierung im visuellen Kortex bei Normalprobanden (unveröffentlichte Beobachtung). Auch in einem Schlaganfallpatienten fanden wir nach 10 Tagen Behandlung deutliche Zeichen einer Reorganisation des visuellen Kortexes mittels " Abb. 4) (Abd Hamid, Gall, Speck, hochauflösendem 7-T-fMRT (l Schoenfeld & Sabel, unveröffentlicht). Dies deutet auf eine lokale Aktivierung hin. Aber können auch Hinweise auf eine globale Aktivierung funktioneller Hirnnetzwerke mit dem EEG nachgewiesen werden? Nach der Wechselstrombehandlung findet sich tatsächlich eine erhöhte Alphasynchronisation funktioneller Netz- Sabel BA. Sind Gesichtsfelddefekte doch … Klin Monatsbl Augenheilkd werke, die nach der Therapie eine zuvor gestörte Kommunikation zwischen dem visuellen Kortex und dem Frontalkortex (ei" Abb. 5, [11]). nem nicht visuellen Hirnareal!) verbesserte [14] (l Daraus folgt: Wechselstrom führt nicht nur zu lokalen Änderungen im Gehirn, es werden auch weitreichende Netzverbindungen von Neuronen aktiviert, die das Gehirn in seiner gesamten Länge durchlaufen [14]. Je erfolgreicher also das neuronale Netz lokal und global synchronisiert ist, desto mehr Residualsehen kann reaktiviert werden. Auch wenn die Schädigung des Sehnervs selbst irreversibel ist und nicht regeneriert werden kann, so ist doch der Gesichtsfelddefekt über die Plastizität und Synchronisation des Gehirns zumindest teilweise reversibel [7]. Das Gehirn wirkt bei der Verarbeitung des Residualsehens wie ein Verstärker nach einem Reset. Reversible Gesichtsfelder: ein alter Hut? ! Sind Gesichtsfelder also reversibel, und ist es wirklich möglich, mit Wechselstrom bei GFD etwas zu bewegen? Vom Wert der „Stromtherapie“ bei Optikusatrophien und damit der Beobachtung der Erholungsfähigkeit der Sehleistung, hat schon Ludwig Mann [42] berichtet – er schreibt: „Die Elektrotherapie der Optikus-Erkrankungen ist in den letzten Jahrzehnten so gut wie vollständig unbearbeitet geblieben. Sowohl die Neurologen, wie die Ophthalmologen, haben in der letzten Zeit vollkommen darauf verzichtet … konsequente Versuche mit elektrischer Behandlung anzustellen…. Einen ganz anderen Standpunkt sehen wir in der Literatur vor etwa 20–30 Jahren…, in welcher die Elektrotherapie…ein größeres Vertrauen genoss als heutzutage. Damals finden wir, sowohl in den elektrotherapeutischen Lehrbüchern als auch in Einzelpublikationen, die günstigsten Erfolge von der Elektrotherapie bei …(Optikusatrophien).“ Ludwig Mann, Augenarzt der Königlichen Universitätsaugenklinik zu Breslau, veröffentlichte seine Beobachtungen bereits 1904 Heruntergeladen von: Medizinische Fakultät der Universität Magdeburg. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 3 Beispiele von Gesichtsfeldern (30°) von Patienten mit Glaukom oder diabetischer Retinopathie jeweils vor und nach der Behandlung mit Wechselstrom. Die Kreise im unteren Bild zeigen die Gebiete mit GF-Verbesserungen an. Übersicht Abb. 5 Teil a zeigt die Aktivität der Alphawellen im EEG vor, während und nach einer Behandlung mit Wechselstrom. Es ist deutlich zu erkennen, dass vor der Behandlung keine Alphaaktivität registriert wurde. Diese breitet sich aber während des Therapieverlaufs von okzipital nach frontal aus. Teil b funktionelle Konnektivitäten, gemessen ebenfalls mittels EEG, im Gehirn bei Normalsichtigen vs. teilerblindeten Patienten vor und nach der Therapie (Aufsicht, Nase ist oben). Die Veränderungen funktioneller Konnektivitäten wurden vor allem im EEGAlpha-Bereich beobachtet und verdeutlichen die Desorganisation der Hirnnetzwerke nach N.-opticus-Schädigung und die Resynchronisation nach Wechselstromtherapie. [42]. Er bezog sich dabei u. a. auf das Lehrbuch von Wilhelm Erb im Jahr 1882, der schon 20 Jahre vorher auf Sehleistungsverbesserungen nach Hirnstimulation hinwies [43]. Dieses Wissen aus dem späten 19. Jahrhundert war aber in Vergessenheit geraten. Ein recht kurioser Grund hierfür ist folgender: die Elektrotherapie, die zunächst in den späten 1870–1890er-Jahren als moderne Errungenschaft der Medizin gefeiert (aber auch bekämpft) wurde, regte fantasiereiche Romanschreiber dazu an, Geschichten von einem toten Monster zu erzählen, das von einem genialen Wissenschaftler durch elektrische Ströme zum Leben erweckt werden konnte. Es war die Geburt von „Frankenstein“, der in der Fantasie und Hysterie der Romanleser das Monster zum Leben erweckte. Frankenstein lebte, aber die Elektrotherapie war tot und galt hernach als Scharlatanerie. Zu Unrecht. Somit ist die grundlegende Beobachtung der Reversibilität von Gesichtsfelddefekten bereits fast 150 Jahre alt, also ein durchaus „alter Hut“. Der medizinische Wert der Gleich- oder Wechselstromtherapie ist aber dank der modernen Neurowissenschaften Sabel BA. Sind Gesichtsfelddefekte doch … Klin Monatsbl Augenheilkd Heruntergeladen von: Medizinische Fakultät der Universität Magdeburg. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 4 7-T‑MRT-Aufnahmen des visuellen Kortexes eines Hemianopikers vor und nach Behandlung mit Wechselstrom. Der schwarze Bereich zeigt den Ort der Läsion im visuellen Kortex. Die farbigen Felder zeigen die Aktivierungsmuster unter Bedingungen exzentrischer Reizmuster (links) bzw. bei Vollfeldstimulation (rechts). Nach Wechselstromtherapie finden sich erhöhte Aktivierungen in den unterschiedlichen „regions of interest“ (ROI), die durch weiße Kreise markiert sind. Übersicht Schlussfolgerungen und Ausblick ! Die Ausgangsfrage danach, ob Gesichtsfelder reversibel sind, kann mit einem klaren „Jein“ beantwortet werden. Komplett reversibel sind sie nicht, wohl aber können Teilschädigungen über die Aktivierung des Residualsehens verbessert werden. Diese sind objektiv messbar und von Patienten von subjektivem Nutzen. Die dahinter liegenden Mechanismen sind in der Hirnphysiologie zu suchen, der Plastizität neuronaler Netzwerksynchronisation. Die Plastizität ist für das Gehirn eine vertraute Angelegenheit, die wir täglich nutzen wenn wir etwas Neues lernen. Vielleicht auch jetzt, da Sie diesen Beitrag gelesen haben. Bleibt zu hoffen, dass die Zukunft der Augenheilkunde vermehrt die Funktion des Gehirns bei der Diagnose und Behandlung von Patienten mit GF-Defekten berücksichtigt. Durch das enorme Potenzial der Plastizität hat die Teilerblindung über den Weg der Synchronisation von Hirnnetzwerken eine Chance zur Verbesserung. Wir sollten die Ursache für „Augenerkrankungen“ nicht nur allein im Auge oder in der Retina suchen. Vielmehr ist weitere Forschung notwendig, um die Rolle des Gehirns dabei mehr zu berücksichtigen und dessen Potenzial stärker als bisher zu nutzen. Die Möglichkeit der Modulation von Hirnnetzwerken wird uns dabei helfen. Eine völlige Reversibilität von GF-Defekten ist nicht zu erwarten. Aber der Anfang ist gemacht und es gibt noch viel Neues zu entdecken. Da ist definitiv mehr Licht am Ende des Tunnels. Sabel BA. Sind Gesichtsfelddefekte doch … Klin Monatsbl Augenheilkd Danksagung ! Gefördert durch ERA‑net Neuron network „Restoration of Vision after Stroke (REVIS)“, (BMBF grant nr: 01EW1210) und www. savir-center.com. Ich danke Sylvia Prilloff und Inga Menze für redaktionelle Unterstützung. Interessenkonflikt ! Nein. Literatur 1 Bertram B. Blindheit und Sehbehinderung in Deutschland: Ursachen und Häufigkeit. Der Augenarzt 2005; 39: 267–268 2 Pascual-Leone A, Amedi A, Fregni F et al. The plastic human brain cortex. Annu Rev Neurosci 2005; 28: 377–401 3 Freund HJ, Sabel BA, Witte O, eds. Brain Plasticity. Philadelphia: Lippincott/Raven Press; 1997 4 Kasten E, Wüst S, Sabel BA. Residual vision in transition zones in patients with cerebral blindness. J Clin Exp Neuropsychol 1998; 20: 581–598 5 Herrmann CS, Rach S, Neuling T et al. Transcranial alternating current stimulation: a review of the underlying mechanisms and modulation of cognitive processes. 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Urheberrechtlich geschützt. wiederentdeckt worden, nachdem im Jahr 2000 bahnbrechende Arbeiten von Paulus und Nitsche (Universität Göttingen) [44] zeigten, dass Gleichstromstimulation hirnphysiologische Veränderungen hervorrufen kann, die über den Stimulationszeitraum hinaus erhalten bleiben. Es wurden weltweit 17 000 Arbeiten über Hirnstimulation mit Strom am Menschen publiziert, davon 380 im Jahr 2015. Die Stromtherapie steht, fast 150 Jahre später, erneut im Fokus neurowissenschaftlicher Forschung und ist wieder „hoffähig“. Aber auch jetzt sprießen wieder die Blüten der Fantasie, denn sowohl Medien als auch Wellnessindustrie – und gar das US-Militär – feiern begeistert die Hirnaktivierung als Methode der Intelligenz- und Aufmerksamkeitssteigerung durch Stromstimulationsspiele, ein neuer Zweig der Gaming-Industrie. Stromstimulation ist aber ein medizinisches und neuropsychologisches Therapieverfahren und nicht zur unregulierten Anwendung in der Gaming-Welt der Unterhaltungsindustrie geeignet; Hirnstimulationsgeräte sind keine Spielzeuge [45]. Nach der Entdeckung des EEGs durch Hans Berger im Jahr 1924 ist die Elektrophysiologie in der Neurologie, Ophthalmologie und Hirnforschung jetzt aber fest verankert und wir verstehen heute die elektrischen Hirnströme sehr gut. Bleibt zu hoffen, dass wir gegen eine erneute Behinderung der Forschung und klinischen Anwendung von Hirnstimulation nun immunisiert sind und dass uns das alte/neue Verfahren der Elektrotherapie in der Medizin erhalten bleibt. Neue Zeiten, neue Hüte. Nur durch solide Forschung kann und muss es weitergehen, damit Ophthalmologie und Neurologie gemeinsam zum Wohl ihrer Patienten neue Therapieverfahren entwickeln. Ophthalmologie mit Gehirn. 24 Zihl J, von Cramon D. Restitution of visual function in patients with cerebral blindness. 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